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in 2011 with funding from
California Academy of Sciences Library
http://www.archive.org/details/jahrbuchderka661916unse
JAHRBUCH
DER
KAISERLICH-KÖNIGLICHEN
bEULÜGISCHEN REICHSANSTALT
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LXVI. BAND 1916.
Mit 12 Tafeln.
wien, 1917.
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt.
In Kommission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. u. k. Hofbuchhandlung,
I. Graben 31.
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Inhalt.
Personalstand der k. k. geologischen Reichsanstalt (1. Dezember 1917) .
1. Heft.
F. Wähner: Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges.
Mit 8 Tafeln (Nr. I-VII) und einer Textabbildung . . .......
€. F. Eichleiter und O0. Hackl: Chemische Untersuchung der Schwefelquelle
in Lubstschowitz:. ya 4h: N A re RL EN :
6. Scehlesinger (Wien): Meine Antwort in der Planifronsfrage. II Die nieder-
österreichischen Planifronsmolaren. Mit 14 Abbildungen im Texte .
0. Ampferer: Ueber Kantengeschiebe unter den exotischen Geröllen der
Gosauschichten. Mit einer Lichtdrucktafel (Nr. IX)
C. F. Eichleiter und ©. Hackl: Chemische Analyse der Heiligenstädter
Mineralquelle
2. Heft.
Dr. Fritz v. Kerner: Quellengeologie von Mitteldalmatien. Mit zwei Tafeln
(Nr. X und XI)
J. V. Zelizko: Beitrag zur Kenntnis der Gervillien der böhmischen Ober-
kreide. Mit einer Tafel (Nr. XII... . EA N EN final.
Ottilie Saxl: Ueber ein Juravorkommen bei Skutari in Albanien. Mit
RE BSNAImDEeR Im Ten a en
3. und 4. Heft.
Dr. A. Aigner: Geomorphologische Studien über die Alpen am Rande der
Benehle/dorzGeolopiei nn. u. DT en
Seite
137
139
145
277
281
293
IV
Verzeichnis der Tafeln.
Tafel I-VII:
Seite
zu: F. Wähner: Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Falten-
gebirges . 1.4 2.0. 10 oe re Ra |
Tafel IX:
zu: O0. Ampferer: Ueber Kantengeschiebe unter den exotischen Geröllen der
Gosauschiehten ;. 2...) 8 TR an Na ee u
Tafel X und XI:
zu: Dr. Fritz v. Kerner: Quellengeologie von Mitteldalmatien. ...... 145
Tafel XII:
zu: J. V. Zelizko: Beitrag zur Kenntnis der Gervilien der böhmischen Ober-
kreide".r...... mw en. ER ER E 2 be
Personalstand
der
k. k. geologischen Reichsanstalt.
(1. Dezember 1917.)
Direktor:
Tietze Emil, Phil. Dr., Ritter des Leopold-Ordens und des österr.
kaiserl. Ordens der Eisernen Krone Ill. Kl., Besitzer der Ehren-
medaille für 40 jähr. Dienste, k. k. Hofrat, Ehrenpräsident und
Inhaber der Hauermedaille der k. k. Geographischen Gesellschaft
in Wien, III. Hauptstraße Nr. 6.
Vizedirektor:
Vacek Michael, Besitzer der Ehrenmedaille für 40jähr. Dienste,
k. k. Hofrat, III. Erdbergerlände Nr. 4.
Chefgeologen:
Geyer Georg, Ritter des kais. österr. Franz Josef-Ordens, k. k. Re-
gierungsrat, korr. Mitglied der kaiserl. Akademie der Wissen-
schaften, III. Hörnesgasse Nr. 9.
Bukowski Gejza v. Stolzenburg, k. k. Oberbergrat, III. Hansal-
gasse Nr. 3.
Rosiwal August, a. 0. Professor an der k. k. Technischen Hochschule,
III. Kolonitzplatz Nr. 8.
Dreger Julius, Phil. Dr., k. k. Bergrat, Mitglied der Kommission für
die Abhaltung der ersten Staatsprüfung für das landwirtschaft-
liche, forstwirtschaftliche und kulturtechnische Studium an der
k. k. Hochschule für Bodenkultur ete., Präsident der Geologischen
Gesellschaft in Wien, Ehrenbürger der Stadt Leipnik und der
Gemeinde Mösel, III. Ungargasse Nr. 71.
Ober-Bibliothekar:
Matosch Anton, Phil. Dr., k. k. Regierungsrat, Besitzer der kais.
ottomanischen Medaille für Kunst und Gewerbe, III. Geusau-
gasse Nr. 35.
VI
Vorstand des chemischen Laboratoriums:
Eichleiter Friedrich, kais. Rat, III. Kollergasse Nr. 18.
Geologen:
Kerner von Marilaun Fritz; Med. U. Dr., k. k. Bergrat, korr.
Mitglied der kaiserl. Akademie, der Wissenschaften, Mitglied der
Kommission. für die Abhaltung der ersten. Staatsprüfung an der
Hochschule für Bodenkultur, III. Keilgasse Nr. 15.
Hinterlechner Karl, Phil. Dr., k. k. Bergrat, XVIII. Kloster-
gasse Nr. 37.
Hammer Wilhelm, Phil. Dr.. XIII. Waidhausenstraße Nr. 16.
Waagen Lukas, Phil. Dr., Besitzer des Goldenen Verdienstkreuzes‘
mit der Krone, III. Sophienbrückengasse Nr. 10.
Adjunkten:
Ampferer Otto, Phil. Dr., II. Schüttelstraße Nr. 77.
Petrascheck Wilhelm, Phil. Dr., XVII. Scherffenbergstraße 3.
Ohnesorge Theodor, Phil. Dr., k. k. Landsturmleutnant, Besitzer
des Signum laudis (derzeit eingerückt zur militärischen Dienst-
leistung). III. Hörnesgasse Nr. 24.
Beck Heinrich, Phil. Dr., k. k. Landsturmingenieur (z. M. eingerückt),
III. Erdbergstraße Nr. 35. ,
Vetters Hermann, Phil. Dr., Privatdozent an der k. k. montanistischen
Hochschule in Leoben, k. k. Landsturmingenieur - Oberleutnant
(z. M., eingerückt), V. Stollberggasse Nr. 11.
| Assistenten:
Hackl Oskar, Techn. Dr., IV. Schelleingasse 8.
Götzinger Gustav, Phil. Dr., Preßbaum bei Wien.
Sander Bruno, Phil. Dr., Privatdozent an der k. k. Universität in
Wien, k. k. Landsturmingenieur-Leutnant (z. M. eingerückt).
Praktikanten:
Spitz Albrecht, Phil. Dr. (z. M. eingerückt).
Spengler Frich, Phil. Dr., Privatdozent an der k. k. Universität in
Graz, III. Marxergasse 39.
| Für das Museum:
Zeltizko Johann, Amtsassistent, 1II. Löwengasse Nr. 37.
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Für die Kartensammlung:
Zeichner:
Lauf Oskar, I. Johannesgasse 8.
Skala Guido, III. Hauptstraße Nr. 81.
Huber Franz (z. M. eingerückt), VIII. Hamerlingplatz 3.
Für die Kanzlei:
Gaina Johann, Rechnungsrevident im k. k. Ministerium für Kultus
und Unterricht.
Kanzleioffiziantin:
Girardi Margarete, III. Geologengasse Nr. 1.
Diener:
Amtsdiener:
Palme Franz, Besitzer der Ehrenmedaille für 40 jähr, Dienste
III. Rasumofskygasse Nr. 23,
Ulbing Johann, Besitzer des silbernen Verdienstkreuzes und der
Ehrenmedaille für 40 jähr. Dienste III. Rasumofskygasse Nr. 23,
Wallner Matthias, k. k. Offiziersstellvertreter, Besitzer der ihm
zweimal verliehenen kleinen Silbernen Tapferkeitsmedaille
(z. M. eingerückt), III. Rasumofskygasse Nr. 25.
Präparator: Spatny Franz, III. Rasumofskygasse Nr. 25.
Laborant: Felix Johann, III. Lechnerstraße 13.
Amtsdienergehilfe für das Museum: Kreye6a Alois, III. Erd-
bergstraße 33.
Amtsdienergehilfe für das Laboratorium: Bartl Anton (z. M.
eingerückt).
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Zur Beurteilung des Baues des mittel-
böhmischen Faltengebirges.
Von F. Wähner.
Mit 8 Tafeln (Nr. I—-VIII) und einer Textabbildung.
Zu den Lichtseiten, die Prag als Hochschulstadt besitzt, gehört
der Umstand, daß das Stadtgebiet und seine nahe wie weite Um-
gebung vortreffliche Gelegenheit zu geologischer Schulung bietet, wie
sie wenige andere größere Städte aufzuweisen haben dürften. Die
sogenannte Silurmulde — um vieles andere unberührt zu lassen —
ist nicht nur ein seit langem rühmlich bekanntes und dennoch nicht
ausgeschöpftes paläontologisches und stratigraphisches Arbeitsgebiet,
sondern sie ist zugleich ein besonders geeigneter Boden für tektonische
Studien. Auf einem mühelosen Spaziergange kann man bereits einen
lehrreichen Einblick in den Bau des älteren Paläozoikums erhalten
und eine Reihe von Musterbeispielen verschiedener Störungen kennen
lernen. Dies ist u. a. den überaus zahlreichen künstlichen Aufschlüssen
zu danken, die durch Straßen- und Eisenbahnbau und durch eine
mannigfaltige, ausgebreitete Steinbruchindustrie geschaffen wurden.
Gar manches wichtige Vorkommen ist zwar durch diesen Betrieb zer-
stört und für immer der Beobachtung entzogen worden, stets aber
werden dadurch viele andere bloßgelegt und der Beobachtung zu-
gänglich gemacht.
Man wird verstehen, daß es mir seit dem Beginne meiner
Prager Lehrtätigkeit nahe lag, jene Gelegenheit auch für den theo-
retischen und praktischen Unterricht in der Tektonik auszunützen.
Während meiner zehnjährigen Wirksamkeit an der deutschen tech-
nischen Hochschule konnte ich das erwähnte Uebungsfeld besonders
für die Unterweisung der zahlreichen Hörer der Bauingenieurschule
verwerten; bietet doch die richtige Beurteilung der Lagerungsverhält-
nisse eine der wichtigsten Grundlagen für die Ausführung von Ein-
griffen in den Boden wie für fast alle Arten von technisch-geologi-
schen Untersuchungen. In den letzten Jahren war ich an der deutschen
Universität außerdem in der Lage, einige meiner Schüler in jenem
Gebiete in selbständige tektonische Untersuchungen einzuführen. Ich
selbst habe im mittelböhmischen Faltengebirge ein ausgezeichnetes
Vergleichsgebiet für meine tektonischen Arbeiten in den Alpen ge-
wonnen, das sich insbesondere für gewisse allgemeine Fragen des
Gebirgsbaues als fruchtbringend erwiesen hat.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. Wähner.) j!
9 F. Wähner. [2]
Meine Beobachtungen im Verein mit den zahlreichen älteren
Untersuchungsergebnissen führten mich gegenüber der geltenden An-
schauung bald zu einer veränderten Auffassung des Baues des tief
abgetragenen alten Gebirges, die auch bei der schulmäßigen Dar-
stellung vorzubringen nicht vermieden werden konnte. Seit einer
Reihe von Jahren hat sich die Teilnahme jüngerer Prager Forscher
beider Nationen der Tektonik des altpaläozoischen Gebietes zuge-
wandt, es ist bereits eine Reihe tüchtiger Arbeiten erschienen, die
ähnliche Ergebnisse gebracht haben, und weitere Arbeiten stehen in
Aussicht. So mag es an der Zeit sein, jene Auffassung den Fach-
genossen in Kürze darzulegen. Es dürfte von Vorteil sein, die sich
ergebenden Gelegenheiten zu benützen, um die hier mitgeteilten Be-
obachtungen zu vervollständigen und Tatsachen, die für oder gegen
die erörterte Auffassung des Gesamtbaues sprechen, zu ermitteln und
bekanntzugeben. Zudem sollen mir die folgenden Zeilen die Mög-
lichkeit bieten, bei beabsichtigten anderweitigen Auseinandersetzungen
auf in dem genannten Gebiete gewonnene Erfahrungen hinzuweisen.
1. Geschichtliches über die Längsbrüche Eine tekto-
nische Regel.
Obgleich die neue Auffassung zunächst auf dem Boden der Be-
obachtung erwachsen ist, ist es doch nötig und lehrreich, an die
älteren Arbeiten und die dort vertretenen Anschauungen anzuknüpfen;
es ist dies um so notwendiger, als sich hierbei zeigen wird, daß die
vorzulegende Auffassung, die übrigens aus den in den letzten Jahren
erschienenen Arbeiten bereits hervortritt, gar nicht so neu ist, sondern
in gewisser Beziehung eine Rückkehr zu älteren Auffassungen darstellt.
Man weiß seit langem, daß die mittelböhmische „Silurmulde“
keine einfache Synklinale, sondern eine mehrfach, ja vielfach gefal-
tete Formationsgruppe darstellt. Schon die Verbreitung der einzelnen
Schichtengruppen, wie sie die geologische Karte zeigt, widerspricht
der Annahme eines so einfachen Lagerungsverhältnisses. Selbst die
jüngste der Schichtengruppen, die Barrande’sche Stufe 7, die dem
oberen Mitteldevon entspricht und in den Querschnitten am selten-
sten auftritt, bildet keineswegs nur den Kern einer Mulde, sondern
kommt in zwei im Streichen des Gebirges liegenden Hauptverbreitungs-
gebieten vor, von denen das nördliche nach dem Orte Hostim, das
südliche nach dem Orte Srbsko bezeichnet werden kann.
Die Beobachtungen über tektonische Störungen gehen weit zu-
rück; es genügt jedoch, von den an den Namen Krejci anknüpfen-
den größeren Arbeiten auszugehen, der zuerst systematische Zusammen-
stellungen der als Brüche zu bezeichnenden Störungen veröffent-
licht hat.
a) J. Krej£ti.
Von größter Bedeutung für den Bau des ganzen Gebietes sind
die Längsbrüche, das „Kluftsystem mit nordöstlichem Streichen“
Krejlis. Suchen wir zunächst, wie billig, einen Ueberblick über die
4
[3] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 3
Anschauungen zu gewinnen, die hierüber in den beiden wichtigsten
Abhandlungen des genannten verdienten Forschers ausgesprochen
sind), ?).. Auf die darin niedergelegten zahlreichen Beobachtungen
wird man noch lange bei allen tektonischen Arbeiten über Mittel-
böhmen zurückgehen müssen.
Die Feststellung der im Streichen liegenden Störungen beruht
darauf, daß — abweichend von der dem bekannten, oft wiederholten
idealen Profil Barrandes entsprechenden einfachen synklinalen
Lagerungsfolge — im Hangenden irgendeiner jüngeren Schichten-
gruppe irgendeine ältere Schichtengruppe auftritt, mit der für eine
gewisse Strecke wieder eine regelrechte Lagerungsfolge (jüngere
Schichten über älteren) beginnt.
Für Krejci sind diese Brüche im Zusammenhange mit der
Gebirgsbildung entstanden durch dieselben Bewegungen, aus denen
die Faltung der Gesteinsschichten hervorgegangen ist. Es ist darum
nicht zufällig, daß er von Hebungen spricht, die entlang den
Bruchlinien eingetreten sind, und es wäre unberechtigt, diese Vor-
stellung etwa damit abzutun, daß man sie auf ältere Gebirgsbildungs-
theorien zurückführt. Hiegegen sprechen am deutlichsten Stellen, an
denen ausdrücklich auf einen „lateralen Druck“ hingewiesen wird,
durch den die Brüche entstanden sein sollen.
Um die Auffassung Krejtis besser erkennbar zu machen, sind
im folgenden einige seiner Aeußerungen im Wortlaut angeführt, wo-
bei einzelne Ausdrücke hier durch den Druck hervorgehoben werden.
In den Erläuterungen (S. 6) ist in der Einleitung von „gebirgs-
bildenden Zusammenschiebungen“ der ältesten silurischen
Gesteinsschichten?) die Rede, „welche sich durch Faltungen und
Schichtenstörungen als Folge von Dislokationen zu erkennen
geben...“ ®).
In der Uebersicht finden wir in dem Abschnitte, der „das
Gebiet der Primordialfauna“, mithin kambrische Schichten behan-
delt, folgenden Satz (S. 11): „Die ursprünglich horizon-
talen Konglomeratschichten wurden durch Bruchlinien, die pa-
rallel zum nordöstlichen Streichen des Silursystems und senkrecht
darauf verlaufen, zersprengt und längs dieser nordöstlichen Bruch-
linien reihenweise aufgerichtet, so daß sich die Konglomerat-
schichten in einzelne einseitig gehobene und gegen NW einfallende
Streifen verteilten. :.“ Aehnlich wird (S. 15) in dem Unterabschnitt
über das Trzemoschnagebirge die Entstehung von fünf parallelen, nach
NO streichenden Bergrücken, die aus jenen Konglomeraten bestehen,
!) Krejei und Helmhacker, Erläuterungen z. geol. Karte d. Umgebungen
von Prag. (Archiv d. natw. Ldsdurchf. v. Böhm., IV, 2. Prag 1879.)
?) Krejdi und Feistmantel, Orogr.-geotekton. Uebersicht des silur. Ge-
bietes im mitt). Böhmen. (Dasselbe Archiv, V, 5. Prag 1885.)
3) Darunter sind alle älteren paläozoischen Bildungen im Gegensatze zum
Karbon zu verstehen; gemeint ist: die ältesten, d. i. silurischen Schichten.
4) Der Satz erscheint ein wenig schwerfällig, da wir unter Schichtenstörun-
gen und Dislokationen dasselbe zu verstehen pflegen. Aus den späteren An-
führungen ist klarer ersichtlich, daß sowohl die Faltungen wie die Verwerfungen
(diese letzten sind hier unter „Schichtenstörungen“ verstanden) als durch die gebirgs-
bildenden Bewegungen hervorgerufene Lagerungsstörungen aufgefaßt werden.
1 *
»
4 F. Wähner. [4]
erklärt und an anderer Stelle (S. 95) wird als „die Hauptwirkung“
der „Bruchlinie der Pribramer Lettenkluft“ „die Hebung des Tre-
mosnagebirges und des ganzen Brdawaldes“* hingestellt, „dessen süd-
liche steile Lehnen, welche hoch über die untergelagerten azoischen
Schiefer emporgehoben sind, dieser Bruchlinie parallel sind“.
In dem Abschnitt über die Verbreitung der obersilurischen
Stufen (Obersilur + Devon) wird (S. 78) darauf hingewiesen, daß man
in den Tälern auch „die Bruchlinien verfolgen kann, nach denen sie“
(die Stufen) „durch gegenseitigen Druck zu antiklinalen und
synklinalen Schichtenwellen aufgestaut und durch Verschiebungen
gegeneinander verworfen sind.“ Der Beschreibung der Bruchlinien
gehen allgemeine Bemerkungen über das „Kluftsystem mit nordöst-
lichem Streichen“ voran (S. 92): „Dieses System herrscht... am
meisten vor und veranlaßt nicht bloß Schichtenbrüche und Ver-
werfungen, welche nordöstlich, also parallel zur Schichtenablage-
rung’), streichen, sondern auch die wellenförmigen synklinalen und
antiklinalen Faltungen der Schichtenzonen, wie sie in den Durch-
schnitten der Silurmulde sich darstellen. Es®) ist offenbar durch
einen lateralen Druck entstanden, dem nach Schluß der
Silurperiode ihre mehr oder weniger horizontalen oder flach mulden-
förmigen Schichtenablagerungen unterworfen waren“ 7),
Die Längsbrüche sind in den zahlreichen Profilen Krejcis
als steil zur Tiefe setzende, zumeist lotrechte Verwerfungen ge-
zeichnet oder sie durchqueren, wenn das nicht der Fall ist, die
Schichten zu beiden Seiten oder doch auf einer Seite des Bruches.
Nach der graphischen Darstellung unterscheiden sie sich demnach
nicht von „echten* Verwerfungen, d.i. von Senkungsbrüchen, obgleich
sie, wie gesagt, theoretisch als Brüche aufgefaßt wurden, an denen
Aufwärtsbewegungen von größeren Gebirgsteilen stattgefunden haben.
b) J. Krejei und E. Suess.
Auf die in den Erläuterungen (1879) beschriebenen streichen-
den Sprünge der Gegend zwischen Beraun und Prag beruft sich
E. Suess zur Begründung einer neuen Vorstellung über den Bau
des mittelböhmischen Gebietes: „Diese Sprünge liegen im Streichen
der böhmischen Silurmulde, welche nach diesen Erfahrungen anstatt
des früher gebotenen Bildes einer einfachen Synklinale mehr und
mehr das Bild einer sehr breiten und verwickelten Grabensenkung
annimmt“ 8). Diese Anschauung ist, obgleich sie auf einem seltsamen,
5) Augenscheinlich eine Konzession an Barrande, entsprechend der vorher
(S. 91) erwähnten „ursprünglich mullenförmig konzentrischen Lagerung“ der
Schichten. Im nächstfolgenden Satze wird bereits eine der horizontalen recht nahe
kommende ursprüngliche Lagerung der Schichten angenommen. Auch sonst ist von
ursprünglich horizontaler Lagerung die Rede. (Vgl. den oben S. 3 von 8. 11
der „Übersicht“ angeführten Satz.)
6%) Das Kluftsystem !
”) Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß Krejli dem Auftreten von Eruptiv-
gesteinen eine Mitwirkung an den tektonischen Veränderungen zuschreibt.
®) E. Suess, Das Antlitz der Erde, I, 1885, S. 168. Die in demselben Jahre
erschienene „Uebersicht“ Krej@is und Feistmantels lag Suess bei der Ab-
[5] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 5
leicht erkennbaren Irrtum beruht, herrschend geworden und hat die
auf überaus zahlreichen guten Beobachtungen fußenden Veröffent-
lichungen Krej6is und seiner Mitarbeiter verdunkelt.
Die von Suess eingeführte Vorstellung scheint nicht aus einer
eingehenden Beurteilung des damals bekannten Baues des mittel-
böhmischen Gebietes hervorgegangen zu sein, sondern sie ordnet sich
ein in eine Betrachtung des Baues der böhmischen Masse. Die von
Krejdi aus den beobachteten Lagerungsverhältnissen erschlossenen
Längsbrüche sind nach Suess (a. a. O.) „nur ein Teil jenes großen
Systems von Sprüngen, von welchem die böhmische Masse durchsetzt
ist...* „Heute läßt sich schon erkennen, daß ein sehr großer Teil
Böhmens... der Schauplatz ausgedehnter Senkungen gewesen ist,
welche sich auf weichender Unterlage auf zahlreichen Sprungflächen
vollzogen haben.“
Es ist hier nicht der Ort, den Bau jenes ausgedehnteren Ge-
bietes ausführlicher zu berücksichtigen, wobei nicht geleugnet werden
soll, daß anderwärts Senkungen nachgewiesen sind. Man könnte sogar
ergänzend auf die seither von Hibsch aus den Lagerungsverhält-
nissen der oberen Kreide festgestellten Senkungen von sehr beträcht-
lichem Ausmaße hinweisen, die das Gebiet des böhmischen Mittel-
gebirges betroffen haben und kaum anders als durch zentripetale
Bewegungen erklärt werden können). In allen zur Vergleichnng
heranzuziehenden Fällen handelt es sich, wie hier nur nebenbei und
vorgreifend bemerkt wird, um Bewegungen weit jüngeren Alters.
Selbst wenn jedoch gezeigt werden könnte, daß die in der böhmi-
schen Masse erkannten Störungen demselben geologischen Zeitab-
schnitt angehören, würde uns das nicht von der Aufgabe entheben,
für das durch seinen Bau verschiedene mittelböhmische Gebiet zu
prüfen, ob die ermittelten Störungen mit der Voraussetzung einer
Grabensenkung in Einklang stehen.
Aus den kurzen Aeußerungen Suess’ im Antlitz ist nicht mit
Sicherheit zu entnehmen, ob derselbe die Senkungsbrüche ein altes
Faltenland ergreifen läßt oder ob die heutigen Lagerungsverhältnisse
durch jene Brüche hervorgebracht sein sollen. Aus dem oben ange-
führten Satze, der die neue Anschauung eingeführt hat, ließe sich
eher auf das letztere schließen. Die Vorstellung liegt ja nahe, daß
selbst eine noch annähernd horizontal lagernde Formationsgruppe, die
von zwei Seiten gegen das Innere des Gebietes treppenförmig absinkt,
nachher aus Staffeln besteht, deren Schichten gegen das Innere des
Senkungsgebietes geneigt sind. Vor allem würde durch diese tektoni-
schen Vorgänge erklärt werden, daß in den äußeren Teilen des Ge-
bietes die ältesten und älteren, im Innern die Jüngeren und Jüng-
fassung des I. Bandes seines Werkes noch nicht vor. Er verweist jedoch auf eine
ihm von Prof. Krej&i mitgeteilte vorläufige Skizze; dieser entspricht wohl die
der Uebersicht (1885) als besondere Karte beigegebene „Skizze einer geologischen
Karte des mittelböhmischen Silurgebietes“ 1:298.000, in welcher die von Krej£6i
unterschiedenen Bruchlinien verzeichnet sind.
®) Diese sehr zuverlässigen Nachweise sollten auch von geographischer Seite
bei der heute üblichen Annahme geologisch junger Hebungen wohl beachtet
werden.
6 F. Wähner. [6]
sten Schichtengruppen an der jetzigen Oberfläche erhalten sind. Wir
wissen jedoch, und aus Krejöis Profilen in den Erläuterungen (1879)
ist es bereits klar ersichtlich, daß die sog. Silurmulde den Rest eines
viel verwickelter gebauten Faltengebirges bildet. Anderseits muß zu-
gegeben werden, daß auch ein derartiges Faltengebirge nach seiner
Bildung entlang von Brüchen zur Tiefe sinken kann, die ähnliche
Lagerungsverhältnisse hervorrufen könnten. Es fragt sich nun, ob die
heutigen Lagerungsverhältnisse wirklich solche sind, die jener Vor-
stellung entsprechen.
Schon aus den Erläuterungen ist hinsichtlich der Längsbrüche
ein für das dort behandelte Gebiet giltiges tektonisches Gesetz zu
erkennen, das aus der Uebersicht (1885) für das ganze Gebiet Be-
stätigung findet und darum noch deutlicher und mit voller Bestimmt-
heit hervortritt: Von zwei Gebirgszonen, die durch einen der weithin
verfolgten Längsbrüche getrennt werden, erscheint im sogenannten
Nordflügel (genauer NW- oder NNW-Flügel) der ehedem voraus-
gesetzten Mulde, in dem das vorherrschende Schichtenfallen gegen S
(SO, SSO) gerichtet ist, die südliche Zone gehoben, bzw. die nörd-
liche Zone gesenkt; dagegen erscheint im südlichen Teil des Ge-
bietes, in dem das entgegengesetzte Schichtenfallen herrscht, von
zwei durch einen Längsbruch geschiedenen Gebirgszonen die nörd-
liche Zone gehoben, bzw. die südliche Zone gesenkt. Kürzer ausge-
drückt lautet das ermittelte Gesetz: Von den durch einen
Längsbruch getrennten Gebirgszonen erscheint die
innere gehoben, bzw. die äußere gesenkt.
Wer sich der geringen Mühe unterzieht, diese Angabe an den
Krejti’schen Profilen, von denen viele seither mehrfach wieder-
gegeben wurden, zu prüfen, wird sich von ihrer Richtigkeit unschwer
überzeugen. Hier müssen wir uns auf die Betrachtung von Beispielen
beschränken.
Bleiben wir zunächst bei den „Erläuterungen“ und halten uns
an das in dem Maßstabe der alten Spezialkarte 1:144.000 gezeich-
nete Uebersichtskärtchen (S. 83), in dem zwei Längsbrüche kräftig
hervortreten. Der nördliche ist die Hyskov-Prager Bruchlinie (später
von Krej£i als Prager Bruchlinie bezeichnet), die im soge-
nannten Nordflügel zwei Züge von untersilurischen Gesteinen (D)
trennt. Von N nach S fortschreitend, gelangen wir in der nach S (SO)
fallenden Schichtenreihe aus den tieferen Untersilurstufen allmählig
in die höheren, worauf jenseits der Bruchlinie die tiefste Untersilur-
stufe (d,) erscheint, die wieder regelrecht von den höheren Stufen
überlagert wird. Man vergleiche insbesondere Fig. 5 der großen
Profiltafel („Tab. I*) der Erläuterungen. Das Profil enthält im Nord-
flügel die beiden sehr vollständigen Untersilurzüge, zuerst, links im
N beginnend, die Schichtenfolge d,—d,, den Liegendzug, hierauf,
weiter südlich, den Hangendzug, ebenfalls von d,—-d,, noch weiter
südlich von obersilurischen Gesteinen usw. überlagert. (Das sehr lange
Profil reicht bis in die untersilurische Stufe d, des Südflügels.) In
der die Erläuterungen begleitenden geologischen Karte der Umgebun-
gen von Prag 1:86.400 sind die beiden Untersilurzüge leichter zu
[7] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges, f
verfolgen, wenn man sich durch das helle Band der Quarzitstufe (d,)
leiten läßt !9).
In dem unten (Abb. 1) folgenden Querschnitt ist die durch eine
Störung bewirkte einmalige Wiederholung einer einseitig geneigten
Schichtenfolge allgemein dargestellt. Fr ist auch zur Erläuterung für
die eben erwähnten, im mittelböhmischen Untersilur des „Nordflügels“
festgestellten Lagerungsverhältnisse verwendbar, wobei die Schichten-
gruppe b mit Rücksicht auf die dem dickbankigen harten Gestein
entsprechenden steileren Böschungen die Quarzitstufe d, vertreten
kann. Wenn wir uns die beiden Gebirgszonen durch eine lotrechte
Verwerfung getrennt denken, so ist klar, daß daslinks (nördlich) be-
findliche (äußere) Gebirgsstück gesenkt, bzw. der in seinem Hangen-
den auftretende, rechts (südlich) liegende (innere) Gebirgsteil gehoben
erscheint.
Die’ zweite Störung, die in dem Kärtchen (S. 83 der Erläute-
rungen) kräftig hervortritt, bietet ein Beispiel aus dem Südflügel,
u. zw. aus dem obersilurisch-devonischen Kalkgebiet; sie wurde als
die Koda-Lochkover Bruchlinie bezeichnet !). Es genügt vor-
läufig, auf die Gegend von Srbsko und Koda zu beiden Seiten des
Berauntales hinzuweisen und das für unsere Betrachtung Wesentliche
aus den verwickelten Lagerungsverhältnissen zu erwähnen, wie es in
Krejtis Profiltafel in Fig. 1 und 2 dargestellt ist. Im S, bzw. SO
sehen wir die jüngeren devonischen Stufen g,, 9, 9; und H regel-
recht in annähernd nördlichen Richtungen fallen, worauf im Hangen-
den der Tonschieferstufe 7 wieder die Kuollenkalke g, auftreten.
Nimmt man zur Erklärung dieser Lagerungsverhältnisse im Hangenden
von H eine Verwerfung an, so erscheint der südlich liegende (äußere)
Gebirgsteil gesunken, bzw. der nördliche (innere) gehoben.
10) In der Gegend NO und O von Prag sind mindestens drei gut unterscheid-
bare untersilurische Gesteinszüge vorhanden, die im wesentlichen die gleichen
Lagerungsverhältnisse zeigen. — In der Uebersicht (1885) sind viele Untersilurdurch-
schnitte dem Text eingeschaltet. Von ihnen wären rücksichtlich der beiden weithin
verfolgten Züge besonders Fig. 28, 29, 31, 32 (S. 40—43) einzusehen.
11) Noch eine dritte „Hauptbruchlinie“, die Bruchspalte des Brdarückens ge-
nannt, ist in dem Kärtchen verzeichnet; sie tritt aus dem weiter südwestlich ge-
legenen Gebiet in das der Prager Umgebungskarte und verläuft hier (im SO) an
der Grenze der azoischen Schiefer und des Untersilurs unter eigenartigen Lage-
rungsverhältnissen, die später zu erwähnen sein werden.
8 F. Wähner. [8]
In der Uebersicht (1885, 8. 92—98) unterscheidet Krejti
sieben weithin verfolgbare Bruchlinien mit nordöstlichem Streichen,
die hier nicht näher besprochen werden sollen. Auch soll hier eben-
sowenig wie früher auf die Veränderungen hingewiesen werden,
welche die Ergebnisse neuerer Arbeiten gebracht haben. Zu den
Bruchlinien, die hauptsächlich in den inneren Teilen des Gebietes
und in den jüngeren, dem eigentlichen Silur und dem Devon ent-
sprechenden Schichtengruppen bekannt wurden, kommen andere,
die den äußeren Gebietsteilen und den älteren, kambrischen und vor-
kambrischen Gesteinen angehören. Eine der wichtigsten ist die süd-
lichst gelegene, die Bruchlinie der Przibramer Lettenkluft,
von der vermutet wird, daß sie sich weit nach NO fortsetzt und sich
dort mit den Fortsetzungen zweier nördlich der Lettenkluft gelegenen
Bruchlinien vereinigt. In dieser Vereinigung wird sie bis in die Gegend
südlich von Prag verfolgt, wo sie an der Grenze der “zoischen
Schiefer und des Untersilurs verläuft 1). Bei Przibram ist die Störung
schon lange durch den Bergbau genau festgestellt. Es handelt sich
hier im wesentlichen um die Wiederholung einer aus zwei Gliedern
bestehenden, vorherrschend nach NW fallenden Schichtenfolge, der
vorkambrischen Przibramer Schiefer und der diskordant darüber-
liegenden, wahrscheinlich unterkambrischen Grauwacken und Konglo-
merate. Das Lagerungsverhältnis ist zumeist so aufgefaßt worden, daß
die im NW der Bruchlinie gelegene Gebirgszone gehoben, d. !. auf
der gegen NW geneigten Verwerfungsfläche über die im SO liegende
Gebirgszone hinaufgeschoben ist. E. Suess (Antlitz I, S. 168) sieht
selbst hier eine Senkung, u. zw. eine solche des südöstlichen Teiles 12).
Für unsere Betrachtung genügt es zunächst, hervorzuheben, daß bei
Annahme von Senkung der äußere Gebirgsteil gesunken erscheint.
Auch im NW wird eine im älteren Gebirge verlaufende wichtige
Störung unterschieden: die Bruchlinie von Skrej. Die nörd-
lichen (weit außerhalb des eigentlichen Silurgebietes gelegenen) Vor-
kommnisse des Kambriums von Skrej (und Tejrzowitz) liegen diskor-
dant auf azoischen Schiefern, zeigen nordöstliches Streichen und fallen
„südöstlich gegen eine Bruchlinie ein, ... an der Aphanite und Por-
phyre das azoische Schiefergebiet durchsetzen und sich hoch über
die Zone der Primordialfauna erheben“. (Übersicht, S. 98, Profil
Fig. 9 auf S. 21.) Der letzterwähnte orographische Gesichtspunkt
spielt bei Krejöi auch hinsichtlich anderer Bruchlinien eine Rolle.
Man wird ihm heute darin nicht folgen, da das orographische Hervor-
treten bei so stark abgetragenen alten Gebirgen auf dem größeren
Widerstande beruht, den die betreffenden Gesteine den Abtragungs-
vorgängen entgegensetzen 13). Aber im SO des mächtigen, annähernd
im Streichen liegenden Porphyrzuges von Pürglitz- Rokytzan folgen
Für denjenigen, der weiß, wie sehr Suess jeder Hebung abhold war,
und wie er nur mit dem größten Widerstreben sich dazu herbeiließ, aus der
Faltung hervorgehende Aufwärtsbewegung gelten zu lassen, ist das nicht weiter
erstaunlich. Die Annahme von Senkungen gehört in den Rahmen der übrigen Dar-
stellung. (Vgl. oben S. 5.)
.“°) Dies gilt auch für die aus kambrischen Konglomeraten wie für die aus
untersilurischen Quarziten ‚bestehenden Bergzüge. (Vgl. oben $. 3—4.)
22)
[9] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. )
abermals vorkambrische Schiefer, die wieder vorherrschend gegen SO
fallen, in der Fallrichtung auf weite Erstreckung anhalten und so-
dann unmittelbar von untersilurischen Gesteinen überlagert werden.
(Vgl. das Profil Fig, 39 auf S. 47 der Übersicht 1%). Diese azoischen
Schiefer liegen wie die genannten Eruptivgesteine im Hangenden des
Kambriums von Skrej und sind von ihm außer durch die Pürglitzer
Eruptivzone zweifellos durch eine tektonische Störung (oder durch
eine Reihe von Störungen) getrennt. Wird diese Störung als eine
steil niedersitzende Verwerfung aufgefaßt, so erscheint der 15 km
lange Zug des Kambriums von Skrej, demnach wieder die äußere
Gebirgszone, gesenkt, bzw. das im SO folgende vorkambrische
Schiefergebiet gehoben, ein Schluß, der mit der oben erwähnten An-
schauung Krejcis übereinstimmt.
Auch entlang den anderen von Krejti unterschiedenen strei-
chenden Bruchlinien finden wir ähnliche Lagerungsverhältnisse, so
daß die oben aufgestellte Regel für das ganze Gebiet bestätigt wird.
Betrachten wir diese Störungen als Senkungsbrüche, so erscheint
stets die äußere Gebirgszone gesunken. Die Regel gilt ferner nicht
nur für die großen, weit verfolgten Bruchlinien, sondern auch für
die weit überwiegende Mehrzahl der in den zahlreichen Querschnitten
Krejcis dargestellten kleineren (oder bisher nicht weit verfolgten)
Längsbrüche.
Besonders auffallend tritt uns die Regel bei Einsichtnahme in
Profile entgegen, in denen mehrere nur aus einigen wenigen (oft
aus zwei oder drei) Schichtengruppen bestehende Gebirgsstücke nach-
einander auftreten, die — bei Annahme von Senkungen — als regel-
mäßig aufeinanderfolgende Staffeln betrachtet werden können. Hier-
her gehören Fig. 5 (S. 15 der Uebersicht mit fünf durch Längs-
brüche getrennten Gebirgszonen im Südflügel); Fig. 11 (S. 29, vier
Staffeln im NW, eine im SO, die gegen eine viel breitere mittlere
Gebirgszone abgesunken erscheinen); Fig. 27 (S. 40 mit vier Staffeln
im Nordflügel) ; Fig. 38 und 39 (S. 47 mit je vier Staffeln im Nordflügel).
Krej&is Querschnitte erstrecken sich ziemlich gleichmäßig
über das ganze Gebiet. Daß er bei der Wiedergabe derselben völlig
unbefangen vorging, steht außer allem Zweifel. Das aus ihnen zu
entnehmende tektonische Gesetz ist ihm übrigens, wie es scheint,
unbekannt geblieben.
Unter der Voraussetzung, daß an den das mittelböhmische
Faltengebirge durchziehenden Längsbrüchen Senkungen eingetreten
sind, ergibt sich demnach, daß zu beideu Seiten einer mittleren Ge-
birgszone, der der größere (nördliche) Teil des obersilurisch-devoni-
schen Kalkgebietes angehört, sowohl die im NW als die im SO fol-
senden Gebirgszonen treppenförmig gesunken sind. Ist die Voraus-
setzung richtig, dann ist das Gebiet tektonisch nicht nach der von
Suess eingeführten Vorstellung als ein Graben, sondern im Gegen-
teil als ein Horst anzusehen.
14) Von neueren Arbeiten wäre hervorzuheben: Jahn, Ueb. d. geol. Verhält-
nisse des Kambrium v. Tejfovie u. Skrej. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 1895,
Bd. 45, S. 641-791.
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, !. Heft. (F. Wähner,) 2
10 F. Wähner. [10]
Dieses auffallende Ergebnis kann nicht aufrechterhalten werden.
Das vorgestellte tektonische Gebilde wäre ein recht sonderbarer
Horst. Daß im ganzen Gebiete das vorherrschende Schichtenfallen
gegen innen (einerseits gegen SO, anderseits gegen NW) gerichtet
ist, mag noch hingehen und könnte aus einer älteren muldenförmigen
Anlage erklärt werden. Daß aber in den inneren, tektonisch zu höchst
liegenden Gebirgsteilen die jüngeren Schichtengruppen erhalten blieben,
wogegen diese in den äußeren Gebirgsteilen abgetragen sind, diese
Tatsache steht zur Vorstellung eines Horstes (in dem das Gegenteil
zu erwarten wäre) in Widerspruch.
Suess hat auch nach dem Erscheinen der „Uebersicht“ Krej£is
(1885) an seiner Auffassung festgehalten. Dies geht aus einem kurzen
Hinweise in Antlitz II (1888), S. 145 hervor, in dem „die langen
Bruchlinien des böhmischen Grabens, welche uns Krejci kennen
lehrte“, erwähnt werden.
Es wäre müßig, Vermutungen über den Weg auszusprechen, der
zu jenem Irrtume geführt hat. Man wird einem Gelehrten, der es
unternommen hat, den Bau der Festlandsmassen der Erde zu über-
blicken und zu diesem Zweck eine ungeheure Literatur zu beherr-
schen, zubilligen müssen, daß es ihm nicht gegönnt war, in jedes
Teilgebiet und in die Ergebnisse jeder Einzeluntersuchung mit gleicher
Gründlichkeit einzudringen.
Merkwürdiger ist, daß diejenigen, die seither die Gebiete
Böhmens und der böhmischen Masse zusammenfassend dargestellt und
sich hierbei, wie verständlich, auf die Schilderung und die Durch-
schnitte Krejtis gestützt haben, des besprochenen Irrtums nicht
gewahr wurden und das Schema der Grabensenkung unbesehen
annahmen. Eine graphische Darstellung zur Erläuterung dieser Auf-
fassung oder eine anderweitige Begründung der Voraussetzung hat
bisher niemand zu geben vermocht.
e) F. Katzer.
Katzer drückt sich in seinem sehr verbreiteten Buche 15) über
die Frage so aus (S. 962f.): „Der in Mittelböhmen erhaltene Rest
dieser Ablagerungen für sich betrachtet, bietet das Bild einer ver-
wickelten Grabensenkung im Sinne des Meisters der Geotektonik
Ed. Suess, das heißt das Bild eines von zwei ziemlich parallelen
Bruchflächen eingeschlossenen, bei dem großen, längst begonnenen
und noch immer währenden Schauspiele des Zusammenbruches der
Erdrinde hinabgesunkenen Teiles derselben. Die eine dieser beiden
Hauptbruchlinien dürfte der nordwestlichen Grenze des mittelböhmi-
schen Granitgebirges entsprechen, die andere durch die Westgrenze
des Pürglitz - Rokytzaner Porphyrmassives angedeutet sein und etwa
von Kladno über Radnitz bis Chudenitz verlaufen.“
Es ist bezeichnend für die Sachlage, daß die Grundlagen für
die tektonische Vorstellung erst gesucht werden müssen. Zunächst
handelt es sich darum, die SO- und die NW-Grenze der vorgestellten
') Katzer, Geologie von Böhmen. Prag 1892. —- Zweite (unveränderte)
Ausgabe 1902.
[11] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 11
Grabensenkung ausfindig zu machen. Von dem erwähnten Nordrande
des großen mittelböhmischen Granitgebietes hat bereits Suess
(Antlitz I, 168) wegen seines fast geradlinigen Verlaufes gegen NO
vermutet, daß er einem Bruche entspricht, und diesen der Lettenkluft
und den von Krejöi (in den Erläuterungen) aufgestellten Bruch-
linien angereiht. Der Verlauf dieser Linie ist zwar recht weit ent-
fernt davon, geradlinig zu sein, dennoch ist im großen ihr Parallelis-
mus mit jenen Störungslinien unverkennbar. Der Granit ist jedoch
hier keineswegs passiv von einer Störung betroffen worden, sondern
wahrscheinlich an einer entsprechenden Störungsfläche emporgedrun-
sen. Wir besitzen an der Granitgrenze gegen die azoischen Schiefer
keinen Anhaltspunkt, um über die Art der Bewegung, die sich hier
abgespielt hat, etwas auszusagen. Dasselbe gilt für einen weiter im
NO gelegenen Punkt (bei Tehov), wo die Granitgrenze durch im Kon-
takt veränderte untersilurische Gesteine gebildet wird, die hier ab-
seits von dem zusammenhängenden altpaläozoischen Gebiete zwischen
Granit und azoischen Schiefern auftreten und gegen den Granit ein-
fallen 16),
Nicht anders steht es mit dem Versuche, die NW-Seite des
Pürglitzer Porphyrzuges als die andere (nördliche) Grenze der voraus-
. gesetzten Grabensenkung zu verwerten. An der zwischen dem kam-
brischen Gesteinszuge von Skrej - Tejrzowitz im NW und dem süd-
lich angrenzenden Zuge von Eruptivgesteinen verlaufenden „Bruch-
linie von Skrej“ ist nicht zu erkennen, in welchem Sinne die
angrenzenden Gesteinszüge bewegt worden sind. Wir mußten oben
das im SO des Porphyrzuges folgende neuerliche Auftreten der azoi-
schen Schiefer berücksichtigen, um zu schließen, daß der kambrische
Gesteinszug gegenüber dem südöstlichen vorkambrischen Gebiete ge-
sunken ist. Das ist also die entgegengesetzte Bewegung gegenüber
derjenigen, die die Voraussetzung der Grabensenkung erfordert.
Um die Darstellung Katzers vollständiger wiederzugeben, sind
noch einige Anführungen erforderlich. „Das zwischen den beiden
Bruchflächen ... hinabgesunkene Terrain wird selbst wieder von
einer Unzahl von Verwerfungsklüften durchsetzt, durch welche Dis-
iokationen hervorgebracht sind, welche den Bau des Gebirges sehr
komplizieren“ (S. 965). „Dem System“ (der großen streichenden
Bruchlinien) „gehören zunächst die beiden erwähnten Senkungslinien
an; ferner die Sprünge, welche inmitten der großen Grabensenkung
eine neue Senkung bewirkten und durch die Diabasmassen an der
Grenze des Unter- und Obersilurs, sowie die vielfachen Einkeilungen
obersilurischer Gesteine in untersilurische Schichten gekennzeichnet
sind; weiter die Przibramer Lettenkluft und zahlreiche Verwerfungs-
spalten, welche im Wald- und Kalksteingebirge nachgewiesen sind“
(S. 964).
In Uebereinstimmung mit Katzer wird man an der Grenze
von Unter- und Obersilur eine Störungszone annehmen müssen, auch
16) Krejöi, Erläuterungen, S. 52 und Profil Fig. 21; Uebersicht, S. 48 und
Profil Fig. 40..Katzer, Geologie, S. 994—-997, Profil Fig. 472. Katzer hat selbst
einen Beitrag zur Kenntnis der Kontakterscheinungen geliefert; Jahrb. Geol. Reichs-
anstalt, XXXVII, 1888, S. 355 —416.
94*
12 F. Wähner. [12]
wenn man über die Natur dieser Störungen anderer Ansicht ist.
Katzer sucht Barrandes Kolonien — diese sind unter den „Ein-
keilungen* zu verstehen — durch Senkungen an steil niedersitzenden
Verwerfungenp zu erklären; in seinen Profilen bezeichnet er die Ko-
lonien als Verwerfungen, er macht aus der „Kolonie Haidinger“
Barrandes eine „Verwerfung Haidinger“ usw. Halten wir diesen
Standpunkt fest, so ergibt sich für derartige Wiederholungen von
Schichtengruppen (oberste Stufe [d,] des Untersilurs, darüber ober-
silurische Graptolithenschiefer [e,], [Verwerfung|, im Hangenden aber-
mals d, usw.), im südlichen Teile des Gebietes (bei Nordfallen): daß
die südlich der Verwerfung gelegene Gebirgszone gesunken ist, —
im nördlichen Teile des Gebietes (bei Südfallen): daß die nördliche
Gebirgszone gesunken ist —, mithin eine Bestätigung der Regel von
der Senkung der äußeren Gebirgsteille.e Katzers Profile zeigen
dies deutlich: Fig. 347, S. 923 für die Kolonie Haidinger im so-
genannten Südflügel; Fig. 356, S. 926 für den Nordflügel. Betrachtet
man aber eine Kolonie als eine durch zwei Verwerfungen hervor-
gebrachte Einsenkung !”) von Graptolithenschiefer (e,) in eine Schichten-
folge der Stufe d, nach Art eines örtlich beschränkten Grabenbruches,
wie dies Katzer z. B. für die Kolonie Krejti (in dem eben ange-
führten Profil Fig. 347) anzunehmen scheint, so ist dadurch über.
das tektonische Verhältnis der im Liegenden der Kolonie auftreten-
den untersilurischen Gesteine zu den in ihrem Hangenden auftreten-
den nichts ausgesagt.
Bei anderen Längsbrüchen hat Katzer über den Sinn der Be-
wegung richtig geurteilt, wobei er dort, wo Krejc@i und andere ältere
Beobachter von Hebung sprachen oder gesprochen hätten, der von
ihm vertretenen Suess’schen Auffassung entsprechend, Senkung des
anderen Gebirgsteiles voraussetzt. In solchen Fällen erscheint dann
auch nach Katzer die äußere Gebirgszone gesunken und es er-
gibt sich daher für den aufmerksamen Leser ein Widerspruch zu der
Auffassung des Gebietes als Grabensenkung. So heißt es S. 831, daß
längs der Lettenkluft die Absenkung der Przibramer Partie (d. i. also
des südöstlichen Gebirgsteiles) gegen das Trzemoschnagebirge
stattfand. Von den im NW der Lettenkluft gelegenen Längsbrüchen,
die in dem Profile Fig. 184, S. 831 verzeichnet sind, wird S. 832
vermutet, „daß auch hier stets der südliche Flügel gegen den
nördlichen abgesunken sein dürfte“ 18). Von der großen Prager Bruch-
linie, durch welche das Untersilur des nördlichen Teiles des Gebietes
in zwei selbständige lange Züge zerfällt (vgl. oben S. 6), wird S. 836
erklärt, daß der nördliche Zug abgesunken ist.
Auch hinsichtlich der das obersilurisch-devonische Kalkgebiet
durchsetzenden wichtigen Bruchlinie von Koda (vgl. oben S. 7) er-
kennt Katzer (S. 968 und 1069), daß der südliche Gebirgsteil gegen
den nördlichen abgesunken ist. Er legt sich jedoch dieses Verhältnis
durch den Hinweis zurecht, daß der genannte Sprung „gewissermaßen
") Nur auf ein derartiges Lagerungsverhältnis könnte der Ausdruck „Ein-
keilung“ angewandt werden.
'*) Nach den im Profile dargestellten Lagerungsverhältnissen ist dieser Schluß
nur mit der Einschränkung auf die im SO von Straschitz gelegenen Brüche richtig.
[13] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 13
die Mitte der Grabensenkung andeutet“. Es bedarf keiner Erläute-
rung, daß die Mitte einer regelrechten (annähernd symmetrischen)
Grabensenkung, wie man sie sich vorstellt, nicht von einem Bruche,
sondern von einer Gebirgszone gebildet wird, die tiefer gesunken ist
als die beiderseits angrenzenden und die weiterhin folgenden Ge-
birgszonen. Der im SO des Bruches Koda - Srbsko gelegene Gebirgs-
teil bildet nach der älteren Anschauung nicht die Mitte des Ge-
bietes, er gehört noch dem sogenannten Südflügel, d. i. dem südlichen
Teile des Gebirges an, der durch vorherrschendes NW-Fallen gekenn-
zeichnet ist. Er ist aber auch nicht der tektonisch zutiefst liegende
Teil, obgleich er gegenüber der nördlich folgenden Gebirgszone ge-
sunken erscheint; denn südlich folgen noch tiefer liegende Teile.
Namentlich im südwestlichen Abschnitte des Gebietes sind jene Bruch-
linien festgestellt, denen entlang — immer bei Annahme von Sen-
kungen — die jeweils südlich folgende Gebirgszone gesunken ist. Der
Mitte des ganzen Gebietes entspricht jedenfalls viel besser das im
N des Bruches Koda-Srbsko liegende Kalkgebiet mit der länger im
Streichen zu verfolgenden Mulde von Hostim-Hluboczep, in deren Kern
die jüngsten Gesteine des Faltengebirges, die dem oberen Mitteldevon
entsprechenden Tonschiefer (Stufe Z) erhalten sind. Diese ist denn
auch nach der alten Vorstellung der synklinalen Lagerung, die auch heute
nicht leichterhand über Bord zu werfen ist, da sie Ja auf den im großen
zu beobachtenden Lagerungsverhältnissen beruht, als die Mitte jener
idealen Mulde angesehen worden. Daß auch diese breitere Zone des
Kalkgebietes nicht als der tektonisch zutiefst liegende Teil eines
Senkungsgebietes betrachtet werden kann, ist klar. Sie liegt nicht
nur höher als der südliche Teil des Kalkgebietes, sondern auch
höher als die weiter im N folgenden Gebirgszonen, die, entlang von
streichenden Bruchlinien abgetrennt, je weiter nördlich, desto tiefer
liegen. Dagegen würde dieser nördliche Teil des Kalkgebietes ver-
möge seiner tektonisch hohen Lage dem mittleren, am höchsten
liegenden Teile eines Horstes entsprechen, falls die beobachteten
Lageruugsverhältnisse auf Senkungsbrüchen beruhen. (Vgl. oben S. 9 f.)
Wie immer wir also versuchen, die Vorstellung der Grabensenkung
anzuwenden, stets versagt solches Bemühen.
Daß die zahlreichen in der Geologie von Böhmen zumeist nach
Krejöi widergegebenen Durchschnitte in ihrer übergroßen Mehrzahl
gegen die von Katzer vertretene Anschauung sprechen, bedarf nach
dem vorangegangenen kaum eines Hinweises.. Katzer hat das be-
kannte Barrande’sche Idealprofl durch ein neues Idealprofil
(Fig. 180, S. 829 und Fig. 612, S. 1070) ersetzt, dem noch einige
Worte zu widmen sind. In dasselbe sind vier Längsbrüche aufge-
nommen. Im äußersten NW sieht man die „Phyllite des Urschiefer-
gebirges‘ (die vorkambrischen Schiefer) und das Kambrium (von
Skrej) gegen den Pürglitz - Rokytzaner Porphyrzug, bzw. gegen die
im S desselben abermals auftretenden alten Schiefer abgesunken. An
der Grenze des Untersilurs gegen das Obersilur ist (zur Erklärung
der Kolonien) im NW wie im SO je eine Verwerfung eingezeichnet,
durch die die Einschaltung der obersilurischen Graptolithenschiefer e,
in die untersilurische Stufe d, hervorgebracht wird; in beiden Fällen
14 F. Wähner. [14]
erscheint wieder die äußere Gebirgszone gesunken. Der vierte
Bruch (von Koda) scheidet den südöstlichen Teil des Kalkgebirges,
in dem Nordwestfallen herrscht, von seinem nordwestlichen Teil; der
erstere erscheint gesunken. Die vier Längsbrüche trennen demnach
fünf (in ihrer Zusammensetzung und Begrenzung ziemlich ungleich-
artige) Gebirgszonen: eine mittlere, zwei nördlich und zwei südlich
gelegene !?). Die beiden äußeren Zonen liegen am tiefsten, jede von
ihnen ist gegen die nach innen folgende gesunken; diese nach innen
folgenden Gebirgszonen erscheinen wieder gegen die mittlere gesenkt,
der die höchste Lage zukommt.
d) F. E. Suess.
Die Stellung, die F. E. Suess in seinem sehr lesenswerten
Buche 2°) in der erörterten Frage einnimmt, ist nicht ganz leicht zu
erkennen. Die Voraussetzung der Grabensenkung steht auch hier im
Vordergrunde und taucht aus der sonst gegenständlichen Schilderung
immer wieder auf. Eine Veränderung oder wenigstens Klärung der
Auffassung liegt darin, daß der Verfasser das Gebiet für ein altes
Faltengebirge erklärt, das nach seiner Bildung von großen Ver-
werfungen zerstückelt worden ist. Diese würden daher gegenüber der
Faltung eine jüngere geologische Erscheinung darstellen. „Das ganze
Gebiet alter Sedimente Mittelböhmens stellt sich vielmehr dar als
ein durch nordoststreichende Brüche zertrümmertes und abgesunkenes
Stück eines gefalteten Gebirges“ (S. 11021). Dieses Urteil wird in
der den Schluß des Abschnittes bildenden Uebersicht eingeschränkt
durch die Bemerkung: „Das Gebiet war ohne Zweifel schon vor der
Zerstückelung in die langen leistenförmigen Schollen in nordöstliche °2)
Falten gelegt; ein Teil der steilen Schichtenstellung, der steilen
Schleppung und Schichtknickung und Faltung muß aber der Reibung
und dem Drucke beim Niedergange der einzelnen Schollen zuge-
schrieben werden“ (S. 155 °3).
19) Diese hier der einfacheren Beschreibung wegen vorgenommene Gruppie-
rung bringt keine Symmetrie im Aufbau zum Ausdrucke; nur in der Fallrichtung
der Schichten zeigt sich Symmetrie im großen.
20) Franz E. Suess, Bau und Bild der Böhmischen Masse. Wien und Leip-
zig 1903.
21) Wenn der Verfasser sich hierbei auf die im vorangehenden Satze er-
wähnten Aufnahmen der geologischen Reichsanstalt und ‚insbesondere Krejtis
sorgfältige Studien zu berufen scheint, so kann in Uebereinstimmung mit früheren
Erörterungen nur gesagt werden, daß die Ergebnisse jener Untersuchungen zur
Annahme einer Senkung des ganzen Gebietes oder von ausgedehnten inneren
Teilen desselben nicht berechtigen. Eine Berufung auf den wirklichen Urheber
dieser tektonischen Vorstellung ist weder hier noch später erfolgt.
2) Gemeint sind nordöstlich streichende Falten.
”») Der Gedanke findet sich auch bei Katzer, nach dem sich die Druck-
wirkungen „in Zusammenfaltungen, Brüchen und Verwerfungen äußerten“, und der
weiter erklärt: „Da das Gebiet von einer Reihe mehr minder paralleler Bruch-
flächen durchzogen wird, so hat sich entlang derselben die Absenkung als soge-
nannte Staffelgleitung vollzogen und ist stellenweise die Abgleitung mit einer
Schleppung der Schichten verbunden gewesen“ (Geologie v. B., S. 965). Ein Hinweis
auf bestimmte Vorkommnisse wird weder hier noch dort gegeben. Die Vorstellung
[15] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 15
Eine weitere Veränderung ergibt sich daraus, daß F. E. Suess
augenscheinlich einen Anschluß an die auf den beobachteten Tat-
sachen beruhende ältere Vorstellung von der synklinalen Lagerung
zu gewinnen sucht. So ist S. 117 von dem „langgezogenen Ellipsoid
des altpaläozoischen Senkungsgebietes“, das vom Untersilur um-
schlossen wird, die Rede, worunter demnach nur das innen gelegene
obersilurisch-devonische Gebiet verstanden wird. In viel umfassen-
derem Sinne wird 8. 130 und 131 in den Bezeichnungen von Durch-
schnitten von der „muldenförmigen Grabensenkung“ und dem „mulden-
förmigen Graben“ gesprochen. In der Uebersicht wird S. 154 gegen-
über der (schon lange aufgegebenen) Anschauung von einer „Bildung
(der altpaläozoischen Sedimente) in einem geschlossenen Becken“ und
von der „Ablagerung in einer Mulde“ erklärt: „Vielmehr stellt das
Gebiet eine komplizierte konzentrische Grabensenkung an vorherr-
schend nordöstlichen Brüchen dar. In den am tiefsten gesenkten
Teilen, in der Mitte sind die jüngsten Glieder der ganzen Schichtserie,
die Kalke und Schiefer des Mitteldevon erhalten geblieben.“ Es ist
kaum nötig, hier abermals darauf hinzuweisen, daB diese Vorstellung
im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen steht, da die von
den jüngsten Gesteinen eingenommene Mitte des Gebietes gerade die
tektoniscb am höchsten liegenden Teile darstellt.
Auch bei F. E. Suess finden wir in bezug auf einige Längs-
brüche richtige Urteile über den Sinn der Bewegung. So heißt es
S. 118, daß die kambrischen Sedimente von Skrej—Tejrzowitz an
einer Bruchlinie entlang des Pürglitzer Porphyrstockes abgesunken sind.
Wenn man auch nicht zugeben kann, daß entlang dem Porphyrzuge
eine derartige Bewegung zu erkennen ist, so liegt doch tatsächlich
die im NW desselben befindliche, mithin die äußere Gebirgszone
tektonisch tiefer als die nach innen folgenden Gebirgsteile. (Vgl. oben
S. --.) 8. 122 wird Näheres über die Przibramer Lettenkluft mit-
geteilt, an der die (im NW liegenden) „azoischen Schiefer auf die
kambrischen Grauwacken hinaufgeschoben scheinen“. (Die inneren
Gebirgsteile erscheinen daher gehoben.) Die Annahme einer Auf-
schiebung an der gegen NW geneigten Bruchfläche bildet eine
Rückkehr zu einer den Beobachtungen besser entsprechenden Be-
trachtungsweise.
Auch die Bewegungen an den im NW der Lettenkluft von Krejei
aufgestellten Längsbrüchen, die das große Gebiet der kambrischen
Grauwacken und Konglomerate durchsetzen, scheinen nicht im Sinne
der Grabensenkung aufgefaßt zu werden; denn S. 150 wird über-
raschenderweise von dem durch jene Brüche erzeugten „kambri-
schen Grauwackenhorst des Zdar- und des Trhonberges“ ge-
sprochen, „der nordöstlich unter die Stufe d, allmählich hinabtaucht“.
Unter Voraussetzung senkender Bewegungen erscheinen wirklich die
geht auf Krejli zurück, der mehrfach bemerkt hat, daß die Schichtenstörungen
(Faltungen usw.) in der Nähe einer seiner Bruchlinien heftiger werden, und der
die Faltungen in ihrer Gesamtheit auf die Bruchbildung zurückführt. (Vgl. oben
S. 3f.) Das Tatsächliche kann ich auf Grund eigener Beobachtung nur bestätigen.
Es wird nötig sein, auf die Erscheinung und ihre Erklärung zurückzukommen,
(Vgl. darüber auch 8. 18 f. und Fußnote 27.)
16 F. Wähner. [16]
südöstlich liegenden Schollen immer tiefer gesunken, so daß hier
mindestens ein halber Horst angenommen werden kann °®).
Hiernach wird man weniger erstaunt sein über den folgenden
Satz: „Die Profile nach Krejti und Feistmantel mögen einen
Begriff geben von den Unregelmäßigkeiten, durch welche das allge-
meine Schema der konzentrischen Senkung des mittelböhmischen
Paläozoikums gestört wird.“ Der Verfasser verweist damit auf fünf
Profile durch den südwestlichen Teil der Silurmulde (Fig. 20—24,
S. 129), die wie die übrigen von ihm wiedergegebenen Querschnitte
nicht nur „Unregelmäßigkeiten“, sondern zumeist in voller Deutlichkeit
die oft erwähnte gegenteilige Regel erkennen lassen und daher gegen
jenes Schema in offenem Widerspruch stehen. Gleich das erste der
angeführten Profile (Fig. 20), das durch azoische Gesteine und tiefere
untersilurische' Stufen geführt ist, stellt einen ausgesprochenen Horst
dar, indem gegen den breiten mittleren, im großen muldenförmig
gebauten Teil im NW (außen) vier gegen SO fallende schmale
Gebirgszonen regelmäßig treppenförmig abgesunken erscheinen, während
im SO (außen) ein gegen NW fallendes Gebirgsstück ebenfalls
gegenüber der Mitte gesenkt ist.
Im ganzen gibt F. E. Suess neun Querschnitte nach Krejei
wieder, in denen 22 Längsbrüche dargestellt sind; von diesen zeigen
16 Brüche deutlich die Senkung des jeweils nach außen folgenden
Gebirgsstückes, wogegen nur an einem Bruche ebenso deutlich das
entgegengesetzte Verhalten zu erkennen ist. Rechnet man die Brüche,
an denen der Sinn der Bewegung aus der Zeichnung nicht so klar
hervortritt, hinzu, so finden wir 19 Brüche, welche unserer Regel
folgen, gegenüber dreien, bei denen dies nicht der Fall ist). —
So erscheinen F. Katzer und F. E. Suess als gewiß unbe-
einflußte Gewährsmänner gegen die von ihnen vertretene Auffassung.
2. Vorläufiges zur Beurteilung der Längsbrüche.
Die im Streichen liegenden Störungen, die uns beschäftigen,
sind aus den Lagerungsverhältnissen erschlossen worden und, wie das
bei Verwerfungen größeren Ausmaßes zumeist der Fall ist, als solche
?t, Diese Auffassung steht im Einklange mit dem von Krej£i (Uebersicht,
S. 15, Fig. 5) gegebenen langen Querschnitte, zum größten Teile auch mit dem
schon (S. 12) erwähnten Profile Katzers (Geologie v. B., S. 831, Fig. 184), das
nur in dem am weitesten gegen NW gelegenen, dem Zdarberge entsprechenden
Teile insofern abweicht, als dieser nach den gezeichneten Lagerungsverhältnissen
gegen den südöstlich liegenden Teil wieder ein wenig gesunken erscheint, wogegen
allerdings (S. 832, mit Bezug auf das gauze Gebiet und das Profil) allgemein gesagt
wird, daß „stets der südliche Flügel gegen den nördlichen abgesuuken sein dürfte.
5) Daß „die Zone H bei Srbsko (an einer Verwerfung) abgesunken ist“, hat
F. E. Suess (S. 148) gleichfalls erkannt. (Vgl. oben 8. 7.) Schließlich (S. 148)
spricht er sogar von „kleinen Ueberschiebungen* der Gegend von Konjeprus, wo
die devonischen Kalke /, von obersilurischen Kalken e, und diese von Graptolithen-
schiefern e, überlagert sind. (Von dieser wichtigen Störung, die J. Jahn in dem-
selben Jahre [1903] bekannt gemacht und in ein schon 1891 angefertigtes Profil
aufgenommen hat, soll später die Rede sein.)
AM) . Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 17
nicht sichtbar; die Störungsflächen selbst sind im allgemeinen der
Beobachtung nicht zugänglich. Im Untersilur verlaufen sie in Ton-
schieferzonen, in denen es an Aufschlüssen mangelt, und selbst die
das Kalkgebirge durchsetzende wichtige Bruchlinie von Koda-Srbsko
verläuft in Längstälern, die in den mitteldevonischen Tonschiefern
der Stufe 7 ausgewaschen sind. Wenn wir in dem bei Radotin ins
Berauntal mündenden Quertale aufwärts nach NW wandern, verqueren
wir — wir befinden uns im sogenannten Südflügel und bewegen uns
aus dem Liegenden ins Hangende — nach der Reihe die oberste Stufe
des Untersilurs d,, die verschiedenen Stufen des Obersilurs und die
devonischen Knollenkalke g,, die hierauf durch eine als die Fort-
setzung des Bruches von Koda betrachtete Längsstörung abgeschnitten
sind. Auf die steil aufgerichteten Knollenkalke g,, die nahe der
Bruchlinie stellenweise starke Störungen des regelmäßigen gleich-
gerichteten Einfallens (untergeordnete Faltungen usw.) erkennen lassen,
folgt hier wieder das Obersilur (e, und &) in zumeist flacherer
Lagerung, und dennoch ist auch hier die Grenze selbst nicht aufge-
schlossen, auch dort nicht, wo die Orthocerenkalke e, nahe an die
9,-Kalke herantreten. Wieder verläuft die Störung durch kleine
Längstäler, die durch die Graptolithenschiefer, vielleicht auch durch
eine die Verwerfung begleitende Zertrümmerungszone bedingt sind.
Zu welchen Widersprüchen wir gelangen, wenn wir die großen
Längsbrüche mit Krejöi und mit E. Suess als steil niedersetzende,
die Schichten verquerende Verwerfungen betrachten, ist oben gezeigt
worden.
Wenn man ähnlichen, durch streichende Störungen hervor-
gerufenen Wiederholungen von Schichtenfolgen in den Alpen oder
einem anderen Faltengebirge begegnet, so zweifelt heute wohl nicht
leicht ein Beobachter, der mit derartigem Gebirgsbau vertraut ist,
daran, daß man es mit Brüchen, die aus dem Faltungsvorgang hervor-
gehen, mit Faltungsüberschiebungen, mithin im großen mit
Schuppenbau zu tun hat. Auch in anderen Gebieten sind jene Störungen
gewöhnlich nicht aufgeschlossen ; wir sehen zwar die jüngeren Schichten-
gruppen gegen die älteren, oder, wie wir vielfach zu sagen pflegen,
unter die älteren Schichten einfallen, aber wir können nicht mit
Sicherheit ermitteln, ob sich die jüngeren Schichten in der Tiefe
wirklich unter die älteren fortsetzen, ob die älteren Schichten die
jüngeren tatsächlich überlagern. (Vgl. den Querschnitt Abb. 1.)
Die Fälle, die aus den Westalpen oder in den ÖOstalpen aus
dem Sonnwendgebirge beschrieben wurden, in denen wir bei
verhältnismäßig flacher Lagerung die älteren Gesteine unmittelbar
auf den jüngeren liegen sehen und die Hand auf die Grenze
legen können, sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Und
dennoch ziehen wir beispielsweise in den sog. Österreichischen Vor-
alpen und an vielen anderen Orten unbedenklich den Schluß, daß auf
dem Faltenbau beruhende Ueberschiebungen jene Lagerungsverhältnisse
hervorrufen.
Es ergibt sich die Frage: Dürfen wir die tektonischen Er-
fahrungen und Anschauungen, die in den Alpen und ähnlich gebauten
Gebirgen gewonnen wurden, ohne weiteres auf ein Gebiet der böhmischen
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. Wähner.) 3
18 F. Wähner. [18]
Masse übertragen und auf ein geologisch älteres Gebirge anwenden ? Die
Faltungen, die das mittelböhmische ältere Paläozoikum kennzeichnen,
greifen nicht auf das flach gelagerte Oberkarbon über, das in den
anschließenden Gegenden zumeist auf vorkambrischen Gesteinen liegt,
in einigen Vorkommnissen aber auch über untersilurischen Schichten
erhalten blieb. Das mittelböhmische Faltengebirge muß demnach in
dem das Oberdevon und das Unterkarbon umfassenden Zeitraume
entstanden, über den Meeresspiegel erhoben, bzw. Festland
geworden und weithin wieder abgetragen worden sein, so daß die
festländischen Bildungen des Oberkarbons auf den genannten älteren
Gesteinen abgelagert werden konnten. Wenn von irgendwelchen, so
muß nämlich gerade von den jüngeren, den devonischen Schichten-
gruppen, unter denen sich pelagische und Tiefseeablagerungen befinden,
angenommen werden, daß dieselben ehedem eine weitaus größere
Verbreitung besessen haben, als ihnen heute zukommt.
Wir könnten uns darauf berufen, daß Ueberschiebungen auch
in weit älteren Gebirgen festgestellt worden sind. Wenn wir aber
nicht leichthin urteilen, sondern sorgfältig prüfen wollen — das scheint
gerade im vorliegenden Falle, in dem der Gebirgsbau bis vor kurzem
anders aufgefaßt wurde, geboten zu sein —, so werden wir uns diesen
Bau zunächst etwas näher besehen, Schichtenstörungen, besonders Brüche
genauer kennen zu lernen suchen. An Gelegenheit hierzu fehlt es nicht.
„Die Verwerfungsklüfte im böhmischen Silur sind unzählbar, sie be-
gleiten den Beobachter auf allen Wegen‘, sagt Krejcti (Erläuterungen,
S. 82) mit voller Berechtigung. Wer es nicht verschmäht, ins kleine
und einzelne zu dringen, wird manches ermitteln können, das auch
auf den Gebirgsbau im großen ein Licht wirft.
Daß die in Mittelböhmen auftretenden altpaläozoischen Schichten-
gruppen eine kräftige, stellenweise sogar eine hochgradige Faltung
erfahren haben, darüber kann schon lange kein Zweifel mehr bestehen.
Es ist unmittelbar aus der Beobachtung zu entnehmen und eine in
vielen Querschnitten festgelegte Erfahrung. Derartiges mit den an
Verwerfungen zu beobachtenden Schleppungserscheinungen zu ver-
gleichen, geht schon darum nicht an, weil jene Faltungen von Schlep-
pung zu verschieden sind. Eine Schleppung ist überdies immer eine
örtlich beschränkte Schichtenstörung, und nur, wo die Verwerfungen
sich häufen und nahe aneinander treten, häufen sich unter Umständen
auch die Schleppungserscheinungen, die aber auch dann von regel-
mäßiger Faltung leicht zu unterscheiden sind. Man sieht die Schlep-
pung auch in diesem Falle an die Verwerfung gebunden ®%).
Eine in regelmäßige Falten gelegte Schichtengruppe können wir
rücksichtlich der Ausbildung der Falten und aller tektonischen Er-
nn nn
”*) Es wird sich Gelegenheit ergeben, einen Fall von gehäuften und heftigen
Schleppungserscheinungen aus einem weithin durch sehr ruhigen Bau ausgezeich-
neten Gebiete der Salzburger Alpen zu beschreiben. (Vorläufig wäre zu verweisen
auf F. Wähner, Einiges über Gebirgsbau und Gebirgsbewegungen; Schriften
Ver. z. Verbr. natw. Kenntn. in Wien, LVI., 1916, Taf. 1 und zugehörige Erklärungen
(S. 230). Auch bier sind diese Störungen getrennt durch kleine urd große, von
Störungen unberührte Strecken, iu denen die Schichten horizontale oder sehr flache
laagerung zeigen.
[19] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 19
scheinungen auf das genaueste beschreiben, im allgemeinen aber
können wir darüber, auf welche Ursache immer wir die Faltung zurück-
führen mögen — Volumvergrößerung der Gesteine ausgenommen —
nicht viel anderes aussagen, als daß die Schichtengruppe augenschein-
lich seitlich (tangential) zusammengeschoben und dadurch gefaltet
worden ist ?”).
Die starke seitliche Zusammenschiebung der Schichtengruppen,
die mit kräftiger Faltung verknüpft ist, pflegt sich auch in anderen
tangentialen Bewegungen zu äußern. Im folgenden sollen Beobach-
tungen mitgeteilt werden, welche zeigen, daß Anzeichen lateraler
Bewegung im mittelböhmischen Faltengebirge in der Tat in großer
Zahl vorhanden sind. Aus ihnen kann selbstverständlich nicht sofort
mit Sicherheit auf die Natur der großen Längsbrüche geschlossen
werden. Sie beweisen schließlich nichts anderes als der Faltungsvorgang
selbst, der ebenfalls Bewegung in tangentialem Sinne darstellt. Aber
sie tragen mit dazu bei, ein kräftig bewegtes Faltengebirge erkennen
zu lassen, dem man wohl auch zutrauen darf, daß bei seiner Bildung
jener Grad des Seitenschubes und der Schichtenstauung erreicht
wurde, der sich in den Faltungsüberschiebungen kundgibt.
3. Weitere Kennzeichen tangentialer Gebirgsbewegung.
a) Bewegungsspuren an Schichtflächen.
Eine ungemein häufige Erscheinung, die in den meisten Schichten-
gruppen des älteren Paläozoikums Mittelböhmens zu beobachten ist,
ist das Auftreten von Glättung oder von Rutschstreifen auf Schicht-
flächen; nicht selten sind diese in ausgesprochene Rutschflächen ver-
wandelt. Am leichtesten erkennt man solche Zeichen von Bewegung
in den deutlich geschichteten kalkigen Bildungen, in den obersiluri-
schen Stufen e, und f, und in den devonischen Knollenkalken g, und
93. In den dunkel gefärbten Kalken (e, ß usw.) und in Kalken mit
dunklen Zwischenlagen sieht man sehr oft spiegelnde Harnische an
Stelle der Schichtflächen. Bekannt sind diese in den /,-Kalken;
auch in g, sind sie recht häufig. Im Untersilur sind die Anzeichen
von Bewegung an Schichtflächen vielleicht nur deshalb leichter an
den harte Gesteine enthaltenden Stufen festzustellen, weil diese
häufiger aufgeschlossen sind. In untersilurischen Quarziten sind Rutsch-
flächen nicht selten entlang den dickeren, aus Tonschiefer bestehen-
den Zwischenlagen der Sandsteinbänke zu sehen, nicht so leicht hin-
2”) Es scheint allerdings ein ursächlicher Zusammenhang zwischen manchen
Vorkommnissen kleiner enger Falten und den großen Längsbrüchen zu bestehen.
(Vgl. oben S. 14 und Note 23.) Aber für den Standpunkt, der diese Brüche aus
der Faltung hervorgehen läßt, ist jener Zusammenhang ein anderer als der, den
man früher vermutet hat. An jenen Stellen, an denen die seitliche Zusammen-
schiebung ein hohes Maß erreichte, konnten einerseits die Schichten in besonders
enge Falten gelegt werden, konnte es anderseits zur Trennung der Gesteine an
Ueberschiebungen kommen.
3*
20 F. Wähner. [20]
gegen an den nur mit papierdünnen Zwischenmitteln bekleideten
Schichtflächen der dieken Bänke. Es ist verständlich, daß an den
ersteren Bewegung leichter und daher häufiger eintritt. Die erst-
erwähnten Rutschflächen sind in den im Betriebe stehenden Stein-
brüchen sehr vergänglich, da die mürben Zwischenlagen von den
harten Gesteinsbänken leicht abbröckeln.
Eine leicht zugängliche Stelle, an der die Erscheinung gut zu
beobachten ist, befindet sich an dem gegen die Moldau gerichteten
Vorsprunge des Wyschehrader Felsens in Prag, der vor einigen Jahren
mit einem Straßentunnel durchbrochen worden ist. Steil aufgerichtete,
wellig gebogene Sandsteinbänke der Grauwackenschiefer d, des Unter-
silurs fallen hier (im Nordflügel) „widersinnig* gegen NW. Einige
Schichtflächen, die dem von N kommenden zugewendet sind, sind mit
schwach ausgeprägten, aber deutlichen Rutschstreifen bedeckt, die
auf den steilen Fächen ungefähr in der Richtung des Fallens ver-
laufen. Zumeist sind hier die Streifen als Abformung auf einem Quarz-
häutchen zu sehen, das die Schichtflächen überzieht, und gerade
der letzterwähnte Umstand bewirkt wohl, daß die verhältnismäßig
zarten Streifen an der Oberfläche sich so lange erhalten. Man sieht
sie am besten, wenn man unmittelbar vor dem gegen Prag gerich-
teten Tunneleingang auf der hochgelegenen Straße einige Schritte
nach rechts gegen die Moldau zu geht und von diesem nach der
Flußseite abgeschlossenen Punkte die gegen den Beschauer fallenden
Schichtflächen betrachtet. Die Streifen sind auch im photographischen
Bilde erkennbar.
Oberbalb Hluboczep sind hart an dem höheren Teil der Strecke
Smichow—-Hostiwitz der Buschtiehrader Bahn steil aufgerichtete dicke
Bänke der g,-Knollenkalke des Südflügels aufgeschlossen, wobei aus-
gedehntere Teile der hangenden Schichtflächen entblößt sind.
Vier oder fünf (nahe übereinander folgende) der sonst so unebenen
Schichtflächen dieser Knollenkalke sind durch die Gebirgsbewegung
auffallend eben geworden, sie haben ihre knollige Beschaffenheit in-
soweit eingebüßt, als die emporstehenden Teile der Knollen abge-
schliffen sind, und nur an den zwischen den Knollen liegenden, teil-
weise erhaltenen Vertiefungen ist die knollige Beschaffenheit noch
erkennbar. Die Rutschstreifen sind besonders dort noch gut sichtbar,
wo ein auf der Rutschfläche ausgeschiedenes Kalkspathäutchen sich
erhalten hat; sie verlaufen auch hier in der Fallrichtung der
Bänke.
Man muß sich hüten, den in Rutschflächen verwandelten Schicht-
flächen allzu große tektonische Bedeutung beizumessen. Besonders
wenn solche innerhalb einer engeren Schichtengruppe auftreten,
sind sie keineswegs als Bewegungsflächen höherer Ordnung, als mit
Schichtflächen zusammenfallende Längsbrüche anzusehen. Ein Teil
der Bewegungsspuren auf Schichtflächen entsteht wohl in engster
Verbindung mit dem Faltungsvorgange. Bei der Faltung verschieben
sich die festen Gesteinsbänke um geringe Beträge entlang den Schicht-
flächen, d. i. entlang den weicheren Zwischenlagen und den dünnen
Zwischenmitteln quer zu den Achsen der Falten. Die Zwischenlagen
und Zwischenmittel erleichtern und begünstigen dadurch das Zu-
[21] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. PAl
standekommen der Faltung in hohem Grade ?®®). An heftig gefalteten
dünnplattigen Kalken ist in frischen Aufschlüssen stets Glättung der
Schichtflächen zu beobachten. Ein gutes Beispiel bietet der bekannte
Barrandefelsen bei Prag °°),
b) Ablösung von Schiehtengruppen.
Der eben erwähnte Barrandefelsen, links der Moldau zwischen Slichow
und Kuchelbad gelegen, bietet einen in mehrfacher Hinsicht bemerkens-
werten Bau. Die zahlreichen engen Falten, in die hier dünnplattige obersi-
lurische Kalke (vielleicht noch zum Teile zu e, gehörig, besonders aber die
jetzt als oberstes Silur angesehenen f,-Kalke) zusammengeschoben sind,
greifen nicht auf den darunterliegenden hellen (sicheren) Orthocerenkalk e,
und ebensowenig auf die im Hangenden folgenden devonischen Kalke
über. Namentlich die durch Steinbrüche gut aufgeschlossenen Knollen-
kalke 9, lassen auf weite Erstreckung (im Streichen sowohl wie in
der Fallrichtung) nur auffallend ebene Schichtflächen erkennen. Wir
befinden uns hier im Südflügel der großen Mulde von Hluboczep (und
im sog. Südflügel des ganzen Gebietes), alle Schichtengruppen sind
ziemlich steil aufgerichtet und fallen gleichmäßig in annähernd
nordwestlicher Richtung. Diese konkordante Lagerung der Schichten-
gruppen beruht auf einer Faltung, die sich unter großen räum-
lichen Verhältnissen abgespielt hat und durch die u. a. die ausge-
dehnte Mulde entstanden ist, in deren Kern im Tale von Hluboczep
die jüngste Schichtengruppe des Faltengebirges (Stufe H) auftritt.
Eine Abweichung von dieser im großen zu beobachtenden Lage-
rung zeigen die erwähnten dünnbankigen Kalke des Barrandefelsens, die
in so weitgehender Art in enge Falten gelegt sind °°) (Taf. I [1], Abb. 1).
Die Bildung dieser kleinen Falten war nur möglich, wenn sich die
Schichtengruppe hierbei sowohl von ihrem Liegenden als vom Han-
genden entlang Schichtflächen abgelöst hat. Die der Beobachtung
zugänglichen Bewegungsspuren stehen mit diesem Schlusse in Überein-
stimmung. Die innerhalb der Gruppe der stark gefalteten Kalke er-
kennbare Glättung der Schichtflächen, die vornehmlich die dunklen
Zwischenlagen zeigen, ist wohl auf eben diese hochgradige Faltung
zurückzuführen. In größtem Ausmaß aber finden sich Rutschspiegel
nächst der Hangendgrenze der f,-Kalke, wo eine mit Spöröfer inchoans
2) Hierüber wie über weitere einschlägige Vorgänge Auesführlicheres an
users zielle. Vorläufig wolle der oben angeführte Vortrag ?®) verglichen werden
(8. 222 ff.).
22) Pocta hat gezeigt, daß die an dieser Oertlichkeit aufgeschlossene prächtige
Faltung unter Bruch erfolgt ist, und weitgehende Gesteinszertrümmerung (bis zur
Mikrobreccienbildung) von den Biegungsstellen der Falten beschrieben. Prof. Phil.
Po&ta, Ueber Büge in den Schichten des Barrandeschen Felsen. 1 Taf. (Sitzungs-
berichte d. kgl. böhm. Ges. d. Wiss. Prag 1908, S. 1—19.)
s0) Daß am Barrandefelsen „die gefalteten Schichten zwischen anderen Kalk-
schichten liegen, die ebene Flächen haben“, ist vor mehreren Jahrzehnten Krejöi
(Uebersicht, 8. 93) aufgefallen, der tektonische Unregelmäßigkeiten stets beachtet
zu haben scheint und zur Erklärung der hier auftretenden Faltung eine besondere
Ursache heranzuziehen sucht. Er meint, daß diese merkwürdigen Faltungen sich
„leichter durch eine Infiltration und Imprägnierung ehedem tonschieferiger Ge-
steine durch Kalk und die daraus sich ergebende Anschwellung und Fältelung der
Schichten erklären“ lasse, „als durch den Druck der nachbarlichen Diabase“.
39 F. Wähner. [22]
Barr. erfüllte dunkle Kalkbank und die ihr benachbarten Bänke nicht
bloß an den Schichtflächen Harnische zeigen, sondern wo dichte
dunkle Gesteinslagen auch im Innern von zahlreichen glänzenden
Rutschspiegeln durchzogen sind. Musterbeispiele von Harnischen sind
von hier in Sammlungen gewandert, die Spiriferenbank hat ihres In-
haltes wegen ebenfalls zur Ausbeutung gereizt, und so bildet das jetzt
an der erwähnten Hangendgrenze sichtbare Vorkommen nur einen
Rest des noch vor einem Jahrzehnt sehr schönen und lehrreichen
Aufschlusses.
In diesen obersten Schichten der Stufe f, vollzieht sich der
tektonische Uebergang zwischen der überaus heftigen Faltung der
obersilurischen Kalke und der ruhigen Lagerung der ebenfalls steil
aufgerichteten devonischen Kalkschichten. Die wenigen dicken Bänke
sehr harten hellen gelblichen bis blaßrötlichen Crinoidenkalkes, die
als eine Vertretung der Stufe /, betrachtet werden, sind von jener
Faltung bereits unberührt, und in den darüber folgenden Knollen-
kalken g, zeigt sich in der Richtung gegen das Hangende erst in
sroßer Entfernung auf ganz kurze Erstreckung wieder eine mehr ins
Kleine gehende wellige Faltung einiger Bänke dieser hier sehr mäch-
tigen Schichtengruppe. Bezeichnenderweise wird durch die am Barrande-
felsen aufgeschlossene kräftige Faltung eines kleinen Teiles der ober-
silurisch-devonischen Schichtenreihe an der im großen deutlich ausge-
prägten konkordanten Folge dieser Gesteine nichts geändert, so weit-
gehend auch die Abweichung in den Lagerungsverhältnissen jenes
Teiles erscheint.
Die stark gefalteten obersilurischen Kalke des Barrandefelsens
kann man nach S an der Straße, die hier beinahe im Streichen ver-
läuft, bis in einen schräg in das Gehänge eingreifenden Steinbruch
verfolgen, und hierbei istzu beobachten, daß dieselben Gesteinsbänke im
SW bei steilem nordwestlichem Fallen auf weite Erstreckung voll-
kommen ebene Schichtflächen darbieten. Die Verbiegung und Zer-
knitterung zu kleineren und größeren Falten stellt sich gegen NO
an der Straße an einer bestimmten Stelle ein, indem die Schichten
sich zunächst plötzlich kräftig nach abwärts biegen. Im Steinbruche
sind diese (hier nicht kleingefalteten) Schichten von einer mächtigen
Bank hellen Orthocerenkalkes unterlagert, in dessen Liegendem die
Uebergangsschichten e,ß aufgeschlossen sind ®!). Alle diese tieferen
Schichten sind an der am Barrandefelsen erkennbaren Faltung nicht
beteiligt. Da sie aber im unmittelbaren Liegenden der Falten
(am Fuße des Barrandefelsens) nicht aufgeschlossen sind, so
könnte es sein, daß sie dort mit den jüngeren Schichten gefaltet
sind. Zweifellos, da deutlich zu beobachten, ist jedoch die oben be-
schriebene Ueberlagerung der stark gefaiteten obersilurischen Ge-
steine durch jüngere, nicht ins Kleine gefaltete Schichten.
Derartige Abweichungen in den Lagerungsverhältnissen kommen
im mittelböhmischen Faltengebirge nicht selten vor. E. Kayser hat
einen Fall vor einigen Jahren aus der Gegend von Hostim erwähnt
1) Ueber Versteinerungen derselben vgl. J. J. Jahn, Geolog. Exkursionen
im ält. Paläozoikum Mittelböhmens. Internat. Geol.-Kongr. Wien 1903, 8. 9.
[23] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 23
und mit einem von Holzapfel aufgenommenen Lichtbilde erläutert 32).
Man sieht hier innerhalb der engeren Schichtengruppe g, in zahl-
reiche kleine Falten gelegte dünnschichtige „Mergelkalke“ getrennt
durch einige viel schwächer gefaltete dicke Kalkbänke, die auf eine
größere Strecke ganz ebenflächig begrenzt sind. Ob man nun dem
Unterschied in der Gesteinsbeschaffenheit (er ist geringfügig) oder der
Gliederung in dünne Schichten den größeren Einfluß auf die Art der
Faltung zuzuschreiben geneigt ist — die Schichtung beruht auf dem
Vorhandensein von tonhaltigen Zwischenmitteln (die in den dünn-
plattigen Knollenkalken reichlicher auftreten), mithin ebenfalls auf
der Gesteinsbeschaffenheit —, sicher ist, daß beide Umstände bei
der Faltung der bergfeuchten Gesteine wirksam sind und daß die
dickbankigen Kalke sowohl von den liegenden wie von den hangenden
dünnschichtigen Knollenkalken sich abgelöst haben mußten, damit
jeder der drei Teile der Schichtengruppe für sich gefaltet werden
konnte.
Die obersilurische Stufe e,ß, die Uebergangsschichten zwischen
den Graptolithenschiefern e,% und den Kalken e,, die im wesentlichen
aus Schiefern und Kalkbänken in vielfacher Wechsellagerung bestehen,
ist infolge dieses Aufbaues zur Ausbildung kräftiger Faltung sehr ge-
eignet. Ein oft erwähnter und viel besuchter Aufschluß in diesen
Schichten ist der Südabhang des Jaworkaberges gegen die Beraun
bei Karlstein, der von Jahn eingehend beschrieben worden ist. Die
genannten Gesteine sind hier in enge geneigte Falten von ungleich-
mäßigem Bau zusammengeschoben, der darauf beruht, daß die dünnen
dunklen Schichten stellenweise noch heftiger und mehr ins Kleine
gefaltet sind als eine in sie eingeschaltete, bis zu 1m mächtige helle
Crinoidenkalkbank °°).
Wer einmal seine Aufmerksamkeit auf derartige Vorkommnisse
gelenkt hat, erkennt sie auch an minder günstigen Aufschlüssen. So,
wenn über kräftig gefalteten und steil aufgerichteten viel flacher ge-
lagerte Schichten derselben ‘Stufe aus dem Gehänge heraustreten.
Danach scheint es sich um eine im Gebiete recht verbreitete Er-
scheinung zu handeln. Unter kleineren Verhältnissen tritt uns diese
entgegen, wenn innerhalb einer steil aufgerichteten Schichtengruppe
eine kleine Folge von dünnen Bänken wellig gebogen erscheint, wo-
gegen die sie einschließenden dicken Bänke ebenflächig begrenzt sind.
In den guten Aufschlüssen der untersilurischen Stufe d, ist dies an
Sandsteinbänken gut zu sehen, obgleich derartige Vorkommnisse nicht
so auffällig sind als die früher erwähnten, in denen kräftige Faltung
einen viel stärkeren Gegensatz hervorruft.
») E. Kayser, Lehrb. d. allgem. Geol., 4. Aufl., Stuttgart 1912, S. 192 und
Fig. 132, S. 191.
3) J.J. Jahn, Beitr. z. Stratigr. u. Tekt. der mittelböhm. Silurform. (Jahrb. d.
k. k. geol. Reichsanst. 1892, S. 413, Fig. 5.) Die Ungleichmäßigkeit der Faltung, dazu
Verschiebungen und Zerreißungen treten in der Natur noch stärker hervor als in
der angeführten, sonst sehr genauen Zeichnung, die die beobachteten Verwick-
lungen in ein einfacheres System zu bringen sucht. — In einem der bekannten, von
dem Prager Photographen Eckert aufgenommenen großen geologischen Licht-
bilder, die in viele Institute gelangt sind, ist ein bezeichnender Teil des Auf-
schlusses in großem Maßstabe wiedergegeben.
24 F. Wähner. [24]
In besonders (fast mikroskopisch) kleinem Maßstabe kann eine
im wesentlichen gleichartige Erscheinung an in Steinbrüchen aufge-
lesenen Gesteinsstücken, u. zw. an Tonschiefern, festgestellt werden,
die als verhältnismäßig dünne Zwischenlagen untersilurische
Sandsteinbänke trennen. An solchen Zwischenlagen wurden gut aus-
geprägte (kräftig gestriemte) ebene Rutschflächen, die mit den Sand-
steinbänken parallel verlaufen, und an manchen den Rutschflächen
benachbarten Schieferblättern derselben Zwischenlage eine überaus
zarte Fältelung beobachtet, die die Richtung der Rutschstreifen unter
verschiedenen Winkeln kreuzt, mit scharfer Lupe gut sichtbar ist
und mit ähnlicher feiner Fältelung verglichen werden kann, wie sie
auf ebenen Schichtflächen von Phylliten häufig vorkommt. Es ist klar,
daß jene Fältelung durch die schichtenparallele Bewegung, die zwischen
den Sandsteinbänken sich abspielte, hervorgerufen worden ist; wir
erkennen demnach einerseits kräftige Bewegung (Gleitung), die durch
die weiche tonige Zwischenlage erleichtert wurde, den primären Vor-
gang, anderseits leichte Stauung in benachbarten Teilen der Zwischen-
lage. In diesem Falle läßt die schichtenparallele Rutschfläche die
Verknüpfung der Faltungserscheinung (Fältelung) mit der „Ablösung*
einer Schichtengruppe deutlich hervortreten.
Es ist verständlich, daß Ablösungen von Schichtenreihen sich
noch leichter vollziehen, wenn eine ganze ziemlich mächtige Schichten-
gruppe von weichen oder dünnplattigen (leichter beweglichen) .Ge-
steinen Folgen von festen oder härteren oder aus mächtigen Bänken
bestehenden (schwerer beweglichen) Gesteinen zwischengelagert ist.
Es kann dann zur Ausbildung selbständigen Baues der einzelnen Ge-
steinsfolgen kommen, sei es, daß dieser Bau im wesentlichen durch
Faltung oder durch Bruch hervorgerufen wird. Zur Entstehung solch
selbständigen Baues einer Schichtengruppe gehört, daß dieselbe so-
wohl von der überlagernden (falls eine solche vorhanden) wie von
der unterlagernden Schichtenreihe sich ablöst. Für den alpinen Ge-
birgsbau sind solche Vorgänge von großer Bedeutung, wie an anderer
Stelle gezeigt werden soll ®*). Im mittelböhmischen Faltengebirge dürfte
der vergleichsweise selbständige Bau, der einzelnen Stufen des Unter-
silurs zukommt, auf solche Art zu erklären sein. Soist an der Stufe d, nicht
selten zu erkennen oder es ist doch mit Wahrscheinlichkeit zu schließen,
daß sie für sich (ohne daß andere Stufen an diesem Bau teilnehmen)
in Falten gelegt und durch Brüche verschiedener Art zerstückelt
worden ist 35). Oft beruht auf solchem Bau eine außerordentlich große
®) Die für diese Erscheinung angewandten Bezeichungen „unharmonische‘“,
„diskordante Faltung“, „Abscherungsfalten“ (Buxtorf, Wilekens, Tornquist)
deuten an, daß man sie für verhältnismäßig selten hält; sie zeigt jedoch in Wirk-
lichkeit weite Verbreitung.
»5) Ein leicht erreichbarer schöner Aufschluß in zumeist steil aufgerichteten
d,-Schichten, der solchen, hauptsächlich durch größere und kleine Falten ge-
kennzeichneten Bau erkennen läßt, befindet sich am rechten Gehänge des Moldau-
tales zwischen Komorzan und Zavist bei Königsaal, das durch die in geringer
Höhe über dem Flusse verlaufende Eisenbahnstrecke angeschnitten ist. Man sieht
das Wesentliche schon im Vorüberfahren mit dem Dampfer bei Nachmittags-
beleuchtung. Manche der hier zu beobachtenden Faltungen und Brüche pflege ich
[25] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 2
scheinbare Mächtigkeit der betreffenden Schichtengruppe. Krejti
hat solche übergroße Mächtigkeiten einzelner Stufen bereits auf Stö-
rungen zurückgeführt.
Gegenüber dem Schlusse, daß solche und andere Vorkommnisse
auf einen verhältnismäßig selbständigen Bau der betreffenden Silur-
stufe hinweisen, läßt sich einwenden, daß die Höhe der Aufschlüsse
stets sehr beschränkt ist und daß uns darin ohne Zweifel nur ein
geringfügiger Teil der mächtigen Gebirgsmassen erhalten ist, die sich
einst darüber erhoben und seither abgetragen wurden. Man könne
daher nicht wissen, ob nicht früher in größerer Höhe jüngere Ge-
steine mit eingefaltet und so an jenem Gebirgsbau beteiligt gewesen
sind. Wie aber in dem erwähnten Beispiele (und auch sonst auf weite
Erstreckungen) die Stufe d, für sich eine breite Gebirgszone zusam-
mensetzt, wobei keineswegs eine einfache und einheitliche Schichten-
folge, sondern diese in vielfachen tektonischen Wiederholungen vor-
liegt, so sehen wir anderwärts eine ebenfalls breite Gebirgszone aus
einer anderen Schichtengruppe, z. B. aus der Stufe d, aufgebaut, die
wieder in sich gefaltet und an Brüchen verschoben erscheint, wobei
abermals kein anderes Gebirgsglied an diesem Bau beteiligt ist. Es
ist ferner zu berücksichtigen, daß in einer solchen Gebirgszone nicht
nur die Gesteine der jüngeren, sondern auch die der älteren Stufen
fehlen, deren Vorhandensein doch wohl zu erwarten wäre, wenn nicht
wirklich ein selbständiger Bau vorläge, der nur unter Ablösung der
Schichtengruppe von ihrem Liegenden und Hangenden entstanden
sein kann °®),
ec) Beobachtungen an Querbrüchen.
Querbrüche (und Diagonalbrüche) sind schon seit langem durch
den Eisenerzbergbau sowohl des Nord- als des Südflügels bekannt
geworden. (Lipold, Helmhacker, Vala, Feistmantel.) Sie
in Lichtbildern als Beispiele bei der Behandlung der Lagerungslehre zu verwenden.
Soweit ich nach meinen Aufnahmen und nach der Erinnerung es beurteilen kann,
hat R. Kettner in einem Profile (B. z. K. d. geol. Verh. d. Umgeb. v. Königsaal,
Verh. Geol. Reichsanst. 1914, S. 885, Fig. 1) eine recht genaue Darstellung jener
Faltungen gegeben, die sich sehr zu ihrem Vorteile von den älteren, auch den in
großem Maßstabe gehaltenen, zu stark schematisierten Querschnitten unterscheidet.
— Derartige Vorkommnisse führen zur Vermutung, daß eine aus einer einzelnen
Stufe bestehende Gebirgszone auch dort, wo sie bei großer Mächtigkeit eine iso-
klinale, scheinbar einheitliche Schichtenfolge darstellt, in Wirklichkeit mehrfach
in sich gefaltet ist.
3) Ob die einzelnen Stufen des Untersilurs wirklich so scharf voneinander
geschieden sind, wie es vielfach den Anschein hat, darf bezweifelt werden. Ge-
naueste Durchforschung günstiger Aufschlüsse wird vielleicht lehren, daß diese
Zonen an ihrer stratigraphischen Grenze tektonisch ineinandergreifen. Solche
Funde würden nicht gegen die Annahme vergleichsweise selbständigen Baues der
betreffenden Schichtengruppen sprechen. Das „sandig-tonige“ Untersilur in seiner
Gesamtheit und die Gesamtheit der überwiegend kalkigen obersilurisch-
devonischen Stufen sind in ihrem Auftreten im allgemeinen ebeufalls recht selb-
ständig. Dennoch ist gerade hier tektonisches Ineinandergreifen der beiden Grenz-
stufen d, und e, in nicht wenigen Fällen, nicht nur in der weitaus vorherrschenden
Zahl der Barrande’schen Kolonien, festgestellt. Mit diesen wie mit einem lange
bekannten Vorkommen von Untersilur inmitten des Kalkgebietes werden wir uns
uoch zu beschäftigen haben.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. Wähner.) 4
96 F. Wähner. Bel
haben die Erzlager auf kleinere oder größere Strecken ins
Liegende, bzw. ins Hangende verworfen, dürften mithin, da die
Schichten in der Regel ziemlich steil aufgerichtet sind und das Maß
der horizontalen Verschiebung oft beträchtlich ist, mehr oder minder
ausgesprochene Blattverschiebungen darstellen. Beobachtungen über
das Auftreten von Rutschstreifen auf den Bruchflächen und ihr Ver-
halten werden nicht mitgeteilt, es fehlen daher genauere Aufschlüsse
über die Richtung der Bewegungen.
Krejäis Bemerkungen über das „Kluftsystem mit nordwest-
lichem Streichen“ haben wenig Anklang gefunden, wohl aus dem
Grunde, weil er von der Ansicht ausging, daß die Täler Gebirgs-
spalten entsprechen. (Uebersicht, S. 99.) Es kann vorweg gesagt
werden, daß Querbrüche in so großer Zahl vorkommen, daß jedes
Quertal nicht nur mit einem, sondern mit mehreren, manche mit
vielen Querbrüchen zusammenfallen, daß mithin bei der doch recht
verschiedenen Richtung der Täler auf nähere ursächliche Beziehungen
zwischen diesen Erosionsformen und den Brüchen nicht geschlossen
werden kann.
Mit Recht haben neue verdienstliche Arbeiten dem Auftreten
von Querbrüchen weit größere Beachtung geschenkt, als dies vordem
der Fall war ®”-#0), Wenn ihnen auch geringere tektonische Bedeutung
zukommt als den großen Längsstörungen, die Wiederholungen umfang-
reicher Schichtenreihen hervorrufen, so braucht man doch nur eine
der Karten zu vergleichen, die den angeführten Veröffentlichungen
beigegeben sind, namentlich die in größerem Maßstabe gehaltenen,
wie Kettners Karte des Motoltales 1:30.000, um zu erkennen,
welch großen Einfluß diese Brüche dadurch, daß sie die Schichten-
gruppen an so vielen Stellen um ansehnliche Beträge quer auf das
Streichen verschieben, auf das Kartenbild ausüben. Zugleich zeigt sich,
daß erst durch solche kartographischen Darstellungen für unser Gebiet
der Standpunkt der Uebersichtsaufnahmen völlig überwunden ist.
Erlauben uns diese Verschiebungen von Schichtengruppen auf das
Vorhandensein von Querbrüchen zu schließen, so ermöglichen die
zahlreichen künstlichen Aufschlüsse im mittelböhmischen Faltengebirge,
die Querbrüche selbst zu sehen, an den bloßgelegten Bruchflächen
genauere Beobachtungen über die relative Richtung, in der sich die
durch sie zerschnittenen Gebirgsstücke bewegt haben, vorzunehmen
und sie in den verschiedensten Schichtengruppen in außerordentlich
großer Zahl auch dort festzustellen, wo die durch sie hervorgerufenen
Verschiebungen zu geringfügig sind, um daran die Brüche zu erkennen.
Dazu kommt, daß die Aufschlüsse uns mit einer Art von Querbrüchen
°') Jos. Woldfich, Die geolog. Verhältnisse der Gegeud zwischen Litten-
Hintertfebäh und Pouönik bei Budnan. (Sitzgsber. d. kgl. böhm. Ges. d. Wiss. in
Prag 1914.) |
®) J. Cermäk, R. Kettner a J. Woldrich, Prüvodce ku geol. a morf.
Exkursi 6esk. pfirodozpyteü a lekarü v Praze 1914 do üdoli motolskeho a Säreck&ho
u Prahy. (Sbornik klubu pfirodov. v Praze 1913, I.) V Praze 1914.
») R. Kettner, Zprava o geol. studiich v okoli Dobrite a Noveho Knina.
(Sbornik Cesk& spolecnosti zemövedne, XXI, 3—4, 1915.)
#) R. Kettner, O slepenecich Ziteckfch, nejspodn&j$im horizontu deskeho
kambria. (Rozpravy Cesk6 Akad. XXIV, tr. II, cis. 34.) V Praze 1915.
[27] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 9
bekannt machen, die überhaupt keine Verschiebung von Gebirgsstücken
aus der Streichriehtung bewirken. Dieselben scheinen bisher trotz
ihrem ungemein häufigen Vorkommen wenig Aufmerksamkeit erregt
zu haben. Sie verdienen eine eingehendere Besprechung.
An diesen eigenartigen Querbrüchen verlaufen die Rutschstreifen
parallel zu den Schichtfugen und Schichtflächen oder sie weichen von
dieser Richtung nur stellenweise und ganz geringfügig ab. Von vorn-
herein möchte man erwarten, daß an Verwerfungsflächen alle mög-
lichen Bewegungsrichtungen zu ermitteln sind, daß außer vertikal und
horizontal gestreiften Rutschflächen auch alle Zwischenrichtungen an-
nähernd gleichmäßig vertreten sind. Wenn nun, wie es der Fall ist,
schichtenparallel verlaufende Rutschstreifen außerordentlich häufig
auftreten und — wenigstens in manchen Schichtengruppen — gegenüber
sonstigen Bewegungsrichtungen überwiegen, so muß dieser Tatsache
eine bestimmte Ursache zugrunde liegen, es muß sich um eine gesetz-
mäßige Erscheinung handeln. Die Ursache ist leicht zu erkennen.
Da die Schichten und Schichtenreihen der Sedimentgesteine
entlang den weicheren (dünnen) Zwischenmitteln und (dicken) Zwischen-
lagen der festen Gesteinsbänke und entlang den den großen Schichten-
folgen zwischengelagerten Schichtengruppen weicherer Gesteine
verhältnismäßig leicht trennbar sind, werden sich an ihnen verhältnis-
mäßig oft Ablösungen und Verschiebungen der Schichtengruppen ein-
stellen. Wenn nun ein Gebirgsstück an zwei Querbrüchen von seiner
Umgebung sich abgetrennt, zugleich entlang Schichtflächen von seinem
Liegenden (und etwa auch vom Hangenden) sich abgelöst hat und
die Bewegung in der Richtung der Abtrennung und Ablösung eine
- kurze Strecke unter allseitigem Gebirgsdruck fortsetzt, so wird die
Bewegung parallel zur unteren Schichtenablösungsfläche erfolgen, auf
der das Gebirgsstück gewissermaßen gleitet, und dieses wird einerseits
auf Schichtflächen Bewegungsspuren zurücklassen, anderseits an den
beiden Querbruchflächen schichtenparallele Streifung hervorrufen. Dem
häufigen Auftreten von Glättung und Rutschstreifen auf Schichtflächen
entspricht daher das häufige Vorkommen von Querbrüchen mit schichten-
paralleler Bewegung und umgekehrt; die eine Erscheinung setzt die
andere voraus. Die Art von Bewegung, die sich an solchen Quer-
brüchen abgespielt hat, können wir als schichtenparallele
Querverschiebung bezeichnen.
Es hängt mit der häufigeren Anlage und der längeren Erhaltung
guter Aufschlüsse in festen Gesteinen zusammen, daß sich in allen
so beschaffenen Schichtengruppen des älteren Paläozoikums und in
den vorkambrischen Gesteinen Querbrüche mit schichtenparallelen
Rutschstreifen leicht auffinden lassen. So finden sie sich oft in der
Quarzitstufe d, und in den Sandsteinen der „Grauwackenschiefer“ d,
des Untersilurss und in allen kalkigen Stufen des Obersilurs und
Devons. In besonders großer Zahl aber treten sie in den dünnplattigen
Kalken dieser Stufen, in kambrischen Grauwacken und in den vor-
kambrischen Gesteinen des Gebietes auf. Wo keine entsprechenden
Aufschlüsse vorhanden sind, kann man die Erscheinung wenigstens
an einzelnen Gesteinsstücken nachweisen, die dem Gehängeschutt
oder dem Waldboden entnommen sind und an die Schichtfläche ver-
4*
28 F. Wähner. [23]
querender Bruchfläche mit der ersten parallele Rutschstreifen erkennen
lassen. An solchen läßt sich freilich nicht feststellen, ob wir es mit
einem Querbruch oder etwa einem Diagonalbruch zu tun haben.
Querbrüche mit schichtenparallelen Rutschstreifen scheinen
(mindestens zum Teil) mit der aus dem Seitenschub hervorgehenden
Faltung in noch engerer ursächlicher Beziehung zu stehen als die
schon lange bekannten Querbrüche (die gewöhnlichen Blattver-
schiebungen), die Verschiebungen von Schichtengruppen aus dem
Streichen bewirken. Man betrachte Taf. II [2], die ein bezeichnendes
Beispiel eines derartigen Querbruches wiedergibt. Das örtlich be-
schränkte Vorkommen ist in einem Einschnitte bloßgelest, mit dem
die Strecke Smichow — Hostiwitz der Buschtiehrader Bahn oberhalb
Slichow den aus einem kleinen Gewölbe von Knollenkalken der
devonischen Stufe 9, bestehenden Hügel Schwagerka durchsetzt. Die
Rutschfläche streicht N—S; da sie sich im Streichen biegt, weicht sie von
dieser Richtung streckenweise, besonders rechts oben, ab.Auch von der lot-
rechten Stellung weicht sie ein wenig ab, indem sie gegen den Beschauer
(gegen W) schwach überhängt. Die hell beleuchteten Flächen rechts sind
Schichtflächen, die von anderen Brüchen durchsetzt und durch den
während des Bahnbaues vorgenommenen Abbau des Gesteins teilweise
verletzt sind. Unmittelbar beim Querbruch ist die eine dieser Schicht-
flächen, an der stellenweise stark verwitterte in der Fallrichtung ver-
laufende Rutschstreifen zu sehen sind, unter einem Winkel von 50°
gegen NNW geneigt; an anderen Stellen, rechts vorne und besonders
oben, ist die Neigung der Schichten geringer und gegen N 30—35° W
gerichtet. Die Schichten fallen nicht ebenflächig ein, sondern sind
deutlich (zum Teile unter Vermittlung von Brüchen) gebogen. Diese
Biegung der Schichten machen die Rutschstreifen der Querbruch-
fläche genau mit, so daß man den Eindruck erhält, daß die Schichten-
biegung und die Bewegung, welche die Striemung der Bruchfläche her-
vorgebracht hat, einem und demselben tektonischen Vorgang entspricht.
Bemerkenswert ist ferner, daß die Bruchfläche in diesem Falle
sich nicht gegen die Tiefe, in die liegenden Schichten fortsetzt,
sondern gegen die bloßgelegte Schichtfläche ziemlich stark einwärts
biegt (gegen O umbiegt), wodurch eine Art Uebergang von der Bruch-
fläche zur Schichtfläche hergestellt wird. Die Schichtfläche abc war
zugleich die Gleitfläche, auf der sich das hangende Gebirgsstück (sei es
auf- oder abwärts) bewegt hat. Links unten ist ein kleiner Rest einer
Reibungsbreccie erhalten, die sich in die an der Schichtfläche berg-
seits sich hineinziehende Kluft fortsetzt. An der Querbruchfläche ist
vielfach das Gestein weitgehend zertrümmert, aber durch Kalkspat,
der auch die Rutschfläche überzieht, wieder verkittet. Im Hinter-
grunde links ist eine zweite, stark verwitterte Bruchfläche entblößt,
deren Rutschstreifen vom Standpunkte der Aufnahme nur sehr un-
deutlich erkennbar sind, nicht schichtenparallel verlaufen, sondern
eine ganz andere Richtung besitzen. Sie entspricht einem Diagonalbruch,
streicht annähernd WNW--OSO und die Rutschstreifen sind zu-
meist ausgesprochen nach OSO (nach rechts) geneigt; außerdem
sind daran flachere und horizontale und schwach nach WNW geneigte
Rutschstreifen zu beobachten. —
[29] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 29
Eine vorzügliche Gelegenheit, die einschlägigen Erscheinungen
zu untersuchen, bietet der große Steinbruch der Podoler Zementfabrik
in Dworetz, rechts der Moldau, südlich von Prag. Obersilurische und
devonische Gesteine von den Graptolitenschiefern e,“ bis zu den
Knollenkalken g, bilden hier eine regelrechte flache Mulde, die von
überaus zahlreichen Quer- und Diagonalbrüchen (auch von Längs-
brüchen) durchsetzt ist. Manche dieser Brüche bewirken auch Ver-
schiebungen im vertikalen Sinn, wie an den hellen Orthocerenkalken
€, die von dünnplattigen dunklen Kalken (e,ß und /,) unter- und über-
lagert werden, deutlich zu bemerken ist. Daß es sich aber wesentlich
um seitliche Verschiebungen handelt, zeigen die Rutschstreifen
(manchmal als kräftige „Hohlkehlen* entwickelt) an den bloßgelegten
Bruchflächen, die zumeist schichtenparallel verlaufen. Der lebhafte
Betrieb des Steinbruches bringt es mit sich, daß die Rutschflächen
immer wieder zerstört und daß an ihrer Stelle neue (und Fortsetz-
ungen der alten) aufgedeckt werden. Es würde sich lohnen, hier all-
jährlich neue photographische Aufnahmen zu machen, um an einer
zusammenhängenden Reihe der nahe aufeinanderfolgenden jeweiligen
Zustände vergleichende Beobachtungen vornehmen zu können.
Taf. III [3], Abb. 1 gibt eine photographische Aufnahme des Stein-
bruches mit Fern-Objektiv aus dem Jahre 1911 wieder, die von Herrn
Prof. Ausserwinkler in Prag freundlichst zur Verfügung gestellt
wurde. Der Standpunkt der Aufnahme liegt in einer Entfernung von 1 km
in westsüdwestlicher Richtung vom Steinbruche am westlichen Gehänge
des Moldautales an dem hochgelegenen Teile der Strecke Smichow—
Hostiwitz der Buschtiehrader Bahn nahe dem Wächterhause. An
dem hellen Bande der ÖOrthocerenkalke tritt die muldenförmige
Lagerung deutlich hervor, ebenso einige kleine Verwerfungen. An den
die hellen Kalke überlagernden dunklen f,-Kalken läßt sich besonders
eine Querbruchfläche an den stark erhabenen schichtenparallelen
Wülsten und entsprechenden Vertiefungen (Hohlkehlen) erkennen.
Der Aufschluß liegt annähernd in der Richtung N—S, die Achse
der Mulde verläuft ungefähr W—O. Im Südflügel der Mulde ist das
Fallen bei einem Neigungswinkel von 20° gegen N 15° O, im Nord-
flügel ungefähr gegen SSW gerichtet. Die Abweichung in der Lagerung
von dem normalen Schichtenstreichen (NO und ONO) und -Fallen ist
also beträchtlich. Im südlichen Teile desselben tiefgelegenen großen
Steinbruches ist jedoch in den das Liegende des Orthocerenkalkes
bildenden dunklen Uebergangsschichten e,ß moldauwärts ein deut-
liches Hinabbiegen in nordwestlicher Richtung zu beobachten. Dieses
Einfallen gegen NW würde den normalen Lagerungsverhältnissen
entsprechen.
Von den Querbrüchen verlaufen die nahe südlich der Muldenmitte
gelegenen zumeist in der Richtung NNO, die Rutschstreifen sind auf
ihnen wie die unter dem Orthocerenkalk liegenden dünnen Schichten
zumeist nach dieser Richtung geneigt. Außer der NNO-Richtung
konnte ich an Querbrüchen kürzlich noch die Richtungen N 15° 0,
N 250 O und N 30° O feststellen. Ein Diagonalbruch streicht
O 30°N, ein Längsbruch 0 10°S. Durch Krümmungen im Streichen
der Brüche ergeben sich viele Abweichungen. Die Stellung der Bruch-
30 F. Wähner. [30]
tlächen ist zumeist vertikal, durch Biegungen (um horizontale Achsen)
vollziehen sich gleichfalls ansehnliche Abweichungen, so daß Neigungen
nach verschiedenen Richtungen vorkommen. Die Rutschstreifen ver-
laufen auf allen Brüchen zumeist schichtenparallel‘!?).
Eine Querbruchfläche mit kräftig ausgebildeten Hohlkehlen
zeigt Taf. III [3], Abb. 2 nach einer Nahaufnahme vom 4. Mai 1912
des damaligen Hörers J. John, der leider nicht mehr unter den
Lebenden weilt. Die stark erhabenen Wülste und kräftigeren Rutsch-
streifen sind stellenweise gekrümmt, verlaufen aber im allgemeinen
wie die feinen Rutschstreifen parallel zu den nahe der Muldenmitte
gelegenen f,-Kalken des Südflügels, wie an der gegen S ansteigenden
Grenzlinie des unterlagernden hellen Orthocerenkalkes zu sehen ist.
Hinter dieser Rutschfläche ist eine zweite viel weniger unebene Quer-
bruchfläche sichtbar, deren Rutschstreifen infolge der perspektivi-
schen Verzerrung stärker geneigt zu sein scheinen, als es in Wirk
lichkeit der Fall war. |
Die einzelnen Querbrüche sind gewöhnlich nur wenige Meter von-
einander entfernt, können einander abernoch viel näher rücken. Das sind
die im großen leicht erkennbaren Brüche von augenscheinlich großer
flächenhafterAusdehnung. Die zwischen diesen Brüchen liegenden Gebirgs-
stücke sind aber noch von zahllosen mehr verborgenen Rissen durchsetzt,
nach denen die Schichten in größere und kleinere parallelepipedische
Stücke zerfallen, und an denen ebenfalls typische kräftige Rutschstreifen
zu erkennen sind, die wieder zumeist schichtenparallel verlaufen. Die
aus den obersilurischen dünnbankigen dunklen Kalken gewonnenen
Platten werden, bevor sie in die Oefen wandern, im Steinbruche in
umfangreichen Haufen aufgeschichtet, wobei sie mit den Schichtflächen
übereinandergelegt werden. Man kann daher, indem man an den
Seitenwänden dieser großen Anhäufungen vorübergeht, auf einfache
Weise an den dem Beschauer zugekehrten Flächen erkennen, daß
eine recht große Zahl derselben natürliche Bruchflächen sind,
und an vielen von ihnen kräftig ausgebildete schichtenparallele
Rutschstreifen wahrnehmen, — ein handgreifliches, rasch belehrendes
Anschauungsmittel. Nicht selten findet man parallelepipedisch geformte
Gesteinsstücke, die von einem Paare durch die Gebirgsbewegung ge-
glätteter Schichtflächen und zwei Paaren von schichtenparallel
#12) An dem oben erwähnten Längsbruch, auch an manchen Querbrüchen ver-
laufen die Rutschstreifen horizontal. An einem nahe der Muldenmitte untersuchten,
nach NNO streichenden Querbruch ist ein breiter Teil der Bruchfläche mit Rutsch-
streifen versehen, die senkrecht auf den anderen vorhandenen Streifen stehen, also
fast vertikal verlaufen. Auf derselben Fläche finden sich auch Rutschstreifen,
die in Zwischenrichtungen verlaufen. Wie an so vielen Rutschflächen zeigt sich
auch hier, daß an einem und demselben Bruche wiederholt Bewegungen ein-
getreten sind, und daß diese Bewegungen nicht immer in derselben Richtung vor sich
gingen. So finden sich auch an einem gegen N 30°O streichenden Querbruch, der
sich von der Muldenmitte schon dem Nordflügel nähert, wobei der Orthocerenkalk
noch horizontal liegt, gegen S geneigte, an anderen Punkten gegen N geneigte
Rutschstreifen (die Neigung ist meist gering), auch horizontale Streifen kommen vor.
In manchen Fällen lassen sich — es ist dies ebenfalls eine auch anderwärts nicht
selten zu beobachtende Erscheinung — Rutschstreifen verschiedener Richtung an
demselben Punkte derselben Rutschfläche übereinander feststellen, wobei oft die
älteren Rutschstreifen durch neue teilweise verwischt, undeutlich gemacht werden
[31] Zur Beurteilung des Baues des mittelböühmischen Faltengebirges. 31
gestreiften Bruchflächen begrenzt sind. Auf den geglätteten Schicht-
flächen sind Rutschstreifen, falls sie überhaupt zu erkennen sind,
weitaus zarter ausgebildet als auf den Bruchflächen. Aeußerst selten
stehen die die Schichten verquerenden Rutschflächenpaare senkrecht
aufeinander, sie bilden fast immer schiefe Winkel von verschiedener
Größe, ein Zeichen, daß hier neben den Querbrüchen nicht Längs-
brüchen, sondern Diagonalbrüchen verschiedener Richtung größere
Bedeutung zukommt.
Man kann dieselben Erscheinungen auch an kleinen Gesteins-
stücken feststellen und oft mit dem Hammer noch weitere Trennungen
nach den die Schichten quer durchsetzenden Rutschflächen vornehmen,
die manchmal nur wenige Zentimeter von einander abstehen. Die
betreffenden Schichten sind demnach in außerordentlich weitgehender
Weise durch Brüche zerteilt, eine der tektonischen Erfahrungen, die
immer wieder das Erstaunen darüber hervorrufen, daß unter solchen
Umständen der Schichtenverband aufrechterhalten werden konnte, und
zu dem Schlusse führen, daß solche Bewegungen unter allseitigem
Druck sich abgespielt haben. An den zahlreichen hier gesammelten
Stücken konnten manche Einzelheiten beobachtet werden, auf die
hier nicht eingegangen werden soll. Wichtiger wäre die Verknüpfung,
die sich hie und da zwischen Quer-, bzw. Diagonalbrüchen
und den Bewegungsflächen erkennen läßt, die aus Schichtflächen
hervorgegangen sind. Anderseits ist es leicht erklärlich, daß an
manchen Stücken die Rutschstreifen in ihrer Richtung geringfügig
von der der benachbarten Schichtflächen abweichen. Da nicht sämt-
liche Schichtflächen miteinander genau parallel sind, kommt es auf
die Lage derjenigen Schichtfläche an, längs der das betreffende Ge-
birgsstück sich bewegt hat.
Aehnliche Beobachtungen können noch an manchen anderen
Punkten, besonders in dünnplattigen dunklen Kalken (e, ß, f,, 91) und
in Kalken mit dunklen Zwischenlagen (f,, 9.) angestellt werden. In
großer Menge trifft man Querbrüche mit schichtenparallelen Rutsch-
streifen ferner in den kambrischen und vorkambrischen Gesteinen
Mittelböhmens. Wir begnügen uns, ein Vorkommen in unterkambrischen
Grauwacken kennen zu lernen, das in einem nahe der Przibramer
Schmelzhütte gelegenen alten Steinbruche aufgeschlossen und
durch auffallende Regelmäßigkeit der Ausbildung ausgezeichnet ist.
Wir haben es hier mit einem für das mittelböhmische Falten-
gebirge ungewöhnlichen und von dem normalen stark abweichenden
Streichen und Fallen zu tun. Die im Steinbruche aufgeschlossenen
kambrischen Sandsteinbänke fallen unter Winkeln von 20 und 30°
gegen WSW. Das ist auch die Hauptrichtung der zahlreichen Quer-
brüche, die parallel zueinander in geringer Entfernung die Schichten
durchsetzen. In Taf. IV [4] ist in der Hauptsache nur eine Querbruch-
fläche dargestellt, aber in der Fortsetzung der nämlichen, gegen S
gerichteten Steinbruchwand nach links (in westlicher Richtung) sieht
man eine ganze Reihe derartiger Querbruchflächen hintereinander.
In dem in Lichtdruck wiedergegebenen photographischen Bilde ist an
manchen Stellen ein Teil des sonst zusammenhängenden Felsens ab-
gebrochen, und dann erkennt man dahinter eine kleine Fläche gleicher
39 F. Wähner. [32]
Beschaffenheit, so links oben von der Mitte des Bildes bei der be-
schatteten Stelle. Die durch den Steinbruchbetrieb bloßgelegten Ver-
schiebungsflächen sind mit einer Art Schmiere überzogen, die wohl
durch die Gebirgsbewegung aus der Zerreibung des angrenzenden
Gesteins entstanden ist. Daher sieht man im allgemeinen keine
Schichtfugen, und nur dort, wo der das eigentliche Gestein ver-
hüllende Ueberzug entfernt ist, konnte die Verwitterung eingreifen,
so daß auf gewissen Strecken infolge des Auswitterns oder Heraus-
fallens der weicheren Zwischenmittel engere oder weitere Schichtfugen
sich gebildet haben. Im übrigen sieht man auf den Verschiebungs-
flächen höhere und breitere Erhabenheiten und entsprechende Vertie-
fungen (Hohlkehlen) und auf ihnen schwächere Rutschstreifen, alle diese
Skulpturelemente meist ziemlich genau parallel zu den Schichtflächen
verlaufend. Rechts oben im Bilde sieht man ein Bündel von kleinen
Längsbrüchen, die die Stelle eines Längsbruches vertreten, die Schichten
schräg durchqueren. Damit steht eine kleine Knickung der Schichten
in Verbindung. Die Hohlkehlen und Rutschstreifen machen diese
Schichtenverbiegung mit. — Auch das zwischen den großen, weithin
verfolgbaren Rutschflächen liegende Gestein ist noch vielfach von
Bewegungsflächen mit gleichgerichteten feineren Rutschstreifen durch-
zogen, so auch rechts im Vordergrunde des Bildes, in dem sie undeut-
lich wahrnehmbar sind. Auf der Südseite des Steinbruches sind eben-
falls Querbruchflächen mit schichtenparallelen Hohlkehlen und Rutsch-
streifen von gleichartiger Beschaffenheit entblößt.
In demselben Steinbruche sind auch einige wenige Diagonal-
brüche zu beobachten, die nicht deutlich hervortreten und nur auf
kurze Erstreckung zu verfolgen sind; sie sind ebenfalls mit schichten-
parallelen Rutschstreifen versehen. Fine Bruchfläche verläuft senk-
recht auf die Fallrichtung, genau im Streichen; dieser Längsbruch
zeigt keine Rutschstreifen. Andere von dieser Richtung nur schwach ab-
weichende Bruchflächen sind dagegen wieder deutliche Rutschflächen
mit schichtenparallelen Streifen. Zahlreiche im Steinbruche gesammelte
Gesteinsstücke zeigen die beschriebenen Erscheinungen im kleinen.
Querbrüche mit schichtenparallelen Rutschstreifen von sehr ähn-
licher Beschaffenheit sind in den vorkambrischen Schiefern und Grau-
wacken vielfach zu beobachten. Zu erwähnen wäre das ausgedehnte
Gebiet zu beiden Seiten des Moldautales südlich von Königsaal und
ein kleines Vorkommen in der Modrzaner Schlucht. Bei vielen vor-
kambrischen Vorkommnissen wie bei dem besprochenen unterkambri-
schen könnte das eigenartige Aussehen der Bruchflächen zur Vermutung
verleiten, daß wir es nicht mit Bewegungsflächen, sondern mit an
Gebirgsspalten (feinen Rissen) auftretenden Verwitterungserscheinun-
gen zu tun haben. Es läßt sich bei vorkambrischen Gesteinen, die auf
den ersten Blick sehr dicht und gleichmäßig ausgebildet zu sein
scheinen, in manchen Fällen zeigen, daß sie aus quarzreicheren und
quarzärmeren Lagen bestehen. Da läge es nahe vorauszusetzen, daB
die härteren und chemisch widerstandsfähigeren Lagen es sind, die
gegenüber den minder widerstandsfähigen an jenen Flächen hervor-
treten. Die Brüche bilden jedoch nicht offene Klüfte, sondern die zu
beiden Seiten der Bruchfläche anstehenden Gesteine schließen un-
[33] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 33
mittelbar aneinander — man kann sich auch noch an Gesteinsstücken,
die man längs solcher Flächen zerteilt, hiervon überzeugen —, es
entspricht daher jeder Erhöhung auf der einen Seite eine Vertiefung
auf der anderen Seite des Bruches. Schon hierdurch verbietet sich
ein allfälliger derartiger Erklärungsversuch. Wir finden ferner — das
ist bei dem aus der Gegend von Przibram beschriebenen Vorkommen
der Fall — außer den großen, oft weithin verfolgbaren Bruchflächen
in den dazwischenliegenden Gesteinen auch andere kleinere, eben-
falls mit schichtenparallelen Streifen versehene Flächen, die das Aus-
sehen von typischen Rutschflächen besitzen; sie sind mit den anders-
artigen durch Uebergänge verbunden. Es scheint, daß einerseits die
Gesteinsbeschaffenheit, anderseits die Art der Bewegung die Unter-
schiede in der Ausbildung der Rutschflächen bedingt.
Ueberraschend ist das wenn auch seltene Auftreten von Längs-
brüchen (bzw. von Diagonalbrüchen, deren Richtung jener von Längs-
brüchen sehr nahe kommt,) mit gleichfalls schichtenparallelen Rutsch-
streifen, die demnach auf Bewegungen in der Streichrichtung
des betreffenden Gebirgsstückes (oder einer dieser sehr nahe kom-
menden Richtung) hinweisen. Auch dieser Umstand könnte zu Zweifeln
über die Natur jener Flächen Veranlassung geben. Es ist darum
nicht überflüssig, auf einen im Kalkgebirge vorkommenden derartigen
Bruch aufmerksam zu machen, der geradezu als ein Schulbeispiel
einer gut ausgeprägten Rutschfläche gelten kann. Er liegt in den
g3-Knollenkalken von Hluboczep, die hier im allgemeinen steil auf-
gerichtet sind und anscheinend ein einheitlich gebautes Glied des
Südflügels einer ausgedehnten regelmäßigen Mulde bilden. In einem
beschränkten Teile des Gebietes aber sehen wir diegenannte Schichten-
gruppe für sich in eine kräftig bewegte Falte gelegt, wogegen in den
weiter westlich gelegenen großen Aufschlüssen die Stufe 9, nur eine
untergeordnete Knickung erkennen läßt, die vielleicht mit jener Falte
in Zusammenhang steht. In einem Steinbruche ist das Gewölbe der
Falte aufgeschlossen, so daß die Bänke auf der südlichen Seite des
Bruches gegen S, auf der nördlichen Seite gegen N fallen; auch die
Gewölbebiegung ist sichtbar. An der Südseite desselben Stein-
bruches findet sich der erwähnte Längsbruch (Taf. V [5], Abb. 1).
Das Fallen der Kalkbänke ist unter einem Winkel von unge-
fähr 40° gegen SSW gerichtet. Die durch einen großen Teil des
Bıldes ziehende, durch den Steinbruchbetrieb bloßgelegte Verschie-
bungsfläche streicht ungefähr O—W, könnte daher auch als ein der
Streichrichtung der Schichten sehr nahe kommender Diagonalbruch
bezeichnet werden; sie ist keine ebene, sondern eine mehrfach ge-
krümmte Fläche und mit zahlreichen den Schichtflächen parallelen
Rutschstreifen bedeckt. Das Photogramm ist aus der Richtung N 30° W,
schräg auf das Streichen der Rutschfläche, aufgenommen; diese er-
scheint daher im Bilde in ihrer Streichrichtung verkürzt. Die Rutsch-
streifen sind sehr kräftig und regelrecht ausgebildet; ihr Aussehen
im Bilde beruht auf der starken Verkleinerung. (In dieser Hinsicht
wäre der als Maßstab aufgestellte, 461/,cm lange, infolge der Repro-
duktionsart schwer erkennbare "Hammer nahe der rechten unteren
Bildecke zu beachten.)
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. Wähner.) 5
54 F. Wähner. | os
Die vielfach aus- und einspringende Felskante rechts begrenzt
die Ansicht gegen eine (nicht sichtbare) Steinbruchwand, in der die
Schichten in der Fallrichtung aufgeschlossen sind. Links von dieser
Kante verläuft eine schmale Fläche in einer Mittelrichtung zwischen
der Streich- und der Fallrichtung der Schichten. Im tieferen Teile
dieser Fläche sind, besonders in der Nähe des Hammers, Rutsch-
streifen zu sehen, die gleichfalls schichtenparallel verlaufen und teil-
weise die deutliche Fortsetzung von Streifen der großen Rutschfläche
bilden.
Die große O—W streichende Verschiebungsfläiche verdeckt
die Schichten; das eigentliche Gestein ist durch eine mehrere Zenti-
meter dicke Ausscheidung von Kalkspat verhüllt. Der größte Teil
der sichtbaren Rutschstreifen ist daher eine Abformung jener Rutsch-
streifen, die sich an der südlichen Begrenzungsfläche des durch den
Steinbruchbetrieb entfernten Gebirgsstückes befanden. In ihrem
weiteren Verlauf nach O (links) verschwindet die Rutschfläche für
den Beschauer, sie dringt dort in den Felsen ein und trennt sodann
die zur Linken aufgeschlossenen (nach rechts und vorn geneigten),
vom Steinbruchbetrieb noch verschonten Bänke von den im S der
Rutschfläche (vor dem Beschauer) gelegenen Schichten.
Taf. V [5], Abb. 2, gibt eine Nahaufnahme eines Teiles derselben
Rutschfläche wieder, in der die Rutschstreifen in größerem Maßstabe
(vgl. deräHammer) dargestellt sind. Nächst dem rechten Rande des
Bildes liegt ein Gesteinsstückchen in einer kleinen Hohlkehle.
Es wäre falsch, aus dem Auftreten derartiger Längsverschiebungen
den Schluß zu ziehen, daß diese in einem anderen Zeitabschnitt ent-
standen sind als die übrigen Brüche, mit denen sie auf das engste
verknüpft sind. Jene zeigen vielmehr, daß aus der gleichen Gebirgs-
bewegung auch Verschiebungen hervorgehen, die nicht in der all-
gemeinen Schubrichtung liegen, sogar solche, die annähernd senkrecht
hierauf gerichtet sind. Das Gebirge ist durch zahlreiche Quer-, Dia-
gonal- und Längsbrüche und überdies durch Schichtenablösungsflächen
in eine Unzahl großer und kleiner Schollen zerlegt. An allen diese
Schollen begrenzenden Flächen gingen Bewegungen vor sich und die
Gebirgsschollen mögen zu Zeiten in ähnlicher Weise bewegt worden sein
wie ein im Hochwasser des Flusses abgehender Eisstoß, der gegen
eine hohe Mauer gepreßt wird, so daß alle Schollen steil aufgerichtet
und parallel gestellt werden, wobei es nun — darin liegt die Ver-
gleichung — manchen Schollen gelingt, annähernd senkrecht zur
Schubrichtung auszuweichen. So mag auch manche Gebirgsscholle
einem Längsbruch entlang durch den allgemeinen Schub bewegt
werden, sei es, daß der Längsbruch schon früher entstanden war, sei
es, daß er durch eben jenen Schub, aus dem Bewegungen nach ver-
schiedenen Richtungen hervorgehen, erst gebildet wurde.
Blattverschiebungen sind ausgesprochene Kennzeichen von seit-
lichen Gebirgsbewegungen. Man bringt sie mit Recht mit der Falten-
bildung, bzw. mit dem Zusammenschub der Gesteinsschichten, der sich
in der Faltenbildung äußert, in Verbindung. Bei den Verschiebungen,
[35] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 35
die parallel zur Schichtung erfolgen, wird man an einen besonders
engen Zusammenhang ihrer Entstehung mit der der Falten denken
können, wenn män sich an die entlang den Schichtflächen vor sich
gehenden Verschiebungen erinnert, die bei der Biegung der Gesteins-
platten eintreten. Querbrüche mit schichtenparallelen Rutschstreifen,
über die hier berichtet wurde, scheinen weite Verbreitung zu be-
sitzen; sie kommen auch in verschiedenen Schichtengruppen der Ost-
alpen vor.
Gegenüber diesen wird man als gesteigerte tangentiale Bewe-
gungen ansehen müssen die gewöhnlichen Blattverschiebungen, die
seitliche Verschiebungen von Stücken von Schichtengruppen gegen-
über benachbarten Stücken quer auf das Streichen bewirken. Hierher
gehören die Querbrüche, die im mittelböhmischen Silur durch
den Bergbau bekannt geworden sind, und diejenigen, die durch die
oben erwähnten neuen Untersuchungen aus der Verbreitung der Ab-
lagerungen erschlossen wurden. Sie scheinen hier hauptsächlich bei
steilerer Schichtenstellung vorzukommen.
Auf der Nordseite des Prokopitals reiht sich auf eine Länge
von etwa 11/, km im Streichen Steinbruch an Steinbruch. Die künst-
lichen Aufschlüsse bewegen sich im Nordflügel der großen Mulde von
Hluboczep in den Kuollenkalken teils von g9,, teils von 9, und sind
besonders in der jüngeren Stufe allein bei annähernd vertikaler
Schichtenstellung beinahe ohne Unterbrechung 1 km weit zu verfolgen
Diese ausgezeichnet entblößten g,-Kalke bieten die beste Gelegen-
heit, Musterbeispiele von Blattverschiebungen vorzuführen, da man
sowohl die Bruchflächen sehen und untersuchen, wie an den durch-
schnittenen Schichtengruppen das Maß der Querverschiebungen fest-
stellen kann. Einer unserer jüngeren Kräfte wird es voraussichtlich
in naher Zeit möglich sein, eine eingehende Darstellung dieser Vor-
kommnisse zu liefern. Um dieser nicht vorzugreifen, sollen hier nur
einige Bemerkungen folgen.
Die Feststellung der Verschiebungen wird erleichtert durch die
verhältnismäßig geringe Mächtigkeit der Stufe g,, durch ihre Unter-
und Ueberlagerung durch recht verschieden aussehende Gesteine und
dadurch, daß in g, selbst unschwer mehrere Unterabteilungen unter-
schieden werden können. Man kann zweckmäßig drei solche Unter-
abteilungen aufstellen und diese, um an der gut eingebürgerten
Barrandeschen Stufenbezeichnung festzuhalten und sie weiter aus-
zubilden, in der bei anderen Abteilungen bereits üblichen Weise
durch Hinzufügung griechischer Buchstaben bezeichnen. Der stra-
tigraphisch tiefste Teil (93%) besteht aus dünnschichtigen, zumeist
roten Knollenhalken (Barrandes Couches bigarrees *!P), die in ihrer
Fazies vollkommen mit den selteneren triasischen und den weit ver-
breiteten liasischen und oberjurasischen roten Cephalopodenknollen-
kalken übereinstimmen. In ihrem unteren Teile vollzieht sich der be-
kannte Uebergang von den Tentaculitenschiefern 9, zu den Knollen-
kalken g, durch fortschreitende Kalkknollenbildung und durch
Wechsellagerung. (Barrande stellt diese Schichten zu seiner
4b) Barrande, Defense des colonies, III, 1865, pag. 9 fi., 333 f,
5*
36 F. Wähner. [36]
bande g,.) Als 938 kann man die eigentlichen grauen Knollen-
kalke g, ansehen, die als Felsen hervortreten und. durch den Stein-
bruchbetrieb abgebaut werden, in ihrem unteren Teile noch dünnbankig
sind, während sie im oberen aus weit dickeren und weniger gut ge-
schiedenen Bänken bestehen. Die dritte Unterabteilung bilden die
dünnschichtigen Kalke, die nach oben durch Wechsellagerung den
Uebergang zwischen g3 und den dunklen Tonschiefern 7 vermitteln.
Sie sind viel stärker der Faltung unterworfen als die übrigen Teile
von 93 und häufig auffallend wellig gebogen. Auch diese Schichten-
gruppe muß sich von ihrer Nachbarschaft, u. zw. von den ver-
hältnismäßig starren liegenden Knollenkalken abgelöst haben. Wie
stark sie innerlich bewegt ist, erkennt man in guten Aufschlüssen,
wie oberhalb Hluboczep, daran, daß sämtliche Schichtflächen glän-
zende Rutschspiegel geworden sind und daß dieser Glanz auch an
allen kleinen Stücken zu sehen ist, zu denen hier an einem Punkte
diese Gesteine zu Schotterzwecken verarbeitet werden. Wichtig ist
ferner, daß in g3y nicht selten Radiolarien-Hornsteine auftreten, die
allerdings zumeist abgetragen sind, so daß man sie dann nur im Ver-
witterungsboden feststellen kann; das ist wohl die Ursache, daß sie
so lange unbeachtet blieben. Manchmal treten solche Hornsteine noch
im tiefsten Teile der Z-Schiefer auf, die dann jenen Teil von 93’ ver-
treten mögen. Jedenfalls bezeichnen die Radiolarien-Hornsteine die
Grenze zwischen g; und HM und es ist nichts dagegen einzuwenden,
wenn man die Uebergangsschichten schon zur Stufe H rechnet. Diese
Vorkommnisse haben nichts zu tun mit den Linsen und Knollen von
Hornstein, die in anderen kalkigen Schichtengruppen, besonders häufig
in g,, auftreten.
Die Flächen, an denen sich in der beschriebenen Schichtenreihe
die Querverschiebungen vollzogen haben, zeigen horizontale, nahezu
horizontale und von dieser Richtung nicht stark abweichende Rutsch-
streifen. Es sind demnach recht flache Blattverschiebungen. Im Ge-
gensatze zu den durch schichtenparallele Rutschstreifen ausgezeich-
neten Querbrüchen verqueren hier die Rutschstreifen die steil auf-
gerichteten) Schichten in ausgesprochener Weise, sie stehen nicht
selten senkrecht oder fast senkrecht auf diesen.
Taf. VI [6] läßt einen dieser Querbrüche deutlich erkennen. Die
Hauptmasse der grauen 95-Knollenkalke ist abgebaut. Stehengeblieben
sind der liegende Teil 9,“ und der hangende 9,7 nebst den an diese
Unterabteilungen angrenzenden Kalkbänken von g,ß, die jene leichter
beweglichen Gesteine vor Abrutschungen schützen. Die beschatteten,
gegen den Hohlraum überhängenden Bänke links im Vorder- und
Mittelgrunde sind solche Schutzbänke für g3y und zeigen durch ihre
auffallende Unterbrechung eine Querverschiebung an, entlang der das im
Mittelgrunde liegende Gebirgsstück um etwa 18m nach links (südlich)
gegen den im Vordergrunde links liegenden Teil verschoben erscheint.
Diesem Bruche gehört die im Mittelgrunde (Mitte und rechts) befind-
liche Rutschfläche an, — genau genommen sind es mehrere einander
sehr naheliegende Rutschflächen, deren Reste erhalten sind, —
deren Streifen teils horizontal verlaufen, teils von dieser Richtung
nicht stark abweichen. Diese Rutschfläche begrenzt, soweit sie er-
[37] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 37
halten ist, gegen O die hoch emporstehenden Schichten (hauptsächlich
93%), deren Ansicht den Hauptteil des Bildes ausmacht und in denen
die oben (S. 33) erwähnte (noch weithin nach W zu verfolgende)
untergeordnete Knickung zu sehen ist. Die Rutschfläche gibt uns
ebenfalls ein Maß für die Querverschiebung. Die am rechten Rande
des Bildes unter der Mitte, über und rechts von der nahen Schutt-
halde befindlichen steilen Schichtflächen entsprechen stratigraphisch
den obersten Bänken des durch die Rutschflächenreste nach O be-
grenzten Gebirgsstückes; sie bilden den untersten Teil von 9,ß. In
der Fortsetzung der Rutschfläche nach links (gegen S) liegt eine vom
Beschauer abgewandte und daher nicht sichtbare stark verwitterte
Rutschfläche, die das im Vordergrunde links liegende, mit den be-
schatteten Schichtflächen beginnende Gebirgsstück (hauptsächlich 93 7)
gegen W begrenzt. An ihr ist viel Reibungsbreccie erhalten. Trotz
der starken Verwitterung erkennt man an vielen Stellen ausgesprochen
horizontal verlaufende Rutschstreifen.
Die Verschiebungen, die sich an diesen Querbrüchen vollzogen
haben, sind offenbar erst erfolgt, als die Faltung bereits die steile
Aufrichtung der Schichten bewirkt hatte. Der Seitenschub, aus dem
die Faltung hervorging, muß noch fortgedauert haben, als die Schichten
bereits entsprechend stark zusammengeschoben waren, es kam zur
Trennung und Bewegung an neu entstehenden Quersprüngen oder zu
neuen Bewegungen entlang den schon während des Faltungsvorganges
entstandenen Quersprüngen, wobei die einzelnen Gebirgsstücke je-
weils nach den Richtungen des geringsten Widerstandes verschoben
wurden. Der Umstand, daß die erwähnte Knickung der steil aufgerich-
teten Kalkbänke sehr weit zu verfolgen ist, obgleich diese Bänke von
überaus zahlreichen Querbrüchen durchsetzt und verworfen sind, spricht
ebenfalls dafür, daß diese Querbrüche jünger sind als die Faltung *%).
Es gibt auch in diesen steilgestellten Schichten Querbrüche,
die andere Verschiebungsrichtungen aufweisen, darunter solche mit
schichtenparallelen Rutschstreifen. Hätte die den letzteren entspre-
chende Bewegung zu einer Zeit stattgefunden, als die Schichten be-
reits steil aufgestellt waren, so müßte sie steil nach abwärts oder
aufwärts gerichtet gewesen sein. Es ist aber wahrscheinlich, daß die
schichtenparallelen Bewegungen früher, zur Zeit, als die Schichten
noch flacher gelagert und in Faltung begriffen waren, eingetreten
sind. Jedenfalls sind die Rutschstreifen kein Nachweis für absolute
Bewegungsrichtungen (in bezug auf den Erdkörper), sondern nur für
Richtungen im Verhältnisse zu den Gesteinskörpern, an denen sie
haften und mit denen sie alle seit ihrer Bildung vollführten Bewe-
#28) In Alb. Heim, Das Säntisgebirge (Beitr. z. geol. K. d. Schweiz, N. F,
XVI, Bern 1905) ist ein eigener, von Marie Jerosch hearbeiteter umfangreicher
Abschnitt den Querstörungen des mittleren Teiles jenes Gebietes gewidmet. Auch
hier ein Gebirge, dessen Schichten durch hochgradige Faltung größtenteils sehr
steil aufgerichtet sind. Die Entstehung der Querbrüche (zumeist Horizontalver-
schiebungen) wird zum Teile in eine jüngere Phase desselben Faltungsvorganges
verlegt, ein sehr großer anderer Teil wird als jünger denn die letzte Phase der
Faltung angesehen. Unser Gebiet, das in dem Zeitraum Oberdevon- Unterkarbon
gefaltet wurde, stellt ein bemerkenswertes Seitenstück zu jenem weit jüngeren
Gebirge dar.
38 F. Wähner. [38]
gungen mitgemacht haben. Tatsächlich findet man in dem besproche-
nen Gebiete Querbrüche mit Rutschstreifen verschiedenen Alters —
die Altersunterschiede mögen geologisch sehr gering sein — mit ein-
ander kreuzenden Richtungen, und ich glaube auch schichtenparallele
Rutschstreifen gesehen zu haben, die durch flacher verlaufende jün-
gere Streifen teilweise verwischt sind. Letzteres wäre nachzuprüfen.
Daß die eigentlichen Blattverschiebungen die Längsbrüche ver-
werfen und daher auch jünger sind als diese *?P), geht aus den neuen
Untersuchungen J. Woldrichs?”, 3) und R. Kettners°3-2°) her-
vor. Dies wirftzugleich ein bezeichnendesLicht auf das
Alter und die Natur der Längsbrüche. Es kann sich nicht
um ein altes Faltenland handeln, das in weit jüngerer Zeit von Längsver-
werfungen betroffen worden ist, sondern jene Längsbrüche müssen in dem
Zeitraum entstanden sein, in dem die älteren paläozoischen Schichten-
gruppen gefaltet wurden. Denn jene Querverschiebungen sind zwar verhält-
nismäßig jung, gehören aber noch der Zeit des Faltungsvorganges (im
weiteren Sinne) an, sie müssen sich in der Zeit des seitlichen Zu-
sammenschubes, wenn auch in dem letzten Abschnitte desselben, er-
eignet haben. Sie durchsetzen denn auch jene Längsbrüche, die wie
die große Bruchlinie der Przibramer Lettenkluft heute — auch von
den genannten Forschern — als Ueberschiebungen angesehen werden.
d) Isoklinale Lagerung.
Bildete die altpaläozoische Schichtenreihe eine einheitliche
Synklinale, so wäre die zumeist gleichsinnige Lagerung, die wir einerseits
im nordwestlichen, anderseits im südöstlichen Teile des Gebietes an-
treffen, eben durch diesen synklinalen Bau erklärt. Daß wir mit dieser
einfachen Vorstellung nicht ausreichen, ist schon lange ersichtlich.
Wenn wir von den zahlreichen Falten kleinen Ausmaßes absehen, die
in so vielen Schichtengruppen beobachtet und, wie es scheint, jeweils
auf eine einzelne derselben oder einen kleinen Teil der Gesamtheit
beschränkt sind, so zeigen schon die großen Falten der obersilurisch-
devonischen Schichtenfolge, die in der Mitte des Gebietes erkannt
sind, daß wir es mit einem großen Stück eines ehedem viel umfang-
reicheren echten Faltengebirges zu tun haben. Die Wiederholungen
kleinerer und größerer Schichtenreihen, die sowohl im sogenannten
Nordflügel wie im sogenannten Südflügel festgestellt sind, haben ferner
in jedem der beiden Teilgebiete das Vorhandensein kleinerer und
größerer Längsstörungen erkennen lassen, und somit sind wir mit
Rücksicht auf den Faltenbau und mit Rücksicht auf die vorhandenen
Längsbrüche nicht mehr in der Lage, den isoklinalen Bau, der einer-
seits im N, anderseits im S zu beobachten ist, auf eine einheitliche
Mulde zurückzuführen. Es sind andere Ursachen dafür zu suchen.
Der isoklinale Bau drückt sich für jedes der beiden Teilgebiete
nicht nur darin aus, daß das vorherrschende Fallen der Gesteine
gegen das Innere des ganzen Gebietes gerichtet ist, sondern er wird
dadurch noch augenfälliger und bezeichnender, daß die Längsbrüche
darin keine Aenderung hervorrufen. Die Anführung zweier Beispiele,
2b) Auch im Säntisgebirge ist dies meistens der Fall.
[39] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 39
die schon aus der älteren, von uns viel benützten Literatur ersichtlich
sind, wird vorläufig genügen.
In einem südwestlichen Teile des Gebietes, das aus vorkambri-
schen Schiefern (und Grauwacken) und kambrischen Grauwacken und
Konglomeraten zusammengesetzt ist, finden wir eine mehrfache Wieder-
holung der beiden Schichtengruppen bei vorwiegend nordwestlichem
Einfallen, oder es halten die Konglomerate in der Fallrichtung so
lange an, daß Krejöi schon hieraus, um nicht eine ungeheure
Mächtigkeit dieser Schichtengruppe annehmen zu müssen, auf das
Durchstreichen von Längsbrüchen zu schließen sich genötigt sah.
Die zwei langen und mächtigen selbständigen Züge von unter-
silurischen Gesteinen, die im nördlichen Teile des Gebietes festgestellt
sind, zeigen beide vorherrschend gleichsinniges Einfallen nach SO.
Neuere und neueste Arbeiten bestätigen trotz vielen Abweichungen
im einzelnen das Erwähnte im wesentlichen. Auch dort, wo eine
untersilurische Stufe quer auf das Streichen auf weite Erstreckung
anhält, können wir in beiden Teilgebieten nicht selten wahrnehmen,
daß trotz vielen durch Kleinfaltung und durch Brüche herbeigeführten
Störungen und sonstigen Unregelmäßigkeiten der Lagerung immer
wieder die das betreffende Gebiet kennzeichnende Schichtenstellung
sich einstellt und herrschend wird.
Solche allgemeinere Erfahrungen sind selbstverständlich nicht be-
weisend für den Bau der einzelnen Gebietsteile, sie deuten aber im
Zusammenhang mit den in anderen Faltengebirgen gewonnenen Be-
obachtungsergebnissen an, daß geneigte Falten und daraus hervor-
gehende Ueberschiebungen für die Herausbildung des vorliegenden
Gebirgsbaues von Bedeutung sein könnten. Das Auftreten geneigter
Falten stellt schon einen höheren Grad der Faltung und ein höheres
Maß seitlichen Zusammenschubes dar als das Vorkommen gewöhnlicher
Falten. Bei den geneigten Falten ist jeder zweite Schenkel überkippt
und von ihnen ist nur ein Schritt zur Entwicklung jener hochgradigen
Faltung, jener weitgehenden Schichtenstauung, die in den Faltungs-
überschiebungen vorliegt.
Schon vor mehr als fünf Jahrzehnten hat Lipold in seiner
bekannten, zu wenig gewürdigten Schrift gegen Barrandes Kolonien
dem Auftreten liegender Falten große Bedeutung für den Gebirgsbau
zugeschrieben, und neuere Arbeiten zeigen immer deutlicher, daß
ein auf gleichsinnig geneigten Falten beruhender Gebirgsbau tatsächlich
vorhanden ist. Es wird sich Gelegenheit bieten, auf einige Ergebnisse
dieser Arbeiten einzugehen.
4. UVeberschiebungen.
In einzelnen Schichtengruppen des Untersilurs sind dort, wo
eine solche in scheinbar überaus großer Mächtigkeit eine selbständig
gebaute Gebirgszone für sich zusammensetzt, zahlreiche Brüche zu
beobachten. Unter ihnen befinden sich viele die Schichten verquerende,
diese oft schräg durchsetzende Läfßgsbrüche, die unter irgendeinem
Winkel gegen den Horizont geneigt sind. Wenn die an den Bruch
anstoßenden Schichtenenden keine Schleppungserscheinungen erkennen
40 F. Wähner. [40]
lassen, dann können wir nicht beurteilen, ob wir es mit einem Sen-
kungsbruch oder einer Ueberschiebung (Aufschiebung) zu tun haben.
Diese Brüche sind noch wenig untersucht. Es kommen aber Ueber-
schiebungen unter ihnen vor. Ob dieselben aus geneigten Falten
hervorgegangen sind, oder ob sie unmittelbar durch den Seitenschub
gebildet wurden, ist nicht von wesentlicher Bedeutung. In jedem Falle
tragen sie mit dazu bei, erkennen zu lassen, daß die Schichtengruppen
durch die Gebirgsbewegung gestaut, auf einen kleineren Raum zu-
sammengeschoben wurden. Solche Brüche finden sich auch in der
obersilurisch-devonischen Schichtenreihe und könnten uns, wenn sie
genauer bekannt wären, manchen Fingerzeig bieten.
Je mehr sich ein innerhalb einer Schichtengruppe auftretender
Längsbruch in seiner Neigung der der Schichten nähert, einen je
spitzeren Winkel er demnach mit den Schichten bildet, desto leichter
wird er übersehen, besonders wenn die Gesteinslagen mehr oder
weniger stark zerbrochen sind und zum Zerfalle neigen. Fällt die
Bruchfläche auf kürzere oder längere Erstreckung — zumeist handelt es
sich schon wegen der Beschränktheit der Aufschlüsse um das erstere —
mit einer Schichtfläche zusammen, so kann sie in ihrer Natur nur
erkannt werden, wenn die Schichten, die ja auf einer Seite des
Bruches mit diesem parallel liegen, auf der anderen Seite eine andere
Lagerung besitzen, d.i. an ihm unter irgendeinem Winkel abstoßen.
Südlich der Schwagerka bei Slichow sind an dem unteren Teile
der widerholt erwähnten Eisenbahnstrecke Smichow—Hostiwitz die
Uebergangsschichten g,— 9; (von den Tentaculitenschiefern zu den höheren
Knollenkalken) und die roten dünnschichtigen Knollenkalke 9, gut
entblößt. Unter den die Uebergangsschichten durchsetzenden Brüchen
befindet sich einer, der ein gutes Beispiel für den eben erwähnten Fall
bietet (Taf. VII [7]). Die Schichten fallen unter- und oberhalb des
Bruches in annähernd südlicher Richtung, wobei die hangenden
Schichten um etwa 20° stärker geneigt sind als die liegenden. Die
hangenden Schichten biegen sich kaum merklich in der Nähe der
Bruchfläche in der Weise, daß sie sich dieser anzuschmiegen suchen.
(Schleppung.) Weiter nach links unten werden sie parallel mit den
liegenden Schichten, so daß hier (auf kurze Erstreckung) von einer
Störung nichts zu bemerken wäre. Der Bruch kann noch dadurch
festgestellt werden, daß man von dem zerstückelten Gestein einige
Teile abräumt und so ein Kalkspatblatt bloßlegt, das deutliche Rutsch-
streifen zeigt; die letzteren verlaufen flach, sie sind in derselben
Richtung wie die unterlagernden Schichten geneigt. In diesem Falle
besteht kein Zweifel, daB das hangende Gebirgsstück nach rechts
oben, mithin in annähernd nördlicher Richtung aufwärts geschoben ist.
Von den Längsbrüchen, die an der Grenze von Schichtengruppen
verschiedenen Alters verlaufen und an denen ältere Gesteine über
Jüngere bewegt worden sind, sind heute einige mit Sicherheit erkannt.
Sehen wir hierbei vorläufig ab von der Przibramer Lettenkluft, die
schon lange als Ueberschiebung aufgefaßt wird, und von der gegen die
Kolonien gerichteten Schrift Lipolds, so wäre von Neueren zunächst
Jahn zu nennen, der gelegentlich seiner erfolgreichen stratigraphi-
schen Untersuchungen u. a. die an der Nordseite der Konjepruser
[41] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 41
Devonscholle durchstreichende Ueberschiebung festgestellt hat #°). Mit
guter Kenntnis der Art des alpinen Gebirgsbaues hat sodann der
trefflliche Seemann, der seither den Heldentod in dem furchtbarsten
aller Kriege gefunden hat, die weitere Umgebung von Konjeprus
durchforscht *%). Schon eine Betrachtung der unten angeführten Profil-
tafel ist für den vorliegenden Zweck belehrend. Wir besehen zuerst
einige kleine Brüche am rechten Gehänge des Berauntales nördlich
von Srbsko, östlich von Tetin, Profil 1 und (in größerem Maßstabe)
Profil 3. Zweimal ist — wir befinden uns im „Südflügel — /,-Kalk
(mit aufgelagertem g,) nach SSO über g, -Knollenkalk geschoben, so
daß auf tektonischem Wege wiederholte Wechsellagerung der beiden
gegen N oder NNW geneigten Schichtengruppen hervorgebracht wird.
(S. 83 und 90.) Sodann sind hier (ein wenig weiter nördlich) ober-
silurische Kalke (e) über den devonischen fs-Kalk geschoben, ein
Bruch, der nach Seemann aus der weiter westlich, am Berge Damil
zu beobachtenden regelmäßigen flachen Mulde hervorgeht, deren (an
der Beraun) überkippter Nordflügel über den Südflügel geschoben ist.
Unter weit größeren räumlichen Verhältnissen sehen wir in dieser
Gegend (Prof. 1, weiter südlich) ein aus e, und f, bestehendes Ge-
wölbe flach nach SSO übergelegt und in dieser Richtung über g, ge-
schoben, das (nächst dem Bruche von Koda) aus zahlreichen kleineren
(größtenteils nach SSO übergelegten) Falten besteht. Am SO-Gehänge
des Kodaer Berges (388 m) haben ‚wir also den überstürzten Schenkel
einer liegenden Falte vor uns, der aus e, (oben), / und g, besteht.
Wenn wir hier nicht mit Seemann von einer Ueberschiebung sprechen
wollten, so müßte mindestens zugegeben werden, daß die in zahlreiche
kleine Falten gelegten g,-Kalke sich von dem flach darüber liegenden
hellen dickbankigen oder massigen Konjepruser Kalk /, abgelöst haben
müssen. An dieser Stelle zieht Seemann einen Bruch hindurch,
an dem nach seiner Anschauung g, von den darüberliegenden Stufen
gegen SSO überschoben worden ist; er meint, daß „möglicherweise
auch das Obersilur (e;) noch etwas über /, hinweggeglitten ist.“ Diesen
Schlußfolgerungen möchte ich beipflichten. Danach haben wir es nicht
mit einer ausgesprochenen Faltenüberschiebung, aber mit einem
Lagerungsverhältnis zu tun, aus dem solche Ueberschiebungen hervor-
zugehen pflegen, und dem man im mittelböhmischen Faltengebirge
öfter begegnet ®).
Ein weiteres Beispiel hierfür bildet der schon kurz erwähnte
Bruch, der die Konjepruser Devonscholle im N und NO begrenzt.
#) Jahn, Geol. Exkursionen, 1903 3), S. 25 und Profil (aufgenommen}1891),
8. 21.
4) Fritz Seemann, Das mittelböhmische Obersilur- und Devongebiet süd-
westlich der Beraun. (Beitr. z. Pal. Oest.-Ung., XX, 1907, S. 69—114; geol. Karte,
Profiltafel.) — Seemann ist ohne Zweifel unbeeinflußt gewesen; die Anschau-
ungen, die von mir zu Lehrzwecken über den mittelböhmischen Gebirgsbau aus-
gesprochen wurden, waren ihm unbekannt.
#5) Dagegen ist nach meinem Dafürhalten der ‚ganze Bruch von Koda, über
den noch einiges zu sagen ist (S. 46), als eine Faltenüberschiebung anzusehen, die
— wie gewöhnlich — in eine größere Zahl von Teilverschiebungen zerfällt. Zu
diesen gehören die von Seemann beschriebenen Ueberschiebungsflächen.
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. Wähner.) 6
49 F. Wähner. [42]
Jahn hat bereits gezeigt, daß hier im Hangenden von /, die e-Kalke
und darüber die Uebergangsschichten e,ß und die Graptolithenschiefer
e,“ folgen *?), mithin das Obersilur diskordant und in verkehrter
Schichtenfolge auf dem Devon lagert. Seemann (S. 89 und 90) hat
diesem wichtigen Lagerungsverhältnisse mehrere Querschnitte (Profil
6—9) gewidmet und bringt dasselbe in Verbindung mit dem weiter nörd-
lich auftretenden Obersilur (Profil 8), das normal liegt, indem hier e,
über e, folgt. Danach bildet das Obersilur ein schiefes Gewölbe,
dessen überstürzter Schenkel auf dem Devonkalk liegt und diesen
nach SSW überschiebt. (Das Streichen der Konjepruser Scholle
[WNW] weicht von dem in der weiteren Umgebung zu beobachtenden
Streichen sehr weit ab.)
Wir übergehen andere von Seemann festgestellte Ueber-
schiebungen und lassen namentlich die Frage unerörtert, ob nicht
manche der übrigen von dem Genannten beschriebenen Brüche gleich-
falls als Ueberschiebungen aufzufassen wären. Es genügt, auf die bisher
betrachteten Vorkommnisse neuerdings aufmerksam gemacht zu haben,
bei denen die Ueberlagerung jüngerer Schichtengruppen durch ältere
tatsächlich zu beobachten ist. Seemann, der keine unmittelbare
Veranlassung hatte, den Bau des Ganzen zu überprüfen, lag es fern,
eine grundsätzliche Aenderung der von E. Suess eingeführten An-
schauung über den Bau des mittelböhmischen Paläozoikums vornehmen
zu wollen; er stand vielmehr auf dem Boden dieser Anschauung (S. 90).
Um so größeres Vertrauen verdienen seine hier berührten Feststel-
lungen. Den Bruch von Koda hielt er für einen „echten Senkungs-
bruch“, und er glaubte nicht, „daß der Kontakt der Stufe Z mit
den jüngeren Stufen einer Ueberschiebungsfläche entspricht“. (S. 81 #6).
Die Unregelmäßigkeit der Lagerung, auf die sich Seemann hierbei
beruft, läßt sich unter Annahme einer Ueberschiebung recht gut er-
klären. Daß westlich von Koda g, und das f, des überstürzten
Schenkels des vonSeemann beschriebenen liegenden Gewölbes fehlen
und die Stufe 7 unmittelbar mit & (weiter in SW sogar mit /, des
Hangendschenkels) in Berührung tritt, zeigt nach solcher Auffassung,
daß die liegende Falte, in die man auch das an H anstoßende g,
einbeziehen müßte, nach jener Richtung durch Unterdrückung des
überstürzten Schenkels in eine regelrechte Faltenüberschiebung
übergeht.
Der Arbeit Seemanns schließen sich neue Untersuchungen an,
auf deren Ergebnisse hier nicht eingegangen werden soll; sie sind
kürzlich von E. Nowak zusammengestellt worden ?”). Der isoklinale
Faltenbau, aus dem auch Ueberschiebungen hervorgehen, tritt uns
*#) Man ersieht daraus, wie ein von einer Autorität herrührender, in der
Literatur überdies fest verankerter Ausspruch das Urteil selbst eines so unbefan-
genen Beobachters und selbständigen Arbeiters insoweit zu trüben vermag, daß er
einen örtlich und sachlich so nahe liegenden Gedanken, der nur einen letzten
Schritt zu einer naturgemäßen Auffassung des Gesamtbaues dargestellt hätte, zwar
erörtert, aber von sich weist.
*) Zentralbl. f. Min., 1915, S. 306—320. — Daß die Auffassung des Genannten
sich nicht in allen Einzelheiten mit der meinen deckt, ist für die Hauptfrage nicht
von Belang.
[43] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges, 43
besonders deutlich in den von Liebus gegebenen Querschnitten,
namentlich Fig. 2 und 3, entgegen *). Es handelt sich hier um wieder-
holte Aufeinanderfolge von älteren kambrischen Konglomeraten und
mittelkambrischem Paradoxidesschiefer, die (im „Südflügel“) gleich-
sinnig gegen NW geneigt sind. Es ist abzuwarten, welche Ab-
änderungen in der tektonischen Auffassung sich hierbei durch die
weitere Verfolgung der von R. Kettner unterschiedenen Konglomerat-
horizonte ergeben werden ®°),
Wichtig bleibt noch immer, in möglichst vielen Fällen die un-
mittelbare Ueberlagerung jüngerer Schichtengruppen durch ältere zu
beobachten. Es möge darum noch auf ein nächst Prag gelegenes
kleines Vorkommen aufmerksam gemacht werden, dessen Lagerungs-
verhältnisse, obgleich das Auftreten der betreffenden Gesteine lange
bekannt ist, meines Wissens bisher nicht erwähnt worden sind. Der
Hügel, der das Kirchlein und den Friedhof von Slichow trägt, besteht
aus devonischen Kalken der Stufen /, und 9, u. zw. ist der mehr
oder minder massig ausgebildete /,-Kalk von g,-Knollenkalk nicht
überlagert, sondern von solchem unterlagert. Man sieht dies ganz
deutlich auf der Ostseite des Hügels, und zwar besser vom rechten
als vom linken Moldauufer aus, da durch den Damm der böhmischen
Westbahn der tiefste Teil des Felsens verdeckt wird. Vom Bahndamm,
wo man für eine gute bildmäßige Darstellung dem Vorkommen zu
nahe ist, erhält man die in Taf. VIII (8), Abb. 1 wiedergegebene An-
sicht, die aus zwei aneinanderschließenden photographischen Aufnahmen
herges‘ellt ist. Darin ist nur ein kleiner südlicher Teil des viel aus-
gedehnteren und mächtigeren Vorkommens von fs-Kalk sichtbar. Der-
selbe ist stark zerrüttet, Schichtung ist nicht sicher erkennbar. (Die
dünnen dunklen Linien, die auf den hellen Felsen erscheinen und
Streifung vortäuschen, rühren von Telegraphendrähten her.) Die sehr
unregelmäßige Auflagerung auf dem dünngebankten, in kleine Falten
gelegten g,-Kalk ist gut zu sehen. Der letztere zeigt sehr wechselnde
Lagerungsverhältnisse von streckenweise rein horizontaler Lage bis
zu streckenweise rein vertikaler Stellung, bei der W—O-Streichen
herrscht. An der Grenze der beiden Gesteine verläuft eine Reihe
seichter Höhlungen, die von der Auswitterung des durch die Gebirgs-
bewegung entlang der Ueberschiebungsfläche zertrümmerten Gesteins
herrühren dürften. Von der Auflagerungsfläche greifen mehrere kurze,
steiler und flacher gegen NO geneigte Brüche in den hangenden fs-
Kalk ein, durch die das ganze Gesteinsvorkommen in kleine Schuppen
zerteilt wird. In entsprechender Weise scheint sich die Schubfläche in
mehrere Bewegungsflächen zu teilen. Weiter nördlich (außerhalb der
im Bilde dargestellten Felsen) durchsetzen noch mehrere Brüche den
hier allein sichtbaren /,-Kalk. Man könnte glauben, daß der /-Kalk
entlang den erwähnten Brüchen aus nordöstlicher oder ostnordöstlicher
Richtung auf den g,-Kalk geschoben ist. Allein dieser zeigt gerade bei
steiler Schichtenstellung an der Grenze gegen den überlagernden
f.-Kalk Schleppungserscheinungen, wobei die Sehichten sich in unge-
fähr nördlicher Richtung umbiegen und so an die Auflagerungsfläche
8) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1913, Bd. 63, S. 770 und 772.
6*
44 F. Wähner. [44]
anschmiegen; dadurch wird es wahrscheinlich, daß der hangende
fs-Kalk in annähernd nördlicher Richtung bewegt worden ist.
Es dürfte wenige Gebiete von ähnlicher Beschaffenheit geben,
in denen die Art der verschiedenen Gebirgsbewegungen verhältnis-
mäßig so genau ermittelt werden kann wie im mittelböhmischen
Faltengebirge. Es ist dies hauptsächlich den zahlreichen künstlichen
Aufschlüssen zu danken, in denen wir nicht nur die Lagerungsverhält-
nisse, sondern an vergleichsweise frischem Gestein auch die vor-
handenen Bewegungsspuren gut untersuchen können. Nach den vorher-
sehenden Erörterungen sind wir wohl berechtigt, auch zur Erklärung
der großen streichenden Brüche, deren Bewegungsflächen wir nicht
beobachten können, auf deren Vorhandensein aber aus den Lagerungs-
verhältnissen zu schließen ist, wie in anderen ähnlich gebauten Ge-
birgen, Ueberschiebungen, die aus dem Faltungsvorgang, bzw. aus
dem lateralen Schub hervorgehen, anzunehmen. Trotzdem werden
wir — schon mit Rücksicht auf die bisher geltende andersartige
Anschauung und mit Rücksicht auf die allgemeinere Bedeutung der
daraus abzuleitenden Ergebnisse — gut tun, auch diese Frage unter
sorgfältiger Beurteilung zu behandeln. Versuchen wir dies, so zeigt
sich sehr bald, daß fortgesetzte genaueste Untersuchung der ein-
schlägigen Lagerungsverhältnisse, Feststellung aller Vorkommnisse,
die jener Beurteilung förderlich sein können, auch weiterhin recht
erwünscht sind.
Nur wenige Beispiele sollen hervorgehoben werden. Am längsten
und besten bekannt ist die oben wiederholt erwähnte, unfern dem
Südrande des Gebietes gelegene Bruchlinie der Przibramer Letten-
kluft. (S. 8.) Besonders wertvoll erscheint, daß in diesem Falle
durch den Bergbau die Verwerfungsfläche selbst aufgeschlossen und
ihrer Lage und Gestalt nach festgelegt ist. Sie ist keine Ebene,
sondern sowohl im Streichen wie im Fallen weilig gebogen. Das Ein-
fallen erfolgt steil, mit 70°, gegen die Tiefe zu mit 65° gegen NW.
Wenn man das bekannte Lagerungsverhältnis trotzdem, wie es ge-
schehen ist, mit einem Senkungsbruche erklären will, so muß man
annehmen, daß der im SO liegende Gebirgsteil sich unter dem unge-
heuren Druck des hangenden Gebirgsteilles unter diesen abwärts
und nach NW bewegt hat*%). Daß die Bewegung wirklich unter ge-
waltigem Druck vor sich gegangen ist, ist aus der weitgehenden
Zertrümmerung des anschließenden Gebirges zu erkennen; dasselbe
hat die großen Mengen von Reibungsbreccie geliefert, die entlang
der Verwerfung bis zu einer Mächtigkeit von 6 m angehäuft ist 0),
Bei flüchtigen Besuchen des Bergwerkes habe ich an der Letten-
kluft nur scharfkantige flache Scherben auflesen können, ausgesprochene
„Quetschlinge“, die auf den größeren Flächen spiegelnden Glanz zeigen.
Es sind aber auch stark abgerundete große und kleine Gesteinsstücke
*) Ob Ueberschiebung oder Unterschiebung — das liefe auf dasselbe hinaus;
wir können stets nur die relative Bewegungsrichtung feststellen.
5) J. Schmid, Montan-geo|. Beschreibung des Przibramer Bergbauterrains.
Wien 1892, S. 14.
[45] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 45
in diesen Anhäufungen gefunden worden, die '„Lettenkluftgerölle*, wie
sie genannt worden sind. Eine Reihe von solchen, zumeist recht großen
Stücken, die in der Sammlung der Markscheiderei in der Bergdirektion
in Przibram aufbewahrt werden und vom Seföiner Gang an der Letten-
kluft stammen, habe ich durch das freundliche Entgegenkommen des
Herrn Oberbergrates Steinmetzer genau zu besehen Gelegenheit
gehabt. Einige von diesen aus Grauwacke bestehenden „Geröllen“
sind gut gerundet, andere zeigen andere, auch scharfkantige Formen;
sie sind mit Rutschstreifen bedeckt und teilweise durch die Be-
wegung geglättet.
Die älteren kambrischen Grauwacken, die im SO der Letten-
kluft liegen, bilden eine Mulde, deren nordwestlicher, an die Letten-
kluft grenzender Flügel steiler aufgerichtet ist als der südöstliche.
PoSepny — auch nach seiner Anschauung sind die im NW des Längs-
bruches folgenden vorkambrischen Schiefer auf die jüngeren Grau-
wacken aufgeschoben — hält jene muldenartige Biegung, die er als
„Knickung“ bezeichnet, wie aus seinen Vergleichen hervorgeht, für
eine Schleppungserscheinung !). Es ist kein Widerspruch gegen eine
derartige Erklärung, wenn man an der Auffassung der muldenförmigen
Lagerung festhält und aus dieser auf eine Faltungsüberschiebung
schließt. Der steil aufgerichtete (bzw. überstürzte) Flügel der Mulde
entspräche danach dem Mittelschenkel einer Falte, dessen ehemalige
Fortsetzung in dem im NW der Lettenkluft, im Hangenden der über-
schiebenden vorkambrischen Schiefer neuerdings folgenden kambrischen
Grauwacken zu finden wäre; diese hinwieder gehörten dem Hangend-
schenkel derselben Falte an, aus der sich die Ueberschiebung ent-
wickelt hat. Es besteht kein Zweifel, daß sorgältige planmäßige
Untersuchung der durch den tief und weit eingreifenden Bergbau
gebotenen zahlreichen Aufschlüsse in dieser Frage reiche Belehrung
ergeben würde.
In den schönen Kartenskizzen, die die oben °°, 0%) angeführten
neuen Arbeiten Kettners begleiten, sehen wir die Bruchlinie der
Lettenkluft gleichfalls als eine Ueberschiebung verzeichnet. Sie wird
hier von zahlreichen Querbrüchen durchsetzt, an der sie quer auf ihr
Streichen verschoben erscheint. Weiter in SO, näher der Granitgrenze,
ist eine zweite Ueberschiebung verzeichnet, die ebenfalls an der
Grenze von Kambrium (SO) und Algonkium (NW) verläuft und von
mehreren derselben Querbrüche in gleicher Art betroffen erscheint.
(Ueber die Altersbeziehungen zwischen den Querbrüchen und den
Ueberschiebungen vgl. oben S. 38.)
Sehr genau ist durch die Untersuchungen Kettners im Motol-
tale bei Prag ein Teil der Prager Bruchlinie bekannt geworden,
51) F. PoSepny, Ueber Dislocationen im Pribramer Erzrevier. (Jahrb. d. k. k,
geol. Reichsanst. XXII, 1872, S. 229—234.) Noch viel deutlicher als aus den von
P. gegebenen Profilen erhält man den Eindruck einer aus dem verquetschten
Schenkel einer Mulde hervorgehenden Schleppung aus dem Originaldurchschnitte J.
Grimms (Die Erzniederlage bei Pfibram in Böhm., Prag 1855, S. 29, Fig. 2), der
sehr genau nach den in der Grube beobachteten Verhältnissen gezeichnet zu sein
scheint.
46 P. Wähner. [46]
die die beiden Untersilurzüge des nördlichen Teilgebietes scheidet 52).
Danach bilden im allgemeinen zwei im S der Bruchlinie liegende
Züge der Quarzitstufe d, ein gegen S geneigtes Gewölbe, in dessen
Kern die dunklen Schiefer d,y auftreten. Der nördliche Quarzitzug, der
daher überstürzt ist, stößt bei der Pernikarka unmittelbar mit den
stark gestörten, verwirrt gelagerten d,-Schichten des nördlichen selb-
ständigen Untersilurzuges zusammen. Zwischen den zuletzt erwähnten
Schichtengruppen d, und d, würde nach dieser Auffassung die Prager
Bruchlinie hindurchstreichen. Hier hätten wir demnach eine Falten-
überschiebung vor uns, bei der ein Teil des überstürzten Schenkels
erhalten ist, ein Seitenstück zu den von Jahn und Seemann aus
dem südlichen Teile des Kalkgebietes beschriebenen Vorkommnissen.
(Vgl. oben S.41 f.) Die Gesteine des nördlichen Quarzitzuges, die früher
für d, angesehen und daher als die südlichst gelegene Stufe des
nördlichen Untersilurzuges betrachtet wurden, zeigen bei der Perni-
käfka und weiter westlich eigenartige Ausbildung, die mit jener der
typischen d,-Quarzite nicht vollkommen übereinstimmt; es wäre des-
halb erwünscht, größere Sicherheit über das Alter dieser Gesteine und
damit über die Anwendbarkeit der erwähnten tektonischen Erklärung
zu erhalten.
Von der für den Bau des Kalkgebietes wichtigen Bruchlinie
von Koda-Srbsko, die Seemann noch für einen Senkungsbruch
hielt, wurde zuletzt S. 41 u. 42 gesprochen. Sie ist meines Erachtens
ebenfalls als Ueberschiebung aufzufassen. Vor einigen Jahren konnte
ich in einem Bauernhofe des Dorfes Srbsko, der knapp am Fuße des
ziemlich steilen nordwestlichen Gehänges des hier ins Berauntal ein-
mündenden Nebentales liegt, das Anstehen von durch die Gesteins-
beschaffenheit und durch Pflanzenreste gut gekennzeichnetem Ton-
schiefer der Stufe H feststellen. Der tiefste Teil des Gehänges ist
hier augenscheinlich künstlich angeschnitten, dadurch ist der Schiefer,
der sonst auf weite Erstreckung nicht sichtbar ist, entblößt worden.
Die höheren Teile desselben Gehänges werden von den bereits im
NW der Bruchlinie gelegenen Knollenkalken g, gebildet. Man kann
also mit derselben Berechtigung wie in zahllosen anderen Fällen
sagen, daß an dieser Stelle die älteren Kalke g, die jüngeren Schiefer
H überlagern. Wer eine noch genauere Feststellung verlangt, hätte
hier gute Gelegenheit, durch eine verhältnismäßig seichte Bohrung
nachzuweisen, ob die beiden Schichtengruppen auch in vertikaler
Richtung übereinander liegen. Eine derartige Probe scheint auf
Grund folgender Erwägung überflüssig zu sein.
Das Längstal von Srbsko besitzt hier nahe seinem Ausgange
ins Berauntal eine ziemlich breite Sohle. Das Tal ist durch Seiten-
erosion und Abtragung im Laufe der Zeit erweitert worden, das
jetzige nordwestliche Gehänge muß entsprechend zurückgetreten sein.
Die Kalkfelsen, die den größten Teil des Gehänges bilden, sind auch
der mechanischen Verwitterung ausgesetzt, müssen früher weiter gegen
»2) R. Kettner, Ueb. d. neue Vork. der untersil. Bryozoen ... in der
Ziegelei Pernikäfka bei Kosife (Resum€ des böhm. Textes). Bull. intern. de l’Ac.
des Sc. de Boh@me 1913. Ferner der o. angef. Exkursionsführer ®) mit Karte und
zahlr, Querschn.
[47] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 47
die Mitte des Tales zu angestanden sein und daher das jetzt sicht-
bare Vorkommen von H-Schiefern auch im strengsten Wortsinne
überlagert haben. Es dürfte wichtiger sein, die hier wahrgenommene
Art der Ueberlagerung auch an anderen Punkten der Bruchlinie
nachzuweisen und entsprechende Beobachtungen an anderen Längs-
brüchen des mittelböhmischen Faltengebirges zu gewinnen. —
Auf einen Längsbruch wäre bei dieser Gelegenheit neuerdings
die Aufmerksamkeit zu lenken, den Krejöi zuerst (Erläuterungen,
S. 89) — wohl mit Rücksicht auf den Umstand, daß er im Streichen
nicht weiter zu verfolgen ist — für eine unbedeutende Spalte er-
klärte, während er ihn später (Uebersicht, S. 97) vermutungsweise
mit der Bruchlinie von Koda in Verbindung brachte. Bei Branik
am rechten Moldauufer, südlich von Prag, fallen die devonischen g,-
Knollenkalke des „Südflügels“ regelrecht nach NW, sind aber hier
nicht, wie in der Gegend von Hluboczep westlich der Moldau von
jüngeren Gesteinen überlagert, sondern in ihrem Hangenden treten
die untersilurischen Schiefer d, auf, die hier mitten im Kalkgebiet
zum Vorschein kommen. Freilich befinden wir uns da nahe dem
nordöstlichen Ende des Auftretens der obersilurisch-devonischen Kalke,
in deren Fortsetzung, wenn wir von dem weitentfernten Eisengebirge
absehen, nur untersilurische Gesteine bekannt sind. Der Braniker
Bruch entspricht sogar einer sehr ansehnlichen Sprunghöhe, die sich
stratigraphisch annähernd durch die Mächtigkeit der untersilurischen
Stufe d,, der obersilurischen Stufen e,, e, f, und der devonischen Stufe f,
ausdrücken läßt. Sieht man ihn als einen Senkungsbruch an, so erscheint
auch bier das (im SO gelegene) äußere Gebirgsstück (g,) gesenkt.
Die Grenze zwischen g, und d, ist, wie zu erwarten, nicht
aufgeschlossen. Die eigentlichen, stärker emporragenden Braniker
Felsen, die aus hellgrauen Knollenkalken bestehen, werden seit langem
in einem großen Steinbruche abgebaut. Sie sind von mancherlei Brüchen
durchsetzt, u. a. von Querbrüchen mit schichtenparallelen Rutsch-
streifen. Vor einigen Jahren hat man begonnen, auch die im Hangenden
der hellgrauen auftretenden dunkelgrauen (bis schwarzen) Knollenkalke,
die derselben Stufe g, angehören und im N des großen Steinbruches
ein zu den weichen Formen der untersilurischen Schiefer hinüber-
führendes niedriges Gehänge bilden, zu entfernen. Diese Arbeiten
verdienen fortgesetzte Beachtung von geologischer Seite, da es
möglich ist, daß in ihrem Verlaufe die Grenze 9,—d, und damit auch
der hier durchstreichende Bruch bloßgelegt wird. Bisher hat sich
gezeigt, daß mit der Annäherung an jene Grenze die dunklen Kalke
stärkere Störungen annehmen. Wo Schichtflächen entblößt werden,
sieht man sie in Rutschflächen verwandelt, die häufig spiegelnden
Glanz aufweisen. Im Querbruche der Bänke erkennt man zahlreiche
weiße Kalkspatadern in dem dunklen Gestein, die sich, wo sie in
besonders großer Menge auftreten, zu die Bänke verquerenden Zonen
anordnen; eine Zerknitterung, die nicht zu einem einheitlichen
flächenhaften Bruche geführt hat. Während die hoch emporragenden
hellen Kalkbänke im großen Steinbruche — abgesehen von der typi-
schen knolligen Beschaffenheit — auffallend ebene Schichtflächen
darbieten, die nur im großen, aus südlicher Richtung gesehen, eine
48 F. Wähner. [48]
einmalige schwache Biegung erkennen lassen, sind die steiler aufge-
richteten hangenden dunklen Kalke unter viel kleineren Verhältnissen
mehrfach wellig gebogen. Ueberdies zeigte sich in ihnen im Oktober
1911 eine größere Störung, die in Taf. I (1), Abb. 2 wiedergegeben
ist: in ziemlich dicken Bänken eine Falte, deren Muldenbiegung in
einen Bruch übergeht, der sich nach unten in eine Schichtfläche fort-
setzt. Gegen N (nach links) schließt sich daran eine viel schwächer
ausgebildete Falte, die mit einer ähnlichen Störung in Verbindung
zu stehen scheint ®). 2
Ob die zwischen g, und d, verlaufende Störung, falls die Grenze
aufgedeckt werden sollte, klar zu sehen sein wird, ist allerdings
recht unsicher. Es mag sein, daß die Zerrüttung immer größer wird,
und daß schließlich die Grenze von einer Zone zertrümmerten Gesteins
gebildet wird. Immerhin bleibt das Vorkommen beachtenswert. In
anderen Gebieten würde der Bruch heute unbedenklich als eine
Ueberschiebung aufgefaßt werden, längs der die ebenfalls nach NW
einfallenden d,-Schiefer auf die jüngeren Knollenkalke aufgeschoben
sind. Es ist auffallend, daß eine so ausgesprochene Störung sich nicht
nach SW über die Moldau fortzusetzen scheint. Dennoch wird man
diese Möglichkeit im Auge behalten müssen. In der Fortsetzung der
Braniker Knollenkalke liegen im N des Barrandefelsens die dort eben-
falls sehr gut aufgeschlossenen Knollenkalke gleichen Alters. Sie
werden von der Straße sehr schräg auf das Streichen geschnitten, so
daß dieselbe manchmal nahezu im Streichen verläuft. Dadurch wird
für minder achtsame Beobachtung eine übergroße Mächtigkeit vor-
getäuscht. Trotzdem läßt sich erkennen, daß die Mächtigkeit der
Stufe g, links der Moldau weit größer ist als bei Branik. Es ist nicht
ausgeschlossen, daß dieser Umstand auf einer oder mehreren Längs-
störungen beruht, die genau im Streichen verlaufen und darum nicht
hervortreten. Nur eine sehr genaue Kenntnis der Gliederung der 9,-
Kalke, die, wie ich einer freundlichen Mitteilung Herrn Dr. Kettners
entnehme, in die Wege geleitet ist, und eine ebenso eingehende
Untersuchung könnte Aufschluß geben, ob wir es links der Moldau
mit einer ursprünglichen, einheitlichen Schichtenfolge der Stufe g,
zu tun haben.
5. Kolonien.
Die an diese Bezeichnung anknüpfende, wiederholt eingehend
erörterte Frage soll hier nur insoweit berührt werden, als es zur
Besprechung der Art der Lagerungsstörungen, auf die die weitaus
überwiegende Zahl der Kolonien zurückzuführen ist, nötig erscheint.
Es handelt sich hierbei um die Einschaltung ganzer Züge von ober-
silurischen Graptolithenschiefern (e, «) in die jüngste Stufe (d,) des
°®) Mit dem Fortschreiten des Abbaues verschwanden diese Störungen wieder,
es stellten sich aber in späteren Jahren undeutliche Anklänge an die beobachteten
Kleinfaltungen und Verschiebungen ein. Manche Veränderungen dürfte ich nicht
gesehen haben. Es ist wohl nicht überflüssig, eine der Beobachtungen durch die hier
gebene Abbildung festzuhalten. Das Vorkommen schließt sich zugleich den vielen Hin-
weisen darauf an, daß eine scheinbar einheitliche, gleichsinnig geneigte Schichten-
folge in Wirklichkeit verwickelter gebaut sein kann.
[49] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 49
Untersilurs. Seitdem Marr?‘) und Tullberg5!’) nachgewiesen
haben, daß in diesen Zügen dieselben Graptolithenzonen in derselben
Reihenfolge auftreten wie in den stratigraphisch regelrecht die unterste
Abteilung des Öbersilurs bildenden Graptolithenschiefern, ist für die
erwähnten Vorkommnisse die Anwendung der Barrande’schen Er-
klärung ausgeschlossen.
Daß diese „Kolonien“ den untersilurischen Gesteinszügen wirklich
zwischengelagert sind, geht schon aus der älteren Literatur deutlich
genug hervor. Außer Barrande wären in dieser Hinsicht die bekannte
Schrift Lipolds5#°) und die Profiltafel in Krejctis Erläuterungen !)
(besonders Fig. 6 für die Kolonien Haidinger und Krejöi südlich von
Großkuchel und Fig. 4 für die mehrfachen Einlagerungen der Gegend
von Treban) einzusehen. Diese Art der Lagerung ist geradezu kenn-
zeichnend für die Kolonien und war einer der Gründe, die Barrande
zur Aufstellung und Festhaltung seiner Hypothese bewogen. Es können
daher keine „grabenartigen Versenkungen“ vorliegen, wie Katzer
und mit ihm unsere jetzigen Lehrbücher wollen.
. Lipold hat mit Recht die Diskordanzen hervorgehoben, die
zwischen den Graptolithenschiefern der Kolonien und den sie über-
lagernden d,-Schichten zu beobachten sind, und sich hierauf zur Be-
gründung der von Krejti und ihm damals vertretenen Anschauung
berufen. Diese Abweichungen von der gleichsinnigen Lagerung sind
nicht groß, und heute wird man, da es sich darum handelt, die Art
der Lagerungsstörungen zu erkennen, davon sprechen können und
darin keinen Widerspruch gegen jene Beobachtungen und Erwägungen
erblicken dürfen, daß die Lagerung im großen und ganzen konkordant
ist. Die unmittelbare Auflagerung von e, auf d, ist an den Kolonien
nicht selten zu beobachten; es kann sich hierbei um ursprüngliche
Auflagerung handeln. Auch die Ueberlagerung von e, durch d, ist
wiederholt wahrzunehmen. Eine leicht erreichbare Kolonie, die meines
Wissens in der älteren Literatur nicht erwähnt wird — vermutlich
ist der Aufschluß verhältnismäßig neu —, liegt an dem Gehänge, das
hinter dem Bahnhof von Kuchelbad angeschnitten ist. Hier sind un-
mittelbar über einem Zug von Graptolithenschiefern, in dem wohl-
erhaltene Graptolithen in Menge zu sammeln sind, die d,-Schichten
mit ungefähr gleichem Einfallen zu sehen. |
Die Schichten verquerende Verwerfungen, Senkungsbrüche, die
solche Lagerungsverhältnisse hervorrufen würden, sind nicht beobachtet.
Vermutlich fallen die Störungsflächen mit Schichtflächen zusammen
oder weichen von ihnen nur wenig ab, so daß sie schwer festgestellt
werden können. Wir haben die Wahl, eine Kolonie auf regelmäßige
Einfaltung oder auf eine Faltenüberschiebung zurückzuführen. Läßt sich
in einer Einlagerung eine Folge von Graptolithenzonen erkennen, So
gibt uns dies einen guten Anhaltspunkt. Erkennen wir darin einen
51a) Marr, On the predevonian rocks of Bohemia. (Quart. journ. Geol. Soc.
London, XXXVI, 1880.)
5b) Tullberg, Ueb. d. Schichtenfolge d. Silurs in Schonen, nebst einem
Vergl. m. anderen gleichalt. Bildungen. (Z. D. geol. Ges. XXXV, 1883, S. 223—269.)
54e) Lipold, Ueb. Barrande’s „Colonien“. (Jahrb, d. k. k. geol. Reichs-
anst. XII, 1861 u. 1862, S. 1—66, 2 Taf. Karten u. Querschnitte.)
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. Wähner.) 7
50 F. Wähner. | [50]
symmetrischen Bau mit einer Jüngeren Zone im Innern, so liegt eine
isoklinale Mulde vor. Finden wir im Liegenden von d, nur eine ein-
malige obersilurische Schichtenfolge, so muß das Untersilur über-
schoben sein.
Die von Marr erkannte Zonenfolge, die diesen bereits zum
Nachweise tektonischer Störungen an einigen Kolonien geführt hatte,
hat kürzlich in vereinfachter Form E. Nowak benützt und durch
seine Untersuchungen an der Grenze von Unter- und Obersilur in
der Gegend von Trzeban an der Beraun isoklinalen Faltenbau und
daraus hervorgehende Ueberschiebungen nachgewiesen, durch die
im wesentlichen die Anschauungen Lipolds über die tektonische
Natur der Kolonien dieses Gebietes bestätigt werden °?). Gleich-
zeitig und unabhängig hiervon hat J. Woldrich einen Teil des-
selben Gebietes untersucht und ist erfreulicherweise zu wesentlich
übereinstimmenden und weiteren wichtigen Ergebnissen gelangt ?”).
Ein recht anschauliches Bild des durch Faltung und Bruch bewirkten
vielfältigen Ineinandergreifens von d, und e, gibt der von Woldiich
entworfene (nach unten und oben ergänzte) Querschnitt (a. a. O.,
S. 18, Fig. 4). Man wird solcher Darstellung um so lieber folgen,
wenn man die ähnlichen, noch verwickelteren Lagerungsstörungen
betrachtet, die in jeder der beiden Schichtengruppen für sich an der
böhmischen Westbahn aufgeschlossen (daselbst S. 6, Fig. 1. für d,
und bes. S. 11, Fig. 2 für e,) und in den erwähnten Querschnitt mit
aufgenommen sind.
Wenn wir die kolonialen Einlagerungen teils auf Einfaltungen
von e, in d,, teils auf Faltungsüberschiebungen der d,-Schichten über
e, zurückführen, — es scheint, daß dort, wo die Kolonien nicht so
gehäuft. auftreten wie in der eben erwähnten Gegend, Ueberschiebungen
eine besonders häufige Ursache dieser Lagerungsstörungen sind, —
so steht dieses Urteil in guter Uebereinstimmung mit der Anschauung,
zu der wir über die Natur der Längsbrüche des mittelböhmischen
Faltengebirges gelangt sind; ja, mehr als dies: sofern durch exakte
Untersuchungen, wie die berührten, die Art der Störungen festgestellt
werden kann, bilden diese Ergebnisse eine Bekräftigung jener
Anschauung. Die guten Aufschlüsse, durch welche wir die Kolonien
kennen gelernt haben, bieten eben die Möglichkeit, die Ueberlagerung
jüngerer Gesteine durch ältere zu sehen, eine Möglichkeit, die bei den
auf weit größere Entfernungen verfolgten streichenden Brüchen in
der Regel nicht geboten ist.
Daß an der stratigraphischen Grenze von Unter- und Öbersilur
in so vielen Fällen ein tektonisches Ineinandergreifen der beiden
Schichtengruppen stattfindet, daß kräftige Lagerungsstörungen hier eine
gewöhnliche Erscheinung sind, beruht wohl auf dem weitgehenden
Unterschied in der'Gesteinsbeschaffenheit und in der Art der Schichten-
bildung der Gesamtheit des („sandig-tonigen“) Untersilurs einerseits
und der Gesamtheit der (vorwiegend kalkigen) obersilurisch-devonischen
®) E. Nowak, Geol. Untersuchungen im Südfügel des mittelböhm. “Silur
(Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1914, bes. S. 242—252); ferner der schon erwähnte
Literaturbericht *").
[51] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 51
Stufen anderseits. Dazu kommt das Vorhandensein der weichen
Schiefer, welche die jüngste Schichtengruppe des Untersilurs bilden,
und die dünnblätterige Beschaffenheit der meist ziemlich mächtigen,
an der Basis des Obersilurs auftretenden Graptolithenschiefer, zwei
Umstände, die dazu beigetragen haben mögen, daß es an dieser
stratigraphischen Grenze verhältnismäßig leicht zur Ablösung der
genannten beiden umfangreichen Schichtenreihen von einander und
zur Entstehung von — wenigstens streckenweise — an die Schicht-
flächen sich haltenden Längsstörungen kommen konnte. (Vgl. oben $. 25
und Fußnote 3®,)
6. Diabas-Lagergänge.
Es wäre verlockend, die Beziehungen zwischen den tektonischen
Vorgängen und den mannigfaltigen Erstarrungsgesteinen zu erörtern,
die in den älteren paläozoischen und den vorkambrischen Ablagerungen
Mittelböhmens auftreten. Nicht wenigen von diesen Vorkommnissen
sind bereits eingehende Untersuchungen und Beschreibungen gewidmet
worden. Wenn gegenüber der Gesamtheit der auftauchenden Fragen
noch Zurückhaltung geboten ist, so können wir doch an einer derselben
nicht stillschweigend vorübergehen: an der Frage der Beziehungen
zu den zahlreichen Diabasergüssen des Faltengebirges.
Es sind hauptsächlich zwei Schichtengruppen durch das häufige
Auftreten dieser Eruptivgesteine ausgezeichnet: die älteste Stufe d,
des Untersilurs und die älteste Stufe e, des Obersilurs. In d, ist es
die Unterabteilung d, #, die manchmal vorwiegend aus Diabasen zu-
sammengesetzt ist. Sehr bekannt ist das Auftreten der Diabase im e,,
wo sie mit den Graptolithenschiefern (e, x) auf das engste vergesell-
schaftet sind, so daß sie für die Stufe e, als kennzeichnend angesehen
wurden. Da sie überaus häufig lagerartig den Sedimenten eingeschaltet
sind, wurden sie wie diese von den älteren Geologen zn dem ur-
sprünglichen und wesentlichen Bestande der Stufe e, gerechnet, und
derselbe Vorgang wurde auch in bezug auf die kolonialen Einlagerungen
von Diabasen eingehalten, da diese fast stets mit den Graptolithen-
schiefern in d, erscheinen. Das war insofern berechtigt, als neben
den lagerartigen Ergußgesteinen manchmal auch ihre Tuffe in den
genannten Schichtengruppen auftreten. In d,ß spielen Diabastuffe
sogar eine noch größere Rolle als die Diabase. Auch organische Reste
finden sich in den Tuffen nicht selten, so daß über das Alter der
zugehörigen Ströme oder Decken kein Zweifel bestehen kann 56).
Seitdem man begonnen hat, die Kontakterscheinungen zu beachten,
sind zahlreiche derartige Vorkommnisse an der Grenze der Graptolithen-
schiefer gegen die Diabase in Mittelböhmen festgestellt worden. Wo
es nicht zur Ausbildung besonderer Kontaktgesteine kam, erscheinen
die Graptolithenschiefer durch die Diabase wenigstens gehärtet und
sie verlieren dabei zugleich ihre dünnblättrige Beschaffenheit, bzw.
56) Diabastuffe treten auch in e, auf, dazu andere Sedimente, die zum Teil
aus eruptiven, zum Teil aus organogenen kalkigen Bestandteilen und wohlerhaltenen
Versteinerungen bestehen und daher zwischen Kalksteinen und Tuffen vermitteln.
7*
59 F. Wähner. [52]
-
ihre Spaltbarkeit. So stellt sich immer deutlicher heraus, daß die
Mehrzahl jener lagerartigen Einschaltungen Lagergänge dar-
stellen, wie denn auch Quergänge und stockförmige Körper von
Diabas, die die Ablagerungen durchbrechen, lange bekannt sind. Dabei
fehlen Ströme, Decken von Diabas in e, keineswegs’). Anderseits
sind auch aus jüngeren Schichten bis in die devonische Stufe 9
Ergüsse von Diabas bekannt?’®). Seemann erwähnt den im SO des
Berges Damil gelegenen Diabasschlot, der die Stufe /, durchbrochen
und mächtige Tuffe gefördert hat, die oft große Stücke von fs-Kalk
enthalten. Daß viele in e, vorkommende Diabasergüsse jünger sind
als die Graptolithenschiefer, geht auch daraus hervor, daß sie oft
zahlreiche gehärtete Stücke und kleine Schichtenpakete dieser Ge-
steine enthalten 5°).
Das häufige Auftreten von Diabaslagergängen erstreckt sich auch
auf den oberen Teil: der Stufe d,, deren Sandsteinbänke sie im
Kontakt verändert haben (Nowak°°), Woldrich?”). Die Diabas-
lagergänge kennzeichnen .daher die sehr bewegliche Gesteinszone, die
zu beiden Seiten der stratigraphischen Grenze zwischen Unter- und
Obersilur verläuft. Damit hängt ihr Vorkommen in den Kolonien
zusammen, die, wie erwähnt, fast stets von Diabaslagergängen be-
gleitet sind.
Das genaue Alter dieser Lagergänge läßt sich kaum mit Sicher-
heit ermitteln. Es mag sein, daß ihnen ebenfalls verschiedenes Alter
zukommt. Wenn wir aber berücksichtigen, daß ihr häufiges Vorkommen
sich an die große Schichtenablösungsfläche zwischen Unter- und
ÖObersilur und an die von ihr abhängigen Längsbrüche hält, auf die
auch die Kolonien zurückzuführen sind, so dürfte die Vermutung
nicht leichthin abzuweisen sein, daß dies auf einer ursächlichen Ver-
knüpfung beruht. Hat noch Krejöi (und nach ihm Katzer) in den
Diabaseruptionen die Ursache der Lagerungsstörungen (mit Einschluß
der Faltung) vorausgesetzt, so können wir in den aus der Faltung
hervorgehenden größeren Störungen die Ursache des Auftretens der
Diabaslagergänge erblicken. Die nahe der Unter-Öbersilurgrenze ver-
laufenden Längsbrüche brauchen deshalb nicht bis in bedeutende
Tiefen zu reichen, aber sie müssen nach dieser Vorstellung mit tief-
gehenden Störungen in Verbindung stehen.
Die ganze silurisch-devonische Schichtenfolge ist in einem ein-
heitlichen marinen Ablagerungsgebiete 5°) entstanden, das eine weitaus
572) Nach Seemann *‘) kommen solche in dem von ihm aufgenommenen
Gebiete sogar häufiger vor als Lagergänge. In anderen Teilen des Faltengebirges
dürfte das umgekehrte Verhältnis obwalten. Nowak°5) und Woldrich”) erklären
die weitaus meisten Diabaslager der Kolonien der Gegend von Trzeban für intrusiv.
’?’»b) Krejti, Erläuterungen !), S. 65—66; Uebersicht ?), S. 74.
»®) Kin von Prag leicht erreichbarer Punkt, an dem dies zu sehen, liegt in
einem nördlichen (von Butowitz her kommenden) Seitentale des Prokopitales an dem
nach S gegen das Dörfchen Neudorf (Nova ves) der Sp.-K. abfallenden steilen
Diabasgehänge.
°°) Den unzweckmäßigen Ausdruck Geosynklinale, der im ursprünglichen
Dana schen Sinne nicht tektonisch zu verstehen ist, aus dessen Wortsinn jedoch
tektonische Vorstellungen hervorgegangen sind, wird man in diesem Falle um so
sorgfältiger zu vermeiden haben, als die ganz unzulässige Beziehung zur „Silur-
mulde“ allzu nahe liegt.
[53] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 53
größere Ausdehnung besessen hat, als der von der Abtragung noch
verschonte Rest des alten Faltengebirges. Wir erkennen einen strati-
graphischen Zyklus, der absteigend von den Flachseebildungen des
Untersilurs bis zu den devonischen Radiolariengesteinen der Grenz-
zone 9;—H reicht. Von dem aufsteigenden Aste des Zyklus sind nur
die Tonschiefer H erhalten, deren Zusammensetzung bereits auf
Festlandsnähe hinweist 60%). Die Faltung dürfte sehr bald eine weit-
gehende Ablösung der gesamten jüngeren Schichtenreihe vom Unter-
silur bewirkt haben. (Vgl. oben S. 50 f.) So konnte es geschehen, daß, als
an viel tiefer greifenden, das Untersilur und dessen Unterlage durch-
setzenden Brüchen Eruptivgesteine empordrangen, diese auch in den
Raum jener Ablösungsfläche sich verbreiteten, hier vielleicht in größerer
Menge (als Lakkolithen) sich anhäuften und auch in die an jener
stratigraphischen Grenze entstehenden Brüche eindrangen.
Die Zeit des Eindringens in jene Längsbruchspalten würde sich
danach ein wenig genauer durch die Zeit des Faltungsvorganges be-
stimmen lassen, für den wir den Zeitraum Oberdevon-Unterkarbon
zur Verfügung haben. Die mit den Pflanzenresten von Ah, zusammen
vorkommenden marinen Tierreste weisen auf unteres Mitteldevon hin 6°),
Es könnte sein, daß in den höheren Teilen von H, die bisher keine
organischen Reste geliefert haben, neben Ablagerungen des oberen
Mitteldevon noch oberdevonische Bildungen enthalten sind. Auch wäre
es möglich, daß im mittelböhmischen Ablagerungsgebiete in ober-
devonischer Zeit noch Absätze entstanden sind, die als jüngste
Bildungen schon während des Faltungsvorganges, beim ersten Auf-
steigen aus dem Meere der Brandung oder früher subaerischer Ab-
tragung zum Opfer gefallen sind. Es ist anderseits zu bedenken, daß
die Faltung schon längere Zeit vor Abschluß der Sedimentbildung
begonnen haben kann. Jedenfalls sehen wir in dieser Frage zu un-
sicher, um die Zeit der Faltung mit größerer Genauigkeit festzulegen.
Der im Vorstehenden entwickelten Vorstellung steht eine andere
Anschauung gegenüber, zu der sich jedoch eine Vermittlung gewinnen
lassen dürfte: Die Diabaslager sind in die noch horizontal liegenden
Graptolithenschiefer eingedrungen und mit diesen der Faltung und Bruch-
bildung unterworfen worden. Diese Anschauung wird neuerlich von
J. Woldiich (S. 21”) vertreten, der in den Diabasen „vielfach die in-
direkte Hauptursache der tektonischen Bildungsweise der Kolonien“ sieht.
„Die mächtigeren Diabaskörper lagen wie feste, harte Platten zwischen
den weichen Schiefern e, und leisteten der Faltung oft bedeuten-
deren Widerstand als letztere, so daß es in ihrer Nähe zu Faltenzer-
reißungen, zur Entstehung von Ueberschiebungen und Verwerfungen
kam, durch welche wir heute die sog. Kolonien erklären.“ Hierin liegt
6°) Immerhin zeigt der Erhaltungszustand der die untere Abteilung der Stufe H
kennzeichnenden Landpflanzenreste, wie ich einer freundlichen mündlichen Mit-
teilung des Herrn Prof. Krasser entnehme, daß dieselben einen langen Transport
durchgemacht haben. Dies steht in Uebereinstimmung mit dem reichlichen Vor-
kommen, von Goniatiten und gewissen Bivalven in denselben Schichten, das nicht
für eine Flachseeablagerung spricht. Erst das Auftreten von Sandsteinbänken in h,
zeigt wieder größere Landnähe an.
6) Jahn nach Holzapfel, Verh. d. k. k. geol. Reichsanst., 1903, S. 79.
54 F. Wähner. [54]
meines Erachtens ein sehr gesundes tektonisches Urteil, das durch
die Erfahrung bestätigt wird. Es steht in voller Uebereinstimmung mit
den oben niedergelegten Erörterungen. Ohne Zweifel müssen mächtige
lagerartige Gesteinskörper von fester und harter Beschaffenheit sich
dem Seitenschub gegenüber anders verhalten als die dünnblättrigen
Graptolithenschiefer, die der Kleinfaltung sehr zugänglich sind, wogegen
jene mehr geneigt sein werden, sich entlang von Brüchen zu verschieben.
Daß es Diabaslagergänge gibt, die mit den Graptolithenschiefern,
in die sie eindrangen, gefaltet worden sind, zeigen Woldrfichs Be-
obachtungen (S. 11, 12, Fig. 2, 3). An einer Stelle bilden im Hangenden
und Liegenden des kräftig gefalteten Diabaslagerganges die Graptolithen-
schiefer weit steilere Falten als der Gang. Danach mögen manche
Lagergänge frühzeitig, vor oder bald nach Beginn des Faltungs-
vorganges in die Graptolithenschiefer eingedrungen sein.
Im allgemeinen finden wir jedoch in den Kolonien kein
solches verschiedenes tektonisches Verhalten der beiden Gesteine,
wie es uns sonst bei verschieden ausgebildeten Sedimentgesteinen
häufig entgegentritt. (Vgl. oben S. 21 ff.) Die Arbeit Woldrichs bringt
uns hierfür ebenfalls gute Beispiele. Sein Profil Fig. 2 auf S. 11
gibt außer den heftigen Faltungen — weiter in NW bei ruhiger
Lagerung „kleinere Ueberschiebungen“ wieder, „welche hauptsächlich
an die Nähe von Diabaslagergängen gebunden zu sein scheinen.“ Die
beiden am weitesten gegen SO gelegenen Ueberschiebungen, bei denen
unmittelbar an der Ueberschiebung und parallel zu ihr ein Lagergang
auftritt, dem jeweils Graptolithenschiefer konkordant aufgelagert sind,
scheinen mir die Regel darzustellen.
Man müßte sonach annehmen, daß die ganze Vergesellschaftung
der beiden Gesteine, wie sie in den Kolonien vorliegt, den Gebirgs-
bewegungen gegenüber sich anders verhalten hat als die sonstigen
Ablagerungen. Vielleicht kommen wir der Wahrheit am nächsten,
wenn wir uns vorstellen, daß, wie teilweise die Tatsachen lehren,
Eruptionen von Diabas wiederholt: vor, zu Beginn und während des
Verlaufes der Gebirgsbildung sich ereigneten, daß aber ihr Eindringen
in der Form von mächtigen Lagergängen insbesondere während der
Bruchbildung, während der Ausbildung der Ueberschiebungen statt-
gefunden hat.
Durch die Annahme, daß viele Diabasvorkommen während des
Faltungsvorganges emporgedrungen sind, ließen sich manche Erschei-
nungen leichter erklären. Es kommt vor, daß die kleinen Schichten-
pakete von Graptolithenschiefer, die in den Diabasen eingeschlossen
sind, heftig gefaltet sind. Soll man dem Empordringen heißflüssiger
Gesteine außer einer zertrümmernden auch eine faltende Einwirkung
auf die Absatzgesteine zuschreiben ? 2).
Eine sehr enge Wechselbeziehung zwischen der Faltung von
Graptolithenschiefern und dem Auftreten von Diabas ließe sich aus
einem kleinen Gesteinsvorkommen entnehmen, das vermutlich nur
einen Rest eines durch Steinbruchbetrieb oder Straßenbau stark mit-
genommenen größeren Vorkommens darstellt und wegen seiner Ver-
62) Noch neuestens tut letzteres E. Nowak (S. 237, 251°).
[55] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 55
gänglichkeit hier festgehalten werden soll. 'Es liegt im Tale von
Großkuchel, am Ausgange des ersten nördlichen Seitentales, in dem
an beiden Gehängen die. Uebergangsschichten e,ß in Steinbrüchen
aufgeschlossen sind 6°). Eine kleine Mulde von durch den Kontakt ge-
härteten Graptolithenschiefern, deren südlicher Flügel steil aufgerichtet
ist, ist von Diabas unterlagert und von zwei Seiten umschlossen. In
beiden in Taf. VIII (8), Abb. 2 und 3 wiedergegebenen Bildern, die
einander ergänzen, ist die Schmalseite des Aufschlusses, die annähernd
dem Querschnitte der kleinen Mulde entspricht, und zwar Abb. 2 (links)
ungefähr von W, Abb. 3 (rechts) ungefähr von WSW aufgenommen,
wobei zugleich in starker Verkürzung in Abb. 2 die linke (nördliche)
Seite, in Abb. 3 die rechte Seite des Aufschlusses zu sehen ist, jene
Seiten, die im Streichen der kleinen Mulde liegen. (Der Hammer
befand sich bei beiden Aufnahmen in gleicher Lage an derselben
Stelle.) Die beiden Gesteine scheinen aneinander .vorüberbewest zu
sein; die teilweise aufgeschlossene Grenzfläche der linken Seite, von
der in Abb. 2 einiges wenige zu sehen ist, macht den Eindruck einer
im Streichen aufgeschlossenen Schleppung. Die Grenzfläche, an
der, soweit sie aufgeschlossen ist, der Diabas nur mehr in Spuren
haftet, besitzt die Färbung des Diabases. Dadurch wird an diesen
Stellen die lineare Grenze zwischen den beiden Gesteinen undeut-
licher. Um die letztere in den Bildern besser kenntlich zu machen,
ist sie an vielen Punkten durch den Buchstaben 5 bezeichnet, der
stets so angebracht ist, daß er nahe der Grenze, aber noch ganz im
Diabas (an manchen Stellen in dem den Diabas verdeckenden Schutt)
liegt; auf diese Art bleibt die Grenzlinie selbst unverletzt. Daß der
Graptolithenschiefer nicht etwa einfach in einen Diabaslagergang: ein-
gefaltet ist, läßt sich deutlich erkennen. Auf beiden Längsseiten
schneidet der Diabas die Lagen des Graptolithenschiefers schräg ab,
. so daß tiefere und höhere Lagen desselben mit dem Diabas unmittel-
bar in Berührung treten. Beide Gesteine sind von vielen Rutsch-
streifen durchzogen, die nach verschiedenen Richtungen, aber immer
flach, öfter schichtenparallel verlaufen, letzteres dort, wo auch die
Schichten flach gelagert sind.
Auf beiden Längsseiten finden sich in größerer Höhe — hiervon
ist in den Aufnahmen nichts zu sehen — im Diabas noch kleine
Schichtenpakete von Graptolithenschiefer, die nicht mit dem großen
Vorkommen in Verbindung stehen.. Auch dringt der Diabas an manchen
Stellen in das zusammenhängende Vorkommen von Graptolithenschiefern
ein. Oberhalb und bergseits des Vorkommens verläuft ein Fahrweg,
der aus dem Großkuchler Tal in das nördliche Seitental hinaufführt.
Auf der anderen Seite des Fahrweges läßt sich die Fortsetzung des
63) In dem auf der rechten (westlichen) Seite des Nebentales liegenden, noch
im Betriebe befindlichen Steinbruch habe ich wiederholt schöne Rutschspiegel auf
den Schichtflächen der sehr regelmäßig mit Schiefer wechsellagernden obersilarischen
Kalkbänke beobachtet. Außerdem lassen sich auf die Schichten verquerenden Brüchen
schichtenparallele Rutschstreifen feststellen. In demselben Steinbruch habe ich
vor Jahren ein Orthoceras erworben, das dadurch bemerkenswert ist, daß es trotz
sehr raschem Dickenwachstum über 1 m lang: ist; es ist in der geolog. Sammlung
der deutsch. techn. Hochschule aufgestellt.
56 F. Wähner. [56]
beschriebenen Vorkommens im höheren Gehänge erkennen, indem hier
Graptolithenschiefer, die teilweise gehärtet sind, mit Diabas wechsel-
lagern bei sehr steiler Stellung der Schiefer. Hiernach scheint es sich
bei dem abgebildeten Vorkommen nicht um ein großes, muldenförmig
gebogenes Schichtenpaket von Graptolithenschiefer in Diabas, sondern
um ein Auftreten des erstgenannten Gesteins zu handeln, das mit den
nahe gelegenen ausgedehnten Vorkommnissen der Stufe X in engerem
Verbande steht. Hierfür spricht auch, daß die Faltung des Graptolithen-
schiefers in der regelrechten Faltungsrichtung (SSO—NNW) erfolgt ist.
Der Diabas, der den Graptolithenschiefer gehärtet und des
größten Teils seiner Spaltbarkeit beraubt hat, ist jünger als der letztere.
Anderseits ist entlang den Grenzflächen der beiden Gesteine Bewegung
unter Druck vor sich gegangen, wie sie sich sonst an Rutschflächen
fester Gesteine abspielt. Ein eruptives und ein tektonisches Ereignis
haben eingewirkt. Ob zwischen beiden Vorgängen ein sehr langer
Zeitraum liegt oder nur ein solcher, der genügt hat, das Eruptivgestein
zum Erstarren zu bringen, läßt sich aus dem einzelnen Vorkommen
selbstverständlich nicht entnehmen. Aber dieses wie manche andere
ordnen sich ein in die Vorstellung, daß die Faltung und die daraus
hervorgehende Bruchbildung einerseits, die Diabasergüsse anderseits
während eines längeren Zeitraumes Hand in Hand gingen, daß die
entstehenden Brüche die Verbindung mit Tiefengebieten herstellten,
in denen heißflüssige Gesteine vorhanden waren, wodurch diesen der
Weg in die höher liegenden Gebiete eröffnet wurde.
Die in der Stufe d, vorkommenden Diabase sind bisher
weniger bekannt geworden. Auch sie treten zum Teile als Lagergänge
auf (Nowak, S. 236, 25655). Sollten sich solche hier ebenfalls in
großer Zahl nachweisen lassen, so wäre ihr Vorkommen nahe der
Basis des Untersilurs tektonisch leicht erklärlich, da schichtenparallele
Verschiebungen an dieser stratigraphischen Grenze von gleich großer
Bedeutung sind.
Es ist oben vorausgesetzt worden,‘ daß die Diabasergüsse auch
das Liegende des Silurs durchbrochen haben. Tatsächlich kennt man
Diabasgänge aus dem Kambrium und in großer Zahl aus den vorkam-
brischen Gesteinen. Kettner hat in einer geologischen Karte des
südlichen Moldaugebietes 6) nur die wichtigsten von ihm beobachteten
Diabasgänge verzeichnet, die in der Regel die Richtung NNO—SSW
einhalten. Ihm ist die Beobachtung zu danken, daß in der Gegend
von Davle die Porphyrlagergänge- von Diabas durchbrochen werden.
Die von Kettner im Präkambrium des genannten Gebietes fest-
gestellten Porphyrlagergänge, die eine ansehnliche Länge und Mächtig-
keit erreichen, bieten ein schönes Seitenstück zu den an der Unter-
Öbersilur-Grenze auftretenden Diabaslagergängen. Gegen die Deutung
der Porphyrlagergänge als lakkolithenartige Ergüsse ist nichts einzu-
®) R. Kettner, Ueb. lakkolithenartige Iutrusionen der Porphyre zw. Mnisek
und der Moldau. (Resume des böhm. Textes.) Bull. intern. Ac. d. Sc. de Boheme,
XIX, 1914, S. 1--26.
[57] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 57
wenden. Ueber ihr Alter urteilt der Verfasser vorsichtig. Nach der
zweiten von ihm aufgestellten „Möglichkeit“, die er für wahrschein-
lich hält, wäre ihre Intrusion „die Einleitung zu dem ungeheuren und
lange andauernden paläozoischen Faltungs- und Eruptionsprozesse“
(S. 25). Wenn nun K. (S. 19) für diesen Fall ihr Eindringen an das
Ende des Mitteldevons oder den Beginn des Oberdevons stellt, so ist
dabei zu beachten, daß es auch zweifellos ältere, nämlich silurische
Diabasergüsse gibt. Sollte sich durch fortgesetzte Beobachtungen her-
ausstellen, daß die Porphyre allgemein älter sind als die Diabase,
so würde dadurch die oben entwickelte Vorstellung von dem ver-
hältnismäßig jugendlichen Alter der Diabaslagergänge bekräftigt
werden ®).
7. Symmetrischer Bau.
Das mittelböhmische Faltengebirge — so können wir die so-
genannte Silurmulde, diesen Rest eines ehemals viel ausgedehnteren
echten Faltengebirges mit Recht nennen — zeigt einen ausgesprochen
symmetrischen Bau. Wenn die im Vorstehenden entwickelte Anschauung
richtig ist, dann sind in jedem der beiden Teilgebiete neben auf-
rechten zahlreiche geneigte und liegende Falten vorhanden, aus denen
Ueberschiebungen hervorgehen, und von den großen streichenden
Brüchen, die für den Bau des ganzen Gebietes von besonderer Be-
deutung sind, sind mindestens die wichtigsten ebenfalls als Faltungs-
überschiebungen anzusehen. In dem nördlichen (nordwestlichen)
Teilgebiete, in dem das Schichtenfallen vorwiegend in südlichen
Richtungen (SO, SSO) erfolgt, sind die geneigten Falten gegen S (SO)
geneigt, die überstürzten Schenkel derselben sind nach N (NW)
überstürzt und die überschiebenden Bewegungen sind nach N (NW)
gerichtet. Umgekehrt sind in dem südlichen (südöstlichen) Teil-
gebiete, das durch vorherrschendes Nordfallen (NW, NNW) gekenn-
zeichnet ist, die schiefen Falten gegen N (NW) geneigt, die über-
stürzten Schenkel nach S (SO) überstürzt und die Ueberschiebungen
nach S (SO) gerichtet.
Aus dem nördlichen Teilgebiete wäre von wichtigeren Ueber-
schiebungen die oft erwähnte Prager Bruchlinie, die die beiden
großen Untersilurzüge scheidet, neuerdings hervorzuheben, Ferner
gehören hierher die im Untersilur verlaufenden Ueberschiebungen, die
J. Woldrich3®8) im Gebiete des Scharkatales nahe der Grenze
gegen die vorkambrischen Gesteine erkannt hat. Auch die Bruch-
linie von Skrej, die im NW, außerhalb des eigentlichen Silur-
gebietes die südöstliche Grenze der bekannten Zone von kambrischen
Gesteinen bildet, gehört wohl trotz dagegenstehenden Meinungen in
5) Auch den großen und mächtigen Pürglitz-Rokytzaner Porphyrzug, der
sich mit seinem nordöstlichen Streichen in den Bau des mittelböhmischen Falten-
gebirges einreiht, pflegt man für verhältnismäßig jung anzusehen. Das gleiche gilt
bekanntlich für die mittelböhmische Granitmasse, Von neueren Arbeiten über
diesen Gegenstand wären u. a. jene von H. L. Barvif, J. J. Jahn'%), A. Rosi-
wal und F. Slavik zu vergleichen. Zuletzt hat sich über die letzterwähnte Frage
R. Kettner (S. 18 ff) ausgesprochen, der a. a. O. auch Anschauungen K. Hinter-
lechners hierüber mitgeteilt hat.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. Wähner.) 8
58 F. Wähner. [58]
die Reihe der aus der Faltung hervorgehenden Störungen. Bei allen
ist die Bewegung ungefähr gegen NW gerichtet.
Aus dem südlichen Teilgebiete ist zunächst die im Kalkgebirge
verlaufende Bruchlinie von Koda-Srbsko zu nennen, weiter
im NO der ebenfalls wichtige, wenngleich kurze Braniker Bruch.
Im vorwiegend untersilurischen Gebirge verlaufen die von E. Nowak
aus dem Brdywald beschriebenen Ueberschiebungen ®). Die alt-
bekannte Bruchlinie der Przibramer Lettenkluft ist nur
ein Beispiel für eine Reihe mit dieser ungefähr parallel verlaufender
Ueberschiebungen. Bei allen diesen ist die Bewegung annähernd gegen
SO gerichtet. Die dem Kalkgebiete angehörige Längsstörung, welche
die Konjepruser Devonscholle im N und NO begrenzt, ist gleichfalls
aus der Faltung hervorgegangen. Sie weicht in ihrem dem Bau jenes
verhältnismäßig kleinen Gebietsteiles entsprechenden Streichen, das
vorwiegend in nordwestlicher Richtung verläuft, weit ab von den
übrigen Längsbrüchen; die Bewegung ist auch hier annähernd süd-
wärts, vorherrschend gegen SW gerichtet.
Ausnahmen von der oben ausgesprochenen Regel fehlen nicht.
Am Barrandefelsen, der dem südlichen Teilgebiete angehört und
dessen obersilurische Schichten in zahlreiche enge Falten gelegt sind,
sind in den einzelnen Gewölben die nördlichen Schenkel steiler auf-
gerichtet als die südlichen und in seltenen Fällen führt diese Steil-
stellung sogar zur Ueberstürzung in nördlicher Richtung (Taf. I [1],
Abb. 1). Dieser Bau beruht auf der Zusammenschiebung, die eine ver-
hältnismäßig geringmächtige Obersilurzone zwischen ruhiger gelagerten
Schichtengruppen für sich betroffen hat. (S. 21 £.) Die Ueberschiebung,
die oben vom Slichower Hügel beschrieben wurde und zum nördlichen
Teilgebiete gehört, könnte nach der Neigung der Bruch- und Auf-
lagerungsflächen, besonders wenn die Schleppungserscheinungen nicht
beachtet werden, als gegen SW gerichtet angesehen werden. (S. 45,
Taf. VIII [8], Abb. 1.) Beide Unregelmäßigkeiten liegen nahe der
Mitte des ganzen Gebietes und ändern nichts an dem im Großen er-
kennbaren Baue.
An dem Ergebnis wäre nichts Auffallendes, wenn es nicht der
vielfach als giltig angesehenen Lehre vom einseitigen Bau der Ketten-
gebirge widerspräche. E. Suess ist bekanntlich so weit gegangen,
dieser Lehrmeinung zuliebe den Hauptteil der Südalpen von den
Alpen abzutrennen, mit den dinarischen Gebirgszügen zu den „Dinariden“
zu vereinigen und diesen „asiatische Abkunft“ zuzuschreiben %2). Wer
sich durch mystische Ausdrucksweise nicht gefangen nehmen läßt,
wird sich hierunter nichts anderes vorstellen, als daß nach jener An-
schauung in Asien südwärts, in Europa nordwärts gerichtete Bewegung
die Regel ist, daß sonach einige Gebietsteile Südeuropas nach asiatischer
Regel gebaut sind»). Wie es sich mit diesem Baue bei unbefangener
t6a) „Asien dringt aber nicht nur in Gestalt großer Faltenzüge nach Europa.
Manche Gründe sprechen dafür, daß auch gewisse lange, gegen WNW bis NW
streichende Bruchlinien (Karpinsky’sche Linien) asiatischer Abkunft seier.*
(E. Suess, Antlitz III, 2, 1909, S. 7.)
66b) Daß Suess selbst mehr als dies im Sinne gehabt hat, dürfe aus einer,
wenn auch negativen Bemerkung hervorgehen, die sich auf die das nordöstliche
[59] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 59
Betrachtung verhält, wie der Zusammenhang der dinarischen Gebirgs-
züge mit den Südalpen und der Alpenbau in jener Hinsicht zu be-
urteilen sind, haben neuerlich die im besten Sinne gegenständlichen
Ausführungen Kossmats erkennen lassen 7),
Für unsere Erörterungen sind u. a. die Hinweise auf den Bau
zweier Gebirgsgruppen der Südalpen, der Steiner und der Julischen
Alpen wichtig, in denen nach den gleich wertvollen Untersuchungen
Tellers und Kossmats auf der Südabdachung südwärts, auf der
Nordabdachung nordwärts gerichtete. Bewegungen festgestellt sind.
Gegenüber der Anschauung der Deckentheoretiker, die darin zwei
ursächlich und zeitlich verschiedene Bewegungen erblicken wollen,
deren eine dem fast allgemein vorausgesetzten Nordschub der Alpen
entspricht, während die andere auf ein nachträgliches Zurückgleiten
der „Dinariden* zurückgeführt wird, weist Kossmat nach, daß die
beiden Bewegungsarten sich in keiner Weise sondern lassen. Die
enge „tektonische Verwandtschaft“ derselben ist aus dem Bau der
Julischen Alpen deutlich zu erkennen ). Die Nordüberschiebungen
sind für bestimmte Zonen kennzeichnend, nicht für eine bestimmte
Zeit und haben sich noch in den jüngsten Abschnitten der Gebirgs-
bildung wiederholt 6°). f
Kossmatist geneigt, den Bau der östlichen Südalpen, in denen
„den großen Ueberschiebungen gegen die Außenzonen andere gegen-
überstehen, welche gegen die Innenregion der Alpen gerichtet sind“,
mit dem Fächerbau zu vergleichen — dies geschieht meines Er-
achtens in bezug auf die wesentliche tektonische Erscheinung mit
voller Berechtigung —, erklärt aber diese Bezeichnung als nicht ganz
zutreffend, weil sich der Uebergang beider Bewegungsrichtungen
nicht in einer steil gestellten mittleren Zone, sondern im flach ge-
lagerten, von Schuppen und Brüchen durchschnittenen Kalkplateau
vollzieht, das teilweise muldenähnliche Anlage zeigt. (S. 126, 152.)
Der Bau des mittelböhmischen Faltengebirges, in dessen Innern die
Randgebirge Böhmens begleitenden Brüche bezieht: „Sie können nicht irgend einer
plötzlich von Asien kommenden Einwirkung zugeschrieben werden, denn sie sind
von verschiedenem Alter“. (Antlitz III, 2, S. 39.) Auch hier hätte es sich darum
gehandelt, südwärts gerichtete Bewegung auf eine weit außsrhalb Europas liegende
Ursache zuürckzuführen,
0), F. Kossmat, Die adriatische Umrandung in der alpinen Faltenregion.
Mittlgn. Geol. Ges. Wien, VI, 1913, S. 61—165.
°8) „Wenn wir die tektonische Grenzfläche der Trentagruppe aus der Belipotok-
Ueberschiebung ohne jede Zersplitterung oder Ueberkreuzung in die Mojstraka-
Blattfäche und aus der letzteren wieder in die südgerichtete große Krn-Ueber-
schiebung verfolgen können, wenn wir an den Triglavseen in einem geschlossenen
Bogen aus der südlich einfallenden Schubfläche in eine östlich und schließlich
nördlich fallende gelangen, dann gehören diese Linien strukturell zusammen.“
(A. a. O., S. 113.)
6) Nach den Untersachungen Teller’s ist in der Koschutazone „dort, wo
das Neogen noch in den Bau eintritt, uämlich in ihrer Fortsetzung gegen den
Wotsch, noch das Sarmatische gefaltet und fällt an seiner Südgrenze in einer
langen Linie verkehrt unter die Leithakalke ein, während in den südlich folgenden
Falten des Savesystems das entgegengesetzte Verhalten herrscht. Man sieht also,
daß auch zur Zeit der jüngeren Bewegungen Nord- und Südfaltungen in den öst-
lichen Südalpen nebeneinander existierten, wobei die ersteren charakteristisch
für die inneren Zonen sind... .“
8*+
60 F. Wähner. [60]
Schichten durch die Faltung ebenfalls aufgerichtet sind, hier nicht
selten (Prokopital) sogar besonders steile Stellungen annehmen, wird
dadurch dem Fächerbau ähnlicher. Wenn wir aber, wie in Mittel-
böhmen, so in jenen alpinen Gebirgsgruppen von einem symmetri-
schen Bau sprechen, so gebrauchen wir zwar einen in einem großen
Kreise verpönten Ausdruck, der zufällig auch den in den theoretischen
Anschauungen bestehenden Gegensatz hervorhebt, der aber kaum durch
einen anderen ebenso bezeichnenden und sachgemäßen zu ersetzen
ist. Wir sind daher nur ehrlich, indem wir das Kind beim rechten
Namen nennen.
Kossmat verfolgt die Baulinien der Südalpen auch in die Zentral-
alpen ’0), erkennt, daß die „gegen die Poebene und Adria gerichteten
Faltenbewegungen nicht haltmachen an der sogenannten Dinariden-
grenze, sondern daß sie auch sicher alpine Zonen noch in großem
Stil betroffen haben“, und wirft schließlich die Frage auf, ob nicht die
nördlichen Kalkalpen und die Grauwackenzone Aehnliches wie die
Südalpen zeigen, „ob sich nicht tektonische Annäherungen nord- und
zentralalpiner Faziesentwicklungen durch südgerichtete Ueberschieb-
ungen nachweisen lassen. Die Strukturtypen der nordalpinen Kalk-
plateaus unterscheiden sich in nichts von jenen der Julischen und
Steiner Alpen, die Ueberschiebungen an ihrem südlichen Schichten-
kopf gleichen ganz merkwürdig jenen an den Nordabdachungen der
letztgenannten Gebirge“. (S. 152.)
In der Tat ist der Bau eines nicht unansehnlichen Teiles der
nördlichen Kalkzone der Ostalpen, namentlich jener der Salzburger
Kalkstöcke durch herrschendes Nordfallen und südlich gerichtete Be-
wegungen gekennzeichnet. Solchen Bau sieht heute, so klar er
(wenigstens zum Teile) schon lange zutagetritt, allerdings nur der-
jenige, der sich für alpine Dinge einen wirklich unbefangenen
Blick bewahrt hat, und der, dem es gelungen ist, sich von den
einander so vielfach widerstreitenden Ergebnissen älterer, neuerer
und neuester Deckenkonstruktionen zu befreien. Dem zuerst am
Südrande des Tennengebirges von Bittner erkannten Schuppen-
bau, der auf mehrfacher Wiederholung einer Reihe älterer Trias-
glieder durch südlich gerichtete Ueberschiebungen beruht, gesellen
sich entsprechende Beobachtungen an anderen Orten. Hahn, dem
wir im übrigen hier nicht folgen wollen, hat diese Erfahrungen zu-
sammengestellt und weitere mitgeteilt”!). Im Norden des Tennen-
gebirges finden wir, wie gleichfalls Bittner gezeigt hat, ältere
Trias, u. zw. Guttensteiner Kalk, im Hangenden des nach NNO ein-
fallenden und zunächst von Lias überlagerten Dachsteinkalkes, ein
Vorkommen, das wieder auf südgerichtete Ueberschiebung hinweist,
und auch die in der Gegend von Golling weiter folgenden schmalen
Gebirgsstreifen, von denen jeder aus einer anderen Schichtengruppe
”%) A. a. OÖ. 1V. Periadriatische Konturen in den östlichen Zentralalpen.
S. 133—153.
”') F. Felix Hahn, Grundzüge des Baues der nördl. Kalkalpen zw. Inn und
Era I. u. II. Mttlgn. Geo]. Ges. Wien, VI, 1913 (S. 238—357, 374—501), bes.
„ 285—317. -
[61] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 61
besteht, wird man am sichersten als durch steile Ueberschiebungs-
flächen getrennte Schuppen deuten.
Nordwärts gerichtete Bewegungen sollen nach der erwähnten
Lehrmeinung den Bau nicht nur der geologisch jungen, sondern auch
der alten Gebirge unseres Erdteils kennzeichnen. Da ist es nun wohl
nicht bedeutungslos, daB „im Herzen Europas“ ein Teil eines
unterkarbonischen (oder vielleicht schon oberdevonischen)
Faltengebirges erhalten ist, der ausgesprochen zwei-
seitigsymmetrischen Bau aufweist, dessen Schichten-
gruppen einerseits nach NW, anderseits gegen SO
bewegt sind, in dem also auch südwärts gerichteter
Schub festgestellt ist. Und dieses Gebirge ist, wenn wir
von der vorkambrischen Schichtenreihe absehen, die schon eine noch
ältere Gebirgsbewegung durchgemacht hat, sowohl stratigraphisch
als tektonisch völlig einheitlich aufgebaut.
Die sehr erheblichen Faziesverschiedenheiten fallen im allgemeinen
mit Altersunterschieden zusammen, sie ergeben in der Hauptsache
ein Nacheinander, kein Nebeneinander. Sie entsprechen einer im
Laufe der geologischen Zeiträume (mithin allmählig) im ganzen Gebiete
eingetretenen Aenderung der Absatzbedingungen. Es ist schon (S. 53)
darauf hingewiesen worden, daß wir von den Flachseebildungen des
Untersilurs bis zu den küstenfernen Tiefseeablagerungen des Mittel-
devons einen stratigraphischen Zyklus feststellen können 72). Wir haben
es mit einem durchaus einheitlichen Ablagerungsgebiete zu tun.
"2) Hiezu noch einige flüchtige Bemerkungen. Die durch eine überaus reiche
Fanna ausgezeichneten obersilurischen e,-Kalke mit ihren dickschaligen Cephalo-
poden und sonstigen Mollusken sind noch als Ablagerungen verhältnismäßig geringer
Tiefe anzusehen. Aber schon die noch zum Obersilur gerechneten dunklen f,-Kalke
(Tentaculiten, Spongien) bilden einen faziellen Uebergang zu den pelagischen und
in tieferem Wasser abgesetzten Devonkalken. Die typischen ungeschichteten oder
undeutlich in mächtige Bänke gegliederten weißen f,-Kalke von Konjeprus sind
zwar eine Ablagerung geringer Tiefen, aber von einer Reinheit des Sediments, die
sie zu verschiedener technischer Verwendung geeignet macht und auf dem völligen
Mangel terrigener Beimengungen beruht. Mit dieser ausgesprochen pelagischen Bil-
dung wechsellagern die dünnschichtigen rötlichen und roten Kalke von Mjenjan, die
wie die roten Ausbildungsweisen der Stufe @ mit den entsprechenden auf mittlere,
d. i. beträchtliche Meerestiefen weisenden mesozoischen Faziesbildungen der Alpen und
anderer südlich gelegenen jungen Kettengebirge auf das engste verwandt sind. Selbst
die tonige Einschaltung der Tentaculitenschiefer 9, ist, wie schon das häufige Vor-
kommen von Tiefseekorallen lehrt, keine Seichtwasserablagerung. Dagegen scheinen
in den hellgrauen Knollenkalken Schwankungen vorgekommen zu sein; die auf-
fallendste ist durch das Auftreten von Riffkorallen in einem Teile von g, gekenn-
zeichnet. Der Uebergang der Goniatiten-Knollenkalke g, durch Radiolariengesteine
in die unterste Abteilung der Stufe H ist oben (8. 36) erwähnt worden. Gegen-
über dem langen absteigenden Aste ist der aufsteigende Ast des Zyklus im Hangen-
den der abyssischen Ablagerung der Radiolariengesteine nur zu einem kleinen Teile
durch die Stufe H mit ihren teriigenen Sedimenten vertreten, deren untere Ab-
teilung (A,) noch in tieferem Meere und einiger Entfernung von der Küste (Mün-
dungsgebiet eines Stromes) abgesetzt zu sein scheint. (S. 53 und °°).
Wie in den Ostalpen die aus den Radiolariengesteinen des mittleren Jura
erkennbare größte Meerestiefe zeitlich zusammeufällt mit der in anderen Gegenden
nachgewiesenen mitteljurasischen Trausgression, so entspricht auch das Auftreten
der (bier nur geringmächtigen) Radiolariengesteine Mittelböhmens der in weit ent-
fernten Gebieten festgestellten mitteldevonischen Transgression. Daraus ist ersicht-
62 F. Wähner. [62]
Ebenso einheitlich erscheint der tektonische Bau. Es ist
nicht der geringste Anhaltspunkt gegeben, um für das nördliche Teil-
gebiet einen anderen gebirgsbildenden Vorgang anzunehmen als für
das südliche und die Entstehung der in entgegengesetzten Richtungen
bewegten Gebirgsteile in verschiedene Zeitabschnitte zu verlegen.
Alles spricht dafür, nichts dagegen, daß die beiden Gebirgsteile, die
voneinander keineswegs scharf abgegrenzt sind, einem und demselben
großen Faltungsvorgang, einem und demselben gebirgsbildenden Zu-
sammenschub der Schichtengruppen, aus denen sie aufgebaut sind,
ihr Dasein verdanken. Ein Blick auf die Karte Seemanns“%) be-
lehrt uns, daß am südwestlichen Ende des obersilurisch-devonischen
Kalkgebietes die jüngste untersilurische Zone d,, die jenes rings um-
grenzt, einen Muldenschluß bildet, wobei das im NW herrschende SO-
Fallen ganz allmählig durch die Fallrichtungen O, NO, NNO, N und
NNW in das NW-Fallen der SO-Seite des Gebietes übergeht. (S. 75
a. a. O.73), Schwieriger ist der Zusammenhang der tieferen Unter-
silurstufen des nödlichen und des südlichen Teilgebietes noch weiter
in SW zu überblicken, aber er ist vorhanden und die Art des Zu-
sammenhanges ist augenscheinlich durch die Längsbrüche stark be-
einflußt. Niemand hat bisher an solchem Zusammenhang gezweifelt,
und man hätte wohl. nicht so lange und bis in neue Zeit an dem
Schema der „Silurmulde“ festgehalten, wenn nicht aus dem Ganzen
ein einheitlicher Bauplan deutlich hervorträte.
Daß jüngere Gebirgsbewegungen in der böhmischen Masse in
südlichen Richtungen vor sich gegangen sind, ist lange bekannt. Nicht
nur am Elbbruch (der Lausitzer Verwerfung), weithin an der Süd-
westseite des nordöstlichen Randgebirges sind nach SW gerichtete
überfaltende und überschiebende Bewegungen vor sich gegangen.
Wenn E. Suess diese Erscheinungen zuerst auf „Rückfaltung“
zurückführt, während er sich später mit dem Ausdruck „Ueberfaltung“
begnügt ’*), so wird derjenige, der sehen will, sich hierdurch nicht
beirren lassen; ein Name ändert, wenn er auch zur Aufstellung und
Hervorhebung einer besonderen Ursache dient, nichts an der Tatsache,
lich, daß diese Veränderungen nicht bewirkt wurden durch örtlich beschränkte
Ereignisse; jene müssen vielmehr, mögen sie nun auf Bodensenkungen oder auf
ein von anderen Ursachen abhängiges Ansteigen des Meeresspiegels zurückzuführen
sein, gleichmäßig auf ausgedehnte Gebiete sich erstreckt haben.
”) Daß d, außerdem infolge von Faltung und Ueberschiebung in langen
Zungen in das Obersilur eingreift, zeigt, daß trotzdem ein verwickelterer Bau vorliegt.
”4) E. Suess, Antlitz I, 1885, S. 181. „Wird ein gefaltetes Gebirge von einem
Längsbruch durchschnitten und sinkt an demselben der innere Flügel zur Tiefe,
so zeigt sich nicht selten in dem Gebirge das Bestreben, in einer der normalen
Faltung ganz entgegengesetzten Richtung den Bruch zu über-
falten, wodurch an demselben nieht nur Aufrichtung, sondern auch Einklemmung
und Ueberstürzung der Schichten entstehen mag. Diese Erscheinung nennen wir
Rückfaltung.“ — Antlitz III, 2, 1909, S. 37, Elbbruch: „Die verkehrte Folge;
Kreide, Jura, Granit zeigt in der Tat Ueberfaltung gegen SW an. Der Ausdruck
Rückfaltung wurde hier für diese Dislokation gebraucht... Er entspricht nicht der
Sachlage und ist der Gegenwirkung von Vorfaltung (z. B. im Innern der asiatischen
Scheitel) vorzubehalten.“ Daselbst, 8. 717: „Rückfaltung hat sich in dem
asiatischen Bau als ein Ueberschuß an Volum in den oberen Zonen der Erde er-
geben.“ Vgl. auch die S. 58 in der Fußnote“) angef. Stelle.
[63] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 63
daß sich hier (wie auch anderwärts in dem genannten Gebiete) für
den Gebirgsbau maßgebende Bewegungen in südlichen Richtungen ab-
gespielt haben.
Die Frage nach der Richtung der gebirgsbildenden Bewegungen
gehört meines Erachtens zu jenen, denen man zu große Bedeutung
beigemessen hat. Ausschlaggebende Bedeutung besitzt sie nur für
Anhänger der Lehre vom einseitigen Bau der Kettengebirge. Immer
deutlicher erweist sich gerade aus der fortschreitenden Kenntnis des
Alpenbaues, daß faltende und überschiebende Bewegungen nicht nur
in der quer auf das Hauptstreichen des Gebirges verlaufenden und
in der entgegengesetzten Richtung, sondern auch in von jenen stark
abweichenden Richtungen bis zu einer mit dem Hauptstreichen zu-
sammenfallenden Richtung vorkommen und für den Gebirgsbau von
Bedeutung sind 5).
Daß steil aufgerichtete Falten bei fortdauerndem Zusammen-
schub der tieferen Gebirgsteile schließlich nach jener Seite sich über-
legen werden, auf der der geringere Widerstand vorhanden ist, ist schon
wiederholt gesagt worden 76). Für unbedingte Anhänger der Lehre vom
einseitigen Schub bildet der Fächerbau wie der symmetrische Bau
im allgemeinen kein Hindernis, die Anschauung festzuhalten. Man
beruft sich jetzt gern auf einen schönen und lehrreichen Querschnitt,
den Kilian aus den Westalpen gegeben hat”), und erklärt den
„Faltenfächer“ ähnlich, wie das auch rücksichtlich des eigentlichen
Fächerbaues zu geschehen pflegt, indem man sagt, das Gebirge sei
75) Man pflegt die im Streichen des Gebirges erfolgenden Bewegungen als
Quer- oder Transversalbewegungen schlechthin zu bezeichnen und gibt damit für
der Sache fernerstehende Veranlassung zu Mißverständnissen, da ınan in sonstigen
tektonischen Bezeichnungen das Wort quer auf das Streichen der Schichten und
Falten bezieht. In diesem Sinne sind die gewöhnlichen Bewegungen Quer-
bewegungen, wie man ja auch von Querbrüchen usw. spricht. Vielleicht würde man
besser tun, in diesem Falle auf eine kurze Bezeichnung zu verzichten und von
Bewegungen im Hauptstreichen u. dgl. zu sprechen.
6) Nicht immer dürfte diese Vorstellung der Wirklichkeit entsprechen. In
Gebieten mit vorherrschend flacher Lagerung scheint es zumeist gar nicht zu steiler
Aufrichtung des ganzen Faltenkörpers gekommen zu sein; es bildeten sich liegende
Falten durch Aufrichtung eines (des später überkippten) Schenkels, wobei dieser
häufig sehr kurz blieb, so daß Faltungsüberschiebungen hier sich aus verhältnis-
mäßig kleinen Knickungen der Schichtengruppen zu entwickeln pflegen. Man sollte
darum nicht allgemein vom „Ueberlegen“ oder „Ueberschlagen“ der Falten sprechen
oder bei dem Gebrauch dieser allerdings sehr bequemen Bezeichnungen sich bewußt
bleiben, daß dies eine figürliche Ausdrucksweise ist, da die Schiefstellung der
„übergelegten“ Falten nicht auf einer sekundären Erscheinung zu beruhen braucht,
die die bereits fertigen aufrechten Falten betroffen hat, sondern unmittelbar aus
der ursprünglichen Anlage der Falten hervorgehen kann. Nur der überstürzte
Schenkel solcher Falten muß, so kurz er sein und so rasch diese Bewegung sich
vollzogen haben mag, eine Aufrichtung aus flacher Lagerung erfahren haben und
durch die Vertikalstellung bis zur Ueberkippung hindurchgegangen sein. Nur bei
dem überstürzten Schenkel ist der Ausdruck daher unter allen Umständen zu-
treffend, wenn wir sagen, er sei nach einer bestimmten Richtung „übergelegt.*
[Einschlägiges in dem in Note 26 angef. Vortrage, S. 222 und Fußnote 2.] — Ein
Lehrbuch sollte nicht den sprachlich unrichtigen Ausdruck „überlegt“ statt „über-
gelegt“ gebrauchen.
”) W. Kilian, Apenga sommaire de la g£eol.... des Alpes dauphinoises.
Der Querschnitt ist wiedergegeben in O. Wilckens, Grundzüge der tekton. Geo].,
Jena 1912, S. 14 und in A. Tornquist, Geologie I, Leipzig 1916, S. 283.
64 F. Wähner. [64]
in der Tiefe noch stärker zusammengeschoben worden und die empor-
steigenden Falten haben sich oben nach beiden Seiten übergelegt.
Man kann aber in vielen anderen Fällen und selbst bei unsymmetrischem
Bau die Falten in Luftsätteln nach oben ergänzen und schließen, daß
in der Tiefe der Zusammenschub viel weiter gegangen ist, oder daß
— bei unsymmetrischem Bau --- in der Tiefe einseitiger Schub das
Gebirge in entgegengesetzter Richtung bewegt hat (entgegen jener
Richtung, in der die Falten oben übergelegt sind).
Hinsichtlich der obigen Erklärung wollen wir davon absehen,
daß die Gewölbe, die heute zu unserer Beobachtung gelangen, beim
Aufsteigen nicht frei emporragen konnten. Die gegen die Tiefe kon-
vergierenden Linien, die wir bei symmetrischem Bau in Querschnitten
entlang den Falten und Ueberschiebungen ziehen können, entsprechen
wirklichen Bewegungsflächen. An ihnen haben sich Gebirgsstücke nach
aufwärts und zugleich nach auswärts (vom Innern des Gebirges gegen
außen) bewegt. Das gehört zu den wenigen wirklichen Erkenntnissen,
die wir über den Gegenstand besitzen. Vergessen wir nicht, daß alles
Weitere zumeist schon Theorie ist. Schon wenn wir statt von Vor-
gängen von einer gebirgsbildenden Kraft sprechen, ist das eine Ab-
straktion, die schon manches Unheil angerichtet hat.
Gewiß: wir dürfen mit Recht schließen, daß jene mehr oder
minder steilen Bewegungsflächen aus seitlichem Zusammenschub her-
vorgegangen sind. Wir können den Zusammenschub in größere Tiefe
verlegen und uns vorstellen, daß an jenen Bewegungsflächen die Ge-
steine dem in der Tiefe vor sich gehenden annähernd horizontalen
Zusammenschub nach auf- und auswärts ausgewichen sind. Schon die
Faltenbildung können wir als ein solches Ausweichen auffassen. Je
steiler die Schichten eines Gewölbes aufgerichtet sind, je stärker es
in der Tiefe zusammengepreßt erscheint, desto klarer mag uns jene
Anschauung werden. Tatsächlich gehen ja entlang den Schichtflächen der
Falten quer zu den Faltenachsen Bewegungen vor sich. (Vgl. oben S. 20).
In zahllosen Gebirgsquerschnitten, die nur aufrechte Falten zeigen,
vermögen wir zwar eine Richtung des Zusammenschubes, z. B. eine
meridionale Richtung zu erkennen; wir sind aber nicht in der Lage
zu beurteilen, ob es ein einseitiger oder zweiseitiger Schub war und
noch viel weniger, ob — die Einseitigkeit des Schubes vorausgesetzt
— dieser in nördlicher oder in südlicher Richtung vor sich gegangen
ist. Erst wenn ein Schenkel einer Falte überstürzt ist, oder wenn
sich aus einer derartigen Falte eine Ueberschiebung entwickelt hat,
vermögen wir einseitig bestimmt gerichtete Bewegung zu erkennen ”®),
”®) Auch hier handelt es sich um relative Bewegungsrichtungen. Wenn
wir sagen, eine Falte sei nach einer Richtung übergelegt, — u. zw. gerade in dem
Sinne, der eine nachträgliche Umlegung einer steilen aufrechten Falte voraussetzt —,
so könnte es auch sein, daß ihr tieferer Teil (bei Zurückbleiben des höheren) sich
nach entgegengesetzter Richtung bewegt hat. Wenn wir an einer ausgesprochenen
Bewegungsfläche (Rutschfläche), z. B. an einer Ueberschiebungsfläche einseitig be-
stimmt gerichtete Bewegung des angrenzenden Gesteins festzustellen in der Lage
sind, so kann der auf der anderen Seite der Bewegungsfläche liegende Gesteins-
körper sich ebensogut in entgegengesetzter Richtung bewegt haben oder es können
Bewegungen nach beiden Richtungen vorgekommen sein. Ueberschiebung und Unter-
schiebung sind für unser Erkennen dasselbe.
[65] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 65
Aber der Schluß gilt nur für durch derartige tektonischeErscheinungen von
einseitig bestimmter Richtung gekennzeichnete Gebiete. Nichts berechtigt
uns vor allem, ihn auf Bewegungen in unbekannten Tiefen zu beziehen.
So kann nun ein hartnäckiger Vertreter der Lehre vom ein-
seitigen Schub erklären: Im mittelböhmischen Faltengebirge mögen
Bewegungen nach beiden Richtungen vorgekommen sein. Trotzdem
ist es durch einseitigen, nordwestlich gerichteten Schub entstanden.
Das Gebirge ist zwar bis zu großer Tiefe abgetragen; die Falten sind
aber in noch größerer Tiefe noch stärker zusammengeschoben und
haben sich oben nach verschiedenen Richtungen übergelegt. Dabei
wäre nur ein wesentlicher Umstand übersehen: daß weder hier
noch anderwärts Tatsachen ermittelt sind, aus denen wir allgemein
zur Erklärung solcher Gebirgsbildung auf einseitigen Schub zu schließen
berechtigt sind. Es bliebe das Festhalten an einem Glaubenssatz.
Bescheiden wir uns und suchen wir weiterhin die Richtungen
der gebirgsbildenden Bewegungen zu ermitteln, soweit dies möglich
ist. Wir belügen uns selbst, wenn wir meinen damit mehr fesstellen
zu können, als aus der Beobachtung hervorgeht.
Eine eigenartige Ausnahmsstellung unter den Längsstörungen des
mittelböhmischen Faltengebirges scheint der Südostgrenze des Unter-
silurs gegen die vorkambrischen Gesteine in dem an das rechte .Ufer
der Moldau anschließenden Gebiete zuzukommen. Krejti hat sich
wiederholt mit dieser wichtigen Bruchlinie befaßt. In den „Erläute-
rungen* (S. 84) wird sie in die „Bruchspalte des Brdyrückens“
(„Brdabruchlinie“) einbezogen und gesagt, sie bedinge eine der be-
deutendsten Dislokationen in den Umgebungen von Prag. In der
„Uebersicht* (S. 93—95), in der später die Störungen des ganzen
Silurgebietes dargestellt wurden, wird jene Strecke als die nordöst-
liche Fortsetzung der Bruchlinie der Przibramer Lettenkluft angesehen.
Zwei im N der letztgenannten liegende Längsstörungen: die „Bruch-
linie zwischen dem Tremosna- und dem Slonovecrücken® und die
„Jinecer Bruchlinie* (mit der nun die Brdabruchlinie vereinigt wird),
werden weiter im NO mit jener Fortsetzung der Lettenkluft in Ver-
bindung gebracht. In dem die „Uebersicht“ begleitenden Kärtchen
ist dieses Verhältnis zur Anschauung gebracht. Von Bedeutung ist
u. a., daß in der Fortsetzung der Lettenkluft im NO von Mnischek,
außerhalb des großen südwestlichen Gebietes der kambrischen Kon-
glomerate mit der Annäherung an die Moldau die tieferen unter-
silurischen Zonen nacheinander auskeilen, bis rechts der Moldau in
der Gegend von Königsaal die Zone d, mit den azoischen Schiefern
in Berührung tritt, wogegen noch weiter in NO die tieferen Zonen
wieder erscheinen. Krejöi hat wiederholt darauf hingewiesen, daß bei
Königsaal „die mannigfach geknickten und gefalteten Grauwacken-
schiefer d, an einer Dislokationskluft widersinnig“ (während sie sonst
zumeist nach NW geneigt sind) „unter die azoischen Schiefer ein-
fallen“. (Uebersicht S. 64; auch S. 38 und 939).
”°) In den Erläuterungen (S. 43) war hierbei von überkippter Lage, die noch
weiter nach NO anhalten sollte, die Rede; in der zugehörigen Profiltafel, Fig. 3, ist
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. Wähner.) 9
66 F. Wähner. [66]
Mit dieser Störung haben sich in neuer ZeitLiebus, E.Nowak°)
und besonders Kettner befaßt. Liebus schilderte die Verhältnisse
in der Modraner Schlucht und betrachtete die Störung als eine Ueber-
schiebung, durch die die alten Schiefer über die tieferen Untersilur-
zonen und bis an die Stufe d, bewegt worden sind). Kettner hat
eine umfassende Darstellung der einschlägigen Verhältnisse gegeben
und drei neue Querschnitte entworfen. (S. 185, 18735). Gemeinsam
ist allen drei Punkten (1. bei Zavist, 2. an der neuen Straße nach
Toöna, 3. in der Modraner Schlucht), daß die vorkambrischen Gesteine
von der Störung weg (nach südlichen bis östlichen Richtungen) fallen.
Dieselben sind in 2 nahe der Störung in steile bis geneigte Falten
gelegt und von kleinen, mit der Hauptstörung annähernd parallelen
Brüchen (Ueberschiebungen) durchsetzt. Leider sind gerade an der
Störung nach meinem Dafürhalten die erwähnten (von mir wiederholt
besuchten) Aufschlüsse wie gewöhnlich recht mangelhaft 3). Im Ganzen
zweifle ich nicht, daß in der besprochenen Gegend die vorkambrischen
Gesteine aus etwa südöstlicher Richtung steil über das Untersilur
geschoben sind, während sonst im südlichen Teilgebiete entgegen-
gesetzt gerichtete Bewegung zu erkennen ist. E. Nowak’) erklärt,
diese Ueberschiebung sei keine Faltungsüberschiebung, sondern eine
Schollenüberschiebung, eine Auffassung, der ich mich nicht anschließen
kann. Die Störung trennt zwei Gebietsteile, deren altersverschiedene
Gesteine beiderseits in enge Falten gelegt sind, die, nach den Auf-
unmittelbar an der Störung die Lagerung verwirrt dargesteilt, eine überkippte
Stellung ist daraus nicht mit Sicherheit zu erkennen. Diese Auffassung scheint
später aufgegeben, da sie weder in der Beschreibung noch in der graphischen
Darstellung wiederkehrt. (Fig. 23, S. 38 der Uebersicht.) Krej&i dürfte hierbei die
Verhältnisse in der Modraner Schlucht im Sinne gehabt haben, wo nach Erläute-
rungen 8. 27 die schwarzen Schiefer d, „in gestörter Lagerung in der Bruchlinie
liegen“ ; in Fig. 2, S. 18 daselbst ist d, an der Störung von angeblichen Diorittuffen
(wohl infolge eines Druckfehlers hier mit d,t bezeichnet) überlagert, die zu den
azoischen Gesteinen (damals für kurze Zeit zur Stufe C gestellt) gehören.
°) A. Liebus, Geol. Wanderungen in der Umgeb. von Prag, Lotos 1907, 1908,
1909. Zusammengefaßt und erweitert in: Sammlg. gemeinnütz. Vorträge, Ver. z.
Verbr. gemeinnütz. Kenntn. Prag, Nr. 393—395, 1911, S. 132—134. (Die hier noch
als kambrisch angesehenen Gesteine sind vorkambrisch.)
»1) So läßt sich südlich von Zavist die Aufbiegung der d,-Schichten gegen
die Störung (Fig. 1 bei Kettner) nicht feststellen. Kettner scheint damit seine aus-
gedehnteren Erfahrungen zusammengefaßt zu haben. An der Straße nach Toöna
ist an der Störung tatsächlich eine Zertrümmerungszone mit großen geglätteten
und gestriemten, aber stark verwitterten Blöcken zu beobachten. Die Gesteine
scheinen stark verändert zu sein, die Lagerung ist sehr stark gestört, nicht so
regelmäßig, wie es in Fig. 2 schematisch wiedergegeben ist. Ob hier wirklich ein
Rest von d, vorhanden ist, bliebe mir zweifelhaft, wenn nicht unfern, etwa W von
der an der Straße aufgeschlossenen Ruschelzone, im Walde im Frühsommer 1916
neue kleine künstliche Aufschlüsse zu sehen gewesen wären, die zeigen, daß hier
unzweifelhafte d,-Quarzite, stark gestört, von Rutschflächen durchsetzt, mit, wie
teilweise erkennbar, sehr steiler Schichtenstellung in ziemlich großer Ausdehnung
anstehen. — Während das Vorstehende im Druck war, erfreute mich Herr Dr.
Kettner auf eine von mir gestellte Anfrage durch eine Reihe von Mitteilungen,
die zeigen, daß dem Genannten eingehende Beobachtungen an einer großen Zahl
von Punkten jener Störungslinie zur Verfügung stehen. Er sieht die a. a. O. gege-
bene Darstellung als eine vorläufige Mitteilung an; der in Aussicht gestellten aus-
führlichen Veröffentlichung vorzugreifen, fühle ich mich nicht berechtigt.
167] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges, 67
schlüssen an der Straße nach Toöna zu urteilen (Fig. 2 bei Kettner),
sogar sehr ähnlich gebaut sind. Aber auch, wenn das sonst nicht der
Fall sein sollte: mit Faltenbau haben wir es beiderseits zu tun. Wenn
es auch nicht weiter von Bedeutung ist, so wäre es doch willkürlich,
eine derartige Ueberschiebung nicht aus dem Faltungsvorgang, sondern
unmittelbar aus dem den letzteren bewirkenden Seitenschub abzu-
leiten. Noch viel weniger liegt Veranlassung vor, irgendeinen noch
unbekannten Seitenschub, der mit der im ganzen Gebiete weit ver-
breiteten und in allen Schichtengruppen festgestellten Faltung nichts
zu tun hätte, zur Erklärung heranzuziehen.
Sollten wir in die Lage kommen, streng nachzuweisen, daß die
hier betrachtete Störung wirklich, wie Krej©i vermutet hat, die Fort-
setzung der Bruchlinie der Przibramer Lettenkluft bildet), dann
würde sich herausstellen, daß an derselben Störungsfläche im SW,
wo sie nach NW geneigt ist, Bewegung gegen SO, dagegen im NO,
wo sie nach SO geneigt ist, Bewegung gegen NW, demnach dort in
einer „südlichen“, hier in einer „nördlichen* Richtung stattgefunden
hat), — ein Ergebnis, das nur neuerdings zeigen würde, daß in
steil gestellten Schichtengruppen, in stark zusammengeschobenen,
geneigten Falten, es oft nur von örtlicher Bedeutung ist, ob diese
nach der einen oder anderen Richtung „übergelegt“, bzw. ob die sich
hieraus entwickelnden Ueberschiebungsflächen nach der einen oder
anderen Richtung geneigt sind.
8. Senkungsbrüche.
Da in der böhmischen Masse jüngere Senkungsbrüche, darunter
solche von beträchtlicher Sprunghöhe, eine große Rolle spielen, ist
von vornherein zu erwarten, daß gewöhnliche Verwerfungen auch im
mittelböhmischen Faltengebirge vorhanden sind. Wir brauchen nur an
das Nächstliegende zu denken, an die zahlreichen Verwerfungen, die
durch den Steinkohlenbergbau im Oberkarbon nachgewiesen sind und
durch dieses hindurch in den „silurischen* Untergrund reichen, um
zu erkennen, daß auch die altpaläozoischen und vorkambrischen
Schichten von derartigen Brüchen durchsetzt sind. Da ist es nun
merkwürdig und vielleicht bezeichnend, daß in diesen gerade Senkungs-
brüche bisher am seltensten nachgewiesen sind, wobei wir zunächst
abzusehen haben von jenen Längsstörungen, deren wahre Natur noch
nicht ermittelt ist. Es mag sein, daß man jenen bisher zu geringe
Aufmerksamkeit geschenkt hat.
#2) Es liegt noch heute sehr nahe dies anzunehmen. Vgl. darüber auch
Kettner°) S. 184, der zur Erforschung der einander mindestens räumlich vertre-
tenden Störungen wertvolle Beiträge geliefert hat°®, *°),
®) Damit wäre keine vollkommen neue Feststellung erzielt. Vorläufig mag
es genügen, auf einen Hinweis Kossmats°”) aufmerksam zu machen, der gezeigt
hat, daß in der Grenzregion zwischen Zentral- und Südalpen die Gegend von
Sillian „einen Wendepunkt in der Tektionik des südalpinen Innenrandes“ bedeutet.
„Im Osten wenden sich die Ueberkippungen gegen die Zentralzone, im Westen
gegen die adriatische Mulde.* Der Uebergang von der einen Bauart zur anderen
erfolgt in diesem Falle ganz allmählig. (S. 135.)
9*
68 F. Wähner. [68]
Von dem Vorhandensein von Brüchen, an denen Gebirgsstücke
absitzen, kann man sich unschwer überzeugen. Gute Beispiele trifft
man am Westgehänge des Moldautales bei Prag. Nahe der Grenze
des Untersilurs gegen das Kalkgebiet befinden sich in diesem nördlich
von Slichow aufgelassene Steinbrüche, von denen einer in der Sp.-K.
NO unterhalb des Punktes 284 verzeichnet ist. In diesem stehen unter
den dünnschichtigen g,-Knollenkalken, durch die oben der hochgelegene
Teil der Buschtiehrader Bahnstrecke Smichow-Hostiwitz verläuft,
undeutlich geschichtete />-Kalke an, die von mehreren kleinen Ver-
werfungen durchsetzt sind, wobei, wie an den überlagernden Knollen-
kalken zu sehen ist, die gegen die Moldau folgenden Teile immer
tiefer gesunken sind. Eine andere Verwerfung liegt weiter südlich an
der eben erwähnten hochgelegenen Bahnstrecke, nächst dem Wächter-
hause. Sie ist in einem der Lichtbilder H. Eckerts in Prag (124 der
Sammlung: „Schichtenkopf am Zdirad bei Slichow“) wahrzunehmen,
das aus ungefähr südlicher Richtung aufgenommen ist. Die Ver-
werfung streicht annähernd parallel zum Moldautal und ist gegen
dieses geneigt; zu beiden Seiten, besonders rechts von der Ver-
werfung, sieht man schöne kurze Schleppungserscheinungen in den
hier ziemlich dicken Knollenkalkbänken g,. Es ist zu beachten, daß
das unmittelbar rechts vom sichtbaren Bruche liegende Gebirgsstück
entfernt ist; der Felsen, der im Bilde hier zu liegen scheint, liegt
in Wirklichkeit weiter zurück (in größerer Entfernung vom Beschauer).
Die rechts liegenden Teile sind gesenkt. Manche werden geneigt sein,
diese kleinen Brüche mit Krejtis nordsüdlich verlaufender „Bruch-
linie des Moldautales“ in Verbindung zu bringen; es kann sich hier
aber um recht junge Senkungen handeln, die mit der Talbildung zu-
sammenhängen.
Es gibt Querbrüche (Blattverschiebungen), an denen nicht
annähernd horizontale, sondern schräg, u. zw. steil nach abwärts (oder
aufwärts) gerichtete Bewegungen stattgefunden haben. J.Woldrich°)
beschreibt ein bezeichnendes Beispiel aus der Gegend von Trzeban
(S. 17 fi). An dem etwa gegen NNW streichenden Vockover Quer-
bruche erscheint der Ostflügel nicht nur ein Stück gegen S verschoben,
sondern zugleich der Westflügel gegen den ÖOstflügel gesenkt. Der
Verf. macht auf die Verschiedenheiten aufmerksam, welche die d;-
und e,-Schichten und die Diabasvorkommnisse zu beiden Seiten der
Verwerfung zeigen, und hebt hervor, daß ein ziemlich mächtiger
Streifen von. Untersilur (d,), der im OÖ ein gleichsinnig gegen NW ge-
neigtes, in den obersilurischen Graptolithenschiefer eingeschaltetes
Gewölbe bildet, im W der Verwerfung nicht vorhanden, sondern von
Graptolithenschiefer vertreten wird. Mit Recht schließt Woldrich, daß
der Westflügel gesunken erscheint und daher hier das d,-Gewölbe noch
von e, überlagert ist, während in dem tektonisch höher liegenden ÖOst-
flügel e, bereits abgetragen und daher d, bloßzelegt ist. Man darf
hierbei nur nicht übersehen, daß dieselbe Wirkung durch die mit der
seitlichen Verschiebung verbundene Hebung des Ostflügels erzielt würde.
R. Kettner (S. 18355) hat zwischen Jarov und Kuchelbad eine
nordsüdlich verlaufende „Moldauverwerfung“ aufgestellt und schließt
aus der Unterbrechung der Porphyrlagergänge und der oben (S. 65 ff.)
[69] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 69
besprochenen Längsstörung, daß die rechts der Moldau gelegenen
Schichten an dieser Verwerfung abgesunken und wahrscheinlich zu-
gleich ein wenig gegen N verschoben sind. Auch in einer anderen
Veröffentlichung 9) scheint Kettner den Anzeichen senkender Be-
wegungen nachgegangen zu sein und solche sowohl entlang von Quer-
brüchen wie an Längsbrüchen festgestellt zu haben ®%).
Hinsichtlich der Querbrüche ist, wie schon bemerkt, zu beachten,
daß wir es, falls an ihnen neben Senkungen auch seitliche Ver-
schiebungen zu beobachten sind, wahrscheinlich mit schräg nach ab-
wärts (oder aufwärts) vor sich gehenden Verschiebungen zu tun haben.
Wenn diese Blattverschiebungen auch (mindestens zum Teil) in einen
späten Abschnitt der Gebirgsbildung zu setzen sind (vgl. oben S. 37),
so gehen sie doch aus demselben Zusammenschub hervor, der sich
auch in der Faltung äußert, und an einen je engeren Zusammenhang
mit der’ Faltung wir denken, desto eher wird man schräg nach auf-
wärts gerichtete Bewegung annehmen dürfen. Auch wenn die er-
wähnten Verschiebungen nach abwärts gerichtet gewesen sein sollten,
lägen in ihnen keine reinen Senkungen vor.
Anderseits ist noch ein weiterer Gesichtspunkt zu berück-
sichtigen. Es ist recht gut möglich, daß jüngere Senkungen, die sich
hier vermutlich ebenso wie in dem weiteren Gebiete der böhmischen
Masse ereignet haben, vielfach alte, teilweise noch klaffende oder durch
Verkeilung und Mineralabsätze nicht vollkommen verfestigte Brüche,
besonders die steiler zur Tiefe setzenden, benützt haben. Es können
daher sowohl an Längsbrüchen wie an Quer- und Diagonalbrüchen
bis in sehr junge Zeit Bewegungen in einem ganz anderen Sinne ein-
getreten sein als in dem der ursprünglichen Bewegung zur Zeit ihrer
Entstehung. So können mithin auch die Bahnen von flachen Blatt-
verschiebungen, z. B. in dem von J. Woldrich beschriebenen Falle,
lange nach ihrer Entstehung zu senkenden Bewegungen benützt worden
sein, die mit der ursprünglichen tangentialen Verschiebung ursächlich
sonst nichts zu tun haben. Sollten sich derartige junge Bewegungen
an alten Brüchen häufig ereignet haben, dann hätte dies vielleicht
sogar dazu beigetragen, daß wir bisher so selten imstande waren,
senkende Bewegungen an Brüchen des mittelböhmischen Faltengebirges
mit Sicherheit zu ermitteln.
8) Von der wichtigen Arbeit Kettners ist kürzlich während des Druckes
der vorliegenden Schrift auch eine deutsche Ausgabe erschienen: Ueber Zitecer
Konglomerate — den untersten Horizont des böhm. Kambriums. (Bull. internat. Ac.
d. Sc. de Boh&me XX, 1915.) Aus den Lagerungsverhältnissen schließt der Verf.
auf Senkungserscheinungen an einem Längsbruch und zahlreichen Querstörungen.
Da derselbe seine Untersuchungen in der Gegend von Przibram fortsetzt, sind wohl
noch weitere Aurklärungen über diesen Gegenstand zu erwarten.
70 F. Wähner. [70]
Zusätze.
Zu 8. 6 unten: Eine Uebersicht kleineren Maßstabes des Gesamtgebietes
bietet Po&tas Geol. Karte der weiteren Umgebung von Prag 1:200.000 (Geol.
Karte von Böhmen, Sekt. V; Archiv Natw. Ldsdurchf. von Böhmen, XII, 6).
Zu 8.7, Fußnote 10: Vgl. die geol. Karte von Prag in Poüta, Der Boden
der Stadt Prag. (Sitzber. d. kgl. böhm. Ges. d. Wiss. 1904, Prag 1905.)
Zu 8. 27—33: Einer freundlichen Mitteilung Herrn Dr. Kettners ver-
danke ich die Kenntnis einiger Arbeiten, die mich in die Lage bringt, vor Ab-
schluß des Druckes ein Versehen gut zu machen. Brüche mit schichtenparallelen
Rutschstreifeu sind bereits aus kambrischen Konglomeraten des südwestlichen
Teiles des mittelböhmischen Faltengebirges beschrieben und abgebildet worden:
Cyrill Rit. v. Purkyn&, Die Steinkohlenbecken bei Miröschau und Skofic und
ihre nächste Umgeb. II. Ein Beitr. z. Morph. des Brdygebirges, S. 4, 5, Fig. 2.
(Bull. internat. Ac. d. Sc. de Boh&me X, 1905.) Derselbe Verf., Tekton. Skizze
des Tfemo:nägebirges zw. StraSic u. Rokycan, 8.2, 11. (Dasselbe Bull. XX, 1915.)
Es scheint sich zumeist, wie in dem abgebildeten Falle, um Querbrüche zu handeln,
Als bezeichnend wäre aus der ersterwähnten Schrift anzuführen: „Nur in einem
der beobachteten Fälle.. fand ich die Richtung der Friktionsstreifen parallel mit
dem Fallen der Paraklase, als Zeichen einer Verwerfung; bei allen übrigen be-
ı chteten Paraklasen ist die Richtung der Friktionsstreifen . . parallel mit den
Projektionen der Schichtflächen ... .“ Herrn Prof. v. Purkyn& gebührt mithin
die Priorität für die Entdeckung jener schichtenparallelen Verschiebungen; die
obigen Ausführungen aber erhalten dadurch eine mir sehr willkommene Be-
stätigung.
Zu 8. 32 f.: Das bekannte, in den vorkambrischen Gesteinen der Modrzaner
Schlucht auftretende Konglomerat wird von einem auffallend ebenflächigen
Querbruch durchsetzt, der die Gerölle glatt durchschneidet, in der Fallrichtung
der Bänke gegen SO streicht und sehr steil, etwa 80°, gegen SW geneigt ist.
Die bloßgelegte Bruchfläche ist mit einer stellenweise sehr dicken Quarzaus-
scheidung überzogen, auf der die im Sinne des Fallens der Bänke ungefähr 30°
gegen SO geneigten Rutschstreifen gut zu sehen sind. An einer beschränkten
Stelle sind horizontale Rutschstreifen zu beobachten, ein Zeichen, daß — wie
so oft — die Richtung der Bewegungen gewechselt hat. (Auch an einem vor
Jahren hier abgetrennten Stück der Quarzausfüllung erkennt man Rutschstreifen
von zweierlei Richtung.)
Das eigenartige Aussehen der anderwärts in den vorkambrischen Gesteinen
wahrgenommenen Quer- und Diagonalbrüche mit schichtenparallelen Rutsch-
streifen beruht hauptsächlich darauf, daß die Bruchflächen durch das Auftreten
kleiner Hohlkehlen mit verhältnismäßig hohen und oft ziemlich scharfen Kämmen
und entsprechenden Vertiefungen sehr uneben erscheinen. Die von dem Verhalten
gewöhnlicher Rutschflächen am meisten abweichende Ausbildung habe ich in einem
alten kleinen Steinbruche W des Dorfes Okrouhlo im südöstlichen Moldaugebiet
getroffen, wo die azoischen Schiefer auf kleinem Raume von überaus zahlreichen
einander in verschiedenen Richtungen kreuzenden Brüchen durchsetzt sind. An
den weitaus meisten Verschiebungsflächen sieht man auch hier schichtenparallele
[71] Zur Beurteilung des Baues des mittelböhmischen Faltengebirges. 71
Rutschstreifen, es fehlen aber nicht Brüche, deren Ruütschstreifen von der Schich-
tung stark abweichen. Die letzteren besitzen die genau gleiche Ausbildungsweise
und zeigen damit ebenfalls, daß von einer Deutung als Verwitterungserscheinung
nicht die Rede sein kann.
Zu 8. 44: Kettner°) hat in der Fortsetzung der Pızibramer Letten-
kluft NW von Dobfi$ eine ungefähr 100 m mächtige Ruschelzone aufgefunden, in
der die vorkambrischen Gesteine stark zerdrückt und zerstückelt sind. (8. 19 und
Fig. 4 auf S. 20)
Bemerkungen zu den Tafeln.
Die Photogramme sind auf Platten 13.18 cm aufgenommen, daher in der
Wiedergabe zumeist entsprechend verkleinert. Nur das von Stud. J. John +
herrührende Original von Taf. III, Abb. 2, ist 9.12 cm groß.
Drei von den Zinkätzungen sind bereits anderweitig verwendet. Die Leitung
des Vereins z. Verbr. natw. Kenntnisse in Wien hat die Wiederbenützung der
Stöcke zu Taf. V, Akt, 1 und 2, bereitwilligst gestattet. Die Zinkätzung zu
Taf. I, Abb. 1 wurde zuerst für die vom Ortsrate Prag des Deutsch. Volksrates
f. Böhmen herausgeg. Schrift „Prag als deutsche Hochschulstadt“ verwendet und
von der Firma Koppe-Bellmann, Akt.-Ges. in Smichow, zur Verfügung gestellt.
Die sachlichen Erläuterungen zu den Tafeln sind im Text gegeben.
Taf. I, Abb. 1 gibt als Nahaufnahme nur einen kleinen, aber bezeichnenden
Teil der Faltungserscheinungen des Barrandefelsens wieder.
Taf. VIII, Abb. 1 beruht auf zwei aneinanderschließenden Nahaufnahmen,
die von demselben Punkte aus mit Zeiss’ Protarsatz Ser. VII, Kombination 4-2
(f=35 und 22 cm) hergestellt wurden. Dieses Objektiv entspricht einer Brenn-
weite von 155 cm und gibt auf Platte 13.18 cm einen ausgenützten Bildwinkel
von 71°. Beide Aufnahmen zusammen umfassen demnach einen Raum, der nicht
weit unter einem Bildwinkel von 140° bleibt. Die nach verschiedenen Richtungen
aufgenommenen Ansichten besitzen verschiedene Perspektive, in der gewöhn-
lichen Art zusammengestellt ergeben sie daher kein einheitliches Bild, sondern
wirken etwa wie zwei verschiedene Wände, die in einem stumpfen Winkel zu-
einander stehen. Dies zeigt sich besonders deutlich an den annähernd gerade
verlaufenden Linien wie dem oberen Rande der Friedhofmauer und den Eisenbahn-
schienen, aber auch an den kurzen Brüchen, die alle an der Grenze der beiden
aneinandergefügten Originalaufnahmen in gebrochenen Linien zusammenstoßen.
Solchen Uebelständen hilft das von Max Jaff& erdachte Verfahren der Weit-
raumphotographie ab. Dasselbe besteht im wesentlichen darin, daß nach
den Originalaufnahmen neue Negative in der Weise angefertigt werden, daß die
ersteren nicht senkrecht, sondern schief zur Objektivachse gestellt werden. Eine
genaue Beschreibung des Verfahrens enthält die Oest. Photographenzeitung 1904,
Heft 1, eine allgemein gehaltene die Monatsschrift der Wr. Bauhütte 1907, H. 9.
Das Verfahren scheint hier das erstemal für geologische Zwecke, denen es in
vielen Fällen dienlich sein dürfte, angewendet zu sein.
Die S. 43 f. berührten Schleppungserscheinungen sind vom Standpunkte
der Aufnahme nicht deutlich erkennbar. Die $. 43 erwähnten, von Telegraphen-
drähten herrührenden Streifen erscheinen nicht in der Abbildung.
73 F. Wähner.
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X [an Si
Inhaltsverzeichnis.
. Geschiehtliches über die Längsbrüche. Eine tektonische Regel. . .
DS Krejenee
81.3.1 Krejöi,und.E. Swessı.n.hls ee ee
a Katzer near te
A) SB BUO88, anna rt
. Vorläufiges zur Beurteilung der Längsbrüche. . .... 2. .2..
Weitere Kennzeichen tangentialer Gebirgsbewegung- . ......
a) Bewegungsspuren an Schichtflächen . . . ».. 2. 222.22 20.
b) Ablösung von Sehiehtengruppen.. „W.T SE
c) Beobachtungen’an’Querbrüchen „N -; : WE EI ER.
d) Isoklinale’Eagerung” „rn. TI RER a a
Veberschiebungen „0... un. 0 een ee No
. Kolonien. ...... ee ie ee ee me N NEN
. Diabas-Lagergange. ,„ . .. .ue.e 0 ee ee ee
. Symmetrischer Bau. ... . cs... 0.0 Men Tue PeuME LEGE
„Benküungsbrüche .. ..- Ka. u een Meilre, SoHRsracn LEERE BE
ZUSEDE. 040 00 ee gern el er a le re
[72]
Chemische Untersuchung der Schwefelquelle
in Luhatschowitz.
Von C. F. Eichleiter und ©. Hackl.
Auf Ersuchen der Badedirektion Luhatschowitz wurde eine
Analyse der dortigen Schwefelquelle durchgeführt. Zur Probenahme
begab sich Hackl im Juni 1913 an Ort und Stelle. Die Quelle, eine
Vereinigung von vier kleineren Quellen, ist zirka 300 m vom Kurplatz
entfernt und war schon längere Zeit bekannt. Nach Mitteilung der
Badedirektion wurde sie vor 30—40 Jahren zum erstenmal in 3 m
Tiefe mit Steinen gefaßt. Im Jahre 1912 erfolgte eine Neufassung,
welche die Ergiebigkeit bedeutend erhöhte. Der Schacht ist jetzt
10 m tief, die oberen 5 m sind mit Beton eingefaßt, die unteren mit
gebrannten Ziegeln. Bei normalem Wasserstand steigen keine Gasblasen
auf, sondern erst bei bedeutender Senkung des Wasserspiegels durch
starkes, rasches Auspumpen. Die Temperatur des Wassers betrug am
10. Juni 1913 Nachmittag 9°2°C, am 11. Juni 1913 um 11 Uhr Vormittag
bei 17:8°C Lufttemperatur im Schatten und 7342 mm Barometerstand
gleichfalls 92°C. Nach Angabe der Badedirektion ist dieselbe sehr
konstant, die Ergiebigkeit jedoch variabel, und zwar durchschnittlich
0:57 2 pro Sekunde (= 492°5 hl in 24 Stunden). Drei frühere Analysen
von Stränsky (Brünn) stammen aus den Jahren 1911 und 1913 und
wird über dieselben weiter unten berichtet. Das frische Wasser zeigt
sehr geringe weißliche Trübung und riecht sehr deutlich nach Schwefel-
wasserstoffl. In einem verstopften Kolben trat mit ammoniakalischem
Bleiazetatpapier erst nach einer Viertelstunde schwache H,S-Reaktion
ein, nach dem Ansäuern des Wassers mit HCl aber binnen wenigen
Sekunden ziemlich stark.
Was die Vorbereitungen zur Analyse betrifft, so ist zu erwähnen,
daß am 10. Juni 1913 außer der großen Wasserprobe in Mineralwasser-
flaschen (zur Probenahme mit der Fresenius’schen Füllvorrichtung
versehen) und einem großen Glasballon auch die notwendigen kleineren
Proben genommen wurden; und zwar zur Bestimmung der Gesamt-
kohlensäure drei Kolben, in welchen sich kohlensäurefreies Calcium-
hydroxyd und Chlorcalecium befand, mittels der Fresenius’schen
Vorrichtung mit Wasser gefüllt und hierauf mit Kautschukstopfen
und Bindfaden verschlossen wurden; zur Gesamt-AH,S- und genauen
Schwefelsäurebestimmung zwei Kolben, in welchen sich Cadmiumchlorid
befand, wie vorher mit Wasser gefüllt und verschlossen wurden; und
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Bd., !. Hft. (Eichleiter u. Hackl.) 10
74 C. F. Eichleiter und O. Hackl. [2]
ferner zur Bestimmung von Thiosulfat ein Kolben, in dem sich Cadmium-
nitrat befand (um bei der Fällung mit Silbernitrat möglichst wenig
Ag Cl zu bekommen), ebenso gefüllt und verschlossen wurde. Alle
Kolben wurden knapp vor der Füllung samt Reagenzien und Kautschuk-
stopfen gewogen und knapp nach der Füllung (ohne Bindfaden) wieder.
Am 11. Juni wurde die Probenahme frei entströmender Gase versucht,
doch auch nach lange fortgesetztem intensivem Pumpen und sehr
bedeutender Erniedrigung des Wasserspiegels stiegen die Blasen nur
sehr vereinzelt und an sehr verschiedenen Stellen auf, so daß auch
mit Hilfe einer Leiter die nötige Menge nicht zu bekommen war.
Hierbei hat sich übrigens auch das verwendete Bunsen’sche Gas-
sammelröhrchen mit Auffangtrichter sehr wenig bewährt, denn wenn,
wie es leider gewöhnlich der Fall ist, das Gas im Trichter oder in der
Verengerung der Röhre zurückgehalten wird, dann hilft auch meistens
das empfohlene Klopfen auf eine harte Unterlage sehr wenig oder
gar nicht. Hackl hat deshalb eine neue Vorrichtung konstruiert, die
sich bereits bestens bewährt hat und bei Gelegenheit publiziert
werden soll.
Die Bestimmungen von Cl —+-Br--J, Si0,, Al, Ca Sr 4 Ba,
Mg, K, Na, P,O, und NH, stammen von Eichleiter, alles Uebrige
wie auch Ausarbeitung und kritische Stellungnahme wurde von Hackl
durchgeführt. Und nun zu den angewendeten Analysenverfahren:
Die Gesamt-Kohlensäure bestimmung wurde an der Quelle
vorbereitet und mit einem etwas modifizierten Fresenius-Classen-
Apparat ausgeführt, durch Austreiben und Absorption des CO, in
Natronkalk nach vorheriger Bindung des H,S an Kupfervitriol-
Bimsstein.
Der Gesamt-Schwefelwasserstoff wurde durch Filtrieren
des an der Quelle gefällten Schwefelcadmiums, Oxydation mit Brom-
salzsäure, Abdampfen und Fällung mit Chlorbaryum in schwach salz-
saurer Lösung bestimint.
Auf Thiosulfat wurde im Filtrat vom CdS durch Fällung
mit Silbernitrat und Lösen des Chlorsilbers in Ammoniak geprüft.
SO, konnte, da Thiosulfat nur in Spuren vorhanden war,
nach dem Filtrieren des Cd S im Filtrat, ohne Kochen mit CI im
CO,-Strom, nach dem Ansäuern mit Salzsäure durch Fällung mit
Chlorbaryum bestimmt werden.
Ol-- Br—.J wurde nach Fresenius, Quant. Analyse, 6. Aufl.,
2. Band, pag. 207, bestimmt.
Si0,, Al, Ca+S8r—+ Ba und Mg wurden nach dem gewöhnlichen
Verfahren in einer Portion bestimmt, jedoch jede Fällung zweimal
nacheinander ausgeführt; Al wurde von Fe durch Kalilauge getrennt.
K und Na wurden durch Abscheidung der Schwefelsäure mittelst
Chlorbaryum, Trennung von den anderen Basen mittelst Baryumhydroxyd
und Abscheidung des Ba durch Ammonkarbonat als Chloride bestimmt
und mittelst Platinchlorid getrennt.
Auf P,O, wurde nach Fresenius, Quant. Analyse, 2. Band,
pag. 218, geprüft.
NH, ist nach Fresenius, pag. 219, 1. Verfahren, bestimmt
worden.
[3] Chemische Untersuchung der Schwefelquelle in Luhatschowitz, 75
Auf Arsen wurde durch Eindampfen von 1!/, ! unter Sodazusatz,
Filtrieren und Ausführen der Bettendorf’schen Reaktion mit dem
Filtrat geprüft; dieselbe fiel negativ aus. Einleiten von H,S in die
schwach salzsaure Lösung gab nicht die geringste Fällung. Eine
Parallelprobe mit 1 mg As0, in gleicher Flüssigkeitsmenge ergab
jedoch sehr deutliche Fällung. Eventuell vorhandenes As mußte deshalb
weit unter dieser Menge sein, weshalb darauf auch noch in einer
sehr großen Wassermenge geprüft wurde, siehe weiter unten.
Auf Blei wurde nach dem Verfahren von Frerichs (Lunge-
Berl, chem.-techn. Untersuchungsmethoden, 6. Aufl., 2. Band, pag. 275)
mit Hilfe von Watte geprüft. In 1 ! war keine Spur nachweisbar.
Zum Eisennachweis wurden 100 cm? Wasser aus frisch ge-
öffneter, vollgefüllter Flasche mit einigen Tropfen Ammoniak und
frischem H,S-Wasser versetzt; es entstand deutliche Bräunung, welche
durch Essigsäurezusatz völlig verschwand, also nicht von Pb oder Cu
herrührte. Die Bestimmung erfolgte in Anbetracht der geringen Menge
durch kolorimetrische Titration: 500 g Wasser wurden in einem hohen
Becherglas auf Filtrierpapierunterlage mit 5 cm® H,S-Wasser und zwei
Tropfen Ammoniak versetzt. In einem zweiten gleichen Becherglas
wurde in 500 g destilliertes Wasser, ebenfalls mit 5 cm? H,S-Wasser
und 2 Tropfen Ammoniak versetzt, aus einer Bürette tropfenweise
eine Lösung von 0°0700 g Mohr’schem Salz in 100 cm? Wasser (mit
1 Tropfen Schwefelsäure und etwas H,S-Wasser versetzt; 1 cm®—=0'lmg
Fe) bis zum gleichen Farbton zugegeben.
Mangan wurde durch Verdampfen von 100 cm? Wasser mit
Salpetersäure, Abdampfen mit HNO,, Aufnehmen mit verdünnter
Salpetersäure und Kochen mit Bleisuperoxyd nachgewiesen. Die Be-
stimmung erfolgte kolorimetrisch durch Eindampfen von 500 4 Wasser
mit Salpetersäure, zweimaliges Abdampfen mit HNO,, Lösen in
Salpetersäure, Kochen mit Bleisuperoxyd und Filtrieren durch Asbest;
in ein gleiches Volumen verdünnter Salpetersäure wurde aus einer
Bürette tropfenweise eine Lösung von 0'0288 g KMnO, in 100 cm? II,O
(1 cem®=0'1 mg Mn) gegeben, bis der gleiche Farbton erreicht war.
Auf Salpetersäure wurde mit Brucin und Schwefelsäure
geprüft; ergab nur Spuren.
Auf salpetrige Säure wurde ebenfalls mit Brucin und
Schwefelsäure geprüft; da keine Reaktion eintrat, wurde nach Ab-
scheidung des Eisens mit Jodkalium und Stärke geprüft, und weil auch
hierbei keine Reaktion erhalten wurde, auch noch mit Metaphenylen-
diamin, wodurch die Abwesenheit von NO, sichergestellt wurde.
Die organischen Substanzen wurden nach Kubel durch
Oxydation in saurer Lösung bestimmt.
Fluor, Lithium, Cäsium, Rubidium und Thallium
wurden in 20 ! bestimmt, beziehungsweise nachgewiesen. Diese Menge
wurde auf zirka 300 cm? eingedampft (Sodazusatz war nicht notwendig,
weil alkalische Reaktion vorhanden war und bestehen blieb), dann
wurde, um alles Fluor in den Niederschlag zu bekommen, nach
Casares Chlorcaleium zugesetzt und gekocht, hierauf filtriert und
mit Wasser gewaschen. Das so erhaltene Filtrat diente zur Lithium-
bestimmung. Der alles Fluor enthaltende Niederschlag wurde mit
10*
76 C. F. Eichleiter und O. Hackl. [4]
verdünnter Essigsäure behandelt, zur Trockne abgedampft, mit Wasser
aufgenommen, filtriert und gewaschen. Der verbliebene Rückstand
wurde verascht, mit Kalium-Natrium-Karbonat verrieben und bei
niedriger Temperatur im Platintiegel aufgeschlossen, die Schmelze
mit Wasser ausgelaugt, filtriert, die Lösung auf dem Wasserbad mit
Ammonkarbonat erwärmt, filtriert, zur Trockne verdampft und mit
Wasser aufgenommen; hierauf etwas Natriumkarbonat und eine Lösung
von Zinkoxyd in Ammonchlorid und Ammoniak hinzugefügt und
verdampft bis zum Verschwinden des Ammoniakgeruchs, filtriert, das
Filtrat mit Chlorcaleium gekocht, filtriert, mit heißem Wasser ge-
waschen, den Niederschlag im Platintiegel geglüht, mit verdünnter
Essigsäure ausgezogen, den Rückstand mit Wasser gewaschen, geglüht
und das Caleiumfluorid gewogen und mikrochemisch identifiziert.
Zur Lithiumbestimmung wurde das entsprechende Filtrat samt
Waschwasser zur Trockne verdampft, mit Wasser aufgenommen, filtriert,
das Filtrat mit Salzsäure schwach angesäuert, stark konzentriert und
mit Platinchlorid und Alkohol gefälit, wobei durch mikrochemische
Verfolgung der Ausfällung der Alkohol- und Wasserzusatz geregelt
wurde; hierauf mit verdünntem Alkohol gewaschen und den Nieder-
schlag zur Prüfung auf Cäsium, Rubidium und Thallium verwendet,
siehe unten, Aus der das Lithium enthaltenden Lösung wurde der
Alkohol verjagt und dann das Platin durch Einleiten von Wasserstoff
auf dem Wasserbad ausgefällt; das Filtrat wurde mit Barytwasser
gekocht und eingeengt, nach dem Filtrieren die Lösung mit Ammoniak
und Ammonkarbonat erwärmt, hierauf wieder filtriert, Filtrat und
Waschwasser in einer Platinschale verdampft und die Ammonsalze
abgeraucht. Der Rückstand wurde wiederholt mit Ather-Alkohol aus-
gezogen, die Lösung im Wasserbad verdampft, mit Wasser aufgenommen,
mit Ammoniak und Ammonkarbonat erwärmt, die erhaltene minimale
Fällung abfiltriert, das Filtrat eingedampft, mit Salzsäure abgedampft
und schwach erhitzt. Der erhaltene Rückstand wurde nochmals mit
Aether-Alkohol extrahiert, filtriert, die Lösung verdampft, in etwas
Wasser gelöst; mit wenig Schwefelsäure versetzt, eingedampft, der
Schwefelsäureüberschuß abgeraucht, schwach geglüht und das Li als
Li,SO, gewogen und mikrochemisch identifiziert.
Zur Prüfung auf Cs, Rb, TI wurde der oben erhaltene Kalium-
platinchlorid-Niederschlag wiederholt mit kleinen Mengen Wasser
ausgekocht, der Rückstand schwach geglüht, mit Wasser aufgenommen
und das Platin abfiltriert; das eingeengte Filtrat ergab bei mikro-
chemischer Prüfung deutliche Spuren von Thallium, Cäsium und
Rubidium.
Arsen, Bor, Brom, Jod; Baryum, Strontium, Titan,
Uran), Beryllium?!) und seltene Erden!). Zur Bestimmung,
beziehungsweise Nachweisung dieser Bestandteile wurden 50 Z unter
Sodazusatz auf zirka 1/, ! eingedampft, worauf der Niederschlag filtriert
und gewaschen wurde. In der Lösung (a) war As, B, Br und J zu
bestimmen, beziehungsweise nachzuweisen, im Rückstand (b) As, Ba,
... 1) Die Prüfung auf diese Bestandteile wurde deshalb vorgenommen, weil die
beiden früheren Analysen von Stränsky Be und seltene Erden angegeben haben.
[5] Chemische Untersuchung der Schwefelquelle in Luhatschowitz. 77
Sr usw. Lösung a wurde auf 1 / aufgefüllt und in zwei gleiche Teile,
entsprechend je 25 ! Wasser, geteilt; in der einen Hälfte (k) war As
und B zu bestimmen, in der anderen (!) Br und J.
Lösung %k wurde konzentriert, mit HC1 angesäuert und daranf
in der Wärme gereinigter H,S eingeleitet, um As usw. zu fällen, es
entstand jedoch keine Spur eines Niederschlages. Die hieran anzu-
schließende Bestimmung der Borsäure mußte unterbleiben, da sowohl
in der Lösung ! (siehe unten) als auch bei direkter Prüfung auf B
durch Eindampfen von 2! Mineralwasser, Auskochen mit Wasser, Fil-
trieren, Konzentrieren der Lösung, Ansäuern mit Salzsäure und
Prüfung mit Kurkumapapier nur eine Spur Borsäure gefunden wurde.
Lösung ! wurde unter Sodazusatz zur Trockne verdampft, der
Rückstand zerrieben, mit heißem Alkohol ausgezogen und der Auszug
nach Zusatz eines Tropfens Natronlauge zur Trockne verdampft, mit
Wasser aufgenommen, filtriert und gewaschen, das Filtrat auf 100 cm3
aufgefüllt und halbiert, um in der einen Hälfte (entsprechend 12:5 I
Wasser) Jod mit Palladiumchlorür zu fällen, in der anderen Br-J
mit Chlorwasser zu titrieren. Es wurde deshalb die eine Hälfte mit
Salzsäure schwach angesäuert, mit Palladiumchlorür versetzt und in der
Wärme 24 Stunden stehen gelassen. Da keine Fällung erhalten wurde,
so wurden von der zweiten Hälfte zu 50 cm? 10 cm? (entsprechend
25 I) zur qualitativen Prüfung verwendet, stark konzentriert, mit
Schwefelsäure angesäuert, mit Schwefelkohlenstoff und Kaliumnitrit
auf Jod, und darauf durch Zusatz von Chlorwasser auf Brom geprüft;
dies ergab Jod und Brom, beide in sehr geringen Spuren. Der Rest
der zweiten Hälfte, 40 cm? (entsprechend 10 /) wurde so stark als
möglich konzentriert, mit Salzsäure angesäuert und mit Kurkumapapier
auf Bor geprüft, wovon eine Spur gefunden wurde.. Durch Zusatz von
Stärke und Kaliumchloratlösung wurde mikrochemisch die Brom- und
Jod-Prüfung kontrolliert und es ergaben sich wieder Spuren dieser
beiden Bestandteile.
Rückstand 5b wurde zur Untersuchung auf As, Ba, Sr usw. in
Salzsäure gelöst, unter Zusatz einiger Tropfen Schwefelsäure zur
Trockne verdampft, mit Salzsäure und Wasser aufgenommen, filtriert
und gewaschen. Rückstand ce auf Ba und Sr, Filtrat d auf As usw.
zu prüfen.
Rückstand ce wurde verascht und geglüht, dann mit Schwefel-
säure und Flußsäure die Kieselsäure entfernt und die Schwefelsäure
abgeraucht, hierauf mit Kaliumpyrosulfat aufgeschlossen, die Schmelze
mit kaltem Wasser ausgelaugt und filtiert; das Filtrat gab mit Schwefel-
säure und Wasserstoffsuperoxyd geprüft eine sehr geringe Spur Titan
zu erkennen. Der verbliebene Rückstand wurde mit Soda geschmolzen,
mit Wasser ausgelaugt und ausgewaschen, der Rückstand in wenig
Salzsäure gelöst und Ba durch einige Tropfen verdünnter Schwefel-
säure gefällt. Nach dem Absetzen wurde filtriert und ausgewaschen;
Niederschlag M, Filtrat N. Letzteres wurde mit Alkohol versetzt und
längere Zeit stehen gelassen, hierauf filtriert, der Niederschlag verascht,
mit Soda aufgeschlossen, mit Wasser ausgelaugt und der Rückstand in
Salpetersäure gelöst (Lösung 2). Niederschlag M in Anbetracht der
geringen Menge im verschlossenen Trichter mit Ammonkarbonat über-
78 C. F. Eichleiter und O. Hackl. [6]
gossen und 12 Stunden stehen gelassen, nach dem Abfließen der
Flüssigkeit mit verdünnter Salpetersäure behandelt und ausgewaschen;
Lösung y, Niederschlag nach dem Veraschen als BaSO, gewogen.
Filtrat d wurde bei 70° mit gereinigtem Schwefelwasserstoff behandelt,
dann filtriert und gewaschen; Niederschlag e, Filtrat f. e wurde zur
Prüfung auf As auf dem Filter mit einem warmen Gemisch von Am-
moniak und Wasserstoffsuperoxyd behandelt, das Filtrat verdampft,
mit Salpetersäure abgedampft, in verdünnter Salpetersäure gelöst,
ammoniakaiisch gemacht und mit Magnesiamixtur versetzt 24 Stunden
lang stehen gelassen ; ergab keine Arsensäure. Filtrat / wurde durch
Erwärmen vom Schwefelwasserstoff befreit, nach dem Filtrieren mit
Wasserstoffsuperoxyd oxydiert, dessen Ueberschuß durch Kochen zer-
stört und hierauf die Fällung von Fe, Al usw. durch Ammoniak vor-
genommen. Nach dem Filtrieren und oberflächlichem Auswaschen
wurde der Niederschlag in Salzsäure gelöst, die Ammoniakfällung
wiederholt, filtriert und ausgewaschen; Filtrat vereinigt mit dem Filtrat
von der ersten Fällung — Lösung g, Niederschlag .
g mit Salzsäure angesäuert, konzentriert, ammoniakalisch gemacht,
mit Schwefelammonium gefällt und nach längerem Stehen filtriert.
Der Niederschlag war in verdünnter Salzsäure vollständig löslich, also
kein Kobalt und Nickel vorhanden. Das Filtrat wurde konzentriert,
mit Salzsäure versetzt, weiter konzentriert, filtriert und das Filtrat
in der Wärme mit Ammoniak und Ammonkarbonat versetzt, der
Niederschlag dekantiert und ausgewaschen und in verdünnter Salpeter-
säure gelöst, Lösung y und z (siehe oben) zugegeben, verdampft, im
Luftbad getrocknet, mit Aether-Alkohol behandelt, der Rückstand in
Wasser gelöst, Strontium mit Schwefelsäure und Alkohol gefällt und
als Sr SO, gewogen. Niederschlag h war auf De, Ur und seltene Erden
zu prüfen. Er wurde mit Ammonkarbonat und etwas Schwefelammon
behandelt und filtriert; Filtrat «, Niederschlag ß. «, enthaltend eventuell
vorhandenes Be!) und Ur, wurde eingedampft und mit Salzsäure
zersetzt, abgedampft, mit verdünnter Salzsäure aufgenommen, filtriert,
Filtrat mit Natriumhydroxyd im Ueberschuß versetzt und filtriert.
Der erhaltene Niederschlag war auf Ur zu prüfen. Das Filtrat
wurde mit Salzsäure angesäuert, um Be mit Ammoniak zu fällen,
es trat jedoch keine Fällung ein. Der auf Ur zu prüfende Nieder-
schlag, welcher anscheinend Eisen enthielt, wurde deshalb nochmals
mit Ammonkarbonat und Schwefelammon extrahiert, filtriert, das
Filtrat eingedampft, mit Salzsäure zersetzt, abgedampft, mit ver-
dünnter Salzsäure aufgenommen, filtriert und mit Natriumhydroxyd
versetzt. Der entstandene geringe Niederschlag wurde nach dem
Filtrieren und Waschen in Salzsäure gelöst; eine Probe davon gab
mit gelbem Blutlaugensalz blaue Fällung, eine andere nach dem
Abdampfen der Säure und Aufnehmen mit wenig Wasser keine Fällung
mit Wasserstoffsuperoxyd; also ist etwas Eisen durchgegangen und die
Trennung durch Ammonkarbonat und Schwefelammon nicht vollständig
und Uran nicht vorhanden. Niederschlag ß wurde zwecks Prüfung auf
‘) Berylliumhydroxyd ist in Ammonkarbonat löslich und wird daraus durch
Schwefelammon nicht gefällt.
[7] Chemische Untersuchung der Schwefelquelle in Luhatschowitz. 19
seltene Erden in Salzsäure gelöst, abgedampft, mit möglichst wenig
Salzsäure und Wasser aufgenommen und die Lösung mit Oxalsäure
und Ammonoxalat versetzt; es wurde keine Fällung von seltenen Erden
erhalten.
Da im klaren Wasser kein Arsen gefunden werden konnte, so
wurde noch der Bodensatz von acht großen Mineralwasserflaschen
darauf geprüft; und zwar durch Filtrieren, Waschen, Oxydation mit
Salpetersäure, Verdampfen, Aufnehmen mit verdünnter Salpetersäure,
Einleiten von Schwefelwasserstoff in der Wärme, Filtrieren, Oxydation
der Fällung auf dem Filter mit warmem ammoniakalischen Wasserstoff-
superoxyd, Verdampfen der Lösung, nochmalige Oxydation und Ver-
dampfung mit Salpetersäure, Aufnehmen mit verdünnter Salpetersäure
und Versetzen mit Ammoniak und Magnesiamixtur. Es wurde dadurch
auch nach 24 Stunden keine Arsensäurefällung erhalten.
Quantitative Resultate.
Gesamt-Kohlensäure:
Wasser CO, co,
30487 9 . . . 0'1238 g, entsprechend 04061 g pro 1 kg Wasser.
28752 9g . . . 0'1157 g, entsprechend 04024 4 pro 1 kg Wasser.
30021 y . . „ 0:1215 g, entsprechend 04047 g pro 1 kg Wasser.
| Durchsehnittswert:-
0:4044 g CO, pro 1 kg!) Wasser.
0:4046 g CO, pro 1 1!) Wasser.
Gesamt-Schwefelwasserstoff:
Wasser BaSO, | BaS0, H,S
28727 9... 0:0019 g; 1 %kg Wasser... 0'006614 9... . 0:0009654 g
30160 9 ..... 0:0020 g; 1 kg Wasser... 0:006631 9... . 0:0009679 g
Durchschnittswert:
0:0009666 g H,S pro 1 kg.
0:0009671 g H,S5 pro 111.
Thiosulfat: Spur.
Schwefelsäure:
300:05 g Wasser... . 001619 BaSO,; 1 kg... . 0:05366 9 BaS0O,.
30160 g Wasser... .. 0:0164g BaSO,; 1 kg... 005438 g BaS(,.
Durchnittswert:
005402 g BaSO, . .... 0:01852 g SO; . . . 0:02222 g SO, pro 1 kg.
0:01853 9 SO, . . . 0:02224 g SO, pro LI.
Chlor: 2 kg Wasser... 00730 9. AgCl?)... „001804 g Cl.
0:00902 g Cl pro 1 kg; 0:00903 g Cl pro 11.
1!) Bestimmung des spezifischen Gewichtes siehe weiter unten.
?) Br und J sind nur in Spuren vorhanden.
80 C. F. Eichleiter und O. Hackl. [8]
Kieselsäure: 5 kg Wasser... .. 00440 g SiO,.
1%g .. . 0.008877 8105277 0:01145%9 178:0;:
12....20:00880417 87057... 0.011936 77715220,
Eisen: 5 kg Wasser . .. 0'0040 g F&0;.
1 kg... „000089 26&,0,% >. 0.000727 #207, 000056 g72R:
Aluminium: 5 kg Wasser... 0.0020 g Al,O;.
1 kg Wasser 0:0004 g AlO; . . . 00002121 g Al.
Calcium: 5 kg Wasser . ... 0:6647 g CaO.
1 kg Wasser... 0:13294 9 CaO ..... 0'09504 g Ca.
12 Wasser... 01530 9 CaO'. .. . 0:09509 9.02:
Magnesium: 5 kg Wasser... .. 0'5233 9 Mg,PaO..
1 kg Wasser ... 0:10466 9 Mg, P,07 ...0:037935 g MgO...... 0:02290 g Mg.
1 ! Wasser ... 0:03795 9 MgO ..... 0'02291 g Mg.
Alkalien:
5 kg Wasser. . . 04375 g KÜl --- NaCl + LiCl; 02710 9 K,PtCl,.
1 kg Wasser... . 0:0875 g KCI + NaCl + LiCl; 0:0542 9 K,PtCl, =
— 001665 g KON . . 001052 9 0. . . 0:008736 9 X pres
001053 9 K,0 . . . 0:008740 g K pro 11.
0:07085 g NaCl —+ LiCl
— 0:00008 g Li0l})
0:07077 g Na0l... 0.037569 NO... 002788 g Na pro 1 kg.
0:03758 9 Na0. .. 002790 dg Na pro 1.
Ammonium: 2 kg Wasser... . 0:0095 g Pt
Gegenversuch . .. — 0:0035 g Pt
0:0000 g Pt
1 kg... 0'0050 g Pt... 0 0005255;9 NZ... . 000055667 DEE
1 2 ee 0:0005257 9 NH; .. . 0'0005568 g NH,.
Phosphorsäure: In 5 kg Wasser nur unbestimmbare Spur
gefunden.
Arsen: In 50 ! nicht nachweisbar.
Blei: In 1 ! nicht nachweisbar.
Eisen, kolorimetrisch bestimmt: Für 500 g Wasser 2:7 cm?
der Lösung von Mohr’schem Salz (l cm®...O'1 mg Fe) verbraucht;
500 g Wasser enthalten also 0:27 mg Fe.
1 kg Wasser... .. 0:00054 9 Fe... . 0:00069 g FeO.
12 Wasser... .. 000054 g Fe... 0.000695 9 Fe.
!) Die Lithium Bestimmung siehe weiter unten.
[9] Chemische Untersuchung der Schwefelquelle in Luhatschowitz. 81
Mangan, kolorimetrisch bestimmt: Für 500 9 Wasser 0:7 cm?
KMnO,-Lösung (l cm? ... 0'1 mg Mn) verbraucht; 500 g Wasser
enthalten also 0'07 mg Mn.
1 kg... 000014 g’ Mn . .. 0:00018 g MnO.
Salpetersäure: Spur.
Salpetrige Säure: Nicht vorhanden.
Organische Substanz: 100 y isn nach Kubel in
saurer Lösung oxydiert durch Titration mit Oxalsäure-Lösung und
7
R 3 ’ 3
75 KMnO,-Lösung; 10°0 cm O6 Oxalsäure-Lösung . .. 10°7 cm
e Lösung; Gesamt-Permanganatverbrauch 113 cm?, Verbrauch an
Rn 10°0 cm?. Zur Oxydation wurden also 11:3—10'7 = 0'6 cm?
ca. m KMnO,-Lösung verbraucht.
0:00316
n
3 Au 2 .
l cm? ca. 100 K MnO,-Lösung . .. . 107 9 KMnO,
0:0008 0'00316
1077 9.0; für 1 kg Wasser‘... 10.06 ——— 107 9 KMnO,
10.06 i nn 9 © verbraucht —= 0'00177 g KMnO, ... 0000449 g O.
Unter der Annahme von Wood und Kubel, daß 1 Teil KMnO,
5 Teilen organischer Substanz entspricht, ergibt dies 0:00885 y
organische Substaz pro 1 kg.
Eluor: 20.2 ,.. . 001819 Caf,. ...... 0008815% F.
11... 00004407 gF, 1%kg ». . 0'0004405 g F..
Lithium: 201... 0.0021 g Li,SO,.
12... 0:00002866 g Li,O ... . 000001340 g Li.
1 kg... . 000002865 g Li,O .. . . 000001340 g Li.
Cäsium, Rubidium und Thallium: Spuren.
Bor, Brom, Jod, Titan: Spuren.
Baryum: 501... 00401 g Ba SO,.
1,1%g... 0000527 y BaO .. . 0:000472 g Ba.
Strontium: 50 2... 00010 g SrSQ,.
11, 1%g... 000001128 g SrO... . 000000954 y Sr.
Uran, Beryllium und seltene Erden: In 50 ! nicht nach-
weisbar.
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Bd., 1. ft. (Eichleiter u. Hackl.) 11
82 F. Eichleiter und O. Hackl. 110]
Spezifisches Gewicht:
Pyknometer leer . Wr 22.1691 g
Pyknometer mit dest. Wasser von
172° C gefüllt 59.4575 „
Pyknometer mit Mineralwasser von
172° C gefüllt 59-4756 „
37-3065
372884
Temperatur.
Abdampfrückstand bei 130° C in der Platinschale getrocknet:
04028 g pro 1 kg.
— 10005 bei 172% C, bezogen auf Wasser gleicher
Resultate, berechnet und zusammengestellt nach dem Vorgang
des Deutschen Bäderbuches !).
Analytiker: Eichleiter und Hackl (Chem, Lab. d. k. k. geol.
Reichsanstalt) 1913/14.
Spezifisches Gewicht: 1'0005 (bei 172° C, bezogen auf Wasser
von 172° C).
Temperatur: 9-20 C (bei 17'8° C Lufttemperatur am 11. Juni 1913
um 11 Uhr Vormittag).
Ergiebigkeit: 492°5 hl in 24 Stunden ?).
In 1 kg Wasser sind enthalten:
Kationen Gramm Mill-Mol en Acuuivalent
Ammonium-Ion (NH,') 0:0005566 003080 0.053080 0:38
Lithium-Ion (Li)... . 0:0000134 0:001906 0:001906 0:02
Kalium-Ion (X) . ... 0:008736 02231 02231 2:74
Natrium-Ion (Na‘) ... 0:02788 1'2095 12095 14'87
Calcium-Ion (Ca)... 009504 2368 4'736 58-21
Strontium-Ion (Sr *') . 0:00000954 0000109 0000218 0.003
Baryum-Ion (Da). . 0:000472 0:003434 0006868 0:08
Magnesium-Ion (Mg) 0:02290 09401 18802 2311
Ferro-Ion (Fe'')... .. 0:000540 0:009663 0019326 0:24
Mangano-Ion (Mn *') . 0:000140 0:002545 0005090 0:06
Aluminium-Ion (Al'::) 0:0002121 0007826 0.023478 0:29
8:136 10000
!) Wir bemerken hierzu, daß wir mit den theoretischen Anschauungen, auf
welchen diese Darstellungsweise beruht, nicht einverstanden sind; doch haben wir
sie aus praktischen Gründen gewählt, besonders auch zwecks leichteren Ver-
gleiches mit anderen Mineralwasseranalysen, welche ja nun — was Deutschland
und Oesterreich betrifft — sämtlich in gleicher Weise im Deutschen und im
Oesterreichischen Bäderbuch dargestellt sind. Wer sich für die theoretische Kon-
troverse interessiert, sei auf folgende Arbeiten von Hackl verwiesen: „Ueber
die Anwendung der Ionentheorie in der analytischen Chemie“, Jahrbuch d. k. k.
geol. R.-A. 1912, pag. 613--648 und „Analysenberechnung und chemische Beur-
teilung von Mineralwässern“, Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1915, pag. 123—129.
Zur leichteren Orientierung über den chemischen Charakter des Wassers wurde
die Tabelle der relativen Aequivalentprozente hinzugefügt.
?) Berechnet aus der durchschnittlichen Ergiebigkeit 0:57 2/1 Sek.
[11] Chemische Untersuchung der Schwefelquelle in Luhatschowitz. 83
In 1 kg Wasser sind enthalten:
Relative
Anionen Gramm Mill-Mol Felle er So ooleerni
Hydrosulfid-Ion (H8°) 0:0005080 0'015 0:015 0:18
Fluor-Ion (F') .... 0:0004405 0:02312 0:02313 028
Chlor-Ion (01) .. . . 0:00902 02544 02544 3:13
Sulfat-Ion (SO,‘“). . . 002222 02313 04626 969
Hydrokarbonat - Ion
(HCO;')..... . 0:4503 7381 7381 90:72
0.6390 12:70 8:136 10000
Kieselsäure (meta
2,80), 2 0:01145 0:1457
0.6504 1285
Organische Substanz 000885
0:6593
Freier Schwefelwasser-
stoff (4,8) . . . . 0'0004430 0:013
Freies Kohlendioxyd
OR TED 0:07964 1'810
0:7394 14:67
Ferner Spuren von Nitrat-, Brom-, Jod-, Thiosulfat-, Hydro-
phosphat-Ionen, Borsäure, Titansäure und mikrochemisch festgestellte
Spuren von Cäsium-, Rubidium- und Thallium-Ionen.
Die Zusammensetzung dieses Wassers entspricht einer Lösung,
welche in 1 kg enthält:
Gramm
Ammoniumchlorid (NH, Ol) . 0:001649
Lithiumchlorid (LiC)).. 0:00008097
Kaliumchlorid (KCl) 0:01654
Kaliumsulfat (K,SO,)) . . 0:0001247
Natriumhydrosulfid (NaHs) 0:0008621
Natriumfluorid (Na#') 0:0009735
Natriumsulfat (Na,S0,) . 003111
Natriumhydrokarbonat (NaH00,). 0:06163
Caleiumhydrokarbonat [Ca(HCO;),] . 03840
Strontiumhydrokarbonat [Sr(HCO,),] . 0:0000228
Baryumhydrokarbonat [ba(H00,),] . . 00008911
Magnesiumhydrokarbonat [Mg(HCO;),| . 0'1376
Ferrohydrokarbonat [Fe(HCO,),] . 0001719
Manganohydrokarbonat [Wn(HCO,),] . 00004505
Aluminiumsulfat [Al,(SO,); ] . 0.001340
0:6390
Kieselsäure (meta) (H,8i0,) 0:01145
2 06504
Organische Substanz . . 0:00885
0:6593
Lr*®
34 C. F. Eichleiter und O. Hackl. [12]
h Gramm
Freier Schwefelwasserstoff (4,8). . . 0'0004430 1)
Freies Kohlendioxyd (CO,). . . . . 007964)
07394
Die Summe der gelösten festen Bestandteile beträgt ca. 0'66 g,
wobei Hydrokarbonat- und Calcium-Ionen überwiegen; der Gehalt an
freiem Schwefelwasserstoff beträgt 0'44 mg. Dieses Wasser ist dem-
nach als schwach erdalkalische Schwefelwasserstoff-
quelle zu bezeichnen.
Im folgenden geben wir noch die vor unserer Analyse durch-
geführten Untersuchungen dieser Mineralquelle wieder); sie stammen
sämtlich von Stränsky (Brünn).
I. Analyse, 1911.
1 ! enthält:
Gramm
H5S-.Irel. oe De. ee = SR NIE
Cl gebunden = =... ee a) L) |Se)
Schwefelsäure sebiinnen u RUEN 2 7002ER
Kohlensäure gebunden - ..:.. 1. 2: wan01027
0, DARBBsweRıE 1.51 Male, OO
Gele Hal mals, BUND EIER
Macesiun: 41a ZH, MEERE DU
Eisen + Aluminium . . . . „2 2.2..2.0:0032
Alkalien (Natron). . . . 0:0138
Abdampfrückstand (bei 1100 At rokHei .. 0'3620
Ammoniak, Salpetersäure und salpetrige Säure nicht vorhanden,
Spuren von organischer Substanz.
Auffallend ist hier der kolossale Gehalt an Schwefelwasserstoff;
dies wäre also die Analyse einer außergewöhnlich starken Schwefel-
wasserstoffquelle, Ferner ist auffallend die quantitative Angabe von
Eisen — Aluminium, welche, falls sie nicht getrennt wurden, doch nur
als Oxyde zusammen gewogen und angegeben werden konnten, nicht
aber in elementarer Form, aus welcher Wägung aber auch keine Be-
rechnung der Summe beider Elemente möglich ist; und schließlich
die quantitative Angabe „Alkalien (Natron)“, da doch nur die Summe
der Alkalichloride gewogen wird und daraus, wenn keine Trennung
durchgeführt wurde — die ja anzuführen gewesen wäre —, eine Be-
rechnung auf Oxyde ausgeschlossen ist.
1) 0:30 cm? bei 92° C und 760 mm.
2) 41:65 cm? bei 9°2° C und 760 mm.
») Nach der Uebersetzung der Badedirektion.
Chemische Untersuchung der Schewefelquelle in Luhatschowitz. 35
ll. Analyse, März 1913.
1 ! enthält:
Gramm
Freies 00, 0:12425
35% ! 0:00955
O, N und andere Case SEE ra DDUREN
Na,C0O; . 0'00206
NaCl 0:01304
Na, 5, 03 0:02493
Na, SiO; nr 707:,,0:00538
Borsäure 2 Per Spur
Na; AsO, ik 0:03383
NaNO,; 0:00039
K,PO, 0:00992
Li, 00; . 0:00220
CaCO; 0:15755
- CaSO, 0:00218
DER 2. Spur
MgC0, . 0 07620
MgS0O, 0:03379
Fe,(COs3)3 0:04654
Al,(SO,)s 000201
MnCO; ar ass, 000160
Beryliiumkarbonat 00007
Seltene Erden . . . . 0:00030
Summe . . 0'41262
Abdampfrückstand (bei 1800
geträcknel),........ -- 0'41268
deutsche
Härte . 10:74 Härtegrade
Radio-Aktivität . . . . 04256 | pinhaien
. Spezifisches Gewicht . . 10005
Me).
Na
or!
Ce;.
Mg.
Fe.
Mn
Dieselbe Analyse, zum Vergleich umgerechnet !).
1 ! enthält:
Gramm
0:00548
002666
. 0000418
. . 006380
0.028834
0:01783
0°0007655
1) Mit Hilfe eines Rechenschiebers; die vierte Ziffernstelle ist deshalb nicht
ganz genau, zum Vergleich jedoch genügend,
86
C. F. Eichleiter und ©. Hackl.
4 . . .
Seltene Erden .
CO, gebunden .
H,SiO,
Gramm
0:0003181
0:0000922
0:00028
0:00790
0:01767
0°03019
0:02276
0 00449
0:00030
01721
000345
114]
Auffallend ist hier der hohe Gehalt an Thiosulfat, Eisen und
besonders Arsen; es wäre dies die Analyse einer starken Arsen-Eisen-
Schwefelquelle. Sehr merkwürdig berührt den Anorganiker die Angabe
von Ferrikarbonat (noch dazu in einer reduzierenden Schwefelquelle!),
die übrigens in Mineralwasser- Analvsen öfter vorkommt als man
glauben würde und überraschende Aufklärungen über die Kenntnisse
mancher Mineralquellen - Analytiker gibt.
chemischen Monstrosität wurde die Formel F&(CO;); benützt.
CO, frei
H,S frei
cl
br'
Te
SQ; u
SO; u
HPO,".
HPO,
III. Analyse), Mai 1913.
Spezifisches Gewicht
Radio-Aktivität
1'0006
150 Mache-Einheiten.
1 ! enthält:
Abdampfrückstand er 180° C ge-
trocknet) . ERTER
OÖ, N und andere ( Gase
N, 0;' u Salpetersäure R
“ Salpetrige Säure .
H CN Blausäure
H0O;
TENEXONG:
HOrO,"
HAs0,“
‘) Die Millimol- und Milligrammäquivalent-Tabelle wurde weggelassen.
ee ei BE
nl nn nn —_——
Gramm
04360
0:055634
0:00120
Spuren
0:0320000
Spuren
0:0246680
Spuren
0:0006400
nicht vorhanden
0:1472500
0:006806
0:011120
Zur Umrechnung dieser
[15] Chemische Untersuchung der Schwefelquelle in Luhatschowitz. 87
Gramm
la er, ur ONZIDON
in ehhter ar. U OLORION
nn: VOSOASHN
en aka, „I DDALBEN
N a. —
Ba ea ee... 00032184
a an. .4.,0°1086400
a en. Spur
a. u4.4.,0°0045792
ae 3... 0025182
ee Nee an 7 0-0OOLOHUO
Zei 0, 0000TH9O
De En ae a 7 5000003150
Zn, Sn, Cu, Pb, Hg . —
DE a u a ka a 2 00013377
EC a Ra ins. NOLZAOUO
Seltene; Brdems au... +... 2... 00011000
Verbrauch an Sauerstoff zur Oxy-
dation der org. Substanz. . . 000912
Deutsche Härtegrade. . . . . 18440
Es wäre dies die Analyse einer Arsen-Schwefelquelle. Die beiden
Salztabellen — eine für das Wasser, die andere für den Abdampf-
rückstand — seien hier gar nicht wiedergegeben, nur einige „Glanz-
punkte* daraus werden weiter unten angeführt.
Merkwürdig ist in dieser Ionen-Grammtabelle die Angabe von
„HAPO,;'“ neben HPO,"; das soll wohl phosphorige Säure bedeuten,
stimmt aber mit den Valenz-Verhältnissen derselben (H,PO,) ebenso-
wenig wie mit meta-Phosphorsäure (HPO,), und ist um so sonderbarer
als für beide zusammen eine einzige Zahl gegeben wird; und dann
auch noch Blausäure, Chromsäure, Quecksilber — allerdings ohne
Zahlenangaben — und wieder Beryllium und seltene Erden angeführt
werden. Geradezu entsetzlich sind die Ionen-Formeln !) N,0,‘ für
Salpetersäure und N,0,‘ für salpetrige Säure, anstatt entweder N,O,
und N,0, für die Anhydride oder NO,‘ und NO,‘ für die Ionen. Und
wie hier zuviel an Ionen-Zeichen getan wurde, so beim Hydrokarbonat-
Rest HCO, zu wenig, nämlich gar keines. Thiosulfat wird auf ein-
mal ganz abwechselnd weder als Ion noch auch als Anhydrid oder
Säure-Rest, sondern als freie Säure angegeben und Chromsäure als
HCrO,', was zu einer Chromsäure von der Formel H,;CrO, führt.
Eisen ist als dreiwertig angegeben, während die Zahl der mg-Aequi-
valente aus den Milli-Mol durch Multiplikation mit 2 gewonnen wurde;
Beryllium ist interessanterweise auch als dreiwertig angeführt und —
hier wenigstens Konsequenz in der Unkenntnis verratend — die ent-
sprechende mg-Aequivalent-Zahl aus den Milli-Mol durch Multi-
plizieren mit 3 berechnet worden.
!) Daß mit den Strichen Ionen gemeint sind und nicht bloß Wertigkeits-
Zeichen, geht aus der Ueberschrift dieser Tabelle hervor, welche ausdrücklich
Ionen heißt („Jontü“).
88 C. F. Eichleiter und O. Hackl. [16]
Für Titansäure wird die Formel HTiO, gegeben anstatt H, TiO,
oder ein in diesem Fall sehr gewagtes Ionen-Zeichen beizufügen. Gar
nicht erfreulich sind auch die vielen angehängten Nullen, welche eine
fabelhafte Genauigkeit vortäuschen, wie denn auch fast stets 5 Ziffern,
in den Millimol- und mg-Aequivalent-Tabellen sogar 7, berechnet wurden.
Die beiden Salz-Tabellen enthalten ebenfalls prächtige chemische
Ausstellungsobjekte, besonders wenn man bedenkt, daß es sich um
ein Mineralwasser, resp. dessen Abdampfrückstand handelt. Da gibt
es ausdrücklich Magnesiumsulfid MgyS, ein Magnesiumarsenat mit der
Formel Mg,(AsO,); anstatt — wenn schon dem schon — Mg;(AsO,),
wieder das ominöse Ferrikarbonat Fe,(CO;);, ebenso Berylliumkarbonat
mit der Formel Bbe,(CO,),. Für Caleciumhydrophosphat ist die Formel
Ca(H,PO,), gegeben und überdies findet sich auch noch ein schönes
neues Caleiumphosphat Ca; PO, vor, also ein sechswertiger Phosphat-Rest.
Die vorausgegangene Tabelle unserer Analysen-Resultate bezieht
sich zwar auf 1 kg Wasser, kann aber trotzdem ohne weiteres mit
denjenigen von Stränsky, welche sich sämtlich auf 1 ! beziehen, ver-
glichen werden, weil bei dem verhältnismäßig geringen spezifischen
Gewicht die Zahlen für den Gehalt pro 1! erst in der vierten Ziftern-
stelle nur unerheblich von denjenigen, welche sich auf 1 kg beziehen
abweichen, was ja auch aus den Angaben über unsere quantitativen
Resultate direkt ersichtlich ist.
Zwischen Analyse I und II wurde die Neufassung der Quelle
vorgenommen, was manche Differenz zwischen diesen beiden Analysen
erklären würde. Nicht vertrauenerweckend ist aber der Umstand,
daß bei Analyse II wie auch III der Abdampfrückstand bei 180° C
getrocknet merkwürdig genau mit der Summe der Einzelposten der
Salztabelle übereinstimmt; nämlich bei II 041268 g Abdampfrück-
stand, Summe der Salztabelle 0-41262 9 pro 1 und bei III 0:43600 g
Abdampfrückstand, Summe der Salztabelle für den Abdampfrückstand
0:45524 9 pro 11; was um so interessanter ist, als sich in der Salz-
tabelle, wie oben gezeigt wurde, manche sehr sonderbare Verbindungen
vorfinden. Dieser ungünstige Eindruck wird dadurch verstärkt, daß
die ganze Analyse III, wie aus den diesbezüglichen Original-Angaben
ersichtlich war, in 12 Tagen fertig war (15. V.—27. V. 1913). Und
vieles läßt sich deshalb überhaupt nicht beurteilen, weil die Analysen-
Verfahren nicht angegeben wurden.
Vergleich der Resultate.
Ammonium ist nach allen drei Analysen nicht vorhanden, wir
haben es jedoch qualitativ und quantitativ unzweifelhaft festgestellt.
Lithium wird von I nicht angeführt, II gibt O4 mg an, II 3 mg;
wir konnten nur 0'01 mg finden.
Ueber Kalium schweigt I, II gibt 55 mg an, III 4°8 mg; wir
fanden 87 mg. |
Natrium ist in I als „Alkalien (Natron)“ mit 14 mg angegeben,
in II zu 26°7 mg und III zu 304 mg, im wesentlichen übereinstimmend
mit unseren 27:9 mg.
[17] Chemische Untersuchung der Schwefelquelle in Luthatschowitz. 89
Calcium ist nach I in der Menge von 132 mg, II 64 mg und
IIl 1086 mg vorhanden; unser Resultat ist 95 mg.
Baryum wurde bei I und II anscheinend nicht bestimmt, III gibt
eine Spur davon an; wir fanden 047 mg.
Strontium wird bei I nicht erwähnt, II führt eine Spur an,
III 4°6 mg; unser Resultat ist 0'01 mg.
Von Magnesium sind nach I 30:1 mg, II 28:8 mg, III 12:5 my
vorhanden; unsere Zahl, 22'9 mg, liegt auch hier wie bei Calcium
dazwischen.
Eisen ist bei I nur als Fe-- Al angegeben, zu 3'2 mg, bei II
mit 17'8 mg Fe, III 1'05 mg; unser kolorimetrisch erhaltenes Resultat,
das mit dem gewichtsanalytischen sehr gut übereinstimmt, ist 0'54 mg.
Il wäre die Analyse einer Eisenquelle.
Aluminium ist in Inur als Fe-+-Al mit 32 mg angegeben,
in II mit 03 mg Al und in III mit 0-16 mg; unser Resultat von 0'2 mg
ist damit gut übereinstimmend.
Mangan ist in I nicht angeführt, II gibt 0:77 mg an, III 0:32 mg;
unsere Zahl nach kolorimetrischer Bestimmung ist 0'14 ıng.
Schwefelwasserstoff ist in I zu 100°8 mg und als frei an-
gegeben, in II mit 9:55 mg, in III mit 15°7 mg HS’ und 1'2 mg freien
H,S; unsere Bestimmungen ergaben in sehr guter Uebereinstimmung
untereinander 0:97 mg Gesamt-A,S und durch Berechnung nach den
Formeln des Deutschen Bäderbuches 0'44 mg H,S frei und 0'51 ng
HS gebunden.
Fluor fehlt in allen drei früheren Analysen und dürfte — falls
überhaupt darauf geprüft wurde — wenn das Wasser nicht mit Chlor-
caleium gekocht wurde, was ja wahrscheinlich ist, in Lösung ver-
blieben und dadurch übersehen worden sein.
Von Chlor waren nach I 15°8 mg, nach II 7’9 mg und nach
IIl 32:0 mg vorhanden; wir haben 9-0 mg gefunden.
Von SO, gibt I 24°6 mg an, II 302 mg und III 247 mg; unser
Resultat, nach vorheriger Abscheidung des gesamten H,S ist gut
übereinstimmend 22°2 mg.
Kohlensäure führt I nur gebunden zu 1027 mg an, fraglich,
ob CO,, CO, oder HCO, gemeint ist; die Gesamt-ÜO,-Bestimmung ist
wahrscheinlich nicht durchgeführt worden. In II sind 12425 mg CO,
frei angegeben und aus der Salztabelle normaler Karbonate ergeben
sich durch Berechnung 1721 mg CO, gebunden. III gibt 55°6 mg
CO, frei und 14725 mg HCO, gebunden an. Unsere untereinander
übereinstimmenden Resultate führen zu 04044 g Gesamt-CO,, was
mit den anderen Daten und den Formeln des Deutschen Bäderbuches
79:6 mg CO, frei und 4503 mg HCO, gebunden ergibt.
Die so kolossal abweichende Angabe von III über den Gehalt
an HCO, ist keinesfalls auch nur annähernd richtig und hat auch
damals nicht der Zusammensetzung des Wassers entsprochen. Das
geht schon aus der Analyse selbst hervor, welche in der Ionentabelle
Jahrbuch d.k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Bd., 1. Hft. (Eichleiter u. Hackl.) 12
90 ©. F. Eichleiter und ©. Hackl. [18]
0:10864 g Ca und 014725 g HÜO; angibt, in der Salztabelle für das
Wasser aber 043612 9 Ca(HCO,),, eine Zahl, die bedeutend größer ist
als die Summe der beiden ersten Posten, und die auch nicht an-
nähernd erreicht wird, wenn man den Hydrokarbonatwert auf Ca(HCO,),
umrechnet. Wenn man den angegebenen Calciumwert auf Ca(HCO,),
umrechnet, so kommt man wohl auf dasselbe hinaus, aber dazu
braucht man dann viel mehr Hydrokarbonat, als angegeben ist. Be-
rechnet man durch Multiplikation des Ca(HCO,)s-Wertes mit 07525 die
entsprechende HCO,-Menge, so erhält man 0'43612.0:7525 = 03282 g
HCO,, also weit mehr, als angegeben ist. Und subtrahiert man dies
vom Oalciumhydrokarbonat, so erhält man 01079 g als entsprechenden
Caleiumwert. Dazu kommt noch, daß die in den entsprechenden
Tabellen für HCO, angegebenen Millimol (1206967) und mg-Aequi-
valente (2413934) nicht gleich groß sind, sondern die letzteren aus
den Millimol durch Multiplikation mit 2 gebildet wurden, wobei nicht
nur dies falsch ist, sondern auch schon die Millimolzahl allein, da
diese schon 2'414 betragen würde. Ferner sind die Summen der mg-
Aequivalente der Kationen nnd Anionen nicht angegeben. Zählt man
die Posten zusammen, so beträgt die Summe für die Kationen 80714
und für die Anionen 37914, anstatt der Annahme der Aequivalenz
entsprechend völlig gleiche Summen zu ergeben! Die Differenz beträgt
hier 4°2800 und zählt man diese vollständig zu dem für HCO, ange-
gebenen mg-Aequivalentwert hinzu, so ergibt sich 6°6939, was wenigstens
annähernd unserer Zahl entsprechen würde. Bezeichnend ist auch,
daß die Summe der Posten der lIonentabelle fehlt; sie beträgt
040964 g, was nicht nur mit dem Abdampfrückstand (0'4360 g) gar
nicht stimmt, sondern sonderbarerweise bedeutend niedriger ist;
und was noch wichtiger und ärger ist, auch gar nicht mit der Summe der
Wasser-Salztabelle (0'61212 g) stimmt. Das steht in sehr verdächtigem
Kontrast zu der bedenklich glänzenden Uebereinstimmung zwischen
Abdampfrückstand und Summe der Salztabelle des Abdampfrückstands,
die schon deshalb falsch ist, weil die seltenen Erden darin überhaupt
nicht verrechnet sind. Schließlich fehlt auch jede Angabe über die
Bestimmung. der Gesamtkohlensäure, so daß jede direkte Kontrolle
ausgeschlossen ist. All dies macht es zur Sicherheit, daB bei der
Berechnung des HCO, Kapitalfehler begangen wurden. =
Kieselsäure gibt I in der Menge von 84 mg Si0, an, aus
II ergeben sich 3:45 mgH,SiO, in HI sind 21 mg SO, angegeben;
wir erhielten (in der Platinschale) 1145 mg H3Si0;.
Ölrganische Substanzen sind in I als Spuren, in II über-
haupt nicht, in III mit 9:12 mg Sauerstoffverbrauch zur Oxydation
angegeben; unser Sauerstoffverbrauch betrug 045 mg.
Salpetersäure ist nach I und III nicht vorhanden, nach II
in. der Menge von 0'28 mg NO,; wir haben Spuren gefunden.
Salpetrige Säure ist nach I und III nicht vorhanden,
II führt sie nicht an; unsere Prüfungen sind gleichfalls negativ aus-
gefallen.
Brom und Jod werden von I und II nicht erwähnt, III gibt
Spuren davon an, übereinstimmend mit unserem Resultat.
[19] Chemische Untersuchung der Schwefeläuelle in Luhatschowitz. 91
Thiosulfat wird von I nicht angeführt, aus II ergeben sich
1TT mg 50;, 1lI gibt übereinstimmend mit unserer Untersuchung
Spuren davon an.
Phosphorsäure wird von I nicht erwähnt, aus II ergeben sich
4bmg HPO,, III gibt HPO,“ und »HPO,‘« (was weder auf Metaphos-
phorsäure noch auch auf phosphorige Säure stimmt) zusammen mit
0:64 mg an; wir haben nur unbestimmbare Spuren gefunden.
Borsäure .wird von II als in Spuren vorhanden angegeben,
von III mit 6°'8 mg HBO,; wir fanden Spuren.
Titansäure wird nur von III angeführt, und zwar zu 1’2 mg
„HTiO,‘;, wir fanden mit Wasserstoffsuperoxyd nur Spuren.
Beryllium ergibt sich aus II zu O'1 mg Be, III gibt 1'3 mg an;
unsere Untersuchung ergab hiervon nichts.
Seltene Erden sind in II mit 0'3 mg, in III 11 mg angeführt;
wir haben davon nichts gefunden.
Arsen ist in I nicht angegeben, aus II ergeben sich 22:76 mg
HAsO,, II führt 1112 mg HAsO, an. Unsere Untersuchung wurde
speziell in dieser Richtung mit besonderer Sorgfalt geführt, doch
konnte bei der Prüfung auf verschiedene Arten, sowohl in 50 ! Wasser
als auch in dem Absatz kein Arsen festgestellt werden.
Das spezifische Gewicht wird von II zu 1'0005, in III zu
1:0006 angegeben; unser Resultat ist 10005.
Der Abdampfrückstand beträgt nach I bei 110° C getrocknet
03620 g, nach II bei 180° C getrocknet 04127 g, nach III bei der-
selben Trockentemperatur 0'4360 9; unser Resultat ist 0'4028 4 bei
130° C getrocknet.
Zusammenfassend ist hervorzuheben, daß wesentliche Abweichungen
wichtigster Bestandteile den Gehalt an Schwefelwasserstoff betreffen,
welcher in der Neuanalyse bedeutend geringer gefunden wurde; ferner
den Eisengehalt, welcher besonders gegenüber Analyse II viel geringer
ist, und den Gehalt an gebundener Kohlensäure, der sich uns viel
höher ergeben hat; schließlich auch Arsen, welches in den beiden
vorhergegangenen Analysen in ziemlich großer Menge angeführt wird,
bei unserer Analyse jedoch nicht vorhanden war. Im übrigen dürfte
der Hauptcharakter der Quelle ziemlich konstant geblieben sein, wie
aus den spezifischen Gewichten, welche sehr gut übereinstimmen,
und den unwesentlichen Schwankungen des Abdampfrückstandes
wahrscheinlich gemacht wird.
Von den Schwefelwasserstofiquellen Oesterreichs ist diesem Wasser
am ähnlichsten zusammengesetzt diejenige von Groß-Latein in
Mähren (Analyse von Faktora 1896, Oest. Bäderbuch). Zum Vergleich
seien hier die wichtigsten Zahlen, bezogen auf 1 ky Wasser, neben-
einandergesetzt.
12*
99 C. F. Eichleiter und O. Hackl. [20]
Luhatschowitz Gr.-Latein
Gramm mg-Aequiv. Gramm mg-Aequiv.
Na 2 2 BIER 1:2095 009080 3'939
Ca. „si BR 4736 0:09767 4'868
Mg! HE ZZE 18802 0:03280 2.694
Ol; 1:28 (Kre RERSDE 02544 01410 3:979
SO, ch FRE 04626 0 03787 07886
HS: »3 72 #2 0280900508307 70055 0:001356 0041
HC, RER 7381 04217 6914
B,S frei . . . 00004430 . 00003748
CO5 Srein 7 ra FRI er BE
Summe der festen
Bestandteile . 06593 . . .....08524
Summe der mg-
Aequivalente Ip: E 22 27 88136 9% 7 Pig
Daraus zeigt sich als einziger belangreicherer Unterschied, daß
die Quelle von Gr.-Latein mehr Na und Cl enthält, also mehr zu
den schwach muriatisch - erdalkalischen Schwefelwasserstoff- Quellen
hinneigt, während die Luhatischowitzer Quelle als schwach erdalkalische
Schwefelwasserstoff-Quelle zu bezeichnen ist.
Meine Antwort in der Planifronsfrage.
ll. Die niederösterreiehisehen Planifronsmolaren.
Von @. Schlesinger, Wien.
Mit 14 Abbildungen im Texte.
Einleitung.
Im II. Bande der „Paläontologischen Zeitschrift“ hat
W.Soergel!) einen weitläufigen, seiner Meinung nach rechtskräftigen
Beweis angetreten, um die Irrigkeit meiner Bestimmung der beiden,
seinen Ansichten über die Abstammung des Klephas antiquus Fale.
abträglichen Planifrons-Molaren aus Niederösterreich darzutun.
Es widerstrebt meinem Gefühle, in Fragen der Wissenschaft
persönlich zu werden und ist sonst nicht meine Gewohnheit. Wenn
ich im vorliegenden Falle trotzdem von diesem Grundsatz gelegent-
lich abweichen mußte, lag dies in der Notwendigkeit begründet, die
Waffen, mit welchen Soergel kämpft, unverhüllt zu beleuchten. Das
Interesse der wissenschaftlichen Objektivität verlangt es, daß die
Atmosphäre der Tagesliteratur der Behandlung solcher Fragen fern-
bleibe.
Damit betrachte ich Soergels einleitende Zeilen bis auf eine
nähere Erläuterung als erledigt.
ı) W. Soergel, Das vermeintliche Vorkommen von E. planifrons Falc. in
Niederösterreich. Paläont. Zeitschrift, II. Bd., H. 1. Berlin 1915. Die Widerlegung
einer zweiten Streitschrift W. Soergels (Die Stammesgeschichte der Elefanten
in Zentralbl. f. Min. Geol. u. Pal. Jgg. 1915, Nr. 6, 7, 8 u. 9, Stuttgart) siehe in
ebendem Zentralblatt, Jgg. 1916, Nr. 2 u. 3, Stuttgart.
Weitere Bemerkungen des gleichen Autors in einer Arbeit über „die diluvialen
Säugetiere Badens“ (Mitt. Großhzgl. geol. Landesanst. IX., 1. Heft, Heidelbg. 1914)
sind Wiederholungen und bedürfen keiner Erörterung.
Ein kurzer Abriß dieser Arbeit ist in der Paläontolog. Zeitschrift
(II. Bd., 2. Heft, Berlin 1916) unter dem Titel „Die Planifronsmolaren von
Dobermannsdorf und Laaerberg in Niederösterreich“ erschienen.
Es war ursprünglich natürlich meine Absicht, diese sachlich sorgfältig durch-
gearbeitete Entgegnung als einzige in der Pal. Zeitschr. erscheinen zu lassen.
Auf die Einsendung meines Manuskriptes teilte mir der Schriftleiter, Herr Prof.
Dr. O. Jaekel, leider mit, daß einer Detailfrage nicht soviel Raum gegeben
werden könne, ferner der II. Band voll besetzt sei und die Pal. Zeitschr. grund-
sätzlich nur Mitgliedern für größere Publikationen offen stehe.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (Schlesinger.)
94 G. Schlesinger. [2]
Letztere betrifft den Abbruch des Briefwechsels zwischen
ihm und mir:
Soergel schreibt: „Nachdem Schlesinger meinen Versuch,
ihn über seine irrtümlichen Ansichten von der Wurzel des Elefanten-
zahnes aufzuklären!) auf eine in wissenschaftlichen Diskussionen
immerhin ungewöhnliche Weise beantwortet hatte, brach ich den
Briefwechsel aus leicht begreiflichen Gründen ab.“
Nun! ganz so war die Sache allerdings nicht! In dem letzten
Brief, den ich an Soergel gerichtet hatte, dessen Kopie vor mir
liegt, teilte ich ihm mit, daß ich keine Hoffnung hege, auf diesem
Wege zu einem gedeihlichen Ende zu kommen und fuhr fort:
„Das will mir einreden, daß wir eben nie zu einer Einigung
kommen werden. Es wird nichts übrig bleiben, als daß Sie Ihre
Argumente drucklich niederlegen und ich die meinen und wir der
Mit- und Nachwelt es überlassen, den rechten Weg zu finden.“
Es schien mir nicht unwesentlich, diese Angelegenheit, die
Soergel in geheimnisvoller stilistischer Verkleidung aufführt, allge-
mein zugänglich zu machen.
Was das Sachliche anlangt, folge ich begreiflicherweise im großen
und ganzen seiner Einteilung und behandle wie er:
1. Die Altersstellung der Terrassen von Dobermannsdorf und
Laaerbereg.
2. Die Artzugehörigkeit der Zahnfragmente und ihre paläonto-
logischen Grundlagen.
I. Die Altersstellung der Terrassen von Dobermannsdorf und
Laaerberg.
Allem zuvor mußte naturgemäß W. Soergel das Be
pliozäne Alter der beiden Terrassen, in welchen die Zahnreste
gefunden worden waren, unbequem sein. Er ist daher bemüht, die
Möglichkeit eines jüngeren Alters der Schotter glaubhaft zu machen.
Inzwischen haben sich Tatsachen ergeben, welche wenigstens die
eine der beiden Terrassen als ganz unzweifelhaft mittelpliozän
festlegen.
Die Art, wie Soergel die Dobermannsdorfer Schotter
„nach oben rückt“, läßt seine Arbeitsmethode als ungewissenhaft er-
scheinen:
Zunächst setzt er sich über die Feststellung bedeutender Roll-
spuren und die dadurch bedingte Annahme einer sekundären Lagerung
einfach damit hinweg, daß er die Momente, welche ich für eine
sekundäre Lagerung der Reste aufgeführt habe, als „absolut nicht
beweisend“ erklärt, ohne sich mit ihnen weiter zu beschäftigen.
„Eine eingehende Erörterung der diesbezüglichen Ausführungen
Schlesingers auf S. 91 seiner Arbeit I. erübrigt sich“. (Soergel,
1.66:954.)
!) Bezüglich des Sachlichen aus der Wurzelfrage verweise ich auf S. 120 bis
127 dieser Arbeit.
[3] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 9
Daß an dem Scapularest, wie ich (siehe Studien, 1. e. 8. 91,
Fig. 1)!) eingehend dargelegt und mittels Abbildung erhärtet habe,
ein im petrifizierten Zustand abgetrennter schmaler, plattiger Knochen-
teil die abgerollte Bruchfläche des größeren Teiles um ein mächtiges
Stück überragt und dadurch eine sekundäre Lagerung unwiderleglich
beweist, davon erwähnt er nichts.
„Füge ich hinzu“, fährt Soergel (l. ec. S. 5) dann fort, „daß
Freudenberg, der die Schotterablagerungen der Gegend aus Autopsie
kennt, die Schotter von Dobermannsdorf für altquartär erklärt hat,
so wird man zugeben, daß bei der Bestimmung des gefundenen Zahn-
restes ein bestimmtes geologisches Alter zugunsten dieser oder
jener Altersbestimmung nicht in die Wagschale geworfen werden kann“.
Auch hier berührt es Soergel nicht, daß W. Freuden-
berg in einer wirklich nicht leicht zu übersehenden Arbeit?) seine
damals in einer Besprechung meiner Arbeit gemachten Aeußerungen
vollauf widerrufen hat:
„Als ältesten Vorfahren der hier in Betracht kommenden Elefanten
stellte G. Schlesinger‘®) den #. planifrons Fale. fest in mittel-
pliozänen Schottern des Wiener Beckens.“
Dazu Fußnote ®): „Der Fundort bei Dobermannsdorf liegt in
einer höheren und älteren Terrasse wie das Vorkommen bei Dürn-
krut a, d. March, von wo wir einen Hippopotamus-Rest erwähnen.“
In ähnlich oberflächlicher Weise erörtert Soergel das Alter der
Laaerberg-Terrasse. Ich kann es mir ersparen, seine Be-
hauptungen, wie z. B. die von der „weiten Verbreitung der Dis-
kordanz“ zwischen den Kongeriensanden und den Schottern (l. ce, S. 5)
in ähnlicher Art wie oben zu charakterisieren. Er wird es wohl dem
ortskundigen Geologen überlassen müssen, über Lagerungs-
verhältnisse ein stichhältiges Urteil abzugeben.
Auch die Sache mit dem „Mastodonmolaren‘, über den Soergel
so leichtfüßig hinweggeht, ist Be anders, als es nach seiner
Darlegung scheint.
Als ich den Fund von #, planifrons aus dem Laaerbergschotter
veröffentlichte, stand ich mitten in der Materialbearbeitung der über-
reichen Mastodonreste der Wiener Sammlungen. Damals hatte ich
bloß die Molarenteile des Fundes aus der Laaerbergterrasse zur Alters-
bestimmung herangezogen.
Heute ist die sehr umfängliche Arbeit, welcher ein a von
vier mehr oder weniger vollständigen Schädeln, zahlreiche voll-
kommene Ober- und Unterkiefer, wie auch Stoßzähne und
eine sehr große Zahl von Molaren der verschiedensten Spezies zu-
grunde lagen, zu Ende gediehen ).
117, Schlesinger, Studien über die Stammesgeschichte der Froboscidier.
Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Bd. 62, H. 1, S. 87. Wien 1912.
2) W. Freudenberg, Die Säugetiere des älteren Quartärs von Mittel-
europa etc. Geol. u. Pal. Abhdlgn. N. F. Bd. XII. I. 4,5, S. 34 u. Fußnote 6.
5) @. Schlesinger, Die Mastodonten des k. k. naturhistorischen Hof-
museums. (Morphologisch-phylogenetische Untersuchungen.) Mit 36 Tafeln. Denk-
schriften des k. k, naturhist. Hofmuseums. I. Band. Geologisch - patäontologische
Reihe. 1. Wien 1917.
96 G. Schlesinger, [4]
Bei einer solchen Ueberfülle des Materials, welches ich noch
durch eine Bearbeitung!) der reichen Bestände der Budapester
Sammlungen, die viele Reste von M, Borsoni beherbergen, erweitern
konnte, wird man mir wohl ein bindendes -Urteil über Mastodonten
zugestehen müssen.
Die Bestimmung ist aber in unserem Falle um so zuverlässiger
zu treffen, als zwei sehr schöne obere Stoßzähne mit den
Molarenresten gefunden worden waren.
Wir wissen, daß M. tapiroides nach aufwärts gekrümmte Stoß-
zähne mit einem an der konvexen Seite hinziehenden breiten
Schmelzband, M. Borsoni dagegen völlig gestreckte, schmelz-
bandlose Inzisoren trug.
Die Zähne vom Laaerberg nehmen zwischen diesen beiden Arten,
welche nach den Molaren allein als möglich in Betracht kommen,
infolge ihrer Schmelzbandlosigkeit einer- ihrer noch deutlich feststell-
baren Krümmung anderseits, eine ausgesprochene Mittel-
stellung ein.
Dazu kommen noch die unverkennbaren Uebergangsmerkmale
an den Molaren, welche ich in meiner Arbeit (Ein neuerlicher usw.
l. e, 8. 715 ff.)?) wohl zur Genüge beleuchtet habe.
Ich kann begreiflicherweise hier nicht all das wiederholen, was ich
in meiner Hauptarbeit über die „Mastodonten desk.k. naturh.
Hofmuseums“ gesagt habe und verweise auf meine Ausführungen
und Abbildungen in diesem Werk. Doch hoffe ich hinlänglich deutlich
die Momente, auf welche es ankommt, skizziert zu haben.
Die Art ist als
ar tapiroides Cuv.°)
Mastodon - Bolaonkı Hase
d.i. als Uebergangsform zwischen beiden Spezies zu bezeichnen.
») @. Schlesinger, Die Mastodonten der Budapester Sammlangen. (Eine
morphologisch-phylogenetische Studie. (Geologica Hungarica, Bd. II, Budapest 1917.
(Im Erscheinen begriffen.)
2) G. Schlesinger, Ein neuerlicher Fund von E. planifrons in N.-Oest.
Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., Bd. 63, H.4. Wien 1914.
») Ich bezeichne Uebergangsformen mit einem Bruch, in welchem die Aus-
gangsform im Zähler, die Endform im Nenner steht. Dabei bin ich mir
dessen bewußt, daß die Bruchform seinerzeit für die Bezeichnung von Hybriden
mit in Vorschlag gebracht, nie aber gebraucht worden war. Die in diesem Falle
naturgemäßere Multiplikationsform (z. B. Tetrao wrogallus X T. tetrix hat sich für
die Hybridenkennzeichnung eingebürgert.
Ich hoffe im Sinne vieler zu handeln, wenn ich mit der vorgeschlagenen
Schreibweise endlich eine urzweideutige Ausdrucksform für Zwischen-
typen einführe. Die Bruchform dürfte sich noch besonders dadurch für diesen
Zweck eignen, daß in ihr auch die größere Anlehnung an die Ursprungs-, bzw.
Endart durch Sperrdruck des Zählers oder Nenners wiedergegeben
werden kann. Die Uebergänge von E. meridionalis Nesti zu E. trogontherii Pohliy
7, B. können, falls nötig, folgendermaßen dargestellt werden:
1. Elephas meridionalis Nesti,
meridionalis Nesti
= meridionalis Nesti
2. Elephas
trogontherii Pohlig. 4. Elephas ee
| rogontherii Pohlig.
meridionalis Ni sti
3. Elephas — PING SER
trogontheris Pohliy. I
5. Elephas trogontherii Pohlig.
[5] Meine Antwort in der Planisonsfrage. 97
Derartige Uebergangstypen finden sich, wie ich gleichfalls in
meiner Mastodontenarbeit eingehend nachgewiesen habe, lediglich im
Unter- und untersten Mittelpliozän.
Nun begegnen wir, wie die Publikationen zahlreicher Autoren
erhärtet haben, M. Borsoni Hays in seiner typischen Ausbildung bereits
im TA Me are Die Art hält nach den Forschungen S. Atha-
nasius®) in Rumänien noch in den unteren Abschnitten des Ober-
plio Pins an, wurde aber niemals mit E. merödionalis, der bekannt-
lich in Rumänien häufig ist, zusammen gefunden. Der Süd-
elefant nimmt einen höheren Horizont ein. Auch ich fand diese
Feststellung Athanasius an meinem ungarischen Materiale aus-
nahmslos bestätigt.
Wenn nun die Art M. Borsoni Hays im Mittelpliozän
bereits in ihrer typischen Ausbildung vorhanden ist,
ist es klar, daß wir der Uebergangsform im äußersten Falle
in diesem Horizont begegnen können.
Wenn ich mich seinerzeit vorsichtig ausdrückte und die erensch
zwischen unterem Mittelpliozän und basalem Oberpliozän
offen ließ, obwohl die Belege für die nächstjüngere Arsenalter-
rasse, welche Soergel, wie so vieles, gleichfalls übergeht, das
oberpliozäne Alter der Laaerbergterrasse mehr als un-
wahrscheinlich machten, so war dies lediglich ein Akt wissenschaft-
licher Gewissenhaftigkeit, den Soergel offenbar nicht zu werten
verstand. ‘
Ich wollte erst meine eingehenden Untersuchungen über die
Inzisiven von M. tapöroides und M. Borsoni und den Uebergangsformen
abwarten, bevor ich mein für mich schon damals feststehendes Urteil
hinausgab.
Daß ich den Zahn von E. planifrons, dessen Bestimmung heute,
wie ich im folgenden zeigen werde, noch viel gefestigter zurecht-
besteht als seinerzeit, mit zur Horizontierung des Schotters heranzog,
wird jeder von unseren österreichischen Tertiärgeologen begreiflich
finden, da er eben weiß, wie sehr man bei uns auf einen Beleg für
das Alter der Flußterrassen von Wien durch sichergestellte
Funde wartete. Heute kann ich auf diesen Hilfsbeleg verzichten.
Das mittelpliozäne Alter der Laaerbergterrasse
und damit das oberpliozäne der ihr konkordant fol-
senden Arsenalterrasse steht außer allem Zweifel,
2. Die Artzugehörigkeit der Zahnfeagmente von Dobermanns-
dorf und Laaerberg und ihre paläontolologischen Grundlagen.
Soergel beginnt den zweiten Teil seines Widerlegungsversuches
mit folgenden Worten (l. c. S. 7):
„Da mir augenblicklich ein größeres Material von Zähnen des
El. meridionalis zu speziellen Messungen nicht zur Verfügung steht,
meine Notizen sowie entsprechende Literatur mir aber nicht zur Hand
!) S. Athanasiu, Tertiäre Säugetiere Rumäniens, I. An. Inst. geol, Rom.
I. Bd., S. 187, Taf. I--XII. Bukarest 1908...
Jahrbuch d. K. K. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (Schlesinger.) 13
98 G. Schlesinger. [6]
sind, so habe ich im folgenden meine allgemeinen Ausführungen über
den Bau des Elefantenzahnes und die Bedeutung der einzelnen Merk-
male vorwiegend mit Zahlen von den Zähnen des El. trogontherii von
Süßenborn belegt.“
In diesem Ausgangspunkt liegt die Quelle all der Fehler be-
gründet, welche Soergel neben den gelegentlichen Ungenauigkeiten zur
Bestimmung der beiden Zahnfragmente als E. meridionalis Nesti führten.
Begreiflich ist dieser Mißgriff aus der Erwägung, daß er
überwiegend mit Materialien jüngerer Elefantenarten arbeitete
und von den daraus gewonnenen Gesichtspunkten stets beeinflußt ist;
verzeihlich ist er dagegen deshalb nicht, weil ein Autor, welcher
in einer so wesentlichen Frage, noch dazu zu einer Widerlegung,
das Wort ergreift, die Pflicht hat, auf der Basis des Materials
Schlüsse zu ziehen, welches eben für die Beurteilung dieser
Frage allein maßgebend sein kann: und dieses schließt mit
der Spezies E. meridionalis nach oben ab.
Steht aber einem solchen Autor nicht das genügende Material
zur Verfügung, so muß doch zum mindesten die Literatur als ent-
sprechende Korrektur herangezogen werden, was Soergel, wie
er selbst zugibt, eben nicht getan hat.
Soergel beliebt von seinen großartigenMaterialstudien
und seinen reichen Zahnserien gern zu sprechen und dem-
gegenüber meine Arbeiten als „Literaturstudien“ hinzustellen. Glaubt
er denn wirklich, daß ich deshalb, weil ich in meiner kritischen
Studie nicht ein Dutzend Zähne in Tabellenform oder in Abbildungen
publiziert habe, Meridionalismolaren nur aus den Büchern
kenne? Vielleicht werden ihn meine späteren Publikationen an Hand
des Wiener und Budapester Elefantenmaterials, von welchen ins-
besondere letzteres reich an Archidiskodonten ist, eines Besseren
belehren!
Im übrigen sei betont, daß meine Untersuchungen auf etwas
anderes als Augenblickserfolge abzielen.
Ich habe seinerzeit meine kritischen Literaturstudien
durchgeführt, um mich zunächst mit der gesamten Frage der
Proboscidierstammesgeschichte auseinanderzusetzen und war mir dessen
bewußt, daß möglicherweise die eine oder andere Lösung nur vor-
läufigen Charakter tragen könne. Ich bin auch gern bereit, dort
nachzugeben, wo ich zufolge stichhältiger Beweise einen Irrtum
meinerseits erkennen sollte.
Daß es mir eine gewisse Befriedigung bereitet, in dem über-
wiegend größten Teile der Fragen schon damals richtig gesehen zu
haben, wie mir neuerdings meine Mastodonstudien bewiesen haben,
ist selbstverständlich, auch bin ich keineswegs gesonnen, derartigen
Gründen, wie sie Soergel aufführt, die Ergebnisse ehrlicher
Forschung zu opfern.
[7] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 99
Auf der eingangs erwähnten falschen Basis des
Trogontherienzahnes und unter Einfügung weiterer
noch zu erörternder Fehlerquellen, kommt Soergel schließ-
lich zu dem Ende, daß zwei von diesen Charakteren, nämlich:
„il. die Zahnhöhe,
2. die Lamellenzahl (soweit man ihr in diesem Falle überhaupt
Beweiskraft zuerkennen kann“ (l. ec. S. 64)
gegen eine Bestimmung als E. planifrons und für eine solche
als E. meridionalis sprechen, daß dagegen die übrigen „für beide
Arten in gleichem Maße beweisend, bei einer notwendigen Entscheidung
für eine der beiden Arten daher ohne Bedeutung sind“.
Da Soergel die zwei punktweise angeführten Merkmale als
allein beweiskräftig bezeichnet, ziehe ich sie bei der Erörterung
natürlich vor und folge nicht ganz seiner Einteilung.
I. Zahnhöhe.
Soergel geht von den Verhältnissen an dem bedeutend
vorgeschrittenen M7z von E. trogontherii aus und findet, daß an
einem Zahn mit x 16 x und einem zweiten mit x 19 x Jochen die
Höhe der einzelnen Lamellen bis ungefähr zur x 9.1) von hinten
zu-, dann wieder abnimmt. Die Höhenzunahme beträgt nach den
Zahlen, welche er (l. c. S. 8) angibt, insbesondere hinsichtlich des Ver-
hältnisses zwischen höchstem und letztem Joch (nicht Talon!)
ziemlich bedeutende Werte (158 mm :76 mm).
Nun mißt Soergel die Kronenhöhe eines Elefantenmolaren an
der höchsten Lamelle in unangekautem Zustand.
In den seltensten Fällen ist aber die x 9. Lamelle (bzw. eine
noch weiter vorn liegende) unangekaut erhalten. Er sieht sich daher
genötigt, die ursprüngliche Höhe zu rekonstruieren.
Dazu verhilft ihm folgender Weg:
Er rechnet das Verhältnis der höchsten Lamelle zur letzten
(die am längsten unangekaut bleibt) aus und ist natürlich imstande,
auf dem Wege einer einfachen Multiplikation aus der letzten
Lamelle (wenn diese unangekaut vorhanden ist) die absolute
höchste Höhe innerhalb einer gewissen Schwankung zwischen
Maximum und Minimum zu errechnen.
Nun findet er „auf Grund zahlreicher Messungen“, daß dieses
Verhältnis für E. trogontheris 1°/;—2!/, beträgt. Der Vorgang dürfte
für diese Art tatsächlich einwandfrei zu Recht bestehen.
Ganz anders steht es mit der Art, wie Soergel diese Ver-
hältniswerte für £. meridionalis gewinnt, von der Methode, sie
für E. planifrons „festzustellen“ gar nicht zu reden.
„Bei primitiveren Elefanten“, schreibt Soergel, nachdem er
das oben angeführte Verhältnis für E. trogontherii gefunden hat, „ist
der Unterschied nicht so bedeutend, die Höhenabnahme von den vor-
!) Die x 9. Lamelle von hinten ist bei Einrechnung des Talons (x) die 10.
13*
100 G. Schlesinger. [8]
deren nach den hinteren Lamellen allmählicher; doch beträgt bei
El. meridionalis (Val d’Arno) die Höhe der höchsten Lamellen noch
immer das 1?/;- bis 2fache von der Höhe der letzten Lamelle.“
Diese Angabe wird durch keinerlei Belege gestützt und
ist gemäß der einleitenden Bemerkung des Autors, die ich an der
Spitze des 2. Abschnittes dieser Arbeit wörtlich zitiert habe,
offenbar bloß angenommen..
Denn wie kann ein Autor, der eben erklärt hat, es stehe ihm
augenblicklich kein größeres Material des E. meridionalis zur
Verfügung und seine Notizen wie auch entsprechende
Literatur seien ihm nicht zur Hand, ohne weiteres ein für die
ganze Frage so wesentliches Verhältnis mit der größten
Bestimmtheit feststellen.
Eine Ueberprüfung dieser Zahlen an publiziertem und originalem
Material erweist in der Tat ihre völlige Unrichtigkeit.
H. Falconer hat uns — man kann im Interesse der wissen-
schaftlichen Wahrheit nun wohl sagen glücklicherweise — in
seiner Faunaantiqua Sivalensis (F. A. S., III, Pl. 14 B, Fig. 17
u.17a, 18 u. 13a) zwei Meridionalismolaren überliefert, welche
die Höhenverhältnisse der Krone des E. meridionalis sehr unzwei-
deutig erkennen lassen.
Von den Molaren ist der eine in Seitenansicht und
Daraufsicht, der andere bloß von oben auch in den Palaeonto-
logical Memoirs (Pal. Mem. Vol. JI, Pl. 8, Fig. 1, 2 u.5) noch-
mals abgebildet.
Ich reproduziere auf Seite 102 und 103 die vier Bilder in den
beigefügten Textfiguren 1a u. db und 2a u. b.
Von den beiden Zähnen, von welchen der eine aus dem Val
d’Arno, der andere aus dem Norwich Crag stammt, über deren
Zugehörigkeit zu E. meridionalis!) die beigegebenen Abbildungen
jedermann Aufschluß geben, ist der eine (Taf. 14 B, Fig 18 u. 18a)
außerordentlich wenig abgekaut. Ich zitiere, um Mißdeutungen hintan-
zuhalten, den Wortlaut Falconers (Pal. Mem., Vol. I., pag. 448),
es heißt dort von dem Molaren:
„It is represented one third of the natural size by the figs 18
and 18a of Pl. XIV B, under the misnomer already explained of
Elephas antiquus, in the ‚Fauna Antiqua Sivalensis‘. It is the last
true molar, lower jaw, right side, showing eleven principal ridges,
and anterior talon, and a back talon limited to a single thick digitation.
The first five ridges are slightly worn, the rest being intact.*
Es sind also an dem Zahn die vorderen 5xJoche wenig
angekaut, die hinteren x6 dagegen völlig unangekaut.
Nehmen wir nun von dem Zahn nach der Abbildung die Maße
ab ?); sie betragen in !/, natürlicher Größe vom hinteren Talon an-
gefangen:
25, 32, 36, 38, 40, 41, 40:5, 39-5, 38, 37, 33, ?°.
!) Inder F. A. S. sind die Zähne irrtümlich unter der Tafelbezeiehnung
E. antiquus aufgeführt, der Fehler ist in den Pal. Mem. berichtigt.
?) Daß es für unseren Fall gleichgültig ist, ob ich alle Maße in natürlicher
Größe oder in '/, natürlicher Größe gebe, ist wohl leicht einzusehen. Auch die
[9] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 101
Wir ersehen daraus, daß
1. die höchste Lamellenhöhe dieses Zahnes in der Gegend der
x 5. Lamelle von rückwärts gelegen ist,
2. die Schwankungen der Höhenwerte mit Ausnahme des Talons
sehr mäßig sind und
3. das Verhältnis zwischen höchster und letzter Lamelle
41:32—=1'3 beträgt.
Wir müssen also diesen Wert und nicht, wie Soergel
angibt, 1%/, = 16 als unterste Grenze für E. meridionalis an-
nehmen.
Der ’zwene Zahn (Er Ar DPI 14 B, Fig. 17, 17a und Pal.
Mem. Vol. II, Pl. 8., Fig. 2, pag. 3), ein M5 aus dem Val d’Arno
ist gleichfalls nur wenig angekaut. Nutzspuren zeigen sich an den
vordersten 6x Jochen, die hinteren x 5 sind völlig intakt. |
Nehmen wir auch hier wieder die Maße der einzelnen Höhen
in 1/, natürlicher Größe ab, so finden wir von hinten nach vorn:
27, 92,08, 31, 38,40, 30,37, 32, 25, 20, 14,2.
Die höchste Höhe treffen wir wieder am x 5. Joch von hinten.
Daß das x 6. Joch gleichhoch war ist möglich, aber nicht wahrschein-
lich, da die Usur an diesem, wie die Abbildung (s. Textfigur, 2b)
zeigt, so minimal ist, daß sie_ wohl kaum 3 mm Schmelz entfernt
haben dürfte.
Wir sehen also wieder, daß:
1. die größte Höhe ungefähr in der Zahnmitte liegt,
2. die Schwankungen der Höhenwerte sehr gering sind und
3. das gesuchte Verhältnis zwischen höchster und letzter Lamelle
40:32 —=1'3 beträgt.
Nehmen wir nun noch einen Molaren des Weithofer’schen
E. lyrodon!) mit x 14x Jochen vor. Er stellt dieoberste Grenze
der für E. meridionalis möglichen Lamellenformel dar. Der Molar,
welcher aus Montecarlo stammt, ist an den vorderen 8 x Jochen
angekaut; ein Blick auf die Abbildung lehrt, daß die 8. Lamelle
gerade noch von der Usur berührt ist.
Die Maße betragen in ?|; natürlicher Größe von hinten
nach vorne:
15, 25, 29, 32, 38, 39, 40:5, 40, 38:5, 37, 35, 32, 29, 26, 20, 10.
Nun folge ich — um die höchste Höhe dieses Zahnes zu er-
halten -—— mit Rücksicht auf seine bedeutende Spezialisation und um
nur ja nicht zu meinen Gunsten einen Wert anzunehmen,
völlig dem, was Soergel selbst (l. c. S. 8) an einem Trogon-
Tatsache, daß sich ein Lamellenhöhenwert in dem Maße ändert, als der Zahn
mehr oder weniger parallel zu seiner Sagittalebene aufgenommen wird,
bleibt für unseren Fall gegenstandslos, da ja die Verkürzung bzw. Verlängerung
in gleicher Weise alle Joche betrifft. Das Bild ersetzt demnach für den vor-
liegenden Fall vollaufdas Original.
ı) K. A. Weithofer, Foss. Proboseidier d. Arnotales. Beitr. z. Geol.
u. Pal. Oest.-Ung, Bd. VIII, Taf. XI, Fig. 1, 1a, S. 188, Wien 1890.
102 G. Schlesinger. [10]
Figur 1a.
Textfigur 1.
Elephas (Archidiscodon) meridionalis Nesti.
M7 dext. (Vgl. dazu den Text auf Seite 100).
Fig. 1a. Ansicht von der Seite, um die Nachprüfung der angegebenen Maße zu
ermöglichen. — Fig. 15. Ansicht von der Kaufläche.
Fundort: Norwich Crag (England). — Horizont: Oberpliozän.
Wiedergabe: !), natürlicher Größe.
Die beiden Bilder sind Kopien nach H. Falconer: F. A. S., Pl. XIV B, Fig. 18
und 18a und zeigen die verhältnismäßig geringen Unterschiede in der Höhe der
Lamellen.
therienmolaren gefunden hat und sehe über die höhere Speziali-
sation dieses — x 16x Joche! — hinweg. Soergel kommt (l. c. S.
8 u. 9) nach seiner Messung zu dem Schluß, daß die höchste Höhe
für E. trogontheris mit x 16 x Jochen an der x 9. Lamelle von hinten
gelegen ist. Uebertragen wir nun dieses Ergebnis — trotz der größeren
Jochzalıl des Trogontherienzahnes -- um weitest entgegenzukommen,
auf den Zahn von Montecarlo mit x 14 x Jochen: An diesem
Molaren ist die x 6. Lamelle von hinten noch unangekaut.
[11] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 103
Figur 2a.
” Per
N
Textfigur 2.
Elephas (Archidiscodon) meridionalis Nesti.
M7 dext. (Vgl. dazu den Text auf Seite 101).
Fig. 2a. Ansicht von der Seite. — Fig. 25. Ansicht von der Kaufläche.
Fundort: Val d’Arno (Oberitalien).. — Horizont: Oberpliozän.
Wiedergabe: !/, natürlicher Größe.
Beide Bilder sind Kopien nach H. Falconer: F. A. S., Pl. XIV B, Fig. 17 und
17a und zeigen die verhältuismäßig geringen Unterschiede in der Ilöhe der
Lamellen.
Der Höhenunterschied zwischen der x 6. und x 9., also höchsten,
Lamelle am Trogontherienzahn mit x 16x (l. c.S. 8) beträgt nach
Soergel im Quotienten 158 :149 — 1:06.
Mithin wäre die höchste Höhe des Meridionalismolaren in ?/,
natürlicher Größe — unter der Voraussetzung, daß für ihn die
hochspezialisierten Verhältnisse des E. frogontheriü gelten —
05.1006 42 93-493.
Der Verhältniswert zwischen höchster und letzter Lamelle be-
trüge also:
43:25 5 >
104 G. Schlesinger. [12]
Dieser Maximalwert — als solcher hat er bei x 14x Jochen
zu gelten — stimmt nun recht gut mit dem Wert überein, welchen
W. Soergel (l. c, S. 9) als tiefste Zahl für E. trogontherä er-
halten hat, nämlich 13/, = 175. Es ist ja auch vonvornherein
ganzklar, daß E. meridionalis als oberste Grenze den Wert
einhalten muß, der das Minimum für E. trogontheriü, seinen
unmittelbaren Abkömmling, bildet.
Daß dieser Wert praktisch infolge der Hilfsannahme vom Trogon-
therienmolaren her zu hoch gegriffen ist, erweist die Messung an einem
Originalmolaren von E. meridionalis im Budapester National-
museum. Es ist ein M5 von Aszod (Inv. Nr. 50) mit x 14x Jochen,
von denen erst die vordersten drei angekaut sind. Die
Lamellenhöhen betragen von hinten nach vorne:
34, 78, 92, 1018102.211421177322, 323, 122, 120, 1480097
100, 93, 60.
Der Molar beweist:
1. daß die höchste Höhe selbst bei diesem vorgeschrittenen
M7z in der Gegend des x 8. Joches, also nur wenig vor der Zahn-
mitte gelegen ist,
2. daß das Verhältnis zwischen höchster und letzter Lamelle
123 :78 = 1:98 1-6 memast,
Die tatsächlichen Messungen erweisen nach alle-
dem, daß Soergel das Verhältnis von 13/, (= 1'6)—2 gänz-
lich willkürlich angenommen hat.
Die höchste Lamelle des E. meridionais ist in Wahr-
heit 13—1'6, maximal 130—1'75 mal höher als die letzte.
Nun zu E. planifrons! Soergel schreibt (l. c. S. 9): „Bei
E. planifrons dürfte dieses Verhältnis noch ein wenig zurückgehen,
aber mindestens 1?/,-——13/, betragen.“
Da ihm nun keine Anhaltspunkte für diese Art zur Verfügung
stehen, rechnet er den unteren Grenzwert mit Hilfe eines Mz
von Stegodon airawana Mart. und meint, da E. planifrons in allen
Merkmalen der Dentition fortgeschrittener sei als selbst die höchst-
stehenden Stegodonten, müsse dies einen sicheren Aufschluß ergeben.
Dabei sind ihm zweı grobe Irrtümer unterlaufen:
l. Da ihm ein Mz augenblicklich nicht zur Verfügung steht,
nimmt er einen Obkerkiefermolaren, was beiidem ganz be-
deutend stärker gekrümmten Kreisbogen, mit welchem
letzte obere Molaren den unteren gegenüber aus dem
Kiefer rücken, natürlich völlig irreführend ist.
2. Zudem übersieht er folgende zwei Momente:
a) Der herangezogene Mz, den er in einer anderen Arbeit?)
abbildet, trägt, wie auch aus der Zusammenstellung der Jochhöhen-
zahlen in der in Rede stehenden Studie (l. ec. 8. 10) ersichtlich
') W. Soergel, Stegodonten a. d. Kendengschichten auf Java. Paläontogr.
Suppl. IV., IV. Abt., 1. Liefg., Taf. I, Fig. 2a, d. Stuttgart 1914.
[13] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 105
ist, x11x Lamellen, erreicht also in diesem Merkmal bereits die
für E. planifrons oberste Grenze. Er kann daher ansich nicht
für die Feststellung eines untersten Grenzwertes in Verwendung
gelangen.
b) Die Molaren der Gattung Stegodon sind durch niedrige
Lamellen ausgezeichnet, deren Schenkel (im sagittalen Durchschnitt
gedacht) ganz bedeutend schrägergegendieBasishinein-
fallen, mit anderen Worten, deren vordere und hintere Begrenzungs-
flächen nach unten vielmehr divergierenalses bei. E. planifrons
der Fall ist.
Dadurch wird naturgemäß die Basis der ganzen Zahnkrone einem
III. Molaren von E. planifrons mit der gleichen Jochzahl gegenüber
erheblich verlängert.
Es ist ohne weiteres klar, daß ein Molar, welcher x 11x Joche
trägt, deren Schenkel nach unten hin stark auseinandertreten,
gegenüber einem Zahn mit gleicher Jochzahl, aber steileren
Schenkeln, in viel stärkerer Krümmung aus dem Kiefer
herausrücken, also bedeutendere Höhenunterschiede der
Joche aufweisen muß. In der Tat beweisen die von Soergel
(Kendengschichten 1. ce. S. 7) selbst angegebenen Maße, wie außer-
ordentlich die Krümmung ist. Während die Länge von Talon
zu Talon (in der Luftlinie) gemessen 287 mm beträgt, ergab die
Messung mit dem Bandmaß (also in der Krümmung) 330 mm.
Wir ersehen daraus, daß Steg. airawana in zweifacher Hin-
sicht in der Dentition ganz erheblich — allerdings in anderer
Richtung als die jüngeren Elefanten — über E. planifrons hinaus
spezialisiert ist.
Während bei dieser Art die Schmelzbüchsenan Zahl
zunehmen (x10x— x1il1x) und gleichzeitig gemäß der
allgemeinenEntwieklungstendenzder echtenElefanten
verengert und erhöht werden, geht bei den Stegodonten die
Lamellenzunahme Hand in Hand mit einem fastvölligen Still-
stand der Verengerung wie auch der Erhöhung der
Joche vor sich.
Das sind zwei so grundverschiedene Vorgänge, daß es
selbstverständlich ausgeschlossenist, einen der-
artigenStegodonzahn zurErrechnung einesVerhältnis-
wertes für E. planifrons heranzuziehen, um so mehr, als
ersterer dem Planifronsmolaren gegenüber in zwei-
facher Hinsicht spezialisiert ist.
Ein Molar von Stegodon könnte nur dann einer solchen Berech-
nung zugrunde gelegt werden, wenn erwiesen wäre, daß die betreffende
Art entweder der unmittelbare Ahne des E. planifrons ist
oder daß sie wenigstens sicher in seiner direkten Ahnen-
reihe gelegen ist. Nur nebenbei sei bemerkt, daß dieser Nachweis bis
heute zuverlässig noch für keine einzige Stegodontenart erbracht,
beziehungsweise überprüft ist.
Das von Soergel für E. planifrons angegebene Ver-
hältnis zwischen höchster .und letzter Lamelle ist
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (Schlesinger.) 14
106 G. Schlesinger. [14]
also gänzlich falsch und, wie die eben gemachten Er-
örterungen erwiesen haben, viel zu hoch.
Leider sind in der F. A. S. keine Mz von E. planifrons abge-
bildet, welche über diese Frage sicheren Aufschluß zu geben ver-
möchten.
Es ist dies für unseren Fall zwar kein großer Mangel, da wir
jain dem unteren Wert für E. meridionalis zugleich den obersten
für E. planifrons vor uns haben. Doch wäre es mir deshalb erwünscht
gewesen, weil Soergel daraus hätte lernen können, daß die Höhen-
zunahme der Krone des E. planifrons von hinten nach vorn eine
derart geringe ist, daß sie bei einer Durchschnittsbe-
wertung der Kronenhöhe — und mit einer solchen haben bis
auf „Soergel vom Jahre 1915“ alle Autoren gerechnet, welche
Archidiskodontenmolaren verglichen haben, — kaum eine Rolle
spielt. Uebrigens verweise ich ihn auf die Abbildung Figur 12, 12a
der PL.XH. (FA)
Bevor wir nun mit diesem Rüstzeug an die Höhenbestim-
mung der beiden niederösterreichischen Molaren schreiten,
wollen wir doch noch einige Streiflichter auf die Art, wie Soergel mit
seinen Werten die Höhenergänzung durchführt, werfen.
Nach Wiederholung (l. ec. S. 11) der von ihm angenommenen
Werte (13/,—2 für E. meridionalis und 1?/;—1°/, für E. planifrons)
fährt er fort:
„Wir wollen ein übriges tun und beide Werte zusammenziehen
zu 12/,—2.*
En erweckt er für den flüchtigen Leser den Anschein, als
wollte er meinem Standpunkt entgegenkommen. In der Tat ist diese
Zusammenziehung eine neuerliche Fehlerquelle, da ja die Höhe im
Falle der Möglichkeit einer Bestimmung als E. planifrons viel zu
bedeutend ausfallen muß. Wie irreführend diese Zusammenziehung
ist, erhellt insbesondere daraus, daß Soergel aubeiden Höhen-
zahlendasMittel zieht, was natürlich den Wert für E. planifrons
erheblich steigern muß. Wir wollen also lieber „kein übriges tun* und
mit den Werten ehrlich rechnen.
Mit Soergels Zahlen erhielten wir dann für den Dober-
mannsdorfer Zahn:
1. Für den Fall, als es E. meridionalis wäre, 70.16— 112 mm
als Minimum und 70.2=140 mm als Maximum.
2. Für den Fall, daß es E. planifrons ist, 70.14 — 98 mm als
Minimum und 70.1:6—=112 mm als Maximum.
Während es nun Soergel bei E. meridionalis recht gut ver-
standen hat, korrigierte Höhenwerte in Vergleich zu ziehen
und darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Molaren angekaut sind oder
nicht, sieht er über diese Momente bei E. planifrons hinweg und
bemüht sich nicht, die Originalwerte der F. A. S., beziehungsweise der
Pal. Mem. heranzuziehen, sondern nimmt die von mir in meiner
ersten Arbeit angeführten Maße als Vergleichsbasis.
Das erscheint mir denn doch als eine etwas zu ungenaue
Methode; wir wollen uns daher zunächst die Höhenwerte von den
in der F. A. S. publizierten MF des E. planifrons auf eine richtige
[15] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 107
Vergleichsbasis bringen, das heißt dort, wo es sich um angekaute
Molaren handelt, die Höhe nach ebendem Schlüssel errechnen, nach
dem Soergel den Dobermannsdorfer Zahn errechnet hat.
Dabei mache ich ausdrücklich aufmerksam, daß dies nicht die
tatsächlichen Höhenwerte sind, weil ja Soergels Verhältnis-
zahlen falsch sind. Es handelt sich jetzt nur um die Beleuch-
tung seiner Methode:
Der schon einmal erwähnte MF (F. A. S., Pl. XII, Figur 12, 12a)
ist von Falconer (Pal. Mem. Vol. I, S. 433) gemessen angegeben.
Nach ihm beträgt die Höhe des 7. Joches „4 inches“, das ist 1016 mm.
Schon diese „Originalhöhe“, welche an einem ziemlich weit
rückliegenden und noch dazu etwas abgekauten Joch abgenommen
ist, bleibt hinter dem Soergelschen Maximnm nur um 104 mm
zurück.
Führen wir nun die Ergänzung durch: Die letzte Lamelle dieses
Zahnes mißt in !/, natürlicher Größe (s. Pl. XII, Figur 12) 27 mm,
im Original also 27.3—=81 mm.
Der Maximalwert nachSoergel wäre mithin 81.16 — 1296,
das Minimum 81.14 = 1134 mm.
Das Maximum des Dobermannsdorfer Zahnes bliebe
also hinter dem Maximum des sewalischen um 176 mm,
hinter dem Minimum des sewalischen um 14mm zurück.
Das Minimum desDobermannsdorfer Zahnes bliebe
sogar hinter dem am Original meßbaren Wert noch um
36 mm zurück. Man ersieht daraus, daß derartige Betrachtungen
recht lehrreich sind!
Noch viel auffälliger wird der Erfolg, wenn wir den von Falconer
(F. A. S., Pl. U, Figur 55 und Pal. Mem. Vol. I, p. 423) abgebildeten
und beschriebenen Mz in Erwägung ziehen, an dem die Maße infolge
der Tatsache, daß er im Längsschnitt dargestellt ist, besonders
klar abzunehmen sind. DaB die hinterste Lamelle dieses Zahnes tat-
sächlich die letzte ist, geht aus der im folgenden zitierten Cha-
rakteristik Falconers (Pal. Mem. Vol. I, p. 423) hervor:
„Fig. 56. — Elephas planifrons. Vertical section of portion of
last molar of lower jaw, with nine ridges, and presenting the same
general characters as fig. 5a. The lower tooth, however, had been
longer in use, and all the ridges are more or less worn, except the
two last.“
Uebrigens läßt auch der Höhenwert keinen Zweifel. Die letzte
Lamelle mißt in !/, natürlicher Größe 44:8 mm, mithin in natürlicher
Größe 896 mm. Der Maximalwert dieses Zahnes nach Soergel
betrüge also 89:6.1'6 — 143:36 — 1434 mm, der Minimalwert
896.14 — 12544 mm.
Es fiele also selbst Soergels Berechnung für E. meridionalis
(Max. 140 mm, Minim. 112) noch unter das Maximum dieses
Molaren.
108 G. Schlesinger. [16]
Nach diesem Exkurse wollen wir die tatsächlich möglichen
Höhen mittels der von uns gewonnenen Zahlen errechnen:
Dabei betone ich, daß ich wieder, um den ungünstigsten Fall
für meine Anschauung anzunehmen, für &. planifrons nur mit dem
Maximum, welches zugleich das Minimum für E. meridionalis ist,
rechne.
Der Zahn von Dobermannsdorf maß unangekaut:
1. Im Falle der Zugehörigkeit zu E. planifrons maximal:
70.1.3=91 mm.
2. Im Falle der Zugehörigkeit zu E. meridionalis maximal:
70.172—=120'4 mm, minimal: 91 mm.
Der Zahn vom Laaerberg maß:
1. Im Falle der Zugehörigkeit” zu E. planifrons maximal:
93.1.3—=1209—= 121 mm.
2. Im Falle der Zugehörigkeit zu E. meridionalis maximal:
93.1:72= 15996 —= 160 mm; minimal: 121 mm.
Demgegenüber betragen die errechenbaren wirklichen Maxi-
malwerte der beiden schon früher herangezogenen Molaren der
Fı: Ars:
1. Für den Zahn auf Pl. XII, Figur 12, 12«::81. 13 = 1053 mm.
2. Für den Zahn auf Pl. II, Figur 5b: 896.13 —= 11648
— 1165 mm.
Der Dobermannsdorfer Zahn kommt nun selbst mit seiner
Maximalberechnung als E. meridionalis (1204 mm) um einen
so geringen Wert (3:9 mm) über 116°5 mm zu stehen, daß wohl
jede weitere Diskussion über ihn um so mehr ausscheidet, als sein
Maximum als E. planifrons um 15:5 mm hinter dem für diese
Art bekannten Maximum zurückbleibt.
Der Laaerberger Zahn ist mit seinem Maximum als
E. planifrons (121 mm) bei dem bloß 45 mm betragenden Unterschied
von 1165 mm wohl um so eher mit dieser Art zu vereinigen, als wir
ein Minimum von ihm nicht angenommen haben.
Sein Maximalwert als E. meridionalis (160 mm) aber erschien
schon Soergel indiskutabel. Er glaubte mit 130—145 mm rechnen
zu können und sah ein, daß bei so weiten Grenzen die Methode
gänzlich unsicher werde (l. c. S. 12).
Er nimmt daher seine Zuflucht zu einem anderen Mittel und
meint, daB sich eine Höhe von 140 mm aus der Kurve
wahrscheinlich machen lasse, welche die Spitzen des
letzten und vorletzten Joches verbindet.
Gegen diese Methode wäre an sich bloß einzuwenden, daß die
Verbindung der Spitzen der beiden letzten Joche infolge des raschen
Anstieges vom letzten zum vorletzten gegenüber dem von diesem zum
drittletzten die tatsächliche Höhe etwas übertreiben muß; doch
würde es sich um höchstens 10 mm handeln.
Leider aber hat Soergel die Kurve falsch gezogen
und am letzten Joch die Spitze — wohl bloß irrtümlicherweise —
viel tiefer angenommen als sie in Wirklichkeit liegt.
[17] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 109
Wie meine Abbildung (Ein neuerlicher Fund usw. 1. c. Tafel II)
zeigt und übrigens auch die weniger gute Reproduktion Soergels
(l. e. S. 35, Figur 7) erkennen läßt, ist die letzte Lamelle nach
obenhin vor ihrer Kulmination durch eine sie etwas überlagernde
Zementhaut verdeckt, kommt aber an der Spitze als
schwarzer Fleck wieder zum Vorschein.
Dieses neuerliche Hervortreten ist auch an der Reproduktion
Soergels ganz klar und deutlich erkennbar. Es wäre ja auch, wollte
man die Spitze des Joches schon unter dem basalwärts ge-
legenen Rande der Zementhaut suchen, sehr merk-
würdig, daß eine so mächtige Zementschicht über dem Joche lagern
sollte.
Wieviel dieser von Soergel „abgezwickte“ Spitzenteil ausmacht
ist durch eine einfache Rechnung zu erkunden.
Die Höhe der von ihm (l. ec. S. 37, Figur 8) gezeichneten
x 1. Lamelle von hinten beträgt von dem kleinen nach oben ein-
springenden Knick der Kronenbasis (s. umstehende Textfigur 3, MeB-
punkt a) bis zur Lamellenspitze (Meßpunkt b) genau 378 mm. Am
Original gemessen beträgt die gleiche Strecke 95 mm. Die x 2. Lamelle
mißt (von c bis d) in der Zeichnung 43 mm, im Original 98 mm.
Um die Messung vollständig einwandfrei durchführen zu können,
wurde von mir folgender Weg eingeschlagen:
Der Zahn wurde in einen Kasten mit genau gleichhohen Seiten-
wänden derart gelegt, daß die Normale von der Spitze der x 1. La-
melle von hinten zu deren Basis, also ihre genaue Höhe, zur Liege-
fläche des Molaren parallel lag. Ueber die Seitenwände wurde ein
System von parallel geschliffenen Spiegelglasplatten als Gleitfläche
für die Schublehre derart gelegt, daß es die Zahnkrone zum Messen
völlig frei ließ.
Nun wurde eine Schublehre mit oben längerem Greifarm bei
entsprechender Vermehrung oder Verminderung der Glasplatten derart
aufgelegt, daß sie mit dem oberen Arm die Lamellenspitze, mit dem
unteren die Basis faßte.
Durch das Glasplattensystem war es möglich, die Verschiebung
der Schublehre nach linhs und rechts bei der Höhenabnahme der
weiteren Lamellen stets in der Ebene durchzuführen, in welcher die
Höhe der x 1. Lamelle abgenommen worden war.
Dieser Apparat wurde bei allen weiteren erwähnten Messungen
angewendet. Er ist deshalb nötig, weil eine geringe Verschiebung der
Höhenebene der Lamellen ganz andere Werte ergibt.
Die oben herangezogenen Werte von 93 mm und 98 mm werden
bei einer geringen Neigung zu 91 mm und 96 mm. Wird nun die
Messung aus freier Hand vorgenommen, dann kann es leicht vorkom-
men, daß bei geringer Abweichung, die glatt übersehen wird, Werte
von 93 und 96 oder 91 und 98 vereinigt werden.
Nun läßt sich eine sehr einfache Proportion aufstellen. Mag
Soergels Abbildung, in welcher Verkleinerung immer gehalten sein,
die von ihm zu zeichnende Höhe der x letzten Lamelle muß sich zur
G. Schlesinger. [18]
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[19] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 1193
Erklärung zu nebenstehender Textfigur 3.
Soergels Rekonstruktion des M% sin vom Laaerberg (Niederösterreich) nach
Richtigstellung der fälschlich erniedrigten letzten T,amelle.
a—b — die von Soergel angenommene falsche Höhe der letzten Lamelle
(= 37'8 mm).
a—b, — die richtige Höhe (= 408 mm).
c—d =: die Höhe der vorletzten Lamelle (etwas abgekaut) im Verhältnis 1: 2:28
natürlicher Größe.
c—d = die von Soergel angenommene ergänzte Höhe.
Die Gerade d,—d, zeigt, um welchen bedeutenden Wert (13:5 mm bei 1:2'28
natürlicher Größe) die Zahnhöhe infolge der Richtigstellung des Fehlers erniedrigt
wird. Die unterbrochene Linie stellt die ausgezogene obere Begrenzung dar.
In eine vom Verlage Bornträger freundlichst zur Verfügung gestellte Kopie der
Soergelschen Textfigur 8 (l. c. S. 37) gezeichnet.
Verkleinerung: 1:2'28.
wahren Höhe ebenso verhalten wie die gezeichnete Höhe der x vor-
letzten zu ihrer wahren:
x:93 43:98.
ze 393.43 — 40°8 mm.
98
In dieser Höhe von 40°8 mm (und ‚nicht mit 378 mm) hätte
Soergel wahrheitsgemäß die letzte Lamelle zeichnen müssen.
[2]
Dieser Unterschied von 5 mm in der Zeichnung entspricht in
Wirklichkeit — infolge der von ihm angewendeten Verkleinerung
von 1:(98:43)—=1:2'28 — einem Wert von 3.228 — 6'834 mm,
der bei einer Spitzenentfernung der beiden Jochenden von bloß 2°5 cm
auf die Steigung der Verbindungskurve natürlich von
enormem Einfluß ist.
Dies läßt sich an der Soergelschen Zeichnung (s. Textfigur 3)
recht sinnfällig machen:
Setzen wir an die Linie b die fehlenden 3 mm an und ver-
längern die Verbindungslinie zwischen diesem neugewonnenen rich-
tigen Kulminationspunkt b’ mit der Spitze d’ der von Soergel
ergänzten vorletzten Lamelle als Gerade nach vorn, so wird die Höhe
der höchsten Lamelle in seiner Rekonstruktion — d.i. diex 8.— um
13°5 mm verringert.
Diese 13°5 mm entsprechen in Wirklichkeit (gemäß der oben
festgestellten Verkleinerung) 13:5. 2:28 — 3078 — 31 mm.
Die angenommene Höhe von 140 mm erniedrigt sich also bloß
durch die Korrektur dieses Fehlers auf 109 mm.
Dieser Wert ändert sich insofern etwas zugunsten Soergels,.
als durch die richtige Linienführung nun nicht die x 8., sondern
schon die x 7. Lamelle die höchste wird. Der von ihr abgetrennte —
den 13:5 mm an der x 8. entsprechende — Teil mißt in seiner Zeich-
112 G. Schlesinger. [20]
Zeichnung (s. Textfigur 3) 11l’4 mm, mithin in natürlicher Größe
11’4 .2:28 — 25:992 — 26 mm.
Mithin beträgt die Höhe, wenn wir davon absehen, daß die
x 7. Lamelle nicht voll 140 mm mißt, 140 — 26 — 114 mm.
Soergel hätte also bei gewissenhafter Rekonstruk-
tion selbst zudem Werte kommen müssen, der beileibe
nicht die höchste errechenbare Höhe für E. planifrons
darstellt, sondern sogar noch hinter dem tatsächlichen
Textfigur 4.
Elephas (Archidiscodon) planifrons Fale.
Drittletztes Joch des MF° vom Laaerberge mit Plastelinergänzung der abgekauten
Teile.
Die geritzten Striche im Plastelin entsprechen den Fortsetzungen der Haupt-
trennungsspalten zwischen den Außenpfeilern und dem Mittelpfeiler.
Fundort: Laaerberg (Wien X). Ziegelei Löwy.
Horizont: Laaerbergschotter. Mittelpliozän.
Wiedergabe: Natürliche Größe. (Originalaufnahme.)
(aus Zähnen der F. A. S. erkundbaren) Höhenwert von 1165 mm
um 2:5 mm zurückbleibt.
Um nun hinsichtlich der Höhenrekonstruktion ganz sicher zu gehen,
habe ich an dem Original das x vorletzte und x drittletzte
Joch in Plastelin ergänzt. Der Abkauungsgrad der beiden Lamellen
ist ein derartiger, daß an beiden Seiten die Neigung der Joche völlig
klar die Stärke ihrer Konvergenz nach oben erkennen läßt. Dadurch
war es möglich, die Ergänzung zuverlässig durchzuführen. Die Leser
mögen an der beigegebenen Textfigur 4, welche die Plastelinergän-
zung des drittletzten Joches zeigt, den Grad dieser Zuverlässigkeit
selbst beurteilen.
[21] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 113
Bemerkt sei noch, daß die Ergänzung der Form nach aufGrund
der Krümmungsverhältnisse durchgeführt wurde, wie sie. die beiden
von Soergel (Ueb. E. trogonth. und E. ant. usw. Paläontogr. Bd. LX,
S. 10 und 11, Figur 7 und 8, Stuttgart 1912) abgebildeten Meridionalis-
Lamellen zeigen, soweit nicht der Verlauf der Seitenwände gering-
fügige Abweichungen forderte.
Textfigur 5.
Elephas (Archidiscodon) planifrons Fale.
M7 sin. vom Laaerberge mit Plastelinergänzung der abgekauten Teile des dritt-
letzten und vorletzten Joches.
Fundort und Horizont wie bei Textfigur 4.
Wiedergabe: genau '/, natürlicher Größe.
(Originalaufnahme. Ueber die Art der Aufnahme vgl. S. 113/114.)
Um nun die Höhe völlig einwandfrei erkunden zu können, ließ
ich den Zahn mit den beiden rekonstruierten Lamellen (s. Text-
figur 5) genau in !/, natürlicher Größe aufnehmen.
Die Aufnahme, welche begreiflicherweise bedeutende Schwierig-
keiten bereitete, ist bis auf den einen kleinen Fehler geglückt, daß
die Ebene, welche normal auf die Zahnkronenbasis durch die Höhe
der x letzten Lamelle zu denken ist, um ein Geringes von der Bild-
ebene nach oben divergierte. Dadurch erscheinen die Höhen der
drei letzten Lamellen und des Talons um je 2 mm im Bilde verkürzt.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (Schlesinger.) 15
114 . G. Schlesinger. [22]
Während sie nach der früher geschilderten peinlich genauen
Messung am Original von hinten an: 72, 93, 105, 105 betragen, sind
ihre Maße (s. die Meßpunkte in Textfigur 5) in 1/, natürlicher Größe
35,.40:5, 80:8, .2l°D,
was einer natürlichen Größe von
10, 91, 101,7103
entspräche.
Bei der großen Mühe, welche eine derartige Aufnahme macht,
wird man es mir vergeben, wenn ich das Bild trotzdem verwende.
Ein Irrtum ist nach Klarlegung des Fehlers nicht möglich. Es
ist einfach zu jeder am Bilde gemessenen vertikalen Strecke nach
erfolgter Multiplikation mit 2 noch ein Wert von 2 mm zu-
zuzählen.
Wenn wir nun eine Höhenrekonstruktion durchführen, werden wir
bei der Tatsache, daß die Höhenunterschiede der hintersten
Lamellen bedeutender sind als die der weiter vorn
gelegenen, natürlich richtiger die Verbindungslinie zwischen vor-
letztem und drittletztem als die zwischen letztem und vor-
letztem Joch ziehen.
Die Tatsächlichkeit dieses Steigungsunterschiedes ist, ganz ab-
gesehen von den Planifrons- und Meridionalismolaren, sogar
an den beiden von Soergel (Il. c. S. 8) gemessenen Trogon-
therienmolaren nachweisbar.
Am ersten Zahn, mit x 16 x, beträgt der Unterschied
zwischen:
der letzten und 2. Lamelle. . . 105 — 76 = 29 mm
4 . ... 119 — 105 = 14 mm
R re 182 — 119 1a m
0... 143 — 132 = 11 mm
5 ...7149— 143 = 6 mm
\ .. . 155-149 bmm
usw.
3
N >
a: Korg 5 uuusN)
Ss
Am zweiten Zahn, mit x 19x, beträgt er zwischen:
der letzten und 2. Lamelle . .. 9 — 70 =19 mm
" 2. 50% 5 „2... 1018 — 89), = 2802
e 3. > 3 2354109; .— 1015 = Dre
5 4. TE 5 nm 114 — 109 ee
usw.
Eine geradlinige Verbindung von zwei Jochspitzen kommt also
der wirklichen Kronenhöhe um so näher, je weiter vorn sie gelegen ist.
Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, daß untere My
vor der größten Höhe auch im unangekauten Zustand an der Kronen-
basis, wie an der Kaufläche nach aufwärts geschwungen sind, weiter
vorn liegende Spitzen also diesen Teil bei geradliniger Verbindung
mehr oder weniger schneiden müssen.
[23] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 115
Grundsätzlich ist dies deshalb weniger von Bedeutung, da der
Schwung nach oben naturgemäß — infolge der aufsteigenden Basal-
kurve der Krone — eben stets vor der höchsten Höhe liegt.
Ziehen wir nun in unserer Textfigur 5 die Verbindung zwischen
den beiden ergänzten Spitzen und verlängern geradlinig nach vorn,
so erhalten wir folgende Höhenwerte !):
in !Y/, nat. Größe in nat. Größe
4. Lamele . . 52 mm (52X2)- 2 = 106 mm
Den. 92x, 113 = 108,
a 2253-12 106,
a BEL x) 2 —- 104,
Dan ex 2a 96”
Wir müssen also mit einem maximalen Höhenwert
von 106 mn an dem Mz vom Laaerberg rechnen.
Diese Zahl fällt so vollständig in die Höhenwerte,
welche wir aus der F. A. S. kennen und früher erörtert
haben, und bleibt so vollständig hinter den untersten
möglichen Grenzen für E. meridionalis zurück, daß schon
aus diesem Merkmal allein die Spezieszuteilungsicher
durchführbar wäre.
Bevor ich zur Lamellenformel und Rekonstruktion
des Zahnes übergehe, noch ein Wort über die mit vieler Hitze und
Empörung vorgetragene Bemerkung W. Soergels (l. c. S. 14), ich
hätte die Höhe des letzten unangekauten Joches für die höchste Höhe
des Zahnes überhaupt gehalten.
Wie ich schon früher betonte, haben bis auf „Soergel vom
Jahre 1915“ alle Autoren mit durchschnittlichen Höhenwerten ge-
rechnet. Daß diese Art Höhe, bei Archidiskodonten mit weniger Um-
ständen abzunehmen ist, als bei höheren Elefanten, hätte Herrn
Kollegen Soergel klar sein können, da er doch „reiche Zahnserien
von E. meridionalis des Val d’Arno“ zur Verfügung hatte.
Ist nun der geringe Unterschied der Lamellenhöhe schon bei
ursprünglichen Mz von E. meridionalis kenntlich, so hätte ein Studium
der F. A. S. ihn darüber vollends belehren können, wie wenig diese
Unterschiede bei E. planifrons ins Gewicht fallen.
Ich verweise übrigens diesbezüglich bloß auf die von mir in
dieser Arbeit zitierten Molaren des E. planifrons und auch E. meri-
dionalis aus der F. A. S.
') Die 4., 5. und 6. Lamelle springen nach unten mit Schmelzzipfeln vor.
Es ist klar, daB diese Bildungen nicht bei der Höhenfeststellung eingerechnet
werden können, Uebrigens bleibt auch ihr Wert innerhalb der Grenzen für
E. planifrons.
Unter Einrechnung dieser Zipfel betrügen die Abstände:
in '/, nat. Größe in nat. Größe
4. Lamelle °. '. . . .„. 565mm (565X2)+-2= 115 mm
tee id! AB URN N ZT ee Fe
Br NEE Sn (Br) erez |,
15°
116 G. Schlesinger. [24]
Ich habe mit vollem Bewußtsein der geringen Wert-
unterschiede — da ja nur &. planifrons oder ein sehr ursprüng-
licher E. meridionalis in Frage kam — eine Höhenrekonstruktion
unterlassen und die tatsächlichen Messungen den gleichfalls
tatsächlichen Messungen verschiedenster Molaren beider Formen
gegenübergestellt.
Ich hoffe, daß sich die Aufregung des Herrn Kollegen Soergel
über diese meine Unterlassung um so rascher legen wird, als er ja
nun Gelegenheit hat, seine von der intensiven Beschäftigung mit den
höheren Elefanten her stark aus dem objektiven Gleichgewicht ge-
brachten Anschauungen über die Zahnverhältnisse der Archidiskodonten
wieder in Ordnung zu bringen.
2. Die Lamellenformel und ihre Ergänzung.
Soergel sind bei seiner Art die Höhen der beiden in Rede
stehenden Molaren zu erkunden, eine Zahl von sehr wesentlichen
Fehlern unterlaufen:
1. Die Verhältniszahl zwischen höchster und letzter Lamelle
für E. meridionalis beträgt nicht 1'6—2, sondern 1’3—1°6.
2. Das Minimum dieses Wertes für E. planifrons ist aus einem
M2 von Steg. airawana errechnet und daher falsch.
3. Dies erhellt aus der Tatsache, daß letzte obere Molaren
einen größeren Krümmungsbogen, daher naturgemäß größere Unter-
schiede der Jochhöhen aufweisen als untere.
4. Es geht ferner aus dem Umstande hervor, daB Steg. dirawana
in zweifacher Hinsicht über #. planifrons spezialisiert ist:
a) durch seine hohe Lamellenzahl, die mitx 11x das Maximum
für E. planifrons bedeutet;
b) durch die von E. planifrons gänzlich verschiedene Weiter-
bildung seiner Joche, welche den im Punkte 3 namhaft gemachten
Fehler noch vergrößert.
5. Zudem hat Soergel die rekonstruierten Höhen mit
unrekonstruierten der F.A.S. verglichen.
6. Schließlich hat er bei der Höhenbestimmung des Laaerberger
Zahnes durch die den Tatsachen widersprechende Ver-
kürzung der letzten Lamelle um 6'834 mm das Maximalmaß von
114 mm auf 140 mm erhöht.
Diesen bei einem Widerlegungsversuch und in einer wissen-
schaftlichen Streitfrage um so schwerer einzuschätzenden Irr-
tümern gegenüber hat unsere auf Grund einwandfreier Plaste-
linrekonstruktion der zwei vorletzten Lamellen aufge-
baute Höhenbestimmung den maximalen Höhenwert weiter auf 106 mm
erniedrigt.
Beide Zahlen (114 und 106 mm) fallen vollauf unter das mögliche
Minimum für E. meridionalis. Wir werden also von vornherein keine
höhere Lamellenformel als x 11 x erwarten dürfen.
Dies bestätigt sich selbst unter der Annahme, daß Soergels
Weg zur Rekonstruktion des Stückes — bis auf die oben beleuchtete
[25] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 117
Erniedrigung der Spitze der letzten Lamelle um 684 mm — richtig
gewesen wäre.
Wie die Textfigur 3 (s. S. 110) durch den eingezeichneten Ver-
lauf der korrigierten Höhenlinie zeigt, werden infolge der notwendigen
Korrektur von 140 mm auf 114 mm glatt 2 Lamellen des Vor-
derendes des Zahnes abgeschnitten.
Die Bedingtheit dieses Verlustes ergibt übrigens auch die bloße
Erwägung der Tatsache, daß die höchste Höhe von der x 8. auf die
x 7. Lamelle infolge der Fehlerkorrektur zurückgerückt werden mußte,
eine Entfernung, welche die Breite der beiden vordersten Joche samt
Zementintervallen noch übertrifft.
Damit aber sinkt der Zahn — ganz abgesehen von der
nötig werdenden Längenreduktion — auf eine Lamellenformel
vonx1ll oder praktisch x 10x Jochen herab. Wir sehen
also wieder, daß Soergel bei gewissenhafter Arbeit
selbst auf die Unmöglichkeit seiner Resultate hätte
kommen müssen.
Seine Lamellenrekonstruktion mußte schon umso unrichtiger aus-
fallen, als auch seine Annahme, die größte Höhe des Mz von E. meri-
dionalis liege im vordersten Zahndrittel, nicht den Tatsachen
entspricht, ja nicht einmal seine eigenen Erfahrungen am Tro-
gsontherienmaterial zu ihr berechtigen.
Bei dem ersten von ihm herangezogenen Trogontherien-
molaren (l. ec. S. 8) mit x 16x Jochen liegt die höchste Höhe an
der x 9. Lamelle von hinten, vor ihr liegen 7 x Lamellen.
Bei dem zweiten Zahn mit x 19 x liest sie an der x 11. Lamelle
von hinten, vor ihr sind also 8 x Joche. Wäre die höchste Höhe
wirklich im vorderen Drittel, so müßte sie am ersten Zahn wenigstens
in der Gegend der x 12. Lamelle von hinten, am zweiten in der
Gegend der x 14. zu finden sein.
Diese drei Joche samt drei Zementintervallen sind schon am
Trogontheriimolaren, für den wir einen Durchschnitts-L. L. Q. von
17:5 (Soergel, ]l. ec. S. 36) annehmen müssen, ein nicht zu unter-
schätzender Wert von 175.3 —=52°5 nm.
Es ist klar, daß die bloße Uebertragung dieses Fehlers
auf E. meridionalis bei dem viel größeren L. L. Q. dieser Art stark
irreführend ist. Nun verschiebt sich aber, je weiter wir in der Ahnen-
reihe der Elefanten zurückgehen die Lage der höchsten Lamelle
immer weiter nach rückwärts. Wie wir an den beiden Meridionalis-
molaren der F. A. S. (s. S, 101) ersehen konnten, liegt bei dieser Form
der höchste Punkt ungefähr in der Mitte des Zahnes.
Eine zuverlässige Rekonstruktion wird sich demgegenüber vor
allem aufbauen müssen:
1. Auf der unter Zugrundelegung der Verbindungslinie zwischen
x vor- und x drittletztem Joch erschlossenen tatsächlichen Höhe von
106 mm.
2. Auf der Erfahrung, daß die höchste Kronenhöhe bei Archidis-
kodonten ungefähr in der Mitte, eher noch weiter rückwärts
(s. die Zahlen der beiden Meridionalismolaren auf S. 100/101) ge-
legen ist. |
118 G. Schlesinger. [26]
Mit Hilfe dieser zwei Prämissen sind wir in der Lage, die
Länge des intakten Zahnes festzulegen: :
Seine höchste Höhe von 106 mm betrifft 3 Joche, das x4., xD.
und x6. Vor ihnen tragen die ersten beiden stärkere Basal-
zacken (s. Textfigur 5) und sind absolut genommen die höchsten.
Nun sehen wir, um nicht pro domo zu handeln, davon ab, daß
die höchste Höhe am x 4. Joch gemessen wurde und nehmen das
Maß der halben Länge vom hinteren Talonende bis zum Beginn _
der Hinterwand der x 5. Lamelle, statt wie es richtig wäre, den
vorderen Meßpunkt in den Zementzwischenraum zwischen x 4. und
x 5. Joch anzunehmen: wir erhaltensoalshalbe Länge 140 mm.
Mithin hatte der Zahn vollständig 280 mm gemessen.
Ich hatte mich also bei meiner ersten Publikation in der mut-
maßlichen Längenbestimmung um ganze 10 mm geirrt!
Die Länge des erhaltenen Restes beträgt 233 mm, mithin sind
280 — 233 — 47 mm zu ergänzen.
Wieviel Lamellen verteilen sich auf diese 47 mm?
Soergel hat (l. c. S. 24—29) des längeren auseinandergesetzt,
daß der L. L. Q. in dem Maße wachse, als der Zahn in der Ab-
kauung fortschreitet. Ich komme noch auf diese Frage zurück.
Für unseren Fall wollen wir vorläufig, um Soergel weitest ent-
gegenzukommen, mit dem von ihm errechneten L. L. Q. von 23°0 für
die vorn fehlenden Joche die Verteilung vornehmen:
Mit der Annahme von zwei Lamellen haben wir
bereits unseren Zahlenvorrat erschöpft (2.23 = 46 mm)
und es bleibt uns nur 1 mm übrig.
Wir sind also selbst bei der Voraussetzung, daß
die Werte von Joch-Zementintervallnach vorn etwas
abnehmen, nicht imstande, einen vorderen Talon im
Rekonstruktionsbild zu rechtfertigen: die Lamellen-
formel bleibt nach wie vor x 10.
So stellt sich die Frage der Lamellenergänzung wahrheits-
gemäß dar.
Freilich! wenn man auf Grund von mehr als sechs falschen Vor-
aussetzungen einen Zahn ergänzt, dann kann man immerhin auch zu
einer Länge von 326 mm und einer Formel von x 12x gelangen.
Mit der Festlegung der Höhe von 106 mm Maximum (unange-
kaut) und der Formel von x 10 bei einer Länge von 280 mm ist die
Bestimmung des Zahnes als E. planifrons außer allem Zweifel.
Bevor ich weitergehe, um noch einige Soergelsche Argumen-
tationen, die allerdings für die Bestimmung nichts mehr entscheiden,
zu beleuchten und durch ihre Widerlegung Streiflichter auf die Richtig-
keit meiner Bestimmung rückfallen zu lassen, will ich mit einigen
Bemerkungen die in Textfigur 6 und 7 (s. S. 119) dargestellte
Rekonstruktion in Gips und Plastelin erläutern.
Auf Grundlage der gewonnenen, eben geschilderten Ergebnisse
hinsichtlich Höhe, Länge und Lamellenzahl wurden zunächst
die Lamellen, soweit in Resten vorhanden, über einem Gipsabguß
[27] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 119
Textligur 6.
Elephas (Archidiscodon) planifrons Fale.
M7 sin. vom Laaerberg in Gips rekonstruiert, von innen gesehen.
Fundort und Horizont: wie bei Textfigur 4.
Wiedergabe: '/, natürlicher Größe. (Originalaufnahme.)
Das Original ist an dem dunkleren Ton kenntlich. (Vgl. dazu den Text auf S, 118.)
Textfigur 7.
Elephas (Archidiscodon) planifrons Fale.
Die in Textfigur 6 dargestellte Rekonstruktion von oben gesehen.
Fundort, Horizont und Wiedergabe wie bei Textfigur 6.
Man beachte die schmale Form der Kaufläche.
120 G.. Schlesinger. [28]
in Plastelin ergänzt, dann wurden die Zementzwischenräume mit
Gips ausgegossen und vorn an den Zahn in der erschlossenen Länge
die beiden fehlenden Joche samt Intervallen anmodelliert.
Der Schwung der Kaufläche ist durch den Verlauf der Spitzen-
kurve der hinteren vier Joche gegeben und wurde nach dem Vorbild
von zwei Meridionalis-Molaren aus dem Budapester Museum, für
deren Uebersendung ich Herrn Kollegen Dr. Th. Kormos zu beson-
derem herzlichem Dank verpflichtet bin, durchgearbeitet.
Die genau, mit Hilfe des auf S. 109 geschilderten Apparates
gemessenen Jochhöhen der Rekonstruktion betragen von hinten an:
12, 93, 103, 105, 1061), 1061), 106%), 1055, 102, 89, 72
Bezüglich der Wurzelergänzung verweise ich auf den nächsten
Abschnitt,
3. Die Zahnwurzeln.
Mit den vorerwähnten Ausführungen erscheinen die Argumente
Soergels ebenso gründlich als erschöpfend erledigt. Den übrigen
Merkmalen “erkennt er keine Beweiskraft für die Artbestimmung zu.
Trotzdem ist es interessant und lehrreich, sie einzeln durchzugehen.
An Hand der Abbildungen von drei Primigeniusmolaren
— Soergel zieht immer bei kritischen Fragen über Archidiskodonten
hochspezialisierte Elefanten heran — erläutert er die Art, wie nach
seiner Meinung die Wurzelbildung bei Elefanten vor sich geht. Er
schreibt (l. ec. S. 16—18): b
„Wie oben schon gesagt, beginnen die letzten Molaren mit fort-
schreitender Abkauung die einzelnen Wurzeläste, die infolge der
Vorwärtsbewegung des Zahnes sich immer stärker nach hinten biegen
und dem Zahn anschmiegen, zu einem wandartigen Gebilde zu ver-
schmelzen. Im ersten Stadium — beiMammutzähnen nach Abkauung von
4—6 Lamellen — bildet sich auf beiden Seiten an der Zahnunterseite
eine relativ dünne Wand, die in der Mitte die Zahnkronenbasis ein-
schließt, im hintersten Zahnteil aber häufig schon zu einer kompakteren
Masse verwachsen ist... Die Höhe einer solchen Dentinwand ent-
spricht in dem ersten Stadium ungefähr derjenigen der Wurzeläste.
Bei fortschreitender Abkauung wird der Wurzelpartie mehr und mehr
Dentin zugeführt, die einzelnen Wurzeläste treten allmählich als
Komponenten der Dentinwand zurück ... und letztere wächst bei
fortdauernder Dentinzufuhr zu sehr beträchtlichen Höhen... Indem
an der Zahnkronenbasis sowohl als an der Dentinwand innen fort-
während Dentin abgesetzt wird, rückt die Zahnkronenbasis einmal
immer tiefer hinunter und wird anderseits sehr stark eingeengt. Sie
bildet schließlich nur noch eine sehr schmale Fläche, die häufig all-
seitig von Dentin eingeschlossen ist.“
Soergel erörtert dann, daß sich der letzte Molar, wenn er
bis zu einem gewissen Grade abgekaut ist, nicht mehr vorwärts,
‘) Die Höhen dieser Joche von der Spitze der Basalzacken an betragen:
115, 114, 112 mm.
[29] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 121
sondern nur mehr aufwärts schiebt und fährt fort (l. ec. 8. 18):
„Im gleichen Tempo“ — nämlich des Hochschiebens — „wird
aber unten Dentin abgesetzt“.
Es erschien mir von vornherein unwahrscheinlich, daß sich die
Verhältnisse tatsächlich in dieser Weise abwickeln. Die Elefanten
würden dann eine Zahnung aufweisen, die ganz grundsätzlich
von allen übrigen Säugetieren verschieden wäre, da von
keinem Säugetier bisher ein effektiv sekundäres Wurzel-
wachstum — und ein solches nimmt Soergel (s. 8. 18 letzte
Zeilen) an — bekannt geworden ist. Es wäre doch zu erwarten, daß
sich bei anderen hypsodonten Formen, z. B. Pferd, Nager, An-
klänge fänden.
Noch unzuverlässiger erschien mir die Darstellung Soergels,
als ich die zur Erläuterung herangezogenen Abbildungen überprüfte:
Figur 1 auf S. 15 (l. c.) zeigt einen Primigeniusmolaren
in einem ziemlich frühen Stadium der Abkauung mit großer Lamel-
lenzahl. Im vorderen Abschnitt sind charakteristische Zapfenwurzeln
mit besonders an der ersten von ihnen deutlichem Pulparkanal sichtbar,
hinten die von Soergel als „Dentinwand“ angesprochene Wurzelpartie,
in Bildung begriffen.
An Figur 2 (l. c. S. 16) konstatiert Soergel die Vergrößerung
der „Dentinwand“ und das „Zurücktreten der Wurzeläste als Kom-
ponenten“ dieser. In der Tat hat aber dieser Zahn nur mehr zirka
13 Joche, entspricht also ungefähr der hinteren Hälfte des in Figur 1
abgebildeten Zahnes. Figur 2 stellt also bloß den rückwärtigen Ab-
schnitt der Krone eines M3 von E. primigenius dar, welcher schon
von Anfang an mit jenem Wurzelgebilde versehen war,
das Soergel als „sekundäre Dentinwand“ betrachtet. Warum dieses
Gebilde an dem wenig abgekauten Zahn noch mäßig entfaltet war,
hat wesentlich andere Gründe als er meint, die wir bald
werden kennen lernen.
Figur 3 endlich (l.c. S. 16) zeigt diesen Wurzelteil zwar nach
untenhin ausgewachsen, aber infolge der fortschreitenden Ab-
kauung und der Alveolenobliteration nicht mehr voll-
ständig. Vorn sind erhebliche Teile weggebrochen.
Hätte sich Soergel die Mühe genommen, die leicht zugängliche
Dentition des Pferdes, welche hinsichtlich der bedeutenden
Kronenhöhe ähnliche Verhältnisse bietet, durchzunehmen, so wäre ihm
wahrscheinlich die Sache so klar geworden, wie sie wirklich ist.
Infolge der Liebenswürdigkeit des Vorstandes der anatomischen
Lehrkanzel an der Wiener tierärztlichen Hochschule, Herrn
Prof. Dr. K. Skoda, dem ich zu großem Danke verbunden bleibe,
war es mir möglich, in die Zahnung des Pferdes an der Hand von
entsprechendem Schädelmaterial vollen Einblick zu gewinnen.
Beim Pferd geht das Molarenwachstum folgendermaßen vor sich:
Schon beim zweijährigen Fohlen sind die Molaren und mo-
larisierten Prämolaren im Kronenteil vollkommen ausgebildet,
die Wurzeln sind vollständig angelegt, doch sind die Pulparkanäle
noch über das Normallumen weit geöffnet.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (Schlesinger.) 16
122 G, Schlesinger. [30]
Bis zum 6. Lebensjahre sind die Kanäle bis auf dieses Lumen
geschlossen, das Wurzelwachstum ist beendigt, die Wurzelhöhe hat
sich gegenüber der am zweijährigen Fohlen kaum merklich vergrößert.
Schon beim zweijährigen ist die Krone in ihrer ganzen
für alle späteren Jahre beständigen Länge angelegt, steckt aber
zu gut ?/; in der mächtigen und tiefen Alveole, welche dem Kronen-
querschnitt genau angepaßt ist.
Vom Zeitpunkt der ersten Abkauung an rückt nun bei gleich-
bleibender Wurzelhöhe die Krone in dem Maße aus der Alveole,
als Material oben abgerieben wird. Dieses Herausrücken geht, wie
bei allen Säugern Hand in Hand mit der fortschreitenden Oblite-
ration der Alveole und ihrer Anfüllung mit Knochenspongiosa
von unten nach oben.
Der Zahn wird also gewissermaßen aus der Alveole heraus-
gedrückt. Dabei verändert sich die Wurzel nicht im geringsten —
abgesehen von der Schließung der Kanäle — und bei alten „Mummel-
greisen“ wird nach völliger Abnützung der Kronenteile die Wurzel
weiter abgekaut, welche nunmehr in einer ihrer schon am zweijährigen
Pferde vorhandenen Größe entsprechenden Alveole sitzt.
Es ist kein Grund vorhanden, die Prinzipien des Zahnwachs-
tums für den Elefanten anders anzunehmen.
Wohl aber erfährt dieses durch das eigenartige Herausrücken
insofern eine Modifikation, als der Ablauf der einzelnen Bildungs-
prozesse nicht gleichzeitig, sondern hintereinander von-
statten geht. Dieses zeitliche Hintereinander muß um so
vorgeschrittener sein, d. b. die Endstadien müssen um So
später erreicht werden, je höher wir in der Stammes-
geschichte der Elefanten emporsteigen und erreicht naturgemäß sein
Maximum mit E. primigenius. Die Auflösung in ein Hintereinander
wird aber um so geringer sein, je ursprünglichere Vertreter des
Stammes wir in Betracht ziehen.
Gehen wir nun, um in der Frage ganz klar zu sehen die
Proboseidier durch.
Die ursprünglichsten Vertreter, bei welchen bereits deutliche
Anzeichen eines bogenförmigenHerausrückensderMolaren
nachweisbar sind, aber noch vertikaler Zahnersatz allgemein statthat,
sind die Mastodonten. Die Wurzelpartie eines M3 von Mastodon
setzt sich im einfachsten Fall (siehe Textfigur 8 und 9) aus zwei
Teilen zusammen: Eine vordere Pfahlwurzel trägt stets das
erste Joch; hinter ihr trägt alleübrigen Joche eine mächtige,
als plumper Zapfen mit gewaltiger basaler Breite nach
unten ragende Wurze#. Diese Verhältnisse können insofern
eine Erweiterung erfahren, als normal auf die vordere Pfahlwurzel,
also längsgestellt, eine weitere ähnliche, aber flachere Wurzel hinzu-
treten kann. Stets aber kehrt der mächtige die hinteren
drei bis vier Joche tragende Zapfen wieder.
Dieser Bau, welcher alle ursprünglicheren Mastodonzähne
einschließlich M. longirostre!) kennzeichnet, erfährt gewisse Differen-
!) Die nächstverwandte Form zu M. latidens, dem Elefantenahnen,
[31] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 123
zierungen bei M. americanum, die uns als Parallelerscheinung recht
gut die Entstehung der Wurzeln der Molaren höherer Elefanten er-
klärlich machen. Die vordere Pfahlwurzel (s. Textfigur 10) kann sich
teilen, bisweilen sogar in mehrere Aeste.
Doch bleibt der große hintere Zapfen stets intakt.
Daß diese mächtige hintere Wurzel auch bei den zu den
Elefanten überleitenden Arten (M. latidens) angehalten hat, beweist
der Längsschnitt in der F. A. S. (Pl. II, Fig. 8). Ein nebenstehender
Schnitt durch einen Americanum-Zahn |]. c. Pl. III, Fig. 9) ermöglicht
sehr schön die Homologisierung, zumal bei beiden Zähnen die
Pulparräume recht gut abgegrenzt erscheinen.
Doch auch ein E. planifrons-Molar selbst ist uns von Falconer
F.A.S. Pl. XVII, Fig. 2, 2a) überliefert und der Autor fühlte sich
sogar veranlaßt (Pal. Mem. Vol. I, p. 450) den „great fang in front“
besonders hervorzuheben. Ich gebe in Textfigur 11 (s. S. 124) der
Wichtigkeit wegen eine Reproduktion.
Recht lehrreich ist es, mit diesen vieren nochals
fünften den in Textfigur 12 dargestellten Primigenius-
molaren zu vergleichen.
Ich glaube, es kann wohl keinem Zweifel unterliegen,
daß der mächtige — von Soergel als „sekundäre Dentin-
wand“ angesprochene — hintere Wurzelzapfen bei E. primi-
genius, E. planifrons wie auch E. meridionalis (s. Textfigur 2b) und
M. latidens ein reines Homologon zu dem entsprechenden
Gebilde bei allen Mastodonten darstellt.
Daß Soergel diese Homologisierung übersah und von einer
sekundären Bildung sprach, ist wohl nur als Folge einer durch die
rege Beschäftigung mit höheren Elefantenmolaren erworbenen Kurz-
sichtigkeit begreiflich.
Die vordere Wurzel des Mastodontenzahnes dagegen,
welche über E. planifrons noch bis zu E. meridionalis (s. Textfigur 2b)
hinauf anhält, ist den zahlreichen Pfahlwurzeln des höheren Elefanten-
zahnes homolog.
Nach dieser grundlegenden Feststellung klärt sich die höchst
merkwürdige Annahme Soergels, daB eine Wurzel „mit Hilfe
sekundärer Dentinablagerungen* weiterwächst, der Molar also ge-
wissermaßen ein Wachstum nach unten erfährt, sehr einfach:
Während bei ursprünglichen Arten der Gattung Elephas (z. B.
E. planifrons) infolge des auf einen weniger langen Zeitraum ver-
teilten Herausrückens des Zahnes die Bildung seiner Krone und
seiner Wurzeln rascher beendigt ist, die Pulparkanäle also in kürzerer
Zeit auf das Normallumen gebracht werden, erscheint dieser
Vorgang bei höheren Elefanten, insbesondere bei E. primigenius,
zeitlich enorm gedehnt. Das Schließen der Pulparkanäle der
einzelnen Wurzeläste auf das Normallumen erfolgt nach und nach,
u. zw. von vorn nach rückwärts. Am längsten und weitesten
offen bleibt der große hinterste Wurzelast — Soergels irrtüm-
licherweise konstatierte Dentinwand.
16°
124 G. Schlesinger. [32]
Textfigur 9.
Textfigur 11.
[33] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 125
Textfigur 12.
Erklärung zu den Textfiguren 8—12.
Letzte untere Molaren (M 3) verschiedener Mastodonten und Elefanten, um
die Homologie der Wurzeln, insbesondere der mächtigen hinteren Zapfenwurzel,
die Soergel fälschlich als „sekundäre Dentinwand“ angesprochen hat, zu veran-
schaulichen.
Textfigur 8.
Mastodon (Zygolophodon) tapiroides Cuv.
MF dext. (von innen). Fundort: Klein-Hadersdorf bei Poysdorf (N.-Ö.). —
Horizont: Oberes Helvetien (Grunder Schichten).
(Die Kauflächenansicht dieses Zahnes siehe in” meiner S. 95, Fußnote 3
zitierten Arbeit, Taf. XXI, Abb. 8.)
Textfigur 9.
Mastodon (Bunolophodon) “"4s!idens_Cuv.
longirostre Kaup.
MF dext. (von innen). Fundort: Poysdorf (N.-Ö). — Horizont: Unteres
Pliozän.
(Die Kauflächenansicht siehe in meiner S. 95, Fußnote 3 zitierten Arbeit
Taf. IX, Abb. 1.)
Textfigur 10.
Mastodon (Mammut) americanum Cuv.
M7F sin. (von außen). Fundort: Missouri (U. St. A.) — Horizont: Quartär.
Textfigur 11.
Elephas (Archidiscodon) planifrons Fale.
M7F sin. Fundort: Sewalik Hills (Ostindien). — Horizont: Mittelpliozän.
(Das Bild ist eine Kopie nach Falconer [F. A. S. Pl. XVIII, Fig. 2] und
ist zum Zweck des besseren Vergleiches „seitenverkehrt“* zur Darstellung
gebracht.)
Textfigur 12.
Elephas (Ewelephas) primigenius Blb.
M7 sin. (von außen). Fundort: Krems a.d.D. (N.-Ö.).— Horizont: Quartär.
-
Wiedergabe sämtlicher Bilder: !/, natürlicher Größe.
Sammlung: Mit Ausnahme von Textfigur 11 sind sämtliche Bilder Original-
aufnahmen nach Stücken der Sammlung der Geologisch-paläontologischen Abteilung
des k. k. Naturhistorischen Hofmuseums in Wien.
126 G. Schlesinger. [34]
Textligur 13.
Elephas (Euelephas) primigenius Bib.
Letzter oberer Molar (M3) von der Wurzelbasis gesehen, um den zeitlich ver-
schiedenen Abschluß der Pulparkanäle auf das Normallumen zu zeigen.
(Die vordersten Wurzelzapfen sind bereits völlig geschlossen, weiter rückliegende
lassen noch das Normallumen erkennen, die hinterste Zapfenwurzel ist weit geöffnet.)
Fundort: Oberweiden. (N.-Ö.) — Horizont: Quartär (Löß).
Wiedergabe: !/, natürlicher Größe.
Sammlung: Niederösterreichisches Landesmuseum in Wien.
Ein Blick auf die Textfigur 13, welche einen letzten Primi-
geniusmolaren mit sehr schön erhaltenen Wurzeln darstellt,
bringt die endgültige Lösung:
An den vorderen Wurzeln, welche ganz niedergekaute, nicht
mehr wachstumsfähige Lamellen tragen, sind die Pulparkanäle bereits
geschlossen. Je weiter wir nach rückwärts‘gehen, desto offener sind
[35] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 127
sie. Die hinterste und größte Wurzel ist basal sehr weit geöffnet.
Diese wächst also bis zu einem verhältnismäßig hohen Alter beim
Mammut, doch natürlich auch nicht länger als bis sie
mit der Verengerung aufihrNormallumen ihr individu-
elles Wachstum abgeschlossen hat; sekundäre Er-
scheinungen sindalso nicht im Spiel; das lange Weiter-
wachsen ist durchaus eine Erscheinung primärer
Natur. Ist das Wachstum abgeschlossen, dann beginnt beim Elefanten
genau so das Herausschieben des Zahnes durch Öbliteration
der Alveole wie beim Pferd.
Daß ich auf diesem Gebiete Herrn Kollegen Soergel ein
Privatissimum lesen mußte, ist um so bedauerlicher, als ihm ein
sehr umfangreiches Material gerade von höheren Elefanten zur Ver-
fügung stand. Das hinderte ihn aber nicht, in der Zahnwurzelfrage
seine „eigenen“ Wege zu gehen und mit großer Entrüstung von
„meinem Mangel an Kenntnissen über die Anatomie des Elefanten-
zahnes* zu sprechen.
Der Grund, weshalb sich Soergel in die vorerörterten Spekula-
tionen über das Wurzelwachstum des Elefantenzahnes einließ, war
die Absicht, das von mir für die Bestimmung von Archidiskodonten-
molaren herangezogene Verhältnis zwischen Wurzel- und Kronen-
höhe als hinfällig zu erweisen.
Daß für die hochstehenden Elefanten das vorerwähnte Kronen-
Wurzel-Verhältnis praktisch in den seltensten Fällen wird heran-
gezogen werden können, geht aus meinen Erörterungen über die
Zahnbildung dieser Formen ohne weiteres hervor. Es ist mir auch
nie eingefallen, dieses Bestimmungsmoment für E. primigenius u. ä.
als wichtig zu behaupten.
Dagegen bleibt es nach wie vor für die Trennung ursprünglicher
Arten, insbesondere E. planifrons und E. meridionalis aufrecht und
ich hoffe es bei meiner bevorstehenden Bearbeitung der Budapester
Archidiskodonten recht ausgiebig gebrauchen zu können.
Daß nach Kenntnis dieses wahren Sachverhaltes eine
Schlußbemerkung, wie die Soergels auf S. 21 (l.c.) „das Haupt-
argument Schlesingers - für die Bestimmung des Dobermannsdorfer
und damit auch des Laaerberger Zahnes als El. planifrons Falc. hat
sich also als eine starke Irrung erwiesen“, ihre „besondere“
Wirkung aufmich nichtverfehlen konnte, darf iich wohl
versichern.
4. Die Form der Kaufläche.
Soergel bespricht des längeren die Möglichkeit, daß recht-
eckige und ovale Kauflächen an einer Spezies vorkommen können
und erörtert die fast mangelnde Beweiskraft dieses Merkmals. Ich bin
diesbezüglich zu ganz ähnlichen Schlüssen gekommen und habe dies
in einer anderen Arbeit (Meine Antwort in der Planifronsfrage 1.
Die Herkunft des E. antiquus. Zentralbl. f. Min. Jahrg. 1916, Nr. 2
u. 3) zum Ausdruck gebracht. Für die Bestimmung der beiden nieder-
österreichischen Zähne wurde das Merkmal von mir nicht verwendet.
128 G. Schlesinger. [36]
5. Der Längenlamellenquotient.
Etwas anders steht es mit dem Längenlamellenquotient; auch er
wurde zwar von mir als „direktes Bestimmungsmoment“* nicht heran-
gezogen (vgl. auch Soergel, l. e. S. 27), doch möchte ich zu einigen
Ausführungen Soergels, bezüglich deren ich anderer Ansicht bin,
Stellung nehmen.
Vor allem ist ein Mangel der gesamten Erörterung, daß er wieder
alles aus der Perspektive seines „Normalelefanten* (E. trogontherii)
beurteilt. So ohne alle Belege — außer den hochkronigen Trogontherien-
elefanten — zu behaupten, daß die letzten Unterkiefermolaren
aller Elefanten einen Längenlamellenquotient aufweisen, welcher mit
„dem der nächstälteren Art übereinstimmt“, nenne ich zumindest
wenig objektiv. Uebrigens hat meine Zusammenstellung der Längen-
lamellenquotienten von Molaren des E. planifrons und E. meridionalıs
(Ein neuerlicher Fund |. e. S. 728/729) schon gezeigt, daß untere
letzte Molaren einen größeren Quotienten haben als obere. Die Größe
des Unterschiedes scheint aber nur recht gering zu sein; um Genaues
darüber zu erfahren, müßten sicher einem Schädel zugehörige
Molaren gemessen und berechnet werden. Derartige Momente mögen
bei höheren Elefanten, wo durch die große Lamellenzahl geringe
Unterschiede maßgebend werden können, praktischen Wert haben,
für Archidiskodonten sind sie jedenfalls sehr theoretisch.
Ganz ähnlich ist die „radiale Anordnung“ der Schmelz-
büchsen gegen die Zahnkrone hin aufzufassen. Bei diesem Charakter,
der ja gleichfalls für E. trogontheris und Formen seiner Spezialisations-
höhe von Wesen ist, kommt noch hinzu, daß sich die Kauebene bei
Archidiskodonten um so mehr der Parallelen zur Zahnkronen-
basis nähert, je tiefer wir im Stammbaum nach abwärts steigen.
Damit werden die Joche immer weniger schräg geschnitten, der
Unterschied des Längenlamellenquotienten wird kaum nennenswert.
Daß ein Vergleich des Dobermannsdorfer Restes in diesem
Sinne mit einem Trogontheri-Rest von 4 x einfach nicht durchzu-
führen ist, außer man nimmt von vornherein eine Artidentität an,
ist mehr als klar: — 4 x Joche eines Mz von E. trogontherii mit
x 16 x Jochen sind ja nicht gleichwertig mit x 5 — eines Zahnes
mit höchstens x 11 x.
Nun noch einige Worte zu den Einwendungen Soergels gegen
den von mir berechneten Längenlamellenquotienten.
Bekanntlich habe ich den Quotienten desLaaerberger Zahnes
mit einer Korrektur von 4 15 mm, d.i. die tatsächliche Länge eines
Zementintervalles aus der Gesamtlänge von 233 mm berechnet und
erhielt 233415 — 248:9—=27'6.
Demgegenüber meint Soergel (l. c. S. 28): „So klar, wie
Schlesinger behauptet, ist die Korrekturbedürftigkeit des ersten
Wertes nun durchaus nicht. Schlesinger hat übersehen, daß bei
jedem Zahn die Zahl der Joche um 1 größer ist als die der Zement-
intervalle — — —.“
Leider hat Soergel im Eifer gänzlich übersehen, daß ich —
und übrigens tat auch er es — bei Berechnung des Längenlamellen-
[37] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 129
quotienten sets die beiden Talone (x—x) als 1 Lamelle an-
genommen habe (s. meine Tabellen Il. c. S. 728—731), bei der
schwachen Ausbildung der Talone jedenfalls ein einwandfreier Weg.
Damit gleicht sich aber die Anzahl der Joche und
die der Intervalle auf 1:1 vollständig aus.
Ein weniger übereilt blickendes Auge wäre also auch hier für
Herrn Kollegen Soergel am Platze gewesen. Schließlich dürfte ihm
sein Weg mit der Ignorierung meiner Korrektur doch nicht sehr
richtig erschienen sein, sonst hätte er nicht wieder „ein übriges getan“
und „ein halbes Zementintervall zuzuzählen“ für nötig befunden.
Damit gelangt er zu,einem Längenlamellenquotienten von 267 gegen-
über 27:6! Nach seiner Berechnung ist also der Längenlamellen-
quotient um ganze — oder besser eben nicht ganze — 0'9 mm kleiner.
Als Bestimmungsmoment habe ich den Längenlamellenquotienten
nicht herangezogen. Es ist aber immerhin interessant, zu sehen
(vgl. meine Tabellen 1. c. S. 728—731), daß der Mz des E. meridionalis
durchwegs hinter dem Wert von 25 zurückbleibt, dagegen die MZ von
E. planifrons stets über ihn hinausgehen.
6. Der Verschmelzungstyp.
Ueberraschenderweise wird der Verschmelzungstypus, den
Soergel in seiner Arbeit über E. trogontheriö und E. antiguus als
sehr wichtiges Moment gewertet hatte, von ihm nunmehr unbarm-
herzig degradiert. Der Grund ist offenbar der, daß ihm die lat. an.
med. lam. Verschmelzung am Laaerberger Zahn für eine Be-
stimmung als E. meridionalis höchst unbequem kam. Ich habe diesem
Merkmal in meiner im Zentralbl. f. Min. (Jahrg. 1916, Nr. 2 u. 5)
erschienenen Erwiderung auf die zweite Streitschrift Soergels recht
eingehende Betrachtungen gewidmet und kann mich hier kurz fassen.
Soergel stellt drei Grundtypen der Lamellenzusammensetzung
auf, welche den Verschmelzungstypus bedingen.
Fallen die Haupttrennungsspalten der Seitenpfeiler und des Mittel-
pfeilers konvergierend nach unten ein (l. c. S. 41, Figur 9a), so ent-
steht eine Fusion von lat. lam. med. an., fallen sie parallel ein
(l. c. 8. 31, Figur 95), so ist die Verschmelzung lat. und med. lam.,
divergieren sie (l. c. Fig. 9c), so entsteht der Typus lat. anmed.lam.
Dies ist nur unter der Annahme richtig, daß der Mittelpfeiler
im ersten Falle schwach, im letzten stark genug ist, damit nicht.
die Auflösung der inkompletten Figur nach der gegenteiligen
Fusion erfolgt.
Gerade den Fall haben wir beim Laaerberger Zahn. Trotz-
dem die Hauptspalten konvergieren, ist. die Verschmelzung ausge-
sprochen lat. an. med. lam., d.h.der Mittelpfeiler überwiegt
durchgehends an Stärke derart, daß die Hauptspalten gar nicht
so tief reichen können, um eine andere als eben diese Fusion her-
vorzurufen.
An der von mir gegebenen Kauflächenansicht (Ein neuerlicher
Fund |. c. Taf. XXVII) sind an der drittletzten Lamelle sehr schön
die Hauptspalten ersichtlich, welche je einen einfachen Neben-
Jahrbuch d. k. k, geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (Schlesinger.) 17
130 G. Schlesinger. | [38]
pfeiler von dem fünfgliedrigen Hauptpfeiler trennen. Ich
habe diese Spalten in Textfigur 4 im Plastelin durch Kratzer gekenn-
zeichnet. Soergel zog es vor, zu „vermuten“, daß der Hauptpfeiler
nach hinten zu schwächer wird. Das ist nun nicht der Fall; vielmehr
mißt er am vorletzten inkompletten Joch 40 mm an Breite gegenüber
364 mm am letzten inkompletten, also vor jenem befindlichen
und behält den Wert von 40 mm auch an der x 1. Lamelle von hinten bei.
Der Typus lat. an. med. lam. ist also nicht zu umgehen.
Soergel schreibt (l. c. S. 42) weiters: „Schwache Medianpfeiler
und starke Lateralpfeiler sind das Primitivstadium, das E. planifrons,
meridionalis, zum Teil hysudricus besitzen.“
Nun habe ich in meiner schon öfters erwähnten Entgegnung im
Zentralbl. für Min. (Jgg. 1916, Nr. 2 und 3) sehr eingehend die
Fusionsverhältnisse der Planifronsmolaren der F. A. S. vor-
genommen und bin zu gleichen Schlüssen gekommen, wie ich sie schon
früher (Ein neuerlicher Fund |]. ce. S. 737) veröffentlicht hatte. Die
Richtigkeit dieser Ueberprüfung hatte auch Soergel zugeben müssen
(l. c. S. 42); allerdings meint er, es seien mir einige Zähne ent-
gangen. Vor allem sei dies Figur 7, Pl. XI. (F. A. S.); er betont zwar,
daß die Verhältnisse außerordentlich unklar sind, bestimmt ihn
aber doch als lat. lam. med. an. Ich konnte und kann mich nicht
entschließen, von einem Zahn, der nur am letzten Joch ganz verwischt
und höchst unsicher Spuren einer inkompletten Figur zeigt, einen
Fusionstyp abzulesen.
Der von mir übergangene Zahn (Fig. 8, Pl. XIV, F. A. S.) mit
nach Soergel typisch lat. Jam. med. an. Verschmelzung ist in meiner
Arbeit von 1914 (l. ec. S. 735, Abb. 651!) wiedergegeben. Aus dieser
Abbildung mögen die Leser selbst erschließen, ob man eine Ver-
schmelzung, vor welcher eine inkomplette Figur mit nur
2 Teilen sitzt, als typisch bezeichnen kann, Zwei weitere Zähne
werden auch von Soergel als unklar angegeben; übrigens ist einer
gleichfalls von mir abgebildet (l. c. 1914, S. 735, Abb. 6a).
Ich habe alle Molaren einer nochmaligen Prüfung unterzogen
und in der öfters erwähnten Arbeit (Zentralbl. für Min. Jgg. 1916,
Nr. 2 und 3) in Tabellenform zusammengestellt. Ich verweise hin-
sichtlich Einzelheiten auf diese Tabelle und wiederhole hier lediglich
die Ergebnisse:
„Bezüglich des Verschmelzungstyps sind also 2 Fälle ausge-
sprochen lat. an. med. lam.; 5 Molaren streben diesem
Typus deutlich zu; 1 ist intermediär; ein weiterer, in der
letzten inkompletten Figur lat. und med. lam., in der vorhergehenden
dagegen lat. Jam. med. an; 2 Zähne sind auf den Typus lat. lam.
med. an. zu beziehen; ein Fall ist zwar deutlich lat. Jam. med. an.,
am Joch dahinter aber lat. an. med. lam., noch weiter rückwärts
wieder lat. Jam. med. an., daher atypisch. An den übrigen 12 Molaren
ist der Typus nicht feststellbar.“ |
*) Die Zitate der F. A. S. sind durch Verwechslung von a und b durch den
Setzer vertauscht!
[39] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 137
Es ist höchst bemerkenswert, daß in 12 einwandfrei konstatier-
baren Fällen 7 Zähne mehr oder weniger, davon 2 ganz typisch
der lat. an. med. lam. Fusion zuzuteilen sind, während sich nur
4 Fälle auf den Typus lat. lam. med. an. „beziehen“ lassen,
wobei ich den atypischen Fall mit wechselnder Verschmelzung an
jedem Joch in diese Gruppe ziehe.
Von diesen ist der eine von mir mit dem Vermerk „vielleicht“
konstatiert; es ist.der eben erwähnte Zahn (Pl. XI, Fig. 7), Ein
zweiter ist atypisch (Pl. XII, Fig. 13a). Der dritte bloß an der
vorletzten inkompletten-Figur vorhanden, die letzte ist inter-
mediär (Pl. XII, Fig. 12a.) Der vierte ist zwar typisch, steht aber
in einem Kiefer, dessen linker Molar ausgesprochen lat. an. med. lam.
ist. (Pl. XI, Fig. 1). Dazu fügt Soergel noch einen (Pl. XIV, Fig. 8),
den ich nicht als feststellbar erklären kann. Ich kann mir weitere
Schlußfolgerungen wohl ersparen. Daß E. planifrons als ursprüngliche
Form nicht die hochspezialisierten schwachen Lateralpfeiler eines
k. antiquus haben kann, ist natürlich und bedarf wohl keiner Worte.
Was veranlaßt nun Soergel, einen schwachen Medianpfeiler
für ursprünglich, einen starken für fortgeschritten zu
halten ?
Der Umstand, daß zwei diluviale Stegodonten,
St. airawana und St. trigonocephalus, eine derartige Dreipfeiler-
teilung mit schwachem Mittelpfeiler aufweisen!
(."e.:8. 42), '
Wie ich schon im Abschnitt über die Zahnhöhe nachgewiesen
habe, sind die javanischen quartären Stegodonten in eigenartiger
Richtung weit über E. planifrons spezialisiert. Der Dreipfeilerbau der
Joche hat sich bei ihnen offenbar ganz selbständig und unab-
hängig von den Verhältnissen bei E. planifrons entwickelt,
für welch letzteren wir nun wohl die lat. an. med. lam. Ver-
schmelzung, allerdings nicht in der ausgesprochenen Form wie
bei E. antiquus, als ursprünglich annehmen müssen.
Auf die Artzugehörigkeit des Laaerberger Zahnes wirft sein
Verschmelzungstyp, der begreiflicherweise „einen unteren Grad“ der
lat. an. med. lam. Fusion (Soergel, l. c. S. 45) darstellt, ein recht
bezeichnendes Licht.
7. Eigenschaften des Schmelzes.
Zu. diesem Abschnitt halte ich es für unnötig, Stellung zu nehmen.
8. Die Schmelzfiguren.
Nach weitläufiger Erörterung verschiedenster Momente behauptet
Soergel (l. c. S. 55), die Schmelzfiguren hätten für mich „ein
wichtiges Bestimmungsmoment“ gebildet. Wer meine Arbeiten
wirklich studiert hat, wird diese „Beschuldigung“ nicht zu tragisch
nehmen. Ich habe bei der Bestimmung des Dobermannsdorfer
Zahnes die Form der Schmelzfiguren erörtert und mit E. planifrons
und E. meridionalis in Vergleich gesetzt; beim Laaerberger
17*
132 G. Schlesinger. [40]
Molaren nicht einmal das getan, sondern lediglich mehrere Abbil-
dungen zur Charakteristik der Uebereinstimmungen auch dieses
Merkmales gegeben.
Da ich es durchaus nicht nötig habe, auf dieses Merkmal als
Bestimmungsmoment Gewicht zu legen, übergehe ich es ebenso wie
die in diesem Abschnitt besonders reichlichen persönlichen Ausfälle
Soergels gegen mich. Hinsichtlich der Schwankungsbreite des
E. planifrons verweise ich auf meine Arbeit im Zentralbl. f. Min.
Soergel dürfte durch sie vielleicht doch einmal einem eingehenden
Studium der F. A. S. zugeführt werden. Nur nebenbei erwähne ich
das Auftreten effektiv antiguus-, ja sogar africanus-artiger Kauflächen-
formen an einzelnen sewalischen Planifronszähnen.
9. Der Winkel zwischen Kaufläche und Kronenbasis.
Was ich bezüglich der Verwendbarkeit des Verhältnisses zwischen
Krone und Wurzel früher gesagt habe, gilt auch für dieses von mir
neu eingeführteHilfsmoment für die Bestimmung von Elefanten-
molaren. Sein praktischer Wert kann möglicherweise für höhere Formen
gering sein, für Archidiskodonten ist er oft recht nützlich. Dabei
habe ich den Hilfscharakter schon seinerzeit ausdrücklich betont.
Soergel macht gegen diesen Winkel drei Einwände:
l. Der erste, nach dem er von dem Winkel beeinflußt werden
soll, in dem die Kaufläche die Lamellen schneidet, ist kaum stichhältig.
Daß die Lage der Kaufläche zu den Lamellen innerhalb ein und
derselben Art und natürlich bei dem jeweils gleichen Zahn, z. B.
M7z größeren Schwankungen unterworfen sein sollte als jedesandere
Merkmal, ist nicht einzusehen. Meint aber Soergel diese Schwan-
kungen, dann wäre auf Grund keines einzigen Merkmales eine
Bestimmung möglich.
2. Ganz das Gleiche gilt von dem zweiten Einwand. Bei diesem
kommt noch hinzu, daß die radiale Divergenz der Lamellen bei
Archidiskodonten recht mäßig ist. Es könnte sich nur um Wert-
schwankungen von wenigen Graden handeln — und eine solche Varia-
tionsbreite muß wohl jedem Merkmal zugebilligt werden.
Daß der Winkel ein „Bestimmungsautomat“ ist, habe ich
ja nie behauptet.
3. Aus der Abbildung (l. c. S. 62, Figur 12) zu diesem Einwand
ersehe ich, wie falsch Soergel den Winkel abnimmt. Ich glaube
hinlänglich dargetan zu haben, daß ich als einen Schenkel dieses
Winkels die Kauflächenebene, als zweiten die Ebene der
Kronenbasis beide als je ein Ganzes annehme und letztere nur
bei deutlicher Krümmung, in zwei Einheiten — ein Maximum und
ein Minimum — auflöse.
Wenn man die Kaufläche in zahllose kleine Streckchen zerlegt,
wie es Soergel in seiner Textfigur 12 (l. ce. S. 62) tut, kommt freilich
jedesmal ein anderer Wert heraus.
Sucht man dagegen den Winkel aus höchstens zwei — Maximum
und Minimum — Kronenbasisschenkeln und dem immer gleich-
[41] Meine Antwort in der Planifronsfrage. 133
bleibenden Kauflächenschenkel, dann ist es, wie Textfigur 14 sehr
klar zeigt, nicht einzusehen, warum die Ergebnisse bei geringerer
oder größerer Höhe des letzten unangekauten Joches
verschieden sein sollen, da sie doch aus Gegenwinkeln bei par-
allelen Geschnittenen genommen werden.
Textfigur 14.
Schema zur Darstellung der Konstanz des Winkels zwischen Kaufläche und Kronen-
basis und seiner Unabhängigkeit von der Höhe der letzten Lamelle.
Nun ist aber der Verlauf der Kronenbasis bei ursprünglichen
Elefantenarten sets derart, daB der schwache Bogen die Feststellung
eines solchen Maximal-, beziehungsweise Minimalschenkels
leicht ermöglicht.
Zusammenfassung.
Ich fasse zum Schluß den Stand der ganzen Frage nochmals
zusammen:
Von den Einwänden, welche Soergel gegen meine Bestimmung
gemacht hat, erkennt er zweien Beweiskraft in dem Sinne zu, daß
sie für eine Bestimmung als E,. meridionalis und gegen eine solche
als E. planifrons sprächen :
1. der Zahnhöhe,
2. der Lamellenformel.
Von diesen beiden „Beweisen“ muß der erste aus folgenden
Gründen als widerlegt und völlig mißglückt gelten:
l. Die Verhältniszahlen, welche Soergel für den Quotienten
zwischen höchster und letzter Lamelle des E. meridionalis annimmt,
entbehren jeglichen Rückhaltes und vermochten einer Nach-
prüfung nicht entfernt standzuhalten. Auf Grund genauer
Messungen betragen die bezüglichen Grenzwerte nicht 1'6— 2, wie
Soergel angab, sondern 13 — 16.
2. Das gleiche Verhältnis für E. planifrons wurde ebenfalls
völlig willkürlich von ihm mit Hilfe eines Oberkiefermolaren
von Sieg. airawana errechnet.
3. Dabei vergaß er:
a) daß Oberkieferzähne stets in einem größeren Krümmungs-
bogen aus dem Kiefer herausrücken als untere, daß daher die Höhen-
unterschiede ihrer Joche bedeutender sind;
134 G. Schlesinger. [42]
b) daß Steg. airawana durch seine an diesem Zahn vorhandene
Lamellenformel von x 11 x bereits. das Maximum der Spezialisation
für E. pianifrons bedeutet, daher für die Errechnung eines Minimal-
wertes auch bei sonstiger Eignung unbrauchbar wäre;
c) daß durch das starke Divergieren der vorderen und hinteren
jegrenzungsflächen der niedrigen Joche dieses Sfeyodon nach unten
bei einer Lamellenzahl von x 11 x die Kronenbasis viel mehr aus-
einandergezogen werden muß als bei #. planifrons, dessen weit höhere
Joche steil abfallende Wände aufweisen;
d) daB daher der Krümmungsradius bei dieser Form über-
haupt bedeutend kleiner, der Höhenunterschied der Joche also erheb-
licher sein muß als bei E. planifrons.
4. Bei dem Dobermannsdorfer Zahn hat Soergel die
mit Hilfe dieses errechneten falschen Verhältniswertes erschlossene
rekonstruierte Höhe mit tatsächlichen (unrekonstruierten)
Ilöhen der F. A. S. verglichen und zudem sich nicht einmal die Mühe
genommen, in dieser Hinsicht die Publikationen Falconers genau
durchzugehen. In letzterem Falle hätte er finden müssen:
a) daß die höchste von Falconer angegebene Höhe nicht 97 mm,
sondern 101°6 mm = 4 inches) beträgt; -
d) daB an zwei MF der F.A.S. die letzten Joche völlig zu-
verlässig abzumessen, daher die Werte der höchsten Lamellen
glatt zu errechnen sind.
Danach stellt sich die höchste Höhe eines sewalischen Mz von
E. planifrons auf 1165 mm. Der Dobermannsdorfer Zahn fällt
auf Grund rechnerischer Beweise mit allen Werten unter diese Zahl.
5. Den Laaerberger Zahn setzt Soergel nicht in Vergleich,
sondern schlägt zur Erkundung der Höhe — da ihm der erhaltene
Maximalwert selbst zu hoch erschien — den Weg ein, daß er die
Verbindungslinie zwischen dem letzten und dem auf 105, bzw.
108 mm willkürlich ergänzten vorletzten Joch nach vorn verlängert.
Dabei ist ihm der mehr als bedauerliche Fehler unter-
laufen, daß er die Spitze des letzten Joches um 6'84 mm .kürzte,
wodurch der Verlauf der Verbindungslinie zwischen
dieser und der nur 25 cm vor ihr gelegenen Lamelle
begreiflicherweise um ein enormes Stück nach vorn
hin zu hoch anstieg.
Eine genaue Berechnung dieses Unterschiedes ergab die höchst
überraschende Tatsache, daß sich der Wert der Zahn-
höhe- von 140 mm, welche Zahl Soergel gefunden zu haben
glaubte, bloß durch die Aufdeckung dieses Fehlers auf
114 mm erniedrigte.
Dieser Wert fällt aber bereits unter die oberste tatsächliche
Höhengrenze, welche auf Grund des Materiales’ der F. A. S. für Mz von
E. planifrons erschließbar ist, nämlich 1165 mm; ST
6. Um die richtige Höhe zu erkunden, wurden nunmehr die
vorletzte und drittletzte Lamelle in Plastelin (unter Beigabe einer
Abbildung, welche die Zuverlässigkeit dieser Rekonstruktion erhärtet)
genauestens ergänzt. Aus der Verbindungslinie dieser. beiden
Lamellenspitzen, welche eine sicherere Höhenbestimmung: verbürgen
[43] Meine Antwort in der Planifro nsfrage. 135
als die beiden letzten Joche, wurde nun die tatsächliche höchste
Höhe, unabhängig von allen rechnerischen Beweisen,
erschlossen: sie beträgt 106 mm und fällt in die Gegend
des x 4, und x 5. Joches von hinten.
Die Höhe steht mithin weit unter dem Maximalwert
des sewalischen MzZ von E&. planifrons.
Der zweite Beweisversuch, die Lamellenformel, ist durch
folgendes widerlegt:
1. Schon durch die Aufdeckung der schweren Fehlerquelle,
welche Soergel durch Entfernen von 6'834 mm von der Spitze der
letzten Lamelle in seine Schlußfolgerung eingeführt hatte, und ihre
Korrektur wurde die Höhe von 140 mm auf 114 mm herabgedrückt.
Wird nun die obere Kontur des Zahnes in dieser Höhe ausgezogen,
so fallen ohne weiteres zwei Lamellen von den von Soergel
fälschlich erschlossenen x 12 x Jochen hinweg.
Die Formel sinkt somit auf x1ll,oder praktisch auf
x10 x herab.
2. Trotz dieser glatten Widerlegung wurde die Formel unab-
hängig davon folgendermaßen erschlossen:
a) Ursprüngliche letzte untere Archidiskodontenmolaren tragen,
wie im besonderen Teil eingehend erwiesen wurde, ihre höchste Höhe
ungefähr in der Zahnmiitte.
b) Die höchste Höhe des Laaerberger Zahnes liegt zwischen
x 4. uud x 5. Joch.
c) Die Entfernung vom Zahnhinterende bis zur x 5. Lamelle
— eine Strecke ist dabei noch zugegeben — mißt 140 mm; die
ganze Länge des intakten Molaren betrug also 280 mm.
Daher maß das fehlende Stück 280—233 — 47 mm.
'd) Nehmen wir für die Lamellenverteilung selbst den von
Soergel geforderten niedrigen L. L. Q. von 23 für die vor-
dersten Joche, so kommen wir mit bestem Willen nur auf eineFormel
von x 10 Jochen, ohne 'vorderen Talon.
Durch die beiden Momente:1.Höhenwert derKrone
— 106 mm, und 2. Lamellenformel = x10 fällt der Zahn
vollauf in die Spezies E. planifrons; eine Vereinigung mit
E. meridionalis ist gänzlich ausgeschlossen.
Die folgenden Punkte stehen mit der Bestimmungsfrage der
beiden Molaren nicht in unmittelbarem Zusammenhang.
Trotz alledem ist ihre Diskussion, zur Beleuchtung der Arbeits-
methode Soergels und ihrer Resultate von Wesenheit. Ich wiederhole
daher die Ergebnisse einzelner meiner speziellen Erörterungen:
l. In der Frage der Zahnwurzeln, worin mir Soergel
gänzliche Unerfahrenheit vorwirft und ein „sekundäres“
Wachstum der Wurzel durch Bildung einer „Dentinwand“ behauptet,
konnte ich den Nachweis erbringen, daß Soergels sogenannte
„Dentinwand* ein Homologon der schon bei Masto-
donten an Mzin gleicher Stärke auftretenden, hinteren
mächtigen Zapfenwurzel darstellt.
136 G. Schlesinger. [44]
Diese Wurzel kehrt bei K&. planifrons noch in fast unveränderter
Form wie bei Mastodonten wieder und hält bis in die Ent-
wicklungshöhe des E. primigenius nur wenig verändert an.
Der Unterschied ist lediglich der, daß die Bildung der Wurzeln
um so mehr in ein zeitlliches Hintereinander aufgelöst wird,
je höher die betreffende Flefantenart spezialisiert ist.
Bei E. primigenius schließen die vordersten Pfahlwurzeln zuerst
ihre Pulparkanäle auf das Normallumen, beendigen daher ihr Wachs-
tum zu einer Zeit, wo die mittleren noch offen sind. Die hinterste
Wurzel wächst und ist noch offen, wenn schon alle anderen ihr
Wachstum abgeschlossen haben. Sie erreicht ihre endgültige Größe
zu einer Zeit, wo nur mehr verhältnismäßig wenige Lamellen in
Kaufunktion sind.
Diese Auflösung des durchaus primären Wachstums-
prozesses in ein zeitliches Nacheinander hat Soergel
irrigerweise als „Bildung einer sekundären Dentinwand*
gedeutet.
2. Bezüglich des Verschmelzungstyps sei im Gegensatz
zu der Hoffnung, die Soergel gehegt hat, daß am Laaerberger
Zahn der Hauptpfeiler nach hinten schwächer wird, betont, daß
das Gegenteil der Fall ist und sich die Fusion nach wie vor
als ausgesprochen lat. an. med. lam. darstellt.
Hinsichtlich dieses Merkmals konnte ferner festgestellt werden,
daß LE. planifrons vornehmlich dem eben genannten Typus zuneigt,
welcher wohl als der ursprüngliche gelten muß.
Die Annahme Soergels, daß der ursprüngliche Typus lat. lam.
med. an. ist, beruht auf der Feststellung eines schwachen Median-
pfeilers bei quartären Stegodonten.
Ihre eigenartige hohe Spezialisation über FE. planifrons, welche
nachgewiesen wurde, läßt diese Annahme als haltlos erscheinen.
Zum Schlusse sei noch hervorgehoben, daß Soergel bei Er-
örterung des Alters der Dobermannsdorfer Schotter den vollen
Widerruf W. Freudenbergs unerwähnt gelassen hat.
Die Laaerbergterrasse konnte durch neuerliche Be-
lege als mittelpliozän festgelegt werden.
Soergels Widerlegungsversuch meiner Bestimmungen der
beiden Mz von E. planifrons aus Niederösterreich entbehrt, wie wir
gesehen haben, nicht nur der bescheidensten Anforderungen, die man
an einen derartigen Versuch stellen muß, er hat auch eine Summe
von Tatsachen aufgedeckt, welche für die Sachlichkeit des Autors
nicht gerade einnehmen.
Der Schluß, in den er seine Betrachtungen ausklingen läßt, ist
zwar recht witzig, vermag aber an der Tatsächlichkeit meiner Be-
stimmung nichts zu rütteln.
Mit Witzen widerlegt man in wissenschaftlichen Fragen ebenso-
wenig, als man mit abgezwickten letzten Jochen zu richtigen Höhen-
rekonstruktionen von Elefantenzähnen gelangt.
Wien, im Juli 1915.
Ueber Kantengeschiebe unter den exotischen
Geröllen der niederösterreichischen Gosau-
schichten.
Von O. Ampferer.
Mit einer Lichtdrucktafel (Nr. IX).
Da meines Wissens aus den Gosauschichten der Nordalpen
bisher keine Kantengeschiebe beschrieben worden sind, möchte ich
hier auf das Vorkommen derselben in den Gosaukonglomeraten von
Niederösterreich aufmerksam machen.
Ich habe solche Geschiebe in einiger Häufigkeit vor allem in
den roten Konglomeraten mit zahlreichen exotischen Geröllen am
Großen Sattel bei Gießhübl sowie in denen der Gosau von Einöd bei
Pfaffstätten gelegentlich meiner Geröllaufsammlungen im Frühjahr 1915
gefunden.
Es sind solche Geschiebe aber auch an anderen Gosaufundorten,
z. B. beim Vierbrüderbaum bei Enzesfeld, in der Neuen Welt bei
Dreistätten sowie im Brandenbergertal in KNordtirol vorhanden.
Wahrscheinlich werden sie sich bei genauerem Zusehen als ziemlich
verbreitet erkennen lassen.
Im allgemeinen sind die Kantengeschiebe auf die exotischen
Gerölle beschränkt und unter diesen meist auf sehr feste gleich-
mäßige Quarzite oder auf dichte Felsophyre. Es kommen aber auch
aus Kalken bestehende Kanter vor. Die Gosaugerölle des Höllenstein-
zuges liegen ebenso wie jene von Einöd in einem rotzementierten,
nicht besonders fest verkitteten Konglomerat. Sie besitzen, sofern sie
nicht gerade stark von der Verwitterung betroffen waren, meist glän-
zende, glatt polierte, manchmal metallisch angelaufene Oberflächen.
Die Kanter zeigen jedoch nicht mehr die scharfschneidigen
Kanten des reinen unversehrten Windschliffs, sondern etwas abge-
stumpfte, die wohl durch eine nachherige Abrollung durch Wasser-
transport zu erklären sind.
Der mittlere Durchmesser der Kantengeschiebe schwankt von
etwa 2—20 cm. Am häufigsten sind wohl Geschiebe einer mittleren
Größenlage. Tetraeder sind ziemlich selten. Am häufigsten sind 3 oder
4 Flächen zu einer Ecke zusammengeschliffen. Oft ist die ursprüng-
liche ovale Gestalt der Gerölle noch gut zu erkennen, da neben den
angeschliffenen ebenen Flächen noch Stücke der alten Rundung er-
halten sind.
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft, (0. Ampferer.) 18
138 O. Ampferer. [2]
Häufig liegt so ein mehr oder weniger großer Teil der alten
Rundung noch vor und die Gerölle erscheinen dann förmlich wie
einseitig zugespitzt. Je nach der mehr gedrungenen oder schlankeren
Form der Gerölle sowie der Zahl der angeschliffenen Flächen ent-
stehen dann bleistift- oder keilartige Zuschärfungen derselben.
Neben den ebenen Schliffflächen kommen, allerdings viel seltener,
auch konkav gebogene Flächen vor. Ich habe jedoch nur seltener
mehrere solche Flächen an einem Gerölle gesehen.
Die Gerölle in den hier betrachteten Gosaukonglomeraten sind
später im Verbande der Konglomerate heftigen Pressungen ausgesetzt
gewesen. Wir finden daher gar nicht selten zerbrochene und einge-
drückte Gerölle und Kanter.
Diese Verschiebungen und Zerreißungen durchsetzen auch häufig
die geglätteten Flächen der Kanter und beweisen, daß diese Flächen
vor der Einbettung in die Konglomeratmassen entstanden sind.
Auch Eindrücke von angepreßten Nachbargeröllen sind manchmal
in diese Flächen eingesenkt. Bei der Zuschleifung von Windkantern
spielt neben dem Vorhandensein von kahlen Wüstenflächen vor allem
das Zusammenvorkommen von Gesteinstrümmern oder Geröllen mit
Sand eine wichtige Rolle Mit Recht hat L. v. Löczy in seinem
sroßen Werk über die geologischen Formationen der Balatongegend
(Budapest 1916) die Bedeutung des Zusammenvorkommens von Sand
und Geschieben für die Ausbildung der Windkanter betont. Wüsten
mit reinen Kies- oder Schotterböden eignen sich keineswegs für eine
reichere Entwicklung von Kantengeschieben.
Die Gosaukanter liegen heute in einem zumeist aus Kalkgeröllen
bestehenden Konglomerat, dessen kalkiges Bindemittel zu großem
Teil mit rotem schlammigem Verwitterungslehm vermengt ist. Diese
Masse hätte nicht das Material für den Schliff der vielen harten
Quarzite und Felsophyre zu liefern vermocht.
Vielmehr weist dieser Umstand neben der Abrindahe‘ der
Kanter daraufhin, daß sich die Windkanter hier auf zweiter Lager-
stätte befinden und von ihrem Entstehungsort erst später a
schwemmt wurden.
Das Zusammenvorkommen der Windkanter mit großen Mengen
von roten Verwitterungsprodukten legt aber die Annahme nahe, daß
zwischen der der Ablagerung der Gosauschichten vorausgegangenen
langen Verwitterungs- und Abtragungszeit und dem Auftreten der
Windkanter ein Zusammenhang besteht. Das Vorkommen der Wind-
kanter bildet für diese langdauernde Landperiode mit ihren Ab-
tragungen eine gewiß recht wahrscheivliche Bestätigung und Illustration.
Chemische Analyse der Heiligenstädter
Mineralquelle.
Von C. F. Eichleiter und O. Hackl.
In dem Haus der Frau Marie KrZiZek, Wien XIX. Heiligen-
städterstraße 117, wurde bei den Vorarbeiten zum Bau einer Garage-
Halle eine Quelle entdeckt, deren Ursprung ungefähr 1 m unterhalb
des Fußboden-Niveaus der Halle liest. Am 23. Dezember 1913 wurde
von Eichleiter eine größere Probe des klaren und geruchlosen
Wassers zwecks Durchführung einer Analyse entnommen, wobei auch
gleichzeitig die Bestimmung der Gesamtkohlensäure begonnen wurde.
Die qualitative Analyse ergab folgende Resultate: Ammonium,
Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen, Aluminium, Nitrat,
Chlorid, Sulfat, Hydrokarbonat, Kieselsäure, ferner Spuren von Baryum,
Strontium, Mangan, Phosphat und organischen Substanzen.
Von den quantitativen Bestimmungen hat Eichleiter diejenigen
von Gesamt-CO,, Alkalien, NH,, F&0, + 4Al,O;, Ca, Mg, Ol, SO,, P30;,
80, und Abdampfrückstand, Hackl die übrigen ausgeführt. Was
die hiebei verwendeten Analysen-Verfahren betrifft, so wurden im
allgemeinen dieselben benützt, wie bei unserer Analyse der Luhat-
schowitzerSchwefelquelle!). An Abweichungen hievon ist nur
die Prüfung auf Ba, Sr, Br, J, und Li zu erwähnen. Zu dieser
Prüfung wurden 4 2 Wasser unter Soda-Zusatz auf ein kleines Volumen
eingedampft, filtriert und mit Wasser ausgewaschen; Rückstand o,
Lösung ß. « wurde in Salzsäure gelöst, einige Tropfen Schwefelsäure
zugegeben, zur Trockne verdampft, mit verdünnter- Salzsäure auf-
genommen und filtriert; Rückstand a, Lösung b. «a wurde verascht,
die SiO, mit Fluß-Schwefelsäure verjagt, mit Natriumpyrosulfat auf-
geschlossen, in Wasser gelöst und filtriert; das Filtrat mit Wasser-
stoffsuperoxyd in schwefelsaurer Lösung geprüft ergab keine Reaktion.
Der Rückstand wurde mit Kaliumkarbonat aufgeschlossen, die Schmelze
in Wasser gelöst, filtriert, gewaschen und das Filter, die Karbonate
von Ba und Sr enthaltend, aufbewahrt.
Lösung b wurde mit Chlorammon, Ammoniak und Schwefel-
ammon versetzt und gefällt, hierauf filtriert, das Filtrat mit Salz-
säure angesäuert, eingedampft, der ausgeschiedene Schwefel abfıltriert,
das Filtrat zur Fällung von Mangan-Spuren mit Bromwasser und
') Jahrb. 1916, 1. Heft, pag. 73.
Jahrbuch d, k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Bd., 1. Hft. (Eichleiter u. Hackl.) 18*
140 C. F. Eichleiter und O. Hackl. [2]
Ammoniak behandelt, das Filtrat hievon mit Ammonkarbonat gefällt,
filtriert, gewaschen und den so erhaltenen Karbonat- Niederschlag
samt dem oben verbliebenen Filter verascht, Ba und Sr nach dem
Engelbach’schen Verfahren durch Glühen auf dem Gebläse und
Auskochen mit wenig Wasser angereichert, filtriert, mit Essigsäure
angesäuert und konzentriert. Die mikrochemische Prüfung nach
Schoorl ergab Spuren von Baryum und Strontium.
ß wurde zur Trockne verdampft, der größere Teil nach
Fresenius auf Br und J geprüft, der kleinere Teil auf Li; keiner
dieser drei Bestandteile war in nachweisbaren Mengen vorhanden.
Quantitative Resultate.
Gesamt-Kohlensäure:
5571 g Wasser... 0:1785 g CO,; 1 kg Wasser .. . 03204 g OO,.
585.35 g Wasser... 01845 9 CO,; 1 kg Wasser... . 0.3152 g 00,.
Durchschnitt: 03178 g Gesamt-CO, in 1 kg Wasser.
ww —
Sioes
Ammoniak:
2. ko WaSserl 2 «0:00
Gegenversuch . . — 0.0020 g Pt
0:0020 g Pt
1 ky Wasser ..... 00010 9 Pt... 0:0001855 g NH,.
Kieselsäure:
1. 2kg Wasser. . 00205 g SiO,
2. 2kg Wasser. . 00210 9 50,.
Durchschnitt:
0:02075 g SiO, in 2%kg ... 0'01350 g H,SiO, in 1 kg Wasser.
Eisen und Aluminium:
2 kg Wasser... 00075 g F&,0,; + Al,O,;; 1 kg Wasser...
0:00375 gg FO; + Al, 0;').
Kolorimetrische Eisen-Bestimmung: 250 g Wasser verbrauchten
23 cm? Mohr’scher Vergleichs-Lösung, entsprechend 023 mg Fe;
1 kg Wasser... 0:00092 g Fe... 0.001315 g F& 0;
000375 g F&,O; — Al,O;
— 0001315 9 FO;
0:002435 g Al, Oz... . 0'001291 g Al in 1 kg Wasser.
Calcium:
2 ky Wasser... .. 0'4335 9 CaO; 1 kg Wasser ... 0:1549g Ca.
Magnesium:
2 kg Wasser... 0°9050 g Mg, P;,0,; 1 kg Wasser... . 0:09899 g Mg.
') Phosphorsäure war nur in Spuren vorhanden, siehe weiter unten,
[3] Chemische Analyse der Heiligenstädter Mineralquelle., 141
Alkalien:
2 kg Wasser... 012709 KOl -- NaCl, 0.0220 y K,Ptl,.
KCI-—+ NaCl K,PtCl, Kcl K
ERg...2.0:06359,..0 01104, .. 0008378 4... 0001773 g.
— 0:0034 9 KÜl
0:0601 g NaCl . . . 0'02368 4 Na.
Chlor:
1 kg Wasser . . . 0'09525 9 Ag0l.. . 0:02355 g Cl.
Schwefelsäure:
1 kg Wasser ..... 1'2732 g BaS0, ... . 05238 4 SO,.
Phosphorsäure: 5 kg Wasser... .. Spur.
Salpetersäure, kolorimetrisch mit Brucin und Kaliumnitrat-
Lösung bestimmt, ergab für
1 kg Wasser... 20 mg N,0,.. . 0'02296 9 NO,.
Salpetrige Säure ist nicht vorhanden.
Mangan, Baryum, Strontium und organische Substanzen sind in
Spuren vorhanden, Lithium, Brom, Jod und Titan sind nicht nach-
weisbar.
Abdampf-Rückstand (bei 110° C getrocknet):
0:5 kg Wasser... 054059; 1kg ... 10810 g.
Spezifisches Gewicht: 1'00114 bei 164° C bezogen auf Wasser
von 168° C.
Temperatur: 96° C am 3. Dezember 1913 bei 95° C Luft-
Temperatur.
Ergiebigkeit: 120 hl in 24 Stunden.
Im folgenden sind die Resultate in derselben Weise berechnet
und zusammengestellt, wie dies im deutschen und österreichischen
Bäderbuch geschehen ist. Zur leichteren Orientierung über den
chemischen Charakter dieses Mineralwassers haben wir überdies noch
als vierte Kolonne die relativen Aequivalent-Prozente angegeben.
In 1 kg Wasser sind enthalten:
Kationen Gramm Milli-Mol Be ce Acuuivalent
Ammonium-Ion (NH,') 0:0001855 0'01027 0 01027 0:06
Kalium-Ion (X)... 0:001773 0:04529 0:04529 0:26
Natrium-Ion (Na’) ... 0:02368 1:027 1'027 6:00
Caleium-Ion (Ca °').. . 0'1549 3'861 1.722 4513
Magnesium-Ion (Mg) 0:09899 4064 8128 47:50
Ferro-Ion (Fe:')... . 0:00092 0:01646 0:03292 0:19
Aluminium-Ion (Al) 0:001291 0:04765 0:14295 0:83
111 100-0
149 | 'C. F. Eichleiter und O. Hackl. [4]
In 1 iq Wasser sind enthalten:
| Sn Relative
Anionen Gramm Milli-Mol Men alent: Asquivalent-
Nitrat-Ion (NO, ‘). . .. 0:02296 0.3701 03701 2:16
Chlor-Ion (Cl‘) . . .. . 0:02355 06643 06643 388
Sulfat-Ion (SO,“). . . 0:5238 - 5'453 10'906 6374
Hydrokarbonat -Ion
(H00;‘). ER ‚.0:3151 5'165 5'165 30:19
11672 20:72 1711 100-0
Kieselsäure (meta)
(2,80) 0:01350 0-1718
11807 2090
Freies Kohlendioxyd
(CO,) nenn 0:0906 20597
12713 ‚22:95
Ferner Spuren. von Baryum, Strontium, Phosphat: und organischen
Substanzen. gar
Die nach neuerer Berechnungsart Ancehsetanrie Zusdaeh
stellung zu Salzen ergibt folgende Tabelle:
Granim
Amon ek (NH, Cat. 3°: u. 00005494.
Kaliumnitrat (KNO3)- .,.. 2% 2°... .: -0:004583
' Natriumnitrat (NaNO;):!..“.ır. 3 23.::002764; :
Natriumchlorid (NaCl) . . . 2 .....0'03826
Natriumsulfat (Na,80,) =... 22 22: 0.00345£
"Caleiumsulfat (CaSO,)) - 2.2.2... 0:5257
Magnesiumsulfat (MgSO,) . » - ... 01808 °
Magnesiumhydrokarbonat [Mg(HCO,;);| .. 0:3756
Ferrohydrokarbonat [Fe(HCO,),]. . . 0002929
Aluminiumsulfat [ALSO] . - . . 0008155
1:1672
Kieselsäure (meta) (H,Si0,) Eh 001350"
x | "11800
> Freies Kohlendioxyd (CO). ... . . 009069)
1) 4744 cm? bei 96° C und 760 mm.
[5] Chemische Analyse der Heiligenstädter Mineralquelle. 143
Die Summe der gelösten festen: Bestandteile beträgt 1:1807 g,
wobei Sulfat-. und: Hydrokarbonat-, Calecium- und Magnesium - Ionen
vorwalten. |
Dieses Wasser ist demnach als erdalkalisch-sulfatische
Bitterquelle zu bezeichnen.
Bemerkenswert ist der hohe Gehalt an Nitrat-Ion (23 mg).
Das Heiligenstädter Mineralwasser ist in seiner chemischen
Zusammensetzung der erdalkalisch-sulfatischen Quelle von Alt-Prags
(Bezirk Bruneck, Tirol) am ähnlichsten; auch die Temperatur dieser
beiden Quellen ist nur wenig verschieden (Heiligenstadt 9:6° C, Alt-
Prags 94° C), während die „Heilbrunn“-Quelle von Mitterndorf (Bezirk
Gröbming, Steiermark), deren Zusammensetzung dem Heiligenstädter
Wasser ebenfalls nahe kommt, eine Therme von 234° © ist.
Vergleichende Tabelle der chemischen Zusammensetzung
dieser drei Quellen.
In 1 kg Wasser sind enthalten:
Heiligenstadt Alt-Prags Mitterndorf
Milligramm- Milligramm- Milligramm-
Aequivalente 'Aequivalente Aequivalente
der Haupt- der Haupt- der Haupt-
bestandteile bestandteile bestandteile
Gramm “ Gramm Gramm
NH, .. 00001855 Spur Spur
Br 2000773 0:01445 0:001353
Na ....:0:'02368 0:02079 0.008983
DO N 0022 - VITIE 8997 91674 i 8342
Mg ... 009899 ... 8123 0:06675 ... 5'480 005478 ... 4496
#e. . .. 0:00092 0-000311 0:0001399
Al. >... 0:001291 0:0001061 0:0007427
NO;... 0:02296 Spur Spur
BR 20, 002355 0.0022 001137
80, . . . 05238 = 10'906 70:50992 7. 310:616 0:478 . 9'952
HERO, .». ', Spur 0:0006761 Spur
HCO, . .. 0:3151 5165 02831 ... 4640 01881 . 3'084
11672 10700 0911
H,SiO, . 0:01350 0:006103 0:01106
Org. Sub. Spur Spur 0:00890
1:1807 1:0760 0'931
CO, frei 0'0906 0.003029 0.0283
.1'2718 1:079 »-0:959,:
144 Ü. F. Eichleiter und O. Hackl. [6]
Hauptbestandteile der Salztabelle in Gramm pro 1 kg:
Heiligenstadt Alt-Prags Mitterndorf
Cas0, .» : . 05257 05825 05682
MgS0O, . » . 01808 005132 00853
Mg(HCO,), . 03756 0.3388 0:2253
Das Heiligenstädter Wasser ist also relativ und absolut etwas
reicher an Magnesium, Hydrokarbonat und Sulfat als die beiden
anderen Wässer und steht dadurch zwischen den erdalkalisch-sulfa-
tischen Quellen und erdalkalischen Bitterquellen den letzteren etwas
näher als die Alt-Pragser und Mitterndorfer Quelle.
Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek, Wien III. Steingasse 25.
Tafel IX.
OÖ. Ampferer:
Gosau— Windkanter.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft.
19
Erklärung zur Tafel IX.
Fig. 1. Rötlicher fluidal struierter Felsophyr mit einzelnen dunkleren Lagen.
Die Kanten zwischen den 3 wohlansgebildeten Flächen sind ziemlich gut erhalten.
In den polierten Flächen zeigen sich die Feldspäte als kleine Narben, eine EKr-
scheinung, die bei allen übrigen Felsophyren auch auftritt. Einöd bei Pfaffstätten.
Fig.2. Bläulichgrauer Felsophyr mit braunen Einschlüssen. Es sind 2 Ecken,
eine schärfere und eine stumpfere aus 4 Flächen gebildet. Einöd.
Fig. 3. Apfelgrüner, oolithischer Quarzit. Die Unterseite bildet eine ziemlich
ebene Fläche. An der Oberseite verschneiden sich zwei flachgewölbte Flächen
zu einer geraden Kante. Dieses Geschiebe ist durch den späteren Transport nur
wenig abgestumpft worden. Großer Sattel bei Gießhübel.
Fig. 4. Rötlicher Kalk, der in schwarzen übergeht. Hier sind als Seltenheit
3 konkave Flächen ausgeschliffen, die sich in einer Ecke vereinen. Die Rückseite
ist abgerundet. Einöd.
Fi.g 5. Rötlicher Felsophyr. Dieses Geschiebe hat eine gewölbte Grundfläche,
welcher eine flache Pyramide mit 2 gleichen größeren Flächen aufgesetzt ist. Das
Geschiebe ist nachträglich seitlich verdrückt. Einöd.
Fig. 6. Schwärzlicher Felsophyr. 3 ungefähr gleiche und 1 kleinere Fläche
schneiden sich in meist schmalen Kanten. Einöd.
Fig. 7. Grünlicher Felsophyr mit schwarzen Einschlüssen. Dieses Geschiebe
zeigt ein keilförmiges Ende, in dem sich 4 gut ausgebildete Flächen treffen. Eine
der Flächen ist mit einem Hohldruck veıziert. Kinöd.
Fig. 8. Weißlichgrüner Felsophyr mit schwarzen Einschlüssen. Dieses Ge-
schiebe bildete ein sehr regelmäßiges Tetraeder, dessen Kanten aber teils abge-
rollt, teils durch Frost abgesprengt sind. Starke Verwitterungsrisse. Großer Sattel.
Fig. 9. Blaßrötlicher, weiß und grün gefleckter Felsophyr. Die eine Seite
dieses Gerölles ist wie ein Bleistift durch 4 glatte Flächen auffallend zugeschärft.
Auch dieses Gerölle zeigt eine starke Eindrückung. Einöd.
Fig. 10. Schwärzlichroter Felsophyr. Ein Tetraeder mit 2 etwas konkaven
Flächen. Ziemlich stark gerundete Kanten. Einöd.
Sämtliche Geschiebe sind in ca. °/, Größe abgebildet.
F. Wähner, Mittelböhm. Faltengeb. (Taf. 1.) Taf. 1.
Abb. 2.
Abb. 1. Kleinfaltung in obersilur. Kalken. Barrandefelsen. S. 21 und 58.
Abb. 2. Störungen in g,. Braniker Felsen N. S. 48.
Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI, 1916.
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23.
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“ 3 2
’.
F. Wähner, Mittelböhm. Faltengeb. (Taf. 2.) Taf. 11.
Schichtenparallele Querverschiebung in g,-
Schwagerka bei Slichow. S. 28.
Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI, 1916.
Verlag der k. k. Geologischen Reichsaustalt, Wien III. Rasumofskygasse 23.
F. Wähner, Mittelböhm. Faltengeb. (Taf. 3.) Tal: LI
>
a.
x Ben Diie L " vi
Pe. ner: niet
|
a =“
} .
N
Abb 2
Abb. I. Mulde von Dworetz. Steinbruch der Podoler Zementfabrik. S. 29.
Abb. 2. Schichtenparallele Querverschiebungen. Ebenda. S. 30.
Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI, 1916.
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23.
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er FET- DD LEER ER = n RO:
gryıw “ouygM "A
F. Wähner, Mittelböhm. Faltengeb. (Taf. 5.) TIZN.
Abb. 2.
Abb. 1. Schichtenparallele Längsverschiebung in g,. Hiuboczep. S. 33.
Abb. 2. Nahaufnahme desselben Längsbruches. S. 34.
Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Bd LXVI, 1916.
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien IlI. Rasumofskygasse 23.
F, Wähner. Mittelböhm. Faltengeb. (Taf. 6.) Pat: VI,
Querbruch (Horizontalverschiebung) in g9,.
Hluboczep. S. 36.
Jahrbuch der k. k, Geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI, 1916.
Verlag der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23.
'87 OsswäAysjouinsey 'JJ] uory ‘EISUBSyDTOYy uayostdojoan 'q 'q A9p Supla‘
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"IA YeL (, *L) SI1qaSusyeg soyastmygasyyım TauyeM "A
F. Wähner, Mittelböhmisches Faltengebirge. (Taf. 8.) Taf. VI.
Abb. 2. Abb. 3.
Abb. 1. Ueberschiebung von f, auf g,. Slichow. S. 43.
Abb. 2 und 3. Gefalteter und gehärteter Graptolithenschiefer e,« in Diabas. Tal von Großkuchel. S. 55.
Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI, 1916.
Verlag der k. k. Geologischen: Reichsanstalt, Wien III. Rasumofskygasse 23.
O0. Ampferer: Gosau Windkanter. Taf. IX.
Phot. u. Lichtdr. v. Max Jaife, Wien.
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI. 1916.
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, IIl., Rasumofskygasse 3.
an
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Gosauschichten. Mit einer Lichtdrucktafel. (Nr. IX) € x
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NB. Die Autoren ‚allein Er für. den Inhalt u
| ihrer Aufsätze verantwortlich.
Ausgegeben Ende Mai 1917.
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Wien, 1917.
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Quellengeologie von Mitteldalmatien.
Von Dr. Fritz v. Kerner.
Mit zwei Tafeln (Nr. X und XI).
Die geologischen Bedingungen für das Erscheinen von Süßwasser-
quellen gestalten sich in Mitteldalmatien wechselvoll. Die Böden und
Gesteine des Gebietes verhalten sich betreffs der Wasserführung sehr
verschieden und der eigenartige Gebirgsbau bringt es mit sich, daß
die in der Schichtfolge begründeten Berührungen durchlässiger und
undurchlässiger Gesteine unter mannigfachen Lagerungsformen auftreten
und man auch durch abnormen Schichtverband bedingte quellbildende
Gesteinskontakte trifft. Manche der so zustande kommenden Quellen
sind allerdings nur schwach und unbeständig; doch hat es Interesse,
für ein Land, das, wie Dalmatien, großenteils als wasserarm zu be-
zeichnen ist, alle gegebenen Möglichkeiten des Austrittes von in den
Boden eingedrungenen Niederschlägen festzustellen.
Die folgenden Ausführungen betreffen vorzugsweise die geologische
Seite des Quellenphänomens. Es ist dies in dem Umstande begründet,
daß sie das Ergebnis aufnahmsgeologischer Studien sind. Es ist zwar
auch der Aufnahmsgeologe sehr bestrebt, die in seine weitere Interessen-
sphäre fallenden veränderlichen hydrologischen Erscheinungen unter
möglichst verschiedenen Verhältnissen in Augenschein zu nehmen, so
insbesondere Quellen in Gegenden mit deutlich ausgeprägter jähr-
licher Niederschlagsperiode in der nassen und trockenen Jahreszeit
zu besuchen, eventuell auch den EinfluB von kurzen Regen- und
Trockenperioden auf Quellen kennen zu lernen; die diesbezüglichen
Bestrebungen stoßen aber nur zu oft auf Hindernisse und es fehlt
an der Gelegenheit, jene Summe von Daten zu gewinnen, die einen
vollen Ueberblick der periodischen und unperiodischen Variationen
einer Quelle bieten kann. Das, was sich auf Grund von bei geologischen
Aufnahmen gesammelten Erfahrungen über die veränderlichen Eigen-
schaften der Quellen feststellen läßt, bleibt unter diesen Umständen
bestenfalls nur Stückwerk. Was die Temperatur der Quellen anbelangt,
so wurde keine Geleßenkeit verabsäumt, sie zu messen, es konnte
dies aber auch nur für das Studium ur: Cenlogie der Quellen inso-
fern dienlich sein, als größere Temperaturdifferenzen m... genetischen
Verschiedenheiten Hand in Hand gehen, so daß ein von den Quellen
der Umgebung stärker abweichendes thermisches Verhalten einer
Quelle darauf hinweist, daß dieselbe von anderer Entstehungsart sei
oder einer diesbezüglich aus dem geologischen Befunde geschöpften
Vermutung zur Bestätigung verhelfen kann. Zu einer Feststellung der
Jahrbuch d. k &k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 20
146 Dr. Fritz v. Kerner. [2]
Temperaturverhältnisse der Quellen erschienen diese Messungen jedoch
noch unzureichend, da selbst die angenäherte Bestimmung des zu-
nächst hier in Betracht zu ziehenden Wertes, d. i. des Jahresmittels
— sofern sie auf sehr wenige Messungen gestützt wird — vVor-
aussetzt, daß diese Messungen zu besonderen Terminen stattfinden
und gerade dieser Bedingung bei geologischen Aufnahmen nur schwer
entsprochen werden kann.
Uebersieht der Quellformen.
Verhalten der Gesteine und Böden zum Wasser.
A. Tonschiefer, Mergel und undurchlässige Böden.
Tonhältige Gesteine von sehr verschiedener Beschaffenheit treten in
Mitteldalmatien in zahlreichen geologischen Horizonten auf. Sie nehmen
an der Zusammensetzung derselben entweder einen wesentlichen An-
teil oder spielen nur die Rolle von Einlagerungen in durchlässigen
Schichten. Es sind hier folgende Tongesteine zu erwähnen:
1. Dünnblättrige Tonschiefer von dunkelroter, graugrüner oder
grauvioletter Farbe in den unteren Werfener Schichten. Sie bilden
neben glimmerreichen Sandsteinschiefern den Hauptbestandteil dieses
untersten Gliedes der Trias am Südfuße der Svilaja.
2. Blättriger grünlichgrauer Schieferton in den oberen Werfener
Schichten der Svilaja. Er spielt unter den Gesteinsvarietäten dieses
Horizontes eine untergeordnete Rolle.
3. Fein zerblätternde rotbraune, dunkelgrüne und violette Schiefer-
tone im oberen Muschelkalke. Durchzogen von dünnen Lagen eines
roten Knollenmergels bilden sie die Hauptmasse der Schichten, "welche
im Suvajatale zwischen dem Han Bulogh-Kalke und einem dunklen
Hornsteinkalke liegen, der den Buchensteiner Horizont vertreten dürfte.
4. Ein scharfkantig zersplitterndes hartes bräunliches Tuffgestein
in dem eben erwähnten mutmaßlichen Aequivalente der unteren
ladinischen Stufe.
5. Ein zu mörtelähnlichem Schutte zerfallendes weißliches Ton-
gestein in den Wengener Schichten. Es setzt in Verbindung mit split-
trigen grauen und grünen Tuffen und Kieselschiefern die tuffigen
Ablagerungen der mittleren ladinischen Stufe zusammen. Solche Ab-
lagerungen erscheinen im Suvajatale in zwei Niveaus; in einem tieferen,
ohne sichtbaren Zusammenhang mit Eruptivgesteinen und in einem
höheren im unmittelbaren Hangenden eines Deckenergusses von Augit-
porphyrit.
6. Knolliger lichtgelblicher Kalkmergel in der Küstenfazies des
Mitteleocäns. Er bildet in einem Teile der Verbreitungsregion dieser
Fazies eine ziemlich mächtige Schichtmasse im Hangenden des Haupt-
nummulitenkalkes.
7. Muschlig brechende gelbliche und lichtgraue Mergel im Flysch
und in den Prominaschichten. In der Flyschformation nahmen sie
RN.
[3] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 147
einen ziemlich großen Anteil am Aufbaue der mergeligen Schicht-
folgen; in den fluviatilen Prominaschichten erscheinen sie in unserem
Gebiete nur als geringfügige Einschaltungen.
8. Engklüftiger grünlichgrauer Mergel in den beiden eben ge-
nannten Fazies des höheren Eocäns. Er bildet in oftmaligem Wechsel
mit dünnen Bänkchen von gelblichbraunem Kalksandstein einen Haupt-
bestandteil der Flyschformation. In den Prominaschichten spielt er
aber auch nur die Rolle eines untergeordneten Gesteinsgliedes.
9. Rötlich, gelb und bläulichgrau gebänderter Kalkmergel mit
lagenweise eingeschalteten Ockerknollen in der unteren Abteilung
des Neogens bei Sinj. Durchzogen von vielen Bänken eines sandigen
gelblichgrauen Mergels bildet er einen Hauptbestandteil dieses noch
der sarmatischen Stufe zuzurechnenden Horizontes des dalmatischen
Jungtertiärs, Ihm ähnlich ist ein bläulicher Kalkmergel mit Ocker-
knollen, welcher im Sutinatale in einem Niveau der mittleren Neogen-
partien auftritt.
10. Grobmuschlig brechende, scherbig zerfallende hellgraue
Mergelkalke der Congerienstufe. Sie setzen für sich allein ohne
Wechsellagerung mit anders gearteten Schichten je einen Teil des
mittleren Neogens im Sutinatale und am Nordrande des Sinjsko polje
und die Hauptmasse des Neogens am Südrande dieser Karstebene
zusammen. Als untergeordneter Bestandteil der höheren jungtertiären
Schichten im Sutinatale und bei Sinj treten auch dunkelgraue Mergel auf.
1l. Terra rossa. In den von roter Erde ausgefüllten kleinen
Poljen zeigt sich zwar nicht jene Neigung zur Versumpfung, welche
man im Innern jener Poljen wahrnimmt, deren Untergrund durch
tertiäre Mergel gebildet wird, so daß es scheint, als ob die Terra
rossa minder undurchlässig wäre als von Mergeln stammender Ver-
witterungslehm. Doch finden sich in ihrem Bereiche ständige Wasser-
tümpel (Lokven) auch über zerklüftetem Kalkboden, woselbst dann
nur die rote Erde die Zurückhaltung des Wassers bedingen kann.
Auch zeigen räumlich ausgedehnte Anhäufungen von Terra rossa die
Reliefformen undurchlässigen Geländes. Die gebräuchliche Ueber-
setzung des Wortes nicht mit „Karsterde“, sondern mit „Karstlehm“
weist gleichfalls auf die Eigenschaft der Undurchlässigkeit hin. Für
die Quellbildung kommt die Terra rossa als Wasser zurückhaltende
Unterlage aus dem Grunde kaum in Frage, weil sie, wo sie in größeren
Massen auftritt, meist die oberste Bodenschichte bildet und nur aus-
nahmsweise und auch dann nur lokal noch von einer durchlässigen
jüngeren Schichte, etwa von rezentem Gebirgsschutte überlagert wird.
Dagegen spielt die Terra rossa bei der Quellbildung eine Rolle, wenn
sie zerklüftete Kalkschichten durch vollständige Verstopfung aller
Klüfte undurchlässig macht.
12. Lehme in den älteren quartären und in den rezenten Fluß-
anschwemmungen.
B. Dolomite. Die mesozoischen Dolomite von Dalmatien nehmen
in hydrologischer Beziehung eine Sonderstellung ein. Sie erweisen sich
als minder durchlässig als die Kalke, vermögen aber das Wasser weit
20%
148 Dr. Fritz v. Kerner. [4]
weniger zurückzuhalten als Tonschiefer und Mergel. Hiebei erfährt
die Stellung des Dolomites in der Gesteinsreihe, deren Endglieder
durch den Kalk und Schieferton gebildet werden, mit der Aenderung
der Niederschlagsmengen eine große Verschiebung. Geringe Wasser-
mengen vermögen in den Dolomit einzudringen, er spielt dann die
Rolle einer durchlässigen Gesteinsart und tritt in Gemeinschaft mit
dem Kalke in Gegensatz zu den tonigen Gesteinen, in deren Bereich
selbst kleinen Wassermengen ein Eindringen verwehrt und ein ober-
lächlicher Abflußweg gewiesen wird. Für die gewaltigen Wasser-
massen heftiger Regengüsse ist die Aufnahmsfähigkeit des Dolomites
aber nicht ausreichend.
Der größte Teil des Wassers fließt dann oberflächlich ab, der
Dolomit erscheint als ein undurchlässiges Gestein und tritt im Vereine
mit den Tonschiefern und Mergeln in Gegensatz zum Kalke, in dessen
oft einem Sieb verglichenen Gelände selbst große Wassermassen an
Ort und Stelle verschluckt werden und ein oberflächliches Abfließen
sogar bei Wolkenbrüchen nur vorübergehend vorkommt. So erklärt
es sich, daß der Dolomit die für undurchlässiges Terrain bezeichnenden
zertalten Landschaftsformen zeigen kann und dennoch dort, wo er
von durchlässigem Boden überlagert wird, oft keine Quellbildung
bedingt. Um eine solche zu veranlassen, müßten auch die Sicker-
wässer, welche an die obere Grenzfläche einer Dolomitschichte ge-
langen, an dieser zurückgehalten werden, für die allmähliche Heraus-
bildung einer zertalten Landschaftsform genügt es, wenn bei heftigen
Regengüssen auch nur ein Teil der Wassermassen zu oberflächlichem
Abflusse gezwungen ist. Die Zertalung der Dolomitgelände ist übrigens
viel weniger weitgehend als jene der Tonschiefer- und Mergelregionen.
Jene durch vielverzweigte Wasserrinnen zerschnittenen Gehänge, die
mit ihrem Gewirre von tiefen Furchen und steilen Graten an die
stark überhöhten künstlichen Hochgebirgsreliefs erinnern und in Dal-
matien im Gebiet der unteren Werfener Schiefer und der neogenen
Mergel angetroffen werden und die typische Oberflächenform des ent-
blößten undurchlässigen Bodens darstellen, sucht man in den Dolomit-
regionen dieses Landes wohl vergebens. Dagegen tritt die Neigung
zur Zertalung in denselben klar hervor, wenn man sie mit den Karst-
reliefs der Kalkgebiete vergleicht.
Es muß jedoch bemerkt werden, daß auch die für den Karst
bezeichnenden Reliefformen im Dolomite auftreten können; so sind
die Dolomitzonen zwischen Ugljane und Budimir (südöstl. vom Sinjsko
Polje) reich an Dolinen, auch Höhlen kommen im Dolomite vor.
(Höhle im Graben zwischen Dolnji Korito und Strazbenica staje öst-
lich vom Sinjsko Polje.)
Auch hinsichtlich der Oberflächenform im Kleinen, hinsichtlich
des Felsreliefs läßt sich behaupten, daß der Dolomit in Dalmatien
Beziehungen zum Karstkalke zeigt. Die eigentümlichen Felsgebilde,
welche man nicht selten in Dolomitgebieten antrifft, erscheinen wie
eine Milderung und Abschwächung der scharf gezeichneten Felsformen
in den Karrenfeldern.
Als Ursache der im Vergleiche zum Kalk geringeren Aufnahms-
fähigkeit des Dolomites für Regenwasser sind verschiedene Möglich-
[5] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 149
keiten erwogen worden. Zunächst ein Ausbleiben der im Kalke statt-
findenden Erweiterung der Klüfte, dann eine teilweise Verlegung
derselben durch den bei der Verwitterung sich bildenden Dolomit-
grus. In neuerer Zeit wurde auch angenommen, daß der Dolomit in
frischem Zustande überhaupt fast gar nicht zerklüftet sei und nur in
seinen oberflächlichen Verwitterungsschichten genügend viele Lücken
und Hohlräume besitze, um Wasser in mäßiger Menge in sich auf-
zunehmen.
Ihrem Alter nach gehören der Dolomit und die dolomitischen
Kalke des hier besprochenen Gebietes teils der Trias, teils dem Lias
und Jura, teils der Kreide an. Der Triasdolomit zeigt eine größere
Neigung zu oberflächlicher Zerklüftung als jener der Jura- und Kreide-
formation und kann so wohl etwas mehr Regenwasser verschlucken.
Die Neigung zu zertalten Landschaftsformen kommt ihm aber in
höherem Grade zu. Daß sich demnach bei ihm bei größerer Durch-
lässigkeit zugleich eine Eigenschaft des undurchlässigen Bodens in
stärkerem Maße ausprägt, beinhaltet nach dem vorhin Gesagten keinen
Widerspruch. Mit der intensiveren Zerklüftung geht eine stärkere
Lockerung der oberflächlichen Gesteinsschichten Hand in Hand und
diese wird einer Steigerung der Erosionswirkungen von Regenfluten
günstig sein.
Ein deutliches Beispiel dafür, daß starke Zertalung mit großer
Durchlässigkeit verknüpft sein kann, liefern in Dalmatien die LemeS-
schichten. Die breite Zone von Tithon auf der Südseite der Svilaja
hebt sich durch stark entwickelte Ravinenbildung scharf gegen die
umgebenden verkarsteten Regionen ab. Die Duboka- und Turska
Draga gehen aus einem reich verästelten System von Erosionsfurchen
hervor. Diese Furchen führen aber nirgends dünne Wasserfäden, wie
man sie in jenen Rinnen antrifft, die in mit Schutt und Humus über-
deckte Werfener Schiefer, Flyschmergel und Kongerienmergel ein-
geschnitten sind. Die Lemesschichten verhalten sich als Hornstein
führende klüftige Plattenkalke wie durchlässiges Terrain. Die ‚starke
Zertalung ist in ihrem Bereiche ausschließlich die Wirkung heftiger
Gußregen auf ein sehr leicht zerbröckelndes Gestein. Am Monte
Lemes selbst tritt allerdings in den nach ihm benannten Schichten
die schöne Quelle Zdain zutage. Für diese ist jedoch eine besondere
Entstehungsweise anzunehmen. Die Erosionsfurchen am Lemesberge
sınd auch alle ohne Wasserfäden.
©. Kalke. Die Rolle, welche der Kalk ziemlich unabhängig von
seinen petrographischen und geologischen Merkmalen in der Hydro-
logie des Karstes spielt und die ihm so in jedem einzelnen , Gebiete
. zukommt, gleichviel von welcher geologischen Beschaffenheit dasselbe
auch sein mag, wurde schon so oft und gründlich abgehandelt, daß
darüber in einer Spezialarbeit kein Wort mehr zu verlieren ist. Um
so mehr ist aber des Vorkommens von Fällen zu gedenken, in welchen
er jene wohlbekannte Rolle nicht spielt. Solche Fälle als „Ausnahmen“
zu bezeichnen, sei jenen überlassen, welche sich zu didaktischen
Zwecken bemüßigt sehen, alle Erscheinungen in der Natur in Regeln
und Gesetze einzuzwängen. Betreffs der geo- und hydrophysikalischen
150 Dr. Fritz v. Kerner. | [6]
und meteorologischen Gesetze ist kein Zweifel möglich, daß sie auch
ohne Dazwischentreten menschlicher Gehirne genau ebenso bestünden,
wie wir sie ergründen und erkennen. Auf den übrigen erdkundlichen
Gebieten erscheint es aber für den, den nicht Zwecke der vorhin
erwähnten Art zum Schematisieren drängen, besser, sich jeder gesetz-
geberischen Tätigkeit zu enthalten. Er läuft sonst allzusehr Gefahr,
in die unerfreuliche Lage Desjenigen zu kommen, der Verordnungen
erläßt, ohne die Macht dazu zu haben, ihre Befolgung zu erzwingen !).
Obschon die Durchsetzung des Kalkes mit mehr oder weniger
wegsamen Klüften eine allgemeine Erscheinung ist, muß dennoch
daran festgehalten werden, daß es sich hiebei um eine betreffs ihrer
Entwicklungsart von Zufälligkeiten abhängige sekundäre Gesteins-
veränderung handelt, und daß die Möglichkeit vorliegt, daß stellen-
weise das Gestein von Klüften frei bleibt, eventuell auch die vor-
handenen Klüfte nicht wegsam sind. In der Tat stößt man in dal-
matinischen Karstgebieten zuweilen auf ziemlich ausgedehnte, viele
Meter im Gevierte messende Felsschichtflächen, welche von keiner
einzigen Kluft durchsetzt sind, so daß die im Bereiche einer solchen
Fläche auffallenden Niederschläge gerade so oberflächlich abfließen
müssen wie auf Tonschieferboden. Diese Vorkommnisse sind aller-
dings zu selten und räumlich zu beschränkt, als daß durch sie in
Hinsicht auf Quellbildung die bekannte Rolle des Kalkes in Frage
gestellt würde. Man muß aber die Möglichkeit ins Auge fassen, daß
gelegentlich, unter besonderen Bedingungen ein solches Fortbestehen
der dem Kalke ursprünglich zukommenden Eigenschaft der Undurch-
lässigkeit doch auch für die Quellbildung von merklichem Einflusse
werden kann. In der Tat trifft man in einem Teile unseres Gebietes
Vorkommnisse, welche auf ein Merkbarwerden eines solchen Ein-
flusses hinweisen. Sie werden später genau beschrieben werden.
Das Vorkommen von Fällen, in welchen der Kalk streckenweise
nicht zerklüftet ist, spricht gegen einen allgemeinen Zusammenhang der
Kluftnetze. Wasseradern im Karstkalke können aber auch schon beim
Vorhandensein von Klüften durch deren völlige Verstopfung mit Höhlen-
lehm ihren Zusammenhang verlieren.
Den Kalken völlig analog verhalten sich in hydrologischer Be-
ziehung die festgefügten Kalkbreccien und Kalkkonglomerate, welche
auch ein scharf ausgeprägtes Karstrelief zeigen. Die eckigen oder
abgerundeten Fragmente dieser klastischen Gesteine sind fest an-
einander gepreßt oder durch steinharte Zwischenmittel fest verkittet,
so daß hier eine Fortleitung des Wassers längs der Grenzen der
Bruchstücke völlig ausgeschlossen ist und sich das Gestein wie ein
homogener Kalk verhält, d. h. an sich ganz undurchlässig ist und erst
sekundär infolge von Zerklüftung diese Eigenschaft verliert.
!) Sollte es unter diesem Gesichtswinkel vielleicht statthaft sein, die Frage
aufzuwerfen, ob es mehr als bloßer Zufall sei, daß von zwei großen Geologen, bei
denen man in Sachen der Karsthydrographie eine völlige Unbefangenheit des
Urteils voraussetzen darf, derjenige, welcher sich an die akademische Jugend wendet
(Kayser, Lehrbuch der Geologie) die Anschauungen A. Grunds vertritt und der-
jenige, welcher sich an Hydrotechniker wendet (Keilhack, Grundwasser und Quellen-
kunde) den Darlegungen F. Katzers folgt?
[7] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 151
Den reinen Kalken ähnlich verhalten sich hinsichtlich ihres Ein-
flusses auf die Quellbildung auch die einen sehr geringen Tongehalt
aufweisenden Kalksteine.
Hieher gehören manche Faziesentwicklungen der Cosinaschichten
und des oberen Foraminiferen- (Milioliden-) Kalkes, ein großer Teil
der nicht konglomeratischen Prominaschichten und die ungefähr gleich-
altrigen Gesteine auf der Südseite des Opor, sodann die Liegend-
schichten der Flyschmergel am Südabhang des Mosor, endlich die
mittleren und oberen Partien des Neogens im Cetinagebiete, soweit
dieselben nicht in Mergelfazies entwickelt sind.
Die meisten dieser Gesteine zeigen eine mehr oder minder
vollkommene Absonderung in Platten und dieser Umstand weist auf
eine starke polygonale Gesteinszerklüftung hin. Erscheint es auch
verständlich, daß da ein Eindringen der atmosphärischen Wässer leicht
erfolgt, so könnte man doch glauben, daß diese Form der Zerklüftung
gegen die Tiefe zu abnehme, auch sollte man vermuten, daß der
etwas tonige Kalkstaub, der sich bei der Verwitterung hier bildet,
dazu beitrage, die Klüfte unwegsam zu machen. Trotzdem besitzen
diese plattigen Kalksteine keine nennenswerte Fähigkeit, das Wasser
in seinem Laufe zur Tiefe aufzuhalten. Wenn im Bereiche solcher
Kalke eine Quellbildung erfolgt, ist sie an das Vorhandensein einer
tonigen Zwischenschicht geknüpft und wo derartige Kalke an reine
Kalke grenzen, kommt der Berührungsfläche beider nicht die hydro-
logische Bedeutung eines Kontaktes von schwer- und leichtdurch-
lässigem Gesteine zu. Betrefis der Landschaftsformen nehmen die in
Rede stehenden Gesteine eher eine Mittelstellung zwischen reinem
Kalk und Mergel ein. Das aus ihnen bestehende Terrain hat keinen
Karstcharakter, es fehlt ihm aber auch die reichliche Durchfurchung
der Abhänge, welche für das undurchlässige Gelände so bezeichnend ist.
D. Durchlässige Bodenarten. Hieher gehören die meisten
Ablagerungen der letzten geologischen Vergangenheit und Gegenwart.
Gehängeschutt, dessen ältere Partien zum Teil zu Breccien verfestigt
sind, Trümmermassen von Bergstürzen, umgelagerte und umge-
schwemmte quartäre Schuttanhäufungen (sofern sie nicht mit Lehmen
stärker vermengt sind), altquartäre Sandablagerungen, ferner die zum
Teil zu lockeren Konglomeraten zusammengebackenen Schotterdecken
der postneogenen Flüsse und die Schotter und Sande in den An-
schwemmungen der fließenden Gewässer der Jetztzeit sowie endlich
die Geröllansammlungen am Meeresstrand.
Entstehungsformen der Quellen.
A.Karstquellen. Sie überragen wie in anderen Karstgebieten
auch in Mitteldalmatien alle übrigen Quellbildungen weitaus an Wich-
tigkeit. Alle durch Stärke und Größe besonders ausgezeichneten
Quellstränge unseres Gebietes gehören dieser Kategorie von Quellen
an. In dieser Darstellung, welche die Mannigfaltigkeit der lithologischen
und tektonischen Verhältnisse der Quellen zu beschreiben sucht,
können die Karstquellen aber nicht in einem ihrer überragenden
152 Dr. Fritz v. Kerner. [8]
Bedeutung entsprechenden Maße den absolut und relativ größten
Raum einnehmen. Sie bilden als Spaltquellen im Kalkgebirge nur ein
Glied in der Fülle der quellengeologischen Erscheinungen und auch
ihre Beziehungen zur Tektonik liefern für eine vergleichende Ge-
samtdarstellung weniger Stoff als jene der übrigen Felsquellen. Sie
bieten mehr für morphologische als für geologische Forschungen ein
interessantes Ziel und es gestaltet sich darum ihr Studium bei An-
wendung morphologischer Untersuchungsmethoden, besonders mit
Hilfe der Höhlenforschung weit erfolgreicher als durch geologische
Begehungen. Aus diesem Grunde soll hier auch davon Abstand ge-
nommen werden, das vielumstrittene!) Thema der Karsthydrologie in
seiner Gesamtheit zu erörtern. Dem Vorwurf, mit einer solchen Er-
örterung etwas Ueberflüssiges zu leisten, wird derzeit nur Derjenige
entgehen können, der betrefis aller hier in Betracht kommenden
Fragen neues Beobachtungsmaterial beibringen kann. Für eine sehr
wichtige Gruppe von karsthydrologischen Phänomenen, für die
Wechselbeziehungen zwischen Ponoren, Karstquellen und Poljenüber-
schwemmungen läßt sich nun aber innerhalb des hier besprochenen
Gebietes kein vollständiges Bild gewinnen, da das Sinjsko polje
oberflächlich entwässert wird und das Mucko polje keine Karstquellen
hat. Die zu den Karstquellen des Sinjsko polje gehörigen Ponore
liegen aber weit außerhalb der Grenzen unseres Gebietes. Der karst-
hydrologische Erfahrungsschatz, welcher sich in diesem Gebiete bei
Gelegenheit geologischer Aufnahmen sammeln läßt, betrifft haupt-
sächlich die horizontale und vertikale Verbreitung der Karstquellen.
Was die erstere betrifft, so zeigt sich dort, wo sie in reiner
Abhängigkeit von der Verteilung der unterirdischen Wasserwege zu
beobachten ist, eine Art Mittelzustand zwischen jenen zwei Grenz-
fällen, welche den beiden einander gegenüberstehenden Anschauungen
über jene Wasserwege entsprechen würden. Es treten dort auf ein-
zelnen Teilstrecken des Gebirgsrandes Quellenreihen zutage; es ist
aber weder eine Beschränkung der Wasseraustritte auf einzelne
Stellen, noch auch eine annähernd gleichmäßige Verteilung derselben
über die ganze Erstreckung des Gebirgsrandes zu sehen. Dieser
Umstand spricht dafür, daß auch die hydrologischen Verhältnisse an
solchen Gebirgsrändern, welche von undurchlässigen alt- oder jung-
tertiären Schichten besäumt sind, eine zwischen extremen Annahmen
stehende Auffassung erheischen. Man wird bei dem Hervorbrechen
großer Karstquellen in den Lücken der Flysch- und Neogenvorlagen
diese Lücken nicht als das primäre ansehen dürfen; es wäre aber
wohl auch zu weit gegangen, diesen Vorlagen jede Stauwirkung abzu-
sprechen. Vermutlich entsprechen die Durchbrüche durch diese Vor-
lagen solchen Stellen, wo besonders große Kluftwasserstränge den
Gebirgsrand erreichen und treten dort auch noch Wasseradern aus-
welche seitlich von jenen Strängen auf die Rückwand der Gebirgs-
!) Die unliebsamen Eindrücke, welche man bei der Lektüre der bekannten
Polemiken über die Karsthydrographie empfindet, werden erfreulicherweise aufge-
wogen durch den drolligen Eindruck, den es macht, hier Gelehrte, von denen
keiner ein Physiker ist, sich gegenseitig Unkenntnis hydrophysikalischer Grund-
lehren vorwerfen zu sehen.
[9] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 153
vorlage stoßen und hinter derselben zu den Ausfallspforten der
Hauptstränge hin abgelenkt werden. Die durch je eine dieser Pforten
sich entwässernden Adergeflechte stehen aber wohl nicht miteinander
im Zusammenhange. Von mir erhobene thermometrische Befunde
weisen mit Bestimmtheit darauf hin, daß auch im Innern von Kalk-
gebirgen, in denen keine unterirdischen Scheiderücken von Dolomit
oder Schiefer anzunehmen sind, eine Trennung benachbarter Kluft-
wassernetze Platz greifen kann.
Als zusammenwirkende Ursachen einer solchen Trennung wären
in Betracht zu ziehen: die schon erwähnte, innerhalb gewisser räum-
licher Grenzen gelegentlich vorkommende Kluftlosigkeit des Kalkes,
dann eine völlige Verstopfung vorhandener enger Spalten mit Höhlen-
lehm und besonders der von Stille geltend gemachte Umstand, daß
auch zerklüftete und mit Wasser durchtränkte Gesteinspartien die
Rolle eines vollkommen undurchlässigen Gesteines übernehmen können,
wenn ein sehr hoher Reibungswiderstand die Bewegung des Wassers
in denselben aufhebt.
Was die vertikale Verteilung der Karstquellen betrifft, so zeigt
sich in unserem Gebiete eine sehr ausgesprochene Neigung dieser
Quellen am Fuße der Gebirge auszubrechen. Sie entspringen aber
nicht immer an den jeweilig tiefsten Stellen der Tal- und Poljen-
ränder. Zuweilen ist zwischen benachbarten Quellen ein nicht unbe-
deutender Höhenunterschied vorhanden; und in seltenen Fällen kommt
es vor, daß — was gleichfalls sehr gegen einen Zusammenhang be-
nachbarter Kluftnetze spricht — die höher gelegene Quelle noch
fließt, wenn die am Gebirgsfuße austretende schon versiegt ist. Solche
Befunde als „Ausnahmen“ von der Regel zu bezeichnen, wäre völlig
unstatthaft. Sie bilden für die Umstände, unter denen sie auftreten,
gewiß das streng gesetzmäßige und normale.
Aber auch die vergleichsweise höchstgelegenen Karstquellen
befinden sich noch in der Nähe der Talsohlen oder Küsten und diese
Lage weist darauf hin, daß dort die Abwärtsbewegung der einge-
drungenen Niederschläge rasch sehr erschwert wird. Nichts spricht
in unserem Gebiete zugunsten der Annahme, daß von den Hoch-
flächen der Planinen bis hinab zu den zum Teil tief unter dem
Meeresspiegel gelegenen Schieferunterlagen des tiefen Karstes gleich-
artige Zirkulationsbedingungen herrschen. Man gewinnt vielmehr den
Eindruck, daß die Kluftnetze der Karstberge bis zu einem zeitlich
und örtlich schwankenden, sich aber in der Nähe eines benachbarten
Meeres- oder Flußspiegels haltenden Niveau hinab nur zum Teil und
zeitweise ein relativ rasch und vorzugsweise nach der Tiefe wan-
derndes Wasser führen, von dort abwärts aber durchwegs und
dauernd mit relativ langsam und nach verschiedenen Richtungen
(auch nach aufwärts) sich bewegendem Wasser erfüllt sind.
B. Schichtquellen. Die Formationsentwicklung in Dalmatien
bedingt eine große Anzahl von Kontakten verschieden durchlässiger
Gesteine. Es handelt sich hier entweder um das Aneinandergrenzen
zweier petrographisch abweichender geologischer Horizonte oder um
Einlagerung von Kalkzügen in vorwiegend undurchlässigen Schichten
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. v. Kerner). 21
154 Dr. Fritz v. Kerner. [10]
oder um Einschaltung von undurchlässigen Zwischenlagen in vor-
wiegend kalkigen Horizonten. Dementsprechend liegt entweder eine
einmalige Berührung ungleich durchlässiger Gesteine oder eine mehr-
malige Wiederholung derselben Art von Gesteinskontakt vor. Die
Gesamtmenge der Quellwässer wird unter sonst gleichen Umständen
im zweiten der vorgenannten drei Fälle viel kleiner als im dritten
Falle sein. Der Unterschied in der hydrologischen Beschaffenheit
zweier aufeinander folgender Schichten kann sehr verschieden groß
sein. Zwischen Fällen, in denen man kurzweg vom Kontakte eines
Wasser durchlassenden mit einem undurchlässigen Gesteine sprechen
kann und solchen Fällen, wo nur ein geringes Mehr oder Weniger
an Durchlässigkeit vorliegt, gibt es viele Uebergänge. Der Wasser-
reichtum einer Quelle ist aber unter sonst ähnlichen Verhältnissen
der Größe des eben genannten Unterschiedes nicht proportional.
Manchmal tritt eine Quelle, die man für eine Schichtquelle halten
möchte, an einem Orte aus, wo sich die Liegend- und Hangendschichten
in petrographischer Beziehung anscheinend nur wenig unterscheiden ;
anderseits kann man sich an der Grenze eines stark zerklüfteten
und eines sehr undurchlässigen Gesteines, obschon auch die Lagerungs-
verhältnisse einer Quellbildung günstig wären, in Erwartung eines
reichlichen Wasserausflusses getäuscht sehen. Es gibt dies einen
Fingerzeig dafür, wie wenig zutreffend es wäre, sich über die Bildung
von Schichtquellen ailzu schematische Vorstellungen zu machen. Die
Berührung von Gesteinsschichten verschiedener Durchlässigkeit schafft
zunächst nur günstige Vorbedingungen für das Auftreten von Quellen.
Als unmittelbaren Anlaß für die Quellbildung wird man stets einen
Ueberschuß der unterirdischen Wasserzufuhr über die unterirdische
Wasserabfuhr ansehen müssen. Gleichwie Schichtquellen in der
trockenen Jahreszeit versiegen, weil nun die unterirdischen Abzugs-
wege für die Aufnahme der verminderten Zusickerungen ausreichen,
kann es auch sein, daß an einer Grenze zwischen Kalk- und Ton-
oder Mergelschiefer überhaupt keine Quellbildung eintritt. Ander-
seits können bei großem Mißverhältnisse zwischen den unterirdischen
Abflußmöglichkeiten und der Menge der Zuflüsse auch jm Hangenden
teilweise durchlässiger Schichten Wasseraustritte erfolgen.
Von in der Formationsentwicklung begründeten Kontakten durch-
lässiger und undurchlässiger, beziehungsweise schwer durchlässiger
Gesteine kommen in Mitteldalmatien folgende in Betracht:
a) Schichtgrenzen.
1. Auflagerung der kalkigen oberen Werfener Schichten auf den
Tonschiefern der unteren Werfener Schichten.
2. Auflagerung der kalkigen oberen Duvinaschichten auf den
Schiefertonen der unteren Duvinaschichten.
3. Auflagerung der klüftigen Mergelkalke eines Teiles der
höheren Neogenhorizonte auf den Mergelkalken der mittleren Hori-
zonte dieser Formation.
4. Auflagerung der jung- oder postpliocänen Schotter auf den
Kongerienschichten.
[11] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 155
b) Durcehlässige Zwischenlagen in undurchlässigen
Schichten.
1. Einschaltung von Kalk- und Sandsteinbänken in den Ton-
schiefern der unteren Werfener Schichten.
2, Einschaltung von Bänken von Knollenkalk in den Schiefer-
tonen der unteren Duvinaschichten.
3. Einschaltung von Breccienkalken, Kalksandsteinen und Platten-
kalken in den Mergeln der Flyschformation.
c) Undurchlässige Zwischenlagen in durchlässigen
Schichten.
1. Einschaltung von Schiefertonlagen in den kalkigen oberen
Werfener Schichten.
2. Einschaltung von Mergellagen in den Konglomeraten und
Breccien der Prominaschichten.
4. Einschaltung von Mergellagen in den postpliocänen Konglo-
meraten und Schottern.
Von den unter a) aufgezählten vier Schichtgrenzen ist nur die
letztgenannte unter Mitwirkung günstiger tektonischer Bedingungen
ein wichtiger Quellenhorizont. Die Grenze zwischen den unteren und
oberen Werfener Schichten hat für die Quellbildung eine viel ge-
ringere Bedeutung als man erwarten könnte. Es kommt dies daher,
daß wegen wiederholter Einschaltung von Schiefertonlagen in den
oberen kalkigen Schiefern nur die unterste Zone dieser letzteren als
Sammelgebiet für an der Oberkante der unteren Schiefer austretende
Wässer in Betracht kommt. Die Grenze zwischen den unteren und
oberen Duvinaschichten ist wegen der morphologischen Verhältnisse,
unter denen ihre Ausstriche erfolgen, zur Erzeugung bemerkenswerter
Quellen nicht geeignet. Bei «) 3 handelt es sich um die Berührung
zweier hydrologisch wenig verschieden zu bewertender Gesteine. Die
durchlässigen Einlagen in den Triasschiefern haben wegen ihrer ge-
ringen Mächtigkeit für die Quellbildung nur untergeordnete Bedeu-
tung. Die Kalkzüge im Flysch sind dagegen in dieser Hinsicht von
größerer Wichtigkeit. Von den sub c) genannten Fällen spielen be-
sonders die zwei erstgenannten als Erzeuger von bemerkenswerten
Quellen eine Rolle.
Die Schichtgrenzen zwischen den triadischen, jurassischen und
kretazischen Dolomiten und den sie überlagernden Kalken sind da-
gegen auch unter günstigen morphologischen und tektonischen Bedin-
gungen keine Quellenhorizonte. Es weist dies darauf hin, daß den
Grenzflächen zwischen Kalk und Dolomiten nicht jene hydrologische
Bedeutung zukommt wie den Kontakten zwischen Kalk und Ton-
schiefer und zwischen Kalk und Mergel.
©. Isolithische Quellen. Für die unter diesem Namen zu-
sammengefaßten Quellen ergeben sich Vergleichspunkte mit den
Karst- und Schichtquellen und mit den noch zu erwähnenden Schutt-
quellen; es sind aber doch der Unterschiede genug, um ihre Ab-
22°
156 Dr. Fritz v. Kerner. [12]
trennung von den genannten Kategorien von Quellen gerechtfertigt
erscheinen zu lassen. Es handelt sich hier zunächst um die Quellen
in Dolomitgebieten, welche der Auflagerung von durch mechanische
Verwitterung verändertem Gestein auf frischem Dolomit anscheinend
ihre Bildung verdanken und um die seltenen Fälle, in welchen es an
Schichtfugen in Kalkgebieten zum Austritt schwacher Quellen kommt,
wenn einzelne Gesteinslagen in größerem Ausmaße eines wegsamen
Kluftnetzes entbehren. Mit den Karstquellen haben diese letzteren
Vorkommen die Eigenschaft gemein, daß sie innerhalb desselben Ge-
steines zur Entwicklung kommen und nicht wie die Schichtquellen
den Kontakt zweier verschiedener Gesteine zur Voraussetzung haben.
Mit den Schichtquellen zeigen sie aber insofern Verwandtschaft, als
sie in ihrem Auftreten an Schichtflächen geknüpft sind, während die
Karstquellen aus Klüften kommen, die mehr oder weniger unabhängig
von der Lagerungsform das Kalkgebirge durchsetzen. Die Dolomit-
quellen erweisen sich, da die Grenzfläche zwischen mechanisch ver-
wittertem und frischem Gestein einen der Geländeoberfläche ähn-
lichen Verlauf hat, nur dann als solche den Schichtquellen analoge
Bildungen, wenn die Geländeformen eine ungefähre Wiederholung der
tektonischen Formelemente sind. Sonst stellen sie von der Schichtung
unabhängige Erscheinungen dar, ähnlich jenen Quellen, die in Massen-
und Eruptivgesteinen durch Umhüllung frischer Kerne mit Verwit-
terungsmänteln zur Entwicklung kommen.
Falls die Durchsetzung der Dolomitfelsen mit Sprüngen und
Rissen zu einer Lockerung und Zertrümmerung des Gesteines führt,
leiten die Dolomitquellen zu solchen Schuttgrundquellen über, welche
unter eluvialem Schutte entstehen. Wenn sich der Uebergang des
frischen in den mechanisch verwitterten Dolomit nicht rasch, sondern
allmälich vollzieht, so schränkt dies die Vergleichbarkeit der Dolomit-
quellen. mit Quellen unter Eluvialschutt — und im früher erwähnten
Falle auch mit Schichtquellen — nur wenig ein, da ja der Uebergang
von Gestein in eluvialen Schutt auch oft nur schrittweise erfolgt und
Schichtquellen auch dann entstehen können, wenn in einer Schicht-
masse die Durchlässigkeit nach oben hin nur allmälich zunimmt.
Die Deutung der sehr seltenen an Schichtfugen schwach ge-
neigter Kalke und Kalkbreccien austretenden Quellwässer als Quellen
von ähnlicher Entstehungsart wie die Schichtquellen stützt sich auf
das schon erwähnte gelegentliche Vorkommen größerer kluftloser
Felsschichtflächen in verkarsteten Geländen. Damit es hier zu einer
wenn auch nur schwachen Quellbildung komme, ist das Zusammen-
treffen besonders günstiger Umstände erforderlich. Die unzerklüfteten
Gesteinspartien müssen möglichst umfangreich sein und sie müssen,
da diesbezüglich die Grenzen doch ziemlich eng gesteckt sein dürften,
derart verteilt sein, daß sich die Wirkung mehrerer derselben summieren
kann. Letzteres wäre in vollkommenster Weise dann erreicht, wenn
bei sanfter Schichtneigung vom Gebirge weg die nach oben folgenden
Gesteinsbänke sukzessive weiter im Berginnern einen unzerklüftetne
Teil aufweisen würden. In diesem Falle wäre dann das Ergebnis in
Hinsicht der Quellbildung so, als wenn sich ein Streifen undurch-
lässigen Grundes soweit in den Berg hinein erstrecken würde, als
[13] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 157
der unzerklüftete Teil der obersten Gesteinsbank vom Ausgehen-
den der untersten entfernt ist. Wenn dagegen über einer am Aus-
gehenden kluftlosen Kalkbank, auf deren Oberfläche der Ausfluß einer
Quelle statthaben könnte, noch mehrere auch erst weiter im Berginnern
von Klüften durchsetzte Bänke folgen, so wird ein Teil der ein-
gedrungenen Wässer schon an höher gelegenen Stellen des Abhanges
zutage treten und es wird sich die Wassermenge, die in ihrer
Gesamtheit ein schwaches Quellchen speisen könnte, in Rieselwässer
zersplittern, wie man sie an Hängen, wo schwach geneigte Kalke
frei ausstreichen, nach Regenwetter trifft. Damit sich die für eine
kleine Quelle erforderliche Wassermenge sammeln kann, wird aber
die obige Art der Summation von Sickerwässern mehrfach und von
verschiedenen Seiten her erfolgen müssen, was schwach muldenförmige
Schichtlagen voraussetzt. Es ist klar, daß die hier angeführten Be-
dingungen nur sehr selten erfüllt sein werden, daher die große
Seltenheit solcher Quellchen.
D. Verwerfungsquellen. Es ist kaum zu zweifeln, daß der
Verlauf und die Verteilung der Klüfte in den Kalkgebirgen oft mit
Störungen in Beziehung stehen, daß viele Klüfte kleinen Längs- und
Querverwerfungen folgen und daß Bruch- und Verschiebungszonen
sowie Mulden- und Sattelkerne stärker zerklüftet sind als regelmäßig
gelagerte Kalkschichten. In manchen Fällen lassen sich solche Be-
ziehungen klar erkennen, so zeigen im obersten Cetinatale die Um-
gebungen der mittleren Vukovid-Quelle und der Radoninoquelle, beides
Kreidekalkgebiete, eine Zerstückelung in kleine Schollen. Gewöhnlich
ist es aber trotz weitgehender Aufgeschlossenheit schwer, im Bereiche
mesozoischer Karstkalke Verwerfungen festzustellen. Ihre Erkennung
auf petrographischer oder paläontologischer Grundlage schließt sich
meist aus und ihr Nachweis aus dem Wechsel der Fallrichtungen und
Winkel ist oft durch Mangel an deutlicher Schichtung und durch
Unkenntlichwerden derselben infolge starker Zerschrattung sehr
behindert. Daß aber auch die eintönigen Rudistenkalkgebiete von
vielen kleinen Verwerfungen durchsetzt sein mögen, darf man daraus
schließen, daß derartige Störungen in solchen Schichten öfter an-
getroffen werden, in deren Bereich der Erkennung von tektonischen
Unregelmäßigkeiten keine Hemmnisse entgegenstehen. Die bloße Ver-
mutung einer tektonischen Anlage der in ihrer heutigen Gestalt zu-
nächst als Ergebnisse der chemischen Gesteinsauflösung erscheinenden
Kluftwasserwege berechtigt aber wohl noch nicht, die Karstquellen
kurzerhand als Verwerfungsquellen zu bezeichnen. Es verbleiben dann
in der Gruppe dieser letzteren nur jene Spaltquellen, welche an
einen tektonischen Kontakt verschiedener Gesteine geknüpft sind und
die Karstquellen verhalten sich dann — insoweit sie tektonische
Spaltquellen innerhalb desselben Gesteines sind — zu den Ver-
werfungsquellen wie die Quellen aus Schichtfugen im Kalkgebirge zu
den Schichtquellen. Es versteht sich aber von selbst, daß auch die
Adern dieser letzten beiden Arten von Quellen zu mehr oder minder
großem Teile nicht in Schichtfugengerinnen, sondern in Kluftgerinnen
verlaufen.
158 Dr. Fritz v. Kerner. [14]
Während stratigraphische Kontakte verschieden durchlässiger
Gesteine häufig sind, ist die Zahl der zu Quellbildung führenden
tektonischen Gesteinskontakte eine verhältnismäßig geringe. Es kommen
hier in Betracht:
1. Durch Verwerfung bedingter Kontakt von unterem Werfener
Schiefer mit Triasdolomit.
2. Durch steile Aufschiebung bedingter Kontakt von unterem
Werfener Schiefer mit Rudistenkalk und mit eocänen Kalkbreccien.
3. Durch Verwerfung bedingter Kontakt von Kreidedolomit mit
Rudistenkalk.
4. Durch mehr oder minder flache Ueberschiebung bedingter
Kontakt von eocänen Knollenmergeln und Flyschmergeln mit Rudisten-
kalk und eocänen Kalken.
5. Durch diskordante Auflagerung, zum Teil auch durch Ver-
werfungen bedingter Kontakt von neogenen Schichten mit mesozoischen
Kalken.
Da die Mehrzahl der hier aufgeführten Arten von Störungen
nur wenig verbreitet sind und die am häufigsten vorkommende, die
Ueberschiebung von Kreidekalk auf eocäne Mergel nur höchst selten
zur Quellbildung führt, stehen die an Störungen geknüpften Quellen
in unserem Gebiete auch hinsichtlich ihrer Anzahl den Schichtquellen
sehr nach. Es befinden sich unter ihnen aber einige von bemerkens-
werter Stärke.
E. Schuttquellen. Eine scharfe Trennung zwischen Quellen,
welche der Auflagerung von ursprünglichem und von umgeschwemmtem
Schutte auf undurchlässigem Grunde ihre Entstehung verdanken, läßt
sich nieht durchführen, da ja diese beiden Arten von Schutt selbst
nicht streng auseinanderzuhalten sind. Denn auch die Gesteinsstücke
einer Schutthalde sind oft nicht mehr an jener Stelle, wohin sie bei
dem Abbruche von der die Halde überragenden Felswand fielen und
schon durch Wasserwirkung in ein tieferes Niveau gebracht. Als
Gebirgsschutt liefernde Gesteine kommen in Dalmatien hauptsächlich
Kalk und Dolomit in Betracht. Bei der großen Durchlässigkeit des
Schuttes dieser Gesteine kommt es dort, wo er undurchlässigen Boden
bedeckt, vorwiegend zur Entstehung von Schuttgrundquellen. Die um-
geschwemmten Schuttmassen enthalten auch viele lehmige Bei-
mengungen und hier treten auch reine Schuttquellen auf. Unter sonst
gleichen Umständen sind die Wasseraustritte aus solchem umgelagerten
Schutte schwächer, aber nachhaltiger als jene aus Schutthalden, da-
durch mitveranlaßt, daß die in den aufgezählten Fällen den Unter-
grund des Schuttes bildenden verschiedenen Schichten zum Teil von
etwas durchlässigen Zwischenlagen durchzogen und öfter steil gestellt
sind. Es muß dies Wasserverluste nach der Tiefe zu bedingen.
Der Austritt von Quellwässern aus umgelagertem Schutte findet
auch unter verschiedenen geologischen Verhältnissen statt. Er geschieht
zunächst dort, wo neogene Kalkmergel von quartären Schutt- und
Blockmassen überdeckt sind und durch nachträgliche Erosion in eine
solche Schichtfolge kleine Täler eingeschnitten wurden. Hier bilden
[15] (uellengeologie von Mitteldalmatien. 159
die als Wassersammler wirkenden Schuttmassen nicht wie in den
vorigen Fällen, einen Saum unter einer das Gehänge krönenden Fels-
wand, sondern selbst die höchsten Teile des Gehänges. Gelegenheit
zur Auflagerung von Gehängeschutt auf undurchlässigem Boden ist
besonders da gegeben, wo ein aus Tonschiefer oder Mergel beste-
hendes Gelände von Steilhängen klüftigen Kalkes überragt wird. Diese
Lagebeziehung tritt in folgenden Fällen auf:
1. Bei steilen Anschiebungen von unteren Werfener Schiefern an
Rudistenkalk und eocäne Kalkbreccien.
2. Bei Ueberschiebungen von Rudistenkalk über eocäne Mergel,
besonders über Flyschmergel.
3. Bei Anpressungen eocäner Mergel an steile Faltensättel aus
Rudistenkalk und aus eocänen Breccienkalken.
4. Bei diskordanter Anlagerung neogener Mergelkalke an
Rudistenkalk.
Die meist nur schwachen Quellchen treten in den eben auf-
gezählten Fällen nicht am Fuße der Schutthänge, sondern in engen
in dieselben bis nahe auf die Schuttunterlage eingefurchten Runsten
aus. Die Spärlichkeit der Wasserführung ist wohl durch die meist
nicht große Mächtigkeit der als Wassersammler wirkenden Schuttlagen
bedingt. Im Cetinagebiete liegt über untertriadischem Grundgebirge
eine ungeschichtete altquartäre Schuttablagerung, welche die Hohl-
formen des Gebirgsreliefs ausfüllt und selbst: von vielen tiefen Erosions-
schluchten zerschnitten ist, so daß triadische Gesteine sowohl oben
auf der Decke als auch unten in den Schluchten manchenorts zutage
kommen. Hier trifft man, wo Tonschiefer der Werfener Schichten
die Basis der Schuttmassen bilden, im Grunde der erwähnten Schluchten
schwache Quellchen. Manche der im Werfener Schiefer vorhandenen
Einrisse sind aber für gewöhnlich trocken, weil dort der Schiefer bis
an den Ursprung der Wasserrisse hinaufreicht.
Außerdem gibt es Schuttquellen, welche in der Mitte oder im
unteren Teile flacher sich nach einer Seite öffnender Talmulden aus-
treten. Den Untergrund dieser Mulden bilden undurchlässige Schichten.
Die Umrahmung besteht zum Teil aus Kalken oder sich diesen ähn-
lich verhaltenden Kalkmergeln. Die Ausfüllung der Mulden ist ein
Gemenge von Verwitterungslehm des Grundes mit von den Rändern
her eingeschwemmtem Schutte.
F. Grundwasserquellen. Sie sind zum Teil an die Alluvien
der Flußläufe des Landinnern und der kleinen Küstenflüsse geknüpft,
zum Teil an das Vorkommen von Strandgeröllen gebunden. Viele der
den angeführten Gruppen zugehörigen Quellen sind nur schwach und
nur in der nassen Jahreszeit fließend. Es läge aber kein Grund vor,
sie hier von der Erörterung, auszuschließen. In geologischer Hinsicht
hat es Interesse, alle in einem Gebiete vorkommenden Fälle von
Quellbildung festzustellen und zu beschreiben. Was aber die praktische
Bedeutung der Quellen betrifft, so wäre es wohl zu weit gegangen,
dieselbe erst mit der Verwertbarkeit zur Wasserversorgung einer
Siedlung beginnen zu lassen. Die Fassung eines Quellchens als Tränk-
160 Dr. Fritz v. Kerner. [16]
oder Wegbrünnlein kann auch schon als Nutzbarmachung gelten, und
wo die Inanspruchnahme eines solchen Brünnleins eine geringe ist,
aber auch großer Wassermangel herrscht, wie dies gerade in spärlich
bewohnten Karstgegenden zusammentrifft, kann auch ein schwaches
Quellchen dem weiteren Begriffe eines praktisch bedeutsamen gerecht
werden. Daß diesbezüglich in Karstgebieten eine bescheidene Be-
urteilung in der Tat Platz greift, zeigt sich daran, daß hier des öfteren
auch schwache Austritte von Quellwasser, an denen man anderwärts
achtungslos vorüberginge, in roh gemauerte Brunnstübchen gefaßt und
mit besonderen Namen belegt sind.
Strukturformen der Quellen.
Für die Quellen, bei deren Bildung Unterschiede in der Durch-
lässigkeit der Böden und Gesteine eine wichtige Rolle spielen, ergibt
sich eine Einteilung nach der Lage und Gestalt der Grenzfläche
zwischen den verschiedenen Durchlässigkeitsgraden. Eine solche Ein-
teilung ist umfassender als die tektonische Gruppierung der Schicht-
quellen, denn das bei jener Gruppierung zum Beispiel für eine ab-
steigende Schichtquelle Bezeichnende, eine Neigung der undurch-
lässigen Unterlage gegen außen hin, kann auch bei einer an eine
Schubfläche geknüpften Quelle, bei einer Quelle aus verwittertem
über frischem Gestein und bei einer Schuttgrundquelle vorhanden
sein. Allerdings handelt es sich in den eben aufgezählten Fällen
um sehr verschieden zu bewertende Arten der Auflagerung durch-
lässiger auf undurchlässige Bodenschichten und insofern wird die
obige Einteilung eine künstliche; sie ermöglicht es aber, alle
Quellen mit Ausnahme der Karstquellen unter einem formalen Gesichts-
punkte vergleichend zu betrachten. Die Mannigfaltigkeit der tektonischen
Erscheinungen in unserem Gebiete und die Klarheit, mit welcher sie
bei weitgehender Aufgeschlossenheit oft zu erkennen sind, bringt es
mit sich, daß eine Betrachtung der Quellen in bezug auf die Grund-
züge ihrer Bauart eine große Fülle von Quellformen ergibt.
A. Absteigende Quellen. Absteigende Schichtquellen spielen
keine große Rolle. Das Vorherrschen von Falten und Schuppen im
Gebirgsbaue in Verbindung mit dem Vorwiegen sanfterer Gelände-
formen bringt es mit sich, daß ein freier Ausstrich exokliner Schichten
verhältnismäßig selten vorkommt. Treppenförmige Gehänge sind zwar
keine Seltenheit, doch werden diese öfter aus sanft bergwärts fallen-
den Bänken aufgebaut. Die Neogenschichten erscheinen wohl oft flach
talwärts geneigt, doch sind in ihnen die Durchlässigkeitsverhältnisse
zur Bildung von Schichtquellen wenig günstig. Wo sie von postplio-
cänen Schottern überdeckt sind, entwickeln sich Schichtquellen mit
nahezu söhliger Lage des Wasserträgers. Im Bereiche des gefalteten
Gebirges kommt es nur auf der Nordostseite des Mosor zu regionalem
Auftreten von exokliner Lagerung und zur Bildung kleiner Quellen
über abschüssigen Schichtflächen. Im Bereiche der aus Kalk- und
Mergellagen aufgebauten stark gefalteten eocänen Schichtfolgen zeigen
sich als seltene Erscheinungen absteigende Quellen, bei denen der
[17] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 161
Wasserträger eine mit ihrer Achse schwach geneigte Synklinale formt.
Auch hemizentroklinale Lagerung kann derselbe zeigen.
An Störungen gebundene absteigende Quellen können in einer
Schuppenregion, wo die Abtragung nirgends zur Herausarbeitung von
Ueberschiebungszeugen geführt hat, nur dort auftreten, wo Schub-
tlächen von geringer Neigung in Fenstern bloßgelegt sind. Es kommt
in unserem Gebiete ein solcher Fall bei einer Ueberschiebung von
Rudistenkalk auf Flyschmergel zur Beobachtung. Von den Schutt-
grundquellen ist wohl der größte Teil zu den absteigenden Quellen
gehörig.
B. Ueberfallquellen. Ueberfallende Schichtquellen finden
sich in größerer Zahl vor. Sie erscheinen teils an den Stirnrändern
von Ueberschiebungen, teils an den Flanken von Schichtmulden. Die
Ueberfallquellen in Gebieten mit Schuppenbau treten entweder im
hangenden oder im liegenden Flügel der Ueberschiebung aus. Der
erstere Fall kommt im triadischen Hangendflügel der Muter Störung
zur Entwicklung, wo im Bereich der oberen Werfener Schiefer typische
Ueberfallquellen entspringen. Der letztere Fall zeigt sich durch
Quellbildungen vertreten, die in den von Kreidekalken überschobenen
Flyschschichten der Küstenzone entspringen. An Muldenrändern zu-
tage tretende Quellen kommen im Gebiete der Flyschformation und
der Prominaschichten vor, wo der reiche Faltenwurf der aus Kalk-
und Mergellagen sich aufbauenden Gesteinsfolgen günstige Bedingungen
für die Bildung solcher Quellen schafft.
In der Mehrzahl der Fälle ruht hier die wasserführende Schicht
einer schiefen Ebene auf und ist das Sammelgebiet der Quelle nicht
näher zu umgrenzen. Es kommen aber auch überfallende Schichtquellen
mit hemizentroklinaler Lagerung des Woasserträgers vor, bei denen
das Sammelgebiet seitlich begrenzbar ist und nur hinsichtlich seiner
Erstreckung nach rückwärts mehr oder minder unbestimmt bleibt. In
unserem Gebiete ist diese seltenere Quellform durch zwei bemerkens-
werte Quellen vertreten. Die eine entspringt am Scheitel einer
Knickung der Schichtmassen im Streichen; das Wasser fließt hier wie
über die Spitze des Schnabels einer Kanne aus. Die andere tritt am
schwächer geneigten Flügel einer sich schließenden asymmetrischen
Mulde hervor; hier ist es, wie wenn Wasser über den Rand einer nach
der Seite geneigten ovalen Schüssel überfließt.
Die Bedingungen für das Auftreten von an Störungen geknüpften
Ueberfallquellen erscheinen wiederholt gegeben, da Ueberschiebungen
von Kalk auf Mergel mit frei ausstreichenden Schubflächen in der
Tektonik unseres Gebietes eine wichtige Rolle spielen. Die Schnittlinien
dieser Flächen mit den Gehängen sind aber weder bei den Ueber-
schiebungen des kretazischen Hornsteinkalkes und Rudistenkalkes auf
Knollenmergel noch bei jenen der oberen Kreidekalke auf Flyschmergel
ein Quellenhorizont. Nur ein Quellchen tritt am Ausstriche einer
solchen Schubfläche hervor, aber gerade dort handelt es sich um einen
besonderen tektonischen Fall, insofern die Mergellage nicht dem Unter-
flügel einer größeren Ueberschiebung, sondern einem zwischen Kreide-
schichten eingeklemmten Schubfetzen entspricht. Nicht selten sind die
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1 Heft. (F. v. Kerner.) 22
162 Dr. Fritz v. Kerner. [18]
Ausstriche der genannten Schubflächen mit Schutt- und Trümmerhalden
überdeckt, die von den schroffen Felsstirnen des aufgeschobenen
Kreidekalkes stammen. Bei den am Fuße solcher Halden austretenden
schwachen Wässern lassen sich zuweilen merkliche Unterschiede in der
Temperatur und Nachhaltigkeit erkennen. Es wäre möglich, daß da
eine geringere Schwankung der Quellentemperatur und Wasserführung
auf einen Zufluß aus den Klüften des hinter der eocänen Mergelbarre
gelegenen Kreidekalkes hinweist und daß eine größere Veränderlichkeit
in bezug auf Wärme und Wassermenge ein Quellchen als Schutt-
srundquelle erkennen läßt. Eine größere Rolle könnte man dem
Wasserzufluß über die schuttverhüllte Oberkante der Mergel aber
keinesfalls zusprechen, da auch dort, wo die Ueberschiebungslinien
entblößt sind, an denselben keine Quellen entspringen. Nach der
Karstwasserhypothese müßte man da wie in allen jenen Fällen, in
welchen man dort, wo man Wasser erwarten würde, und keines findet,
annehmen, daß der Karstwasserspiegel dauernd tiefer als der Ausstrich
der Schubfläche liege.
Von den Schuttquellen sind vielleicht manche derjenigen, welche
am Ausgehenden von Geländemulden entspringen, zu den Ueberfall-
quellen zu zählen; öfter mögen solche Quellen nur durch Querschnitts-
verengerung der quartären Ausfüllung solcher Mulden bedingt sein.
©. Stauquellen. Das im geologischen Baue des hier zu be-
schreibenden Gebietes begründete häufige Vorkommen von Gesteins-
zonen mit steil gestellten Schichten bedingt eine zahlreiche Vertretung
solcher Quellen, die durch Wasserstau an Schichtflächen entstehen.
Wieder sind es die Flysch- und die Prominafazies des höheren Eocäns,
in welchen solche Quellen mehrorts angetroffen werden. Aber auch
in jenen Triasstufen, wo sich Kalkeinschaltungen in Schieferzonen
oder Einlagerungen von Tonschiefern in vorwiegend kalkigen Schicht-
massen zeigen, sind Quellen dieser Art zu finden. Je nachdem es
sich da nur um Wassersammlung in klüftigen Zwischenlagen undurch-
lässiger Schichten oder um Stauung von größeren Kluftwassermengen
an undurchlässigen Scheidewänden handelt, können diese Quellen von
sehr verschiedener mittlerer Stärke sein.
Die an Störungen gebundenen Quellen mit starker Neigung der
den Wasserstau bedingenden Fläche sind entweder an steile Ueber-
schiebungen oder an Verwerfungen geknüpft. Im ersteren Falle können
die Gesteinsschichten fast so steil wie die Staufläche geneigt sein,
in letzterem Falle können sie — abgesehen von an der Störung ge-
schleppten Schichtfetzen — eine bedeutend geringere Neigung zeigen.
Steilstellung der Schubfläche kommt in unserem Gebiete bei den
Aufschiebungen der unteren Werfener Schiefer auf kretazische Kalke
und eocäne Breccienkalke vor; die auf eocäne Knollenmergel und
Flyschmergel aufgeschobenen Schuppen von Kreidekalk sind zumeist
nur mäßig oder nur schwach geneigt, doch wäre es möglich, daß
sich manche dieser Schiebungen nach der Tiefe zu steiler stellen.
Verwerfungsquellen treten in den früher erwähnten Fällen von
Kontakt verschieden durchlässiger Schichtglieder nur in beschränkter
Zahl auf, doch finden sich unter ihnen einige von bemerkenswerter
19] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 163
Stärke. Es handelt sich hier teils um Verwerfungen innerhalb des meso-
zoischen und alttertiären Grundgerüstes des Gebirges, teils um solche
an den Rändern der jungtertiären Auflagerung auf dasselbe.
Die Unterscheidung von Stauquellen erscheint insofern passend,
als sich sonst zwischen zwei so verschiedenen Quellformen, wie es
die Ueberfall- und Rückstauquellen sind, nur eine künstliche Grenze
ziehen läßt. In Faltengebieten von der Art Dalmatiens nimmt die
tektonische Bedeutung einer Winkeldifferenz im Verflächen mit zu-
nehmender Schichtneigung stetig ab. Während bei einer mittleren
Neigung von 15° die zu beobachtenden Grenzwerte der Einfallswinkel
kaum um mehr als 5° von diesem Werte beiderseits abweichen, Kann
man, sobald die Minima der Fallwinkel 60° übersteigen, oft auch
Seigerstellungen und selbst Ueberkippungen wahrnehmen. Die Vertikal-
stellung erscheint so — obschon sie in geometrischer Hinsicht ein
sehr wichtiger Grenzwert ist — im Schichtenbaue nur als ein Spezialfall
in der Bänkelagerung steil aufgerichteter Schichten. Wenn man ihn
zur Unterscheidung von Ueberfall- und Rückstauquellen benützt, so
kann es sein, daß man von zwei ganz analog gebauten Quellen die
eine der ersteren, die andere der letzteren Quellform zuzählen muß
und daß so die Einreihung einer Naturerscheinung in die eine oder
andere zweier ganz verschiedener Formengruppen von einem neben-
sächlichen Umstande abhängig gemacht wird. Auch bei an steile
Verwerfungen geknüpften Quellen könnte der Umstand, ob die Ver-
werfungskluft im einen oder anderen Sinne um ein geringes von der
Vertikalen abweicht, keine Zuteilung der betreffenden Quelle zu zwei
verschiedenen Formengruppen begründen.
Es empfiehlt sich, den betreffs der Lage der Staufläche zum
wasserführenden Gesteine gegebenen Gegensatz zwischen den genannten
zwei Quellformen, den Gegensatz zwischen den Lagebeziehungen des
„unter“ und „über“ durch die Lagebeziehung des „neben“ zu über-
brücken. Gegenüber den Vorteilen, welche dieser Vorgang bietet,
tritt der Nachteil, nun die Mittelglieder einer Formenreihe gegen
deren beiderseitige Endglieder abgrenzen zu müssen, sehr zurück,
da es sich hier nicht um eine künstliche Grenzziehung zwischen
Gegensätzen, sonderii um eine solche zwischen graduellen Unterschieden
handelt.
D. Rückstauquellen. Sofern man die Wasseraustritte infolge
von Stauung an steil bergwärts fallenden Flächen von den Ueberfall-
quellen trennt, wird man auch nur die hinter einem mäßig oder
schwach geneigten undurchlässigen Gesteinsdache hervorkommenden
Wässer zu den Rückstauquellen zählen. In diesem Falle ist die Zahl
der innerhalb normaler Schichtfolgen auftretenden Quellen dieser
Art im Kartenblatte Sinj-Spalato keine große. Innerhalb der Tirias-
formation am Südrande des Svilajagebirges erscheinen die Bedingungen
für das Entstehen von Rückstauquellen insofern gegeben, als es durch
das Einschneiden seichter Längstäler in die zum Gebirge hin ver-
flächenden Schichtmassen doch auch zum Ausstreichen : von gleich-
sinnig mit dem Gehänge (aber steiler als dieses) geneigten Schichten
kommt. Es kann so in den oberen Werfener Schiefern, in den unteren
22*
164 Dr. Fritz v. Kerner. [20]
Duvinaschiefern und in den Wengener Schichten zu Wasserrückstau
kommen. In den Eocängebieten zeigt sich zwar nicht selten ein
Wasserstau hinter überkippten Mergelbänken, aber selten ein solcher
hinter schwach geneigten, einer übergelegten Falte oder dem Flügel
einer aufrechten Mulde angehörigen Mergelschichten.
An abnormalen Schichtverband geknüpfte Rückstauquellen treten
an der Basis transgredierender Flyschschichten und an der Basis
der Neogenformation auf. Die Flyschmergel und die zwar kalkreichen,
aber zum Teil doch ziemlich undurchlässigen jungtertiären Mergel-
kalke transgredieren mehrorts schwach bis mäßig steil taiwärts fallend
über mesozoischen Kalken. Die Austrittsorte der sich in den Kluft-
netzen dieser Kalke anstauenden Wässer können an einer durch
Denudation geschaffenen Grenze oder nahe dem ursprünglichen Rande
der Basalbildung des Flysch oder des Neogens liegen.
E. Kombinierte Quellformen. Manche Quellen sind als
Kombinationen zweier oder mehrerer der hier aufgezählten Quellarten
und Quellformen anzusehen. Bei einem Teile dieser Vorkommnisse
ist die Kombination verschiedener Quellformen im Gebirgsbaue be-
gründet. In einem Falle tritt zum Beispiel das Wasser an einer
schräg über einen Hang hinabziehenden Grenze zwischen neogenen
Trümmerbreceien und Bändermergeln aus. Es dürfte hier durch eine
Querstörung an seinem weiteren Absinken auf der Berührungsfläche
der genannten Schichten. aufgehalten und zum Ausflusse in der
Richtung des Schichtstreichens gezwungen sein. In.einem anderen
Falle scheint das Wasser über einen von Kreidekalk überlagerten
Dolomitsattel überzufließen, an dessen Flanke abzurinnen und dann
an einer die Kalkhülle abschneidenden Verwerfung am Dolomit an-
gestaut zu werden.
In einem dritten Falle quillt das Wasser an der einem Gebirgs-
hange zugekehrten Seite eines demselben vorgelagerten Rückens aus;
der Berghang und der Rücken bestehen aus Kalk, die Senke zwischen
ihnen ist mit Neogenschichten erfüllt und an die vom Berghange ab-
gewendete Rückenflanke lehnen sich Dolomite. Hier erscheint die
Quellbildung durch Anstauung des Wassers an der Dolomitbarre und
Rückstauung unter der flachmuldig eingebogenen Mergeldecke bedingt.
Nicht selten kommt es vor, daß ein Quellgebilde durch Schutt-
vorlagen des Gebirges mannigfaltiger gestaltet wird. Dann handelt es
sich aber weniger um eine Kombination als um eine räumliche An-
einanderreihung zweier einfacher Typen. Falls einer über einer
tonigen Unterlage sich erhebenden exoklinen Kalkmasse Schutthalden
vorliegen, wird eine Verbindung einer absteigenden Schichtquelle mit
einer absteigenden Schuttgrundquelle und somit eine Verbindung zweier
Quellen von verschiedener Art aber gleicher Grundform entstehen
können. Ein Fall, wo sich eine absteigende Schichtquelle mit mulden-
förmiger Lagerung des Wasserträgers in eine flach abfallende Schutt-
grundquelle fortsetzt, kommt im Gebiete der Prominaschichten zur
Beobachtung.
Häufiger geschieht es, daß einem aus bergwärts fallenden Schiefern
oder Mergeln aufgebauten Hange, der von Kalkfelsen überragt wird,
[21] (uellengeologie von Mitteldalmatien. 165
von diesen stammendes Trümmerwerk aufruht. Bei dieser Sachlage
können Kombinationen von Ueberfall- oder Stauquellen mit absteigen-
den Schuttgrundquellen entstehen, und zwar kommt diese Verbindung
sowohl bei an normale Schichtfolgen gebundenen Ueberfallquellen als
auch bei Verwerfungsquellen vor. Auch die der obigen formellen Ein-
teilung der Quellen sich nicht einfügenden Karstquellen treten manclı-
mal aus Schuttvorlagen des Gebirges aus.
Man wird von einer Kombination von Fels- und Schuttquelle
nur dann sprechen, wenn nicht bloß eine Bestreuung des Quellortes
mit Trümmern, sondern eine völlige Verdeckung desselben mit Schutt-
massen vorhanden ist. Die Entscheidung, ob ein Wasseraustritt aus
Gebirgsschutt, der einem Felsterrain vorliegt, aus dem zufolge seiner
geologischen Beschaffenheit Quellen kommen könnten, eine maskierte
Felsquelle oder überhaupt nur eine Schuttquelle sei, ist zunächst auf
Grund der mittleren Wassermenge zu fällen. Bei Karstquellen wird
hier schon von vornherein jeder Zweifel ausgeschlossen sein. Auch
in manchen, reichere Schicht- und Störungsquellen betreffenden Fällen
zeigt es sich klar, daß das dem Gebirge vorliegende Schuttgelände
für sich allein die ihm jeweilig entquellende Wassermenge keinesfalls
liefern könnte. In zweifelhaften Fällen kann eine größere Nachhaltig-
keit und kleinere Wärmeschwankung eines Wasseraustrittes einen
Fingerzeig dafür abgeben, daß man es nicht mit einer Quelle zu tun
habe, deren Sammelgebiet auf die Schuttvorlage beschränkt ist.
F, Struktur der Quellen. Die gebräuchliche formelle Ein-
teilung der Quellen, welcher auch hier gefolgt worden ist, betrifft nur
die Lage und Form des Rahmens, innerhalb dessen sich die unter-
irdischen Wanderungen jener Wässer vollziehen, die in den Quellen
zutage treten. Die Gestaltung der Wege, auf welchen jene Wande-
rungen vor sich gehen, die Struktur der Quellen, bleibt bei einer
vergleichenden Betrachtung der Formverhältnisse jenes Rahmens noch
ganz aus dem Spiele und erheischt ihre besondere Untersuchung und
Erörterung. Die Verschiedenheiten, welche sich betreffs der Quellen-
strukturen ergeben, erscheinen im wesentlichen als ein Ausdruck
der Mannigfaltigkeit der Klüftungsformen der Gesteine und der Lücken-
gestaltung in den durchlässigen Bodenarten. Es wäre vielleicht ein
schönes Zeichen von Selbsterkenntnis, wenn sich die Karstforscher
eingestehen wollten, daß die zum Uberdrusse oft hervorgehobene
Regellosigkeit der Klüfteverteilung in den massigen und dickbankigen
Kalken nichts weiter als ein Verlegenheitsausdruck zur Verschleierung
des Umstandes ist, daß ihnen die Momente, von welchen jene Ver-
teilung abhängt, nicht bekannt sind. Man ist doch sonst so geneigt,
überall in der Natur das Walten von Gesetzen herauszulesen, warum
sollte gerade betreffs der Verteilung der Klüfte und Spalteu im
Karstkalke Gesetzlosigkeit herrschen! Man wird nicht fehlgehen, wenn
man sich bei jenen der im vorigen unterschiedenen Quellformen, bei
welchen mesozoische und alttertiäre Kalke und Kalkbreccien von
dicker Bankung oder undeutlicher Schichtung das wasserführende
Gestein sind, die Gesamtheit der unterirdischen Wasserwege in der
gewohnten Weise als ein vielverzweigtes Geflecht von in Form, Weite
166 Dr. Fritz v. Kerner. [22]
und Richtung sehr wechselnden Spalträumen vorstellt. Ueber die
spezielle Gestaltung des Geflechtes bleibt man aber ganz im ungewissen.
Bezüglich der Struktur solcher Schichtquellen und Verwerfungsquellen,
bei welchen das wasserführende Gestein dünnschichtig ist, wie zum
Beispiel die Kalkschiefer der oberen Werfener Schichten und die
Kalksandsteine des Flysch, kann man dagegen zu bestimmteren Annahmen
gelangen. Es wäre zwar nicht zutreffend, sich hier die Gesamtheit
der Wasserwege als ein ziemlich regelmäßiges engmaschiges Netz zu
denken, dessen mittlere Maschengröße den durchschnittlichen Dimen-
sionen der Platten des oberflächlichen Gesteinszerfalles entspräche ;
man wird aber doch annehmen dürfen, daß hier auch in der Tiefe
die Wasserbewegung vorzugsweise in Schichtfugen und in zu diesen
senkrecht stehenden Quersprüngen erfolgt. Durch Einschaltung schwer
durchlässiger, aber stellenweise zerstückter Zwischenlagen mag es hier
manchmal auch zu einer Art Kammerung und Stockwerkbildung inner-
halb des ganzen Spaltensystems kommen. Zwischen den hier kurz
gezeichneten Strukturen der Quellen aus dünnschichtigen und sich
aus Lagen von verschiedener Durchlässigkeit aufbauenden Gesteinen
und den Strukturen der Quellen aus massigen und dickbankigen
Kalken sind Uebergänge möglich, die bei Quellen aus solchen Ge-
steinen zu erwarten sind, die sich durch ihre lithologischen Eigen-
schaften als Verbindungsglieder zwischen den genannten beiden
Gesteinsgruppen erweisen.
Beziehungen der Quellen zu den Geländeformen.
Eine Einteilung der Quellen nach ihrer Lagebeziehung zum
Gelände verlohnt sich, wenn man hierbei das Verhältnis dieses
letzteren zum Gebirgsbaue in Betracht zieht und so die Einteilung
mit der Quellentektonik in Beziehung bringt. Austritte an Gehängen
und am Fuße von Abhängen und Geländestufen kommen bei Quellen
aller Formen, besonders bei Ueberfall- und Stauquellen vor. Die
verhältnismäßig seltenen Wasseraustritte an konvexen Geländeflächen
sind durch Fälle vertreten, in denen Quellen mit synklinaler
Lagerung des Wasserträgers an der Schmalseite von Hügelzügen
mit Muldenbau oder am Fuße der Schmalseite eines solchen Hügel-
rückens ausbrechen, ferner durch eine der früher erwähnten Ueber-
fallquellen mit hemizentroklinal gelagertem Wasserträger, welche
auf einem Geländesporn entspringt. In der Gruppe der Wasser-
austritte aus konkaven Geländeflächen ist zwischen solchen Quellen,
bei denen die Hohlform, in welcher sie entspringen, als ihr eigenes
Erosionsprodukt erscheint, und zwischen solchen, wo sie im Gebirgs-
baue vorgezeichnet ist, zu unterscheiden. Unter letzteren bilden
einige isolithische Schichtquellen, die im Hintergrunde synklinaler
Tälchen austreten, gleichsam das morphologische Gegenstück zu der
vorhin genannten Quelle, die am Fuße der Schmalseite eines
synklinalen Rückens entspringt. Von den Stauquellen unseres Gebietes
brechen manche am Grunde isoklinaler oder homoklinaler Täler auf.
Ein Austritt in anaklinalen Gräben und Gehängenischen kommt mehr-
fach bei Ueberfallquellen, ein solcher in kataklinalen Einschnitten
[23] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 167
bei Rückstauquellen vor. In den beiden letzteren Fällen können die
Quellen auch nur teilweise als Schöpfer der von ihnen belebten
Erosionsgebilde angesehen werden, denn insoweit hier das Hervortreten
von Wasser durch Höhenunterschiede der Ausstrichlinie bestimmter
Schichtflächen bedingt ist, erscheint ja das Vorhandensein von Gelände-
einschnitten als Ursache der Quellbildung. Dagegen sind die Fels-
nischen, aus welchen manche der großen Karstquellen hervorbrechen,
wohl von ihnen selbst geschaffen worden. Ein Ursprung in Gräben
und Geländemulden tritt auch bei Schuttquellen öfter in Erscheinung.
Formverhältnisse der Quellaustritte.
Betreffs der Gestalt der Austrittsorte der Karstquellen herrscht
auch im mittleren Dalmatien große Mannigfaltigkeit. Die obertägigen
Mündungen zweier mächtiger Höhlenflüsse des Cetinagebietes stellen
sich als in tiefen Felsnischen gelegene Quelltöpfe dar, an deren
Oberfläche man ein in kurzen Zwischenräumen und oft an wechselnder
Stelle sich wiederholendes Aufwallen des aus der Tiefe empordringenden
Wassers sieht. Manche der großen Kluftwasserstränge treten dagegen in
horizontaler Richtung und mit ruhigem und glattem Spiegel aus Spalten
und kleinen Höhlungen im Hintergrunde von Felsnischen aus. Bei
Quellen dieser und der vorigen Art können sich selbst große Schwan-
kungen des Wasserstandes nur in Höhenänderungen des Quellspiegels
äußern.
Einige der großen Karstquellen unseres Gebietes brechen aus
Block- und Trümmerwerk hervor, und zwar entweder aus Blockhalden,
die dem Fuße von Felshängen vorgebaut sind, oder aus den trümmer-
erfüllten Sohlen von schluchtartigen Einbuchtungen des Gebirges.
Der Wasseraustritt ist hier oft auf eine Strecke hin verteilt, der
Quellbach nimmt von seinem Ursprungsorte weg noch an Stärke zu.
Solche Quellen zeigen im Gegensatze zu den früher genannten bei
Schwankungen des Wasserstandes je nach dem Gefälle des Bachbettes
eine mehr oder minder große Horizontalverschiebung in demselben.
Die Höhe, bis zu welcher der Spiegel einer Felsnischenquelle
zur Zeit des Höchststandes des Kluftwassers hinanreicht und die
Stelle, bis zu welcher sich eine aus trümmererfülltem Talgrund
kommende Quelle zur Zeit des höchsten Wasserstandes zurückzieht,
ist stets an der Grenze der Schlammresiduen und vertrockneten
Moospolster leicht kenntlich. Typische Höhlenquellen kommen im
Kartenblatte Sinj-Spalato nicht zur Beobachtung, wohl aber im nord-
wärts benachbarten Gebiete, wo zwei von den’ zahlreichen Quell-
bächen der Cetina aus Höhlen hervorbrechen.
Von den Schichtquellen und den an Störungen gebundenen
Quellen treten die meisten einheitlich und geschlossen an den Tag.
Nur wenige von ihnen zeigen eine größere Erstreckung in die Breite.
Auch in den Fällen, in denen die Beschränkung des Wasseraustrittes
auf eine eng umgrenzte Stelle in den Strukturverhältnissen nicht vor-
gezeichnet ist, sieht man weit eher ein Hervorkommen von einigen
in größeren Abständen liegenden, in sich geschlossenen Quellen als
wie eine Kette von gegen einander nicht scharf abgrenzbaren Aus-
168 Dr. Fritz v. Kerner. [24]
tritten von Quellwasser. Dagegen beobachtet man bei Schuttquellen
häufig, daß sich der Wasseraustritt in der Abflußrichtung auf eine
längere Strecke hin verteilt. Am auffälligsten ist diese Erscheinung
in den Einrissen der Deckschichten des Flysch- und Neogengeländes,
wo man beim Aufstiege fast niemals zu Quellen kommt und die
manchmal stark murmelnden Bächlein aus ganz unscheinbaren An-
fängen wie nassen Flecken und kleinen Wasserlachen sich allmählich
entwickeln sieht. Eine flächenhafte Ausbreitung ist bei Quellen aus
schutterfüllten Mulden und bei Grundwasserquellen in alluvialen Tal-
sohlen anzutreffen. Die hier abfließenden Bächlein entwickeln sich
aus mehr oder minder ausgedehnten sumpfigen Wiesenstellen.
Die Schicht- und Verwerfungsquellen sieht man manchmal un-
mittelbar aus Fugen und Spalten des entblößten Felsens hervor-
sprudeln, öfter jedoch aus Verwitterungsschichten des anstehenden
Gesteines kommen. In nicht wenigen Fällen ist durch primitive Fassung
in roh gemauerten Steintrögen das ursprüngliche Bild verwischt.
Beschreibung der quellenführenden Gebiete.
Innerhalb des Kartenblattes Sinj-Spalato sind zwei durch einen
breiten Karstgürtel getrennte Hauptzonen mit Quellenführung zu unter-
scheiden, die Küstenzone und die Region der innerdalmatischen Auf-
bruchstäler. Letztere gehört — soweit sie in das Spalatiner Blatt
fällt — teils dem Flußgebiet der Kerka, teils dem der Cetina, teils
einem zwischen beiden liegenden Gebiete ohne oberirdischen Abfluß
an. Eine hydrographische Verbindung zwischen beiden Zonen wird
durch den Mittellauf der Cetina hergestellt, doch liegt der von dem
Unterlaufe dieses Flusses durchschnittene Teil der Küstenzone schon
außerhalb des hier besprochenen Blattes.
Die Quellen der Küstenzone sind teils große Karstquellen, teils
Schicht- und Schuttquellen im Flysch. Die Flußläufe des Jadro und
Stobrec scheiden diese Zone in drei Teile: die Gehänge von Castelli
und Clissa, das Gelände von Mravince und Spalato und die Vorketten
des Mosor. Ganz isoliert ist das gleichfalls durch ein Auftreten von
Flysch bedingte Quellgebiet von Dolac auf der Landseite des Mosor.
Die Quellen in der Zone der Aufbruchstäler sind zum Teile auch
Karstquellen, zum Teile sind sie als Gesteins- und Schuttquellen
an das Vorkommen von Triasschiefern und Neogenschichten gebunden.
Es sind in dieser Zone folgende Regionen unterscheidbar: Das Tal
der Vrba, welche als Seitenbach der Cikola dem Kerkaflusse tributär
ist, das kleine Becken von Ramljane, das l’olje von Mu mit den ihm
zugehörigen Tälchen der Radaca, Suova und Milina, das Tal der Sutina,
eines rechtsseitigen Zuflusses der Cetina, das Sinjsko Polje, dessen
westliche und östliche Umrandung im Norden durch das Hügelland von
Sinj, im Süden durch jenes von Trilj geschieden werden und die
Mulde von Gliev und das schon großenteils jenseits des Kartenrandes
liegende Hochtal von Korito. Diese letztgenannten zwei Regionen,
welche ihre Quellenführung dem Auftreten von Prominaschichten
[25] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 169
danken, fallen orographisch dem 'Cetinatale zu, erscheinen aber hydro-
graphisch insofern selbständig, als ihre Verbindungen mit dem Sinjsko
polje, die Gala- und Korito Draga, Trockentäler sind.
Im folgenden sind die Quellen der Aufbruchstäler vor jenen
der Küstenzone abgehandelt, was einem Vorschreiten der Beschreibung
von Nord gegen Süd entspricht. Innerhalb beider Zonen geschieht die
Aufzählung der Quellen möglichst in ihrer Reihenfolge von West
gegen Ost. Es entspricht dies in der Mehrzahl der von Flußläufen
durchzogenen Teilgebiete einem Vordringen in der Richtung talauf-
wärts. Die Bezeichnungsweise der Quellen und des Geländes geschah
in enger Anlehnung an die Namengebung auf den Originalsektionen der
Spezialkarte. Erkundung weiterer Benennungen erfolgte nur in seltenen
Fällen; meist wurde es versucht, die auf der Karte ohne Namen
gelassenen Quellen, Gräben, Kuppen usw. durch Angabe ihrer Lage-
beziehung zu benachbarten auf der Karte benannten Oertlichkeiten
zu bezeichnen.
Die Quellen des Vrbatales.
Das Tal der Vrba liegt in der südöstlichen Verlängerung der
von dem Oberlauf der Cikola durchflossenen Talsohle. Es gliedert
sich in drei Abschnitte, deren oberer noch eine Trennung in drei
Teilstücke erheischt. Der untere Abschnitt des genannten Tales bildet
eine südöstliche Aussackung der kleinen Ebene, an deren Ostrand
der Quellteich der Cikola gelegen ist. Dieser Talabschnitt wird rechts
vom Karstplateau von Crivac, links von einer Vorhöhe des Moset,
der Klinteva glavica, begrenzt. Er reicht bis zur Felsbarre von Jelic,
die den Vrbabach zur Bildung eines Wasserfalles zwingt.
Der mittlere Teil des Vrbatales hat in seiner unteren Hälfte
— gleich dem Endstücke des Tales — eine schmale Sohle und weitet
sich dann zu einer kleinen Ebene aus. Sein schmaler unterer Teil
liegt zwischen der Terrasse von Crivac und dem dem Mose vor-
gelagerten Rücken Mackolor. Sein oberer erweiterter Abschnitt ist
zwischen das südlich von Crivac liegende Plateau und das dolinen-
reiche östliche Vorland des Mosecgipfels Kragljevac eingesenkt.
Er reicht bis an den Nordabfall des großen Ramljaner Hügels,
welcher die soeben genannte Senkung ihrer ganzen Breite nach aus-
füllt und die Talrinne der Vrba an den Abfall des erwähnten Plateaus
hindrängt. Im oberen Abschnitte des Vrbatales sind zu unterscheiden:
Die auf die eben angeführte Art zustande kommende Talenge, die
sich darauf einstellende Erweiterung des Tales infolge der östlichen
Endigung des genannten Hügels und das Anfangsstück des Vrbatales,
welches sich längs des in der südöstlichen Verlängerung des Ramljaner
Hügels sich erhebenden Rückens Gradina hinzieht. Dieser scheidet
die Talfurche der Vrba von dem südwärts neben ihr verlaufenden
Polje von Mu. Von dem in ihrer östlichen Verlängerung gelegenen
Suvajatale wird sie durch eine flache Bodenwelle getrennt.
Auch in geologischer Beziehung gliedert sich das Vrbatal in
mehrere verschiedene Abschnitte. Im Bereiche seines unteren Teiles
tauchen die triadischen Schichten der dem Südwestfuße der Svilaja
Jahrbuch d. k.Kk. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 23
170 Dr. Fritz v. Kerner. [26]
folgenden großen Aufbruchsspalte unter. Während die Vorkommen
von Rauhwacke schon an der Mündung des Vrbatales enden, lassen
sich triadische Riffkalke auf der Westseite des Tales noch bis zur
Kuppe Mackolor verfolgen. Der mittlere Abschnitt des Vrbatales ent-
spricht jenem Teilstücke der Spalte, in welchem diese nur morpho-
logisch angezeigt, tektonisch aber geschlossen ist, insofern dort —
wie dies auch im mittleren Teile des Spaltentales der oberen
Cetina der Fall ist — keine tieferen als kretazische Schichten bloß-
liegen. Der Oberlauf der Vrba ist dann wieder in ältere Schichten
eingeschnitten, und zwar die Talenge bis Bakovic in jurassische
Kalke, das oberste Stück des Vrbabaches in die Grenzschichten
zwischen der mittleren und unteren Trias.
Das Vrbatal ist gleich der Mehrzahl der innerdalmatischen
Spaltentäler ein Gebiet, in das die Binnenseen der Neogenzeit ein-
gedrungen waren. Im unteren Talabschnitte und in der unteren Hälfte
der mittleren Talstrecke sind jungtertiäre Schichten beiderseits des
Bachbettes in großer Ausdehnung vorhanden, streckenweise weit an
den Talflanken hinanreichend. Weiter talaufwärts haben sich aber nur
geringe Reste solcher Schichten am West- und Ostrande der Ram-
ljaner Hügelmasse erhalten. Die Quellen des Vrbatales sind so teils
an das Auftreten von Neogenschichten, teils an das Erscheinen von
triadischen Schichten geknüpft. In der zu einer kleinen Ebene aus-
geweiteten Talstrecke sind wohl auch die Bedingungen für das Vor-
kommen von Wiesenquellen im alluvialen Schwemmlande gegeben.
Karstquellen treten in der durch zerklüftetes Kalkgebirge tretenden
Enge des Vrbatales nicht auf.
Der Unterlauf und die Nordhälfte des Mittellaufes der Vrba
fallen noch außerhalb des Blattes Sinj-Spalato; ersterer in die Süd-
ostecke des Blattes Kistanje-Dernis, letztere in die Südwestecke
des Blattes Gubin — Verlicca. Um die Darstellung nicht zu zerreißen,
mögen aber auch die dort vorhandenen Quellen erwähnt sein. Es
kann dies aber in aller Kürze geschehen, da diese Quellen weder
durch Wasserreichtum, noch durch ihre geologische Bauart sehr
bemerkenswert erscheinen. Die Mehrzahl derselben ist auf der linken
Talseite gelegen. Gleich unterhalb des St. Eliaskirchleins wird von
der Straße von Dernis nach Sinj das Abwasser einer Quelle
überquert, welche noch im Bereiche der obereocänen Mergel-
schiefer, denen das bekannte Kohlenflöz von Kljake eingeschaltet
ist, an den Tag tritt. Die anderen Quellen entspringen im Gebiete
der neogenen Schichten. Ein kleines Wässerchen entquillt dem
Mundloche des teilweise verschütteten Schurfstollens, welcher in
die von Lignitbäudern durchzogenen, steil gegen das Vrbatal ver-
flächenden Kalkmergel vorgetrieben ist, die in jenem Einrisse auf-
geschlossen sind, der einige hundert Meter südostwärts vom vorgenannten
Kirchlein oberhalb der Straße liegt. Die dort entblößten Schichten
sind weißliche, zerblätternde kalkreiche Mergel, welche Fossarulus
tricarinatus führen und ungefähr den Kohlenbänderschichten von
Lucane entsprechen (Zone III der Neogenentwicklung westlich von
Sinj). Zwei kleine, auch auf der Spezialkarte eingetragene Quellchen
entspringen unterhalb des Sattels zwischen der Klinteva glavica und
[27] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 171
dem Ma£kolor; das eine nordwärts von Pernjak in einer mit Gebüsch
bewachsenen Gehängenische westlich von der Straße, das andere
südostwärts von jenem Dorfe, dort, wo ein von demselben herab-
kommender Pfad die Straße trifft, am Abhange gleich unterhalb der
Straßenböschung. Diese Quellchen treten aus dem die neogenen
Schichten überdeckenden Schutte aus. In der Umgebung der ersteren
Stelle sind unregelmäßig zerklüftete sandige Mergelkalke mit Cerato-
phyllum sinjanum aufgeschlossen. In den Einrissen am Hange unterhalb
der Straße sieht man bläulichgraue Lehme und Tone mit Lagen von
Sphärolimonit entblößt. Sie enthalten neben verdrückten Melanopsiden
auch das eben genannte Leitfossil der tieferen Horizonte des Sinjaner
Neogens. Eine hübsche klare Quelle findet sich dann noch auf der
rechten Talseite in dem großen Einrisse ober Jelic, welcher die
höheren Schichten des Neogens bloßlegt. Es sind dies muschlig
brechende graue und blaßgelbliche Kalkmergel mit Kongerien und
klüftige gelbliche Süßwasserkalke mit Fossarulus Stachei. (Ungefähr
den Zonen V—VII des Neogens von Ludane entsprechend.) In dem
oberhalb der Barre von Jeliö folgenden Stücke des Vrbatales verzeichnet
die Spezialkarte zwei schwache Quellen am Fuße der südwestlichen
Tallehne. Sie treten aus dem die neogenen Schichten überdeckenden
Schutte aus. Das unterhalb der Straßenschenke gegenüber den Crivacke
staje dicht an der Straße liegende Quellchen ist in roher Ummauerung
gefaßt. Im übrigen trifft man hier in den sehr wenig durchlässigen
Neogenablagerungen nur Runste für oberflächliche Entwässerung. Von
den Rändern der kleinen Talebene von Quartiri laufen der Vrba
mehrere Rinnsale zu. Eines derselben hat am Fuße des aus tieferem
Kreidekalk bestehenden Hanges nördlich von Quartiri seinen Aus-
gangspunkt; ein zweites kommt südostwärts von jener Hüttengruppe
aus dem Dolomit der Unterkreide. Ein drittes nimmt gegenüber jenen
Hütten am Westrande der Ebene, wo Kalke und Dolomite der Ober-
kreide anstehen, seinen Ursprung. Außer der Verstärkung, welche
die Vrba durch Zuflüsse von den eben genannten Orten her er-
hält, empfängt sie bei ihrem Laufe durch die kleine Ebene wohl
auch noch Zuströmungen von Grundwasser aus den Alluvien der-
selben.
Die Talmulde von Bakovic ist der Ursprungsort von mehreren
Quellen. Eine derselben entspringt gegenüber vom Wirtshause, eine
zweite östlich von der vorigen neben der Straße nach Ogorje. Ihr
Abwasser versiegt in einem Rinnsale, welches kurz vor der Brücke
über die Vrba in dieses Bächlein mündet. Etwas weiter südwärts
liegt die Quelle Stuba. Diese Quelle ist gleich wie die vorige als
Grundwasserquelle in der Schuttausfüllung der Talmulde zu betrachten,
wogegen bei der Quelle Marcinkovac auch Stauwirkungen der benach-
barten Werfener Schiefer eine Rolle spielen dürften. Letztere Quelle
liegt gleich neben dem flachen Sattel, welcher vom Polje von Ram-
Jjane in das Vrbatal hinüberführt.
Vor der etwa 1 km taleinwärts von hier gelegenen Stelle, wo
die Vrba durch eine Felsmasse von triadischem Riffkalk bricht, sind
drei Quellen zu sehen, Eine tritt am Fuße des Nordhanges aus Schutt
aus und ist noch im Frühsommer ziemlich reich. Eine zweite entspringt
23*
172 Dr. Fritz v. Kerner. [28]
südwärts von dem Hügel, welcher durch die linkerseits vom Durch-
bruche der Vrba stehende Riffkalkmasse aufgebaut wird, am Nordost-
fuße des hohen Felskammes der Gradina. Auch sie ist unter mittleren
Verhältnissen ziemlich reich. Das Wasser quillt hier aus einer von
Felstrümmern umgebenen Vertiefung im Erdreiche und fließt durch
ein binsenbesäumtes Rinnsal in den nahen Bach. Die Felsunterlage
des Schuttes wird hier durch von Werfener Schiefer unterteufte
Duvinaschichten gebildet. Eine dritte, aber nur schwache Quelle geht
in der Wiese nördlich von der Mühle auf, welche an der Mündung
der kleinen Talenge steht. Im obersten Abschnitte des Vrbatales
bedingt das Durchstreichen eines Zuges von Duvinaschichten zwischen
den triadischen Dolomiten und Riffkalken der rechten Talseite und
die linksseitige Flankierung der Talfurche durch obere Werfener
Schichten das Auftreten schwacher Quellchen, welche im Vereine mit
dem in der Talrinne selbst sich sammelnden Sickerwasser den Ursprung
der Vrba bilden.
Von den rechterseits gelegenen Quellchen kommen einige aus
dem schmalen Streifen steil gestellter Schiefertone, welcher die gegen
N einfallenden Hornsteinkalke unterteuft. Hier handelt es sich teils
um Wassersammlung in dem Schutte über den Schiefern, teils um
Stauwirkung derselben auf das in die Hornsteinkalke eindringende
Wasser. Ein schwaches Quellchen tritt aber schon an der Oberkante
dieser Kalke aus, um dann quer durch die Zone derselben abzufließen.
Hier scheint ein kalkfreies, tuffartiges Gestein, welches sich hier wie
im mittleren Suvajatale stellenweise den obersten Partien der Duvina-
schichten eingeschaltet zeigt, auf die in den benachbarten Dolomit
einsickernden Wässer eine stauende Wirkung auszuüben.
Die Vrba zeigt, wie alle fließenden Gewässer unseres Gebietes,
eine große Jahresschwankung ihrer Wassermenge und kann in längeren
Trockenperioden ganz versiegen. Unter mittleren Verhäitnissen ist sie
bis zum Eintritte in das Prikopolje nur ein kleiner Bach; erst hier
wird sie durch Zuflüsse von Grundwasser soweit verstärkt, daß man
sie je nach der wechselnden Tiefe ihres Bettes nur auf Stegen oder
auf — gleich winzigen Brückenpfeilern — in ihr Bett gesetzten
Quadersteinen trocken überschreiten kann. Aehnlich verhält es sich
mit ihr auch noch in ihrem Unterlaufe. Sie sticht so scharf von der
Cikola ab, welche — ausgenommen die regenarmen Monate — gleich
in der Stärke eines kleinen Flusses aus dem Gebirge quillt. Es zeigt
sich hier der große Unterschied, welcher zwischen den aus Schicht-
und Schuttquellen entstehenden Bächlein und den großen Karstquell-
bächen besteht.
Bei der Bedeutung, welche die hydrographischen Verhältnisse
für die Gesamtbeurteilung eines Talzuges haben, begründet es der
eben genannte.Unterschied, daß man das Vrbatal vom oberen Cikola-
tale scharf trennt, obschon es dessen unmittelbare orographische und
tektonische Fortsetzung ist. In einem unverkarsteten Gebiete würde
es unter sonst ähnlichen Umständen ungewöhnlich sein, von zwei
verschiedenen Tälern zu sprechen.
[29] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 173
Die Quellen im Polje von Ramljane und im Polje von Mut.
Das kleine Polje von Ramljane ist zwischen den Höhenzug; des
Mose und die allseits frei aufragende Hügelmasse, auf welcher die Hütten
von Ranljane stehen, eingesenkt, Diese Hügelmasse bildet eine hohe und
breite Scheide gegen den engen Teil des Vrbatales unterhalb des
Felsspornes von Sajmuste. Die beiden Endpunkte des Poljes neben dem
West- und Ostrande der Hügelmasse sind aber nur durch schmale
niedrige Barren vom Vrbatale getrennt, Die nordwestliche Poljenecke
scheidet ein verkarsteter Geländestreifen vom breiten Talboden bei
Quartiri, das Ostende des Poljes wird durch die von der Straße nach
Dernis überquerte Bodenwelle vom kleinen Talbecken von Bakovid
getrennt.
In geognostischer Beziehung ist das kleine Polje von Ramljane
die westliche Fortsetzung des Poljes von Muc und stellt so ein zweites
Beispiel für jene Art von Ueberschiebungspoljen dar, bei welchen
die vom oberen Ueberschiebungsflügel aufgebaute nördliche Poljenwand
aus Schiefern, die vom unteren Flügel der Ueberschiebung gebildete
Bodenfläche und Südwand des Poljes aber aus klüftigem Kalk bestehen.
Letzterer ist hier am südlichen Poljenrande ausschließlich Rudistenkalk,
doch streicht die Eocänmulde des en Kragljevac sehr nahe an
diesem Rande vorbei.
Im mittleren Poljenteile zeigt sich Rudistenkalk auch auf der
Nordseite der eluvialen Ausfüllung des Poljes gleichwie bei Muc
kleine Partien von Nummulitenkalk und eocänen Breccien am Fuße
des nordseitigen Gehänges liegen. Anderseits .erscheinen wie im öst-
lichen Teile des Mucer Beckens auch bei Ramljane am nördlichen
Poljenrande kleine Aufschlüsse von Rauhwacken an der Basis der
steil aufgeschobenen Trias. An der nördlichen Poijenwand streichen
untere und obere Werfener Schichten hin, jedoch in weit geringerer
Mächtigkeit als bei Mu‘. Ueber ihnen folgen Oltarnik-Schichten und
dann Triasdolomit, welcher die oberen Gehängeteile formt.
Es sind so hier die Vorbedingungen für zwei Arten des Wasser-
austrittes gegeben: für Quellen, welche das sich hinter der Ton-
schieferbarre in den Kalkschiefern und Dolomiten stauende Wasser
an den Tag bringen und für Sickerwässer, welche auf der Oberfläche
der Tonschiefer unter dem dieselben deckenden Kalk- und Dolomit-
schutte entstehen. Ein Vorkommnis der ersteren Art ist die schöne
und reiche Quelle Vodica, welche den Bewohnern von Ramljane das
Trinkwasser liefert. Von oberflächlichen Schuttquellen sind wohl die
meisten der in den Einrissen am Südhange der Ramljaner Hügelmasse
rieselnden Wässerchen abzuleiten.
Das Polje von Mu& stellt eine in W—O-Richtung gestreckte,
zwischen den Flußtälern der Cetina und Kerka liegende “Wanne ohne
- oberflächlichen Abfluß dar. Im Norden ist es von einem Längstale
begleitet, welches sich ostwärts ebensoweit wie das Polje erstreckt,
und durch ein in die Westhälfte des Poljes mündendes Quertal mit
demselben in Verbindung steht. Das Tal der in die Cetina fließenden
Sutina liegt in der östlichen Verlängerung des Poljes von Mue. Das
Tal des in die Cikola mündenden und so dem Flußgebiete. der Kerka
174 Dr. Fritz v. Kerner. [30]
zugehörigen Vrbabaches liegt dagegen in der westlichen Fortsetzung
des Längstales im Norden des Mucer Poljes und streicht so dem
westlichen Teile desselben parallel. Die Wasserscheide gegen die
Cetina verläuft somit quer, jene gegen die Kerka aber parallel zur
Poljenachse.
Das Mucer Polje folgt der großen steilen Ueberschiebung der
Trias am Südfuße der Svilaja auf den aus steilen Kreidesätteln und
engen Eocänmulden bestehenden Höhenzug des Mose‘. Die nördliche
Wand des Poljes baut sich aus in dessen Längsrichtung streichenden
Werfener Schichten auf und gliedert sich entsprechend der deutlichen
Scheidung dieser Schichten in eine Unter- und Obergruppe in zwei
auch hydrologisch scharf getrennte Zonen. Die unteren Werfener
Schichten stellen als Tonschiefermasse mit eingelagerten Kalk- und
Sandsteinbänken ein vorwiegend undurchlässiges und nur längs jener
Zwischenlagen in spärlichem Maße Wasser führendes Gebirge dar. Sie
können so nur schwache Gesteinsquellen erzeugen und auch nur
unbedeutende Schuttquellen liefern, da ihr Verwitterungsprodukt ein
für Wasser wenig aufnahmsfähiges Gemenge von Lehm mit Kalk- und
Sandsteintrümmern ist. Die ob ihres Reichtumes an Cephalopoden
bekannten oberen Werfener Schichten von Mu sind dagegen als eine
von schmalen Lagen von Schieferton durchzogene, plattig-kalkige
Schichtmasse zur Aufnahme größerer Wassermengen wohl geeignet und
Schichtquellen führend. Schuttquellen können sich in ihnen aber trotz
der Aufnahmsfähigkeit kalkigen Gebirgsschuttes für Wasser wegen der
Beschaffenheit des Untergrundes nicht leicht bilden.
Die unteren Werfener Schichten auf der Nordseite des Poljes
von Muc sind steil an die den Boden dieser Wanne bildenden kreta-
zischen und eocänen Kalke angepreßt. In der Berührungszone treten
zahlreiche Verbiegungen und Knickungen der Schichten auf und der
häufige Wechsel ungleich plastischer Gesteinslagen fördert die Zer-
reißung solcher kleiner Falten. Es kann so selbst dort, wo sich
mächtigere Sandsteinlagen den Tonschiefern einschalten, kaum zur
Bildung größerer zusammenhängender Netze von Quelladern kommen.
Die oberen Mucer Schichten stellen dagegen eine großenteils sehr
regelmäßig, mittelsteil gegen den Berg zu fallende Schichtmasse dar.
Die wiederholte Einschaltung von schmalen tonigen Zwischenlagen
führt zur Aufspeicherung des Wassers in mehreren Stockwerken und
— soweit jene Tonlagen durch Auskeilung oder kleine Verwürfe
Unterbrechungen erleiden — mag es auch zur Vereinigung von in _
benachbarten Etagen sich sammelnden Wässern kommen.
Das von den Werfener Schichten aufgebaute Talgehänge, welches
sich nordwärts vom Polje von Mu emporzieht und die Südflanke der
südlichsten Vorkette der Svilaja bildet, weist eine reiche Gliederung
auf. In seinen aus den Kalkschiefern bestehenden höheren Teilen
entwickeln sich zahlreiche Gräben, aus deren Vereinigung kleine
Talschluchten hervorgehen, die die Zone der Tonschiefer quer durch-
brechen und in dieser letzteren nehmen auch noch kleine Gehänge-
nischen ihren Ursprung. Unter den schon in den Ceratitenschichten
zur Entwicklung kommenden reichverzweigten Gräben sind jene des
Radacabaches, des Zmievacbaches und des Baches von Kilic die
[31] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 175
bedeutendsten. In ihrem Östabschnitte geht die MuGer Ueberschiebung
in eine Aufbruchsfalte über. Es treten dort an der Grenze der unteren
Werfener Schiefer gegen das überschobene Tertiär wieder obere
Werfener Schiefer auf und die Zone der ersteren erfährt eine bedeu-
tende Verbreiterung. Während sie in der Mucer Gegend nur den
Fußteil des nördlichen Talgehänges bildet, weitet sie sich ober Neori«
zu einem von dem ar röigten Talsystem der Milina durchschnittenen
Gelände aus.
Westwärts vom Durchbruche des Suvajabaches trifft man im
Bereich der unteren Werfener Schiefer eine Quelle in dem Graben
zwischen Postinje gornje und dem Hügel Leskovac. Ihr Wasser fließt
durch ein Geröllbett dem soeben erwähnten Bache zu. Im Durch-
bruchstale dieses letzteren ist dort, wo es die Grenzzone der oberen
und unteren Schiefer quert, ein Quellchen zu bemerken. Ziemlich
reich an Quellen ist dann der Radacagraben, welcher, ehe er die
unteren steil gestellten Schiefer schluchtartig durchbricht, eine längere
Strecke nahe der Grenze zwischen den unteren und oberen Werfener
Schichten hinstreicht. Am Wege von Mu@ nach Topiö trifft man dort,
wo er den eben genannten Graben quert, zwei roh ummauerte
Quellchen, die in einer Störungszone mit örtlich wechselndem Schicht-
fallen liegen. Am östlich folgenden Pfade entspringt gleich neben dem
Bache eine ebenfalls primitiv gefaßte Quelle aus steil gegen N ein-
fallendem Schieferkalk, dem eine Tonschieferschichte vorliegt, ganz
nahe oberhalb der Stelle, wo das Bachrinnsal zum erstenmal (in der
Richtung talab) von den unteren Werfener Schichten tangiert wird.
Das obere der zwei erstgenannten Quellchen zeigte bei einer Messung
im April 778, im Juni 1480; das untere 11°30 u. 13°00°, die Quelle
am Bache 10:30 und 11°45°. Die letzteren zwei Quellen konnten so als
Stauquellen erkannt werden, die erstere ergab sich als eine ober-
flächliche Schuttquelle zu erkennen.
Höher oben treten nahe dem Ende und im Innern eines links-
seitigen Zweiges des Radacagrabens kleine Ueberfallquellen aus den
oberen Werfener Schichten aus. Den Ursprung des Radacabaches
bildet eine Quelle, welche mittels einer vor ungefähr zehn Jahren
gebauten Leitung zur Trinkwasserversorgung von Muc dolnje heran-
gezogen wurde. Sie ist in der Frühlings- und Herbstregenzeit stark,
im Sommer aber kaum imstande, den ganzen Wasserbedarf des Dorfes
zu befriedigen. Diese Quelle entspringt schon nahe der Grenze der
oberen Werfener Schiefer gegen die Oltarnik-Schichten und es mag
sich so ihr Wurzelgeflecht wohl noch in.den Bereich dieser letzteren
erstrecken.
'An dem aus unteren Werfenier Schiefern aufgebauten Südhange
des Rückens, welcher den Radacagraben vom Mucko polje trennt,
entwickeln sich spärliche Sickerwässer; ein unter einer Mauer aus-
tretendes Quellchen, das den Wasserfaden in der Gehängenische
westlich. von der Muter Kirche speist, weist durch seine Temperatur
auf einen tieferen Ursprung hin. Im Graben östlich vom Radacabache
trifft man eine hübsche Quelle, deren Wasser in einen Holztrog
geleitet ist. (Temp: um Ende Juni :12:82°.) Das in der Spezialkarte
vermerkte Quellzeichen. bei Orlovi@ ‘bezieht sich auf.ein kleines, roh
176 Dr. Fritz v. Kerner, [32]
ausgemauertes, wassererfülltes Becken am Fuße einer steilen Böschung,
die durch die Schichtköpfe einer mittelsteil gegen N einschießenden
Kalksteinbank gebildet wird.
Die zwischen den Kuppen Oltarnik und Visovac gelegene Gehänge-
strecke, woselbst die oberen Werfener Schiefer ihre größte Mächtig-
keit erlangen, ist das Entwicklungsgebiet mehrerer kleiner Ueberfall-
quellen. Sie entspringen in verschiedenen Höhenlagen der hier weithin
sehr gleichmäßig bergwärts fallenden Schichtmasse. Aus der Vereinigung
ihrer über zahlreiche Schichtkopfstufen in kleinen Kaskaden zur Tiefe
eilenden Abwässer gehen der Zmijevac potok und der Mühlen treibende
Bach bei Kili€ hervor. Zwischen beiden Bächen tritt schon nahe der
Basis der oberen Werfener Schiefer die Cesmaquelle aus mittelsteil
gegen N einfallenden dünnplattigen Kalkschiefern aus.
Das Talsystem der Milina im östlich verbreiterten ‘Abschnitte
des Aufbruches der Untertrias ist gleichfalls ziemlich wasserreich.
In den Felseinschnitt, in welchem der Torrente Milina die aus eocänen
Breccien gebildete Barre zwischen seinem eigenen Talboden und dem
Mu<ko polje durchquert, münden rechts zwei Bachrinnsale, die das
sich in dem dort über den unteren Werfener Schiefern ausgebreiteten
Schutte sammelnde Wasser ableiten. Wegen ihrer eigentümlichen
Struktur sehr bemerkenswert ist die ‘oberhalb des Talbodens der
Milina gelegene Quelle bei Klacar. Sie entspringt an der Grenze der
unteren und oberen Werfener Schiefer, und zwar am unteren Ende.
eines in die unteren Schiefer vorspringenden Spornes der oberen
Schiefer, welcher einer lokalen Knickung im Schichtstreichen seine
Entstehung dankt. Die Schichten fallen rechterseits mittelsteil gegen
WNW, Jlinkerseits gegen NO. Das Wasser fließt hier so gleichsam
wie über den Schnabel einer Kanne aus und die Quelle verhält sich
hinsichtlich ihrer Struktur zur Grundform der Ueberfallquellen
wie eine Schichtnischenquelle zur Grundform der absteigenden
Schichtquellen. Die Beschränkung des Wasseraustrittes auf einen Punkt,
im Gegensatze zu dessen Ausdehnung längs einer Linie, ist hier schon
im tektonischen Schema vorgezeichnet, während sie in den anderen
Fällen — soweit ein zusammenhängendes Kluftnetz vorliegt — durch
Ungleichheit der Denudation bedingt erscheint. Denn die schematische
Betrachtung würde bei regelmäßiger 'isoklinaler Lagerung Quellen-
horizonte erwarten lassen. Da der erwähnten Knickfalte im Relief
ein Abhangsrücken entspricht, ist die Quelle beim Gehöfte Klatar
zugleich ein Beispiel der verhältnismäßig seltenen Quellen, welche an
Terrainvorsprüngen austreten.
Dieser Quelle südlich gegenüber ist an der Straße von Mus
nach Sinj die Quelle „Za putom“ gelegen. Sie tritt über sehr steil gegen
ONO einschießenden graugrünen ‚und braunen Werfener Schiefern
aus, ganz nahe der Grenze: derselben gegen die von ihnen steil
überschobenen Breccienkalke des Eocäns.
Diese in einem roh ummauerten Becken 'gefaßte Quelle hatte
bei einer in. der zweiten Junihälfte vorgenommenen Messung die
Temperatur 12°9. Im Anfangsstücke des: Torrente Milina, welches
auf ‚seiner Südseite von einem den unteren: Werfener: Schiefern
eingeschalteten Kalkzuge begleitet wird; befindet sich neben einer
B; [33] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 17.7
der in das Bachbett eingebauten Talsperren eine ziemlich reiche
Quelle. Sie tritt unter Kalkfelsen aus, deren Liegendschiefer 40°
gegen WNW einfallen. Sie wies im Juni eine Temperatur von 13-40
auf; ein noclı weiter taleinwärts, wo die Schichten mehr gegen NNW
geneigt sind, austretendes Quellchen zeigte 13°2°, Der gleichfalls unter
einer Talsperre gelegene Ursprung der Milina gab sich dagegen durch
seine um mehrere Grade höhere Temperatur als ein durch die ver-
zweigten Wurzelgräben ziemlich oberflächlich abgeführtes Wasser zu
erkennen.
Nach ihrem Austritte in das Polje von Mu&@ streben die ver-
schiedenen Bäche und Wasserfäden, welche sich in den zahlreichen
Gräben des Gebietes der unteren Triasschiefer entwickeln, dem süd-
lichen Poljenrande zu ; die kleineren verlieren sich, ehe sie denselben
erreichen, in den Alluvialschichten des Polje ; die größeren verschwinden,
nachdem sie an diesen Rand herangekommen sind und ihm eine Strecke
weit gefolgt sind, in Ponoren. Ein ähnliches Verhalten zeigt auch
der Suvaja potok, welcher schon im Gebiete der mittleren Triasschichten
nordwärts von der Zone der Werfener Schiefer seinen Ursprung
nimmt, Die Bäche der Mucer Gegend ordnen sich hiebei dreien
verschiedenen Abzugsgebieten ein. Dem westlichen gehören der
Suvajabach und die Abwässer der westwärts von seinem Durchbruchs-
tale liegenden Quellen an. Das mittlere umfaßt alle an der Gehänge-
strecke vom Suvajatale bis zum Graben des Zmijevac entspringenden
schwachen Wässer und den Rada@abach. Dem östlichen fallen der
Zmijevac potok und alle abwärts von ihm sich entwickelnden Bäche
einschließlich der Milina zu.
Das Geröllbett der Suvaja quert nach seinem Durchbruche durch
die Schieferzone das Mucer Polje in seiner ganzen Breite, wendet
sich dann in rechtem Winkel gegen West und endet nach Durch-
messung der Talenge zwischen dem Mucer Polje und dem Polje von
Postinje in diesem letzteren ohne Hauptponor. Der Radatabach durch-
quert nach seinem Austritte aus dem Gebirge gleichfalls das Mucko
Polje seiner ganzen Breite nach, biegt dann rechtwinklig gegen Ost
um und verschwindet in einem großen, in Nummulitenkalk eingetieften
Ponor vor der Mündung der Berina Draga. Der Zmijevac potok
wendet sich nach seinem Eintritte in die Mucer Ebene gegen SO
und stürzt sich in einen großen nordostwärts von MoSek liegenden
Felstrichter, welcher in eocäne Breccien eingesenkt ist. Die Milina
erfährt bei ihrem Eintritte in den verbreiterten östlichsten Teil des
Mucer Poljes eine Gabelung. Ihr Hauptast zieht sich in geschlängeltem
Verlaufe nach SW und biegt, nachdem er den Südrand des Poljes
bei Mu&@ pod glavicom erreicht hat, gegen NW um, um im soeben
genannten Ponor zu versinken. Ihr Seitenast läuft gegen S und findet
in der südlichen Aussackung des Mucer Poljes zwischen Veie und
Verdoljak sein Ende.
Die im Bereich der oberen Werfener Schichten sich entwickelnden
Rinnsale der Radaca, des Zmijevac und des Baches bei Kiöic führen
während der nassen Jahreszeiten beim Verlassen des Gebirges wol
ständig etwas Wasser. Nach heftigen Regen schwellen sie an und
erreichen dann ihre Schlucklöcher. Die Milina, welche großenteils aus
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 24
178 Dr. Fritz v. Kerner. [34] ®
dem Gebiete der unteren Werfener Schichten kommt, ist von geringerer
relativer Beständigkeit, erfährt aber durch Regengüsse eine noch
stärkere und raschere Speisung.
Die Quellen des Suvajatales.
Außer den vielen kleinen Gräben, welche das Gehänge auf
der Nordseite des Poljes von Mu& durchfurchen und ganz in den
Bereich der Werfener Schiefer fallen, mündet in dieses Polje auch ein
Bachbett, welches aus dem hinter der südlichsten Vorkette der
Svilaja gelegenen Gelände kommt. Es bildet dieses Bett die Abzugs-
rinne eines reich verzweigten Talsystemes, das sich zwischen dem
Kamm des Visovac und der dem PliSevicarücken südwärts vorgelagerten
Terrasse parallel zum Mucer Polje in W—O-Richtung erstreckt. Von
dem in seiner westlichen Verlängerung gelegenen \Vrbatale und von
der in seiner östlichen Fortsetzung liegenden Topla Draga wird es
durch flache Bodenwellen geschieden.
Dieses reichverzweigte Tal, das Suova- oder Suvajatal, liegt
innerhalb der sehr verschieden ausgebildeten mittleren Triasschichten
der Svilaja und zeigt so eine wechselvolle geologische Beschaffenheit.
Sein an den Durchbruch durch die Werfener Schiefer sich zunächst
anschließender Teil ist ganz im Dolomit gelegen. Hier ist entsprechend
der dem Dolomitgelände eigenen Neigung zur Zertalung eine Schlän-
gelung der Haupttalrinne und eine wiederholte Abzweigung von sich
verästelnden verschieden großen Seitengräben vorhanden. Weiter ost-
wärts treten innerhalb des Dolomites kleine Klippen und stockförmige
Massen von weißem Kalke auf und über die Höhen auf der Süd--
seite des Tales streicht ein Zug von dunklem Schieferton und Horn-
steinkalk, die einen Teil des Muschelkalkes bildenden Duvinaschichten.
‚Die Talrinne und ihre Seitenäste sind auch hier vorwiegend im
Dolomit gelegen. Die weißen Klippenkalke bilden zwischen ihnen kleine
Inseln mit verkarsteten Geländeformen. Der oberste Abschnitt des
Suvajatales ist in den innerhalb der Mucer Trias auftretenden Zug
von Augitporphyrit und in die ihm aufgelagerte Serie von Tufigesteinen
eingeschnitten. Die Wasserscheide gegen das Polje von Mu£ tritt
hier dem das nordseitige Gehänge bildenden Terrassenabfall näher.
Das Bachbett hat.in diesem so verengten obersten Talabschnitte einen
nur sehr schwach gewundenen Verlauf und gabelt sich dann in zwei
Aeste, deren südlicher in den vom Porphyrite überdeckten Dolomit
eindringt. |
Die Quellen des Suvajatales gehören dreien verschiedenen
Typen an. In seinem unteren, ganz im Dolomit gelegenen Teile kommt
es nur zur Sammlung schwacher Sickerwässer in den Mulden, wo
gelockertes und schon zu Schutt zerfallenes Gestein noch frischem
unzerklüftetem in einiger Mächtigkeit aufruht. Hieher sind wohl die
zwei in der Spezialkarte vermerkten Quellen zu zählen. Jene bei den
Hütten von Vrancovic ist eine Lokva, jene bei der Hüttengruppe
Smol&i& ein Bunar. Ueber die Schwankungen des Anteiles, den wohl
das Regenwasser an der Speisung dieser beiden Wasserbezugsstellen
haben dürfte, wurde von mir nichts ermittelt.
[35] (uellengeolögie von Mitteldalmatien. 179
Im mittleren Teile des Suvajatales finden sich drei schwache
Quellen, die dem Auftreten der Schiefertone am südlichen Talgehänge
ihr Dasein verdanken: Die Quelle Maslaze, die Quelle Duvina, welche
diesen Gesteinen und ihren Hangendschichten ihren Lokalnamen
gegeben hat und eine unbenannte Quelle östlich von der vorigen.
Diese Quellen entspringen in drei kleinen nebeneinander liegenden
Gräben, welche in die Zone der mittelsteil gegen N einfallenden
Duvinaschichten eingefurcht sind und durch die diese Schichten unter-
teufenden dolomitischen Kalke südwärts abgeschlossen werden. Die
Quelle Maslaze befindet sich fast an der Grenze feinblättriger Schiefer-
tone gegen ihnen aufruhende knollige Kalkschiefer (Schichtfallen
hier 45°), die Quelle Duvina entspringt schon im Bereich der dünn-
bankigen grauen Knollenkalke im Hangenden der dunkelroten Schiefer-
tone. (Einfallen hier 30—35°.)
Da in kataklinalen Taleinschnitten jüngere Glieder einer Schicht-
folge neben und nicht über älteren liegen, handelt es sich hier selbst-
redend nicht um absteigende Schichtquellen an einer Kalkschiefer-
srenze. Man müßte, insofern man die in Rede stehenden Quellen
nur als Gesteinsquellen betrachtet, an einen Rückstau des in die mehr
- kalkig klüftigen Bänke eindringenden Wassers hinter tonigen undurch-
lässigen Zwischenlagen denken. Vermutlich hat man es zu nicht
geringem Teile mit sich ziemlich oberflächlich sammelndem Quellwasser
zu tun. Den Schiefertonen der unteren Duvinaschichten sind viele
Lagen von Knollenmergel, Knollenkalk und klüftigem Kalkschiefer
eingeschaltet, deren Verwitterungsschutt, wo er nicht viel mit Lehm-
eluvium der Schiefertone vermengt ist, sich einen mäßigen Grad von
Durchlässigkeit bewahren mag; und innerhalb der Gräben dürfte es
zu reicherer Zusammenschwemmung solchen Schuttes kommen. Es
wären dann zwar räumlich ziemlich beschränkte Sammelgebiete an-
zunehmen; es handelt sich hier aber auch nur um schwache Quellen.
Für die hier gegebene Erklärung sprechen auch die bei denselben
gefundenen großen Temperaturwechsel. Die Quelle Maslaze zeigte
vor Ende April 720, um Mitte Juni 13'42, die Quelle Duvina bei
der ersten Messung 9'14, bei der zweiten 13°40°% Aus dem Innern
des Kalkzuges, welcher die Schiefertone unterteuft, dürften die eben
genannten Quelle# kaum einen merklichen Wasserzufluß haben. Das
sich dort sammelnde Wasser mag wohl leichter auf Kluftwegen gegen
Süden absinken als über die Barre der Schiefertone gegen Nord
überfließen können.
lm Anfangsstücke des Suvajatales trifft man eine Anzahl kleiner
Quellen an der südlichen Tallehne. Sie treten teils aus den. dort
aufgeschlossenen Tufien, teils an deren Basis über dem Augitporphyrit
aus. Die Felsmassen des letzteren sind oberflächlich stark zersprungen
und gelockert und viele dieser Sprünge mögen sich noch etwas in das
Gesteinsinnere fortsetzen. Unter den sehr mannigfaltig ausgebildeten
Deckschichten des Porphyrites zeichnen sich die grünen Tuffe und
grauen Kieselschiefer durch große Härte aus und zersplittern ober-
flächlich leicht in scharfkantige messerförmige Stücke. Andere Glieder
dieser Tuffserie sind weicher und zerbröckeln oft zu eckigen Krüm-
meln und zu mörtelähnlichem Schutte. Diese letzteren Gesteine sind
24*
180 Dr. Fritz v. Kerner. [36]
ob ihres größeren Tongehaltes im frischen Zustande undurchlässig,
während die splittrigen kieselreichen Tuffe und die mitvorkommenden
plattigen Hornsteinkalke bis in einige Tiefe von wenn auch feinen
Sprüngen durchsetzt sein mögen.
Bei den Quellen im obersten Suvajatale wird so Wasserrückstau
in zerklüfteten Gesteinen hinter undurchlässigen Schichten eine Rolle
spielen. Daneben dürfte allerdings auch Wassersammlung in durch-
lässigem Schutte über undurchlässigem Grunde in Betracht kommen,
da die Zersplitterung der harten Tuffbänke zur Bildung solchen Schuttes
führt. ‚Die Fassung mehrerer der hierhergehörigen Quellen in Form
roh ummauerter Quellschachte deutet wohl auf längeres Durchhalten
der Wasserführung hin und ein solches spricht gegen bloße Wasser-
sammlung im Verwitterungsschutte kleiner Mulden.
Als erstes Glied der Quellenreihe im obersten Suvajatale trifft
der von Westen Kommende die Zukvaquelle, ein viereckiger
Brunnenschacht, an der Grenze toniger Schichten gegen Kieselkalke
gelegen. Dann folgt die Quelle Bukovaca, ein roh ummauerter
Schacht mit vorgelagerter algenerfüllter Lacke. Sie liegt in einer
Wiese mit verstreutem Schutte am Fuße eines grasigen Hanges, unter
welchem sich der Porphyrit verbirgt. An einer weiter ostwärts folgen-
den Stelle, wo die mittelsteil gegen N einfallenden Schichten über
dem Effusivgesteine besser aufgeschlossen sind, erkennt man, daß
das Wasser aus den grauen Hornsteinbänkchen austritt, welche die
weißen tonigen Lagen unter den grünen Tuffen vom Augitporphyrite
trennen. Hat es dort den Anschein, daß die Hornsteinbänke und der
Porphyrit infolge oberflächlicher Zerklüftung die Wassersammler seien,
sieht man an einem anderen Orte, wo die Talrinne den’ Porphyrit
durchschneidet und die Grenze gegen dessen Deckschichten an einer
Böschung, welche die Köpfe dieser Schichten bloßlegt, aufgeschlossen
ist, an jener Grenze auch ein Wässerchen austreten, das hier wie
eine Ueberfallquelle mit dem Porphyrit als stauender Barre erscheint.
Es liegt hierin nichts Ungereimtes, denn erstlich kann ein zur Zer-
klüftung neigendes Gestein gelegentlich doch eines hydrologisch wirk-
samen Kluftnetzes entbehren, und zweitens hängt die Rolle, welche
ein Gestein bei der Quellbildung spielt, sehr vom vorhandenen
Verhältnisse zwischen Zu- und Abfuhrmöglichkeiten ab, so daß, wenn
letztere aus einem Grunde kleiner werden, auch über durchlässigem
Boden Wasser ausfließen muB.
Beim Weiterwandern gegen Ost gelangt man bei drei Bäumen
zu einem Rieselwasser aus sehr steil gegen NNO geneigten Schichten
und dann zu einem Quellchen, das wieder hinter mittelsteil gegen
NO einfallenden Hornsteinkalken am Nordrande des Porphyritzuges
hervorkommt. Am weitesten gegen Ost vorgeschoben und schon in der
Nähe der flachen Wasserscheide gegen die Cetina gelegen ist die
Quelle Rabrovac. Sie liegt schon nahe dem Östende des Porphyrit-
zuges und der ihm aufruhenden Schichten, welche hier 45° N vers OÖ
einfallen und — wie weiter im Westen — aus verschiedenen Tuff-
gesteinen und aus Hornsteinkalk bestehen. Die Quelle entspringt am
Ausgange einer mit begrastem Eluvialschutte erfüllten flachen Mulde
und es mag bei ihrer Speisung Sickerwasser aus den oberflächlichen
[37] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 181
Bodenschichten einen größeren Anteil nehmen als bei den vorher
genannten Quellen. Dafür spricht die hohe Temperatur 15'7°, welche
diese Quelle um Mitte Juni aufwies. Im Frühjahre waren die Quellen-
temperaturen im obersten Suvajatale jenen im mittleren Talabschnitte
ähnlich. Die Quelle Bukovaca zeigte 858°, die Zukvaquelle 7°58°,
Auffallend kalt, 64°, war die vorhin erwähnte Ueberfallquelle im
Durchbruche der Suvaja durch den Porphyrit.
Die angeführten Quellen sind auch in den regenreichen Monaten
zu schwach, um dann eine „dauernde Speisung des Rinnsales der
Suvaja zu erzielen. Dasselbe ist gewöhnlich großenteils ganz trocken
oder nur kleine Lacken und Pfützchen führend. Nach starken Regen-
güssen sieht man es aber in seinem Mittel- und Unterlaufe von
einem Bache durchrauscht, welcher aus den Gräben des Dolomit-
gebietes reichlich genährt wird und es ist dann die gleich oberhalb
des Durchbruches durch die Werfener Schiefer gelegene Talstrecke,
welche sich zwischen mit Föhrenwald bedeckte Kuppen hindurch-
windet, von landschaftlichem Reize.
Die Quellen des Sutinatales.
Die Sutina, in ihrem Unterlaufe KarakaSica genannt, ist der
einzige, zwar nicht durch Wasserfülle, aber durch die Länge seines
Laufes bemerkenswerte rechtsseitige Zufluß der Cetina. Ihr Unter-
lauf liegt ganz im Bereich der kleinen Ebene, die von der Cetina
vor ihrem Eintritte in das Sinjsko Polje durchflossen wird; der
übrige Teil ihres Laufes liegt in einem manche landschaftliche Reize
aufweisenden Tal, welches in der ostnordöstlichen Verlängerung des
in das Mucko polje mündenden Tälchens der Milina gelegen ist und
von diesem durch ein schmales Joch geschieden wird.
Dieses Tal zerfällt in zwei sehr formverschiedene, ungefähr
gleich lange Teile, in einen weiten S-förmig gewundenen unteren
Teil mit wohlentwickelter Sohle und in einen fast geradlinigen oberen
Teil von schluchtartigem Aussehen. Der erstere liegt zwischen dem
Vucjak, dem östlichsten Gebirgsvorbaue der Svilaja, und dem Hügel-
lande von Sinj; der letztere schiebt sich zwischen die Bukova, den
östlichen Eckpfeiler der südlichsten Vorkette der Svilaja, und den
schroffen Kamm der Visosnica ein. Der breite untere Talabschnitt
hat außer mehreren kleinen Seitengräben rechts eine größere Aus-
sackung, das Tälchen von Sladoja, auf dessen linker Seite sich der
Zugang zu einer zweiten, fast kreisförmigen Ausweitung, dem Tal-
kessel von Lucane befinde. An der Grenze beider Talabschnitte
zweigt links eine bedeutende Schlucht ab, die zwischen dem Kamm
der Bukova und den südlichen Vorhöhen der PliSevica eindringt.
Diese Schlucht, die Topla Draga, zieht sich westwärts bis zu jenem
nordwärts von der Bukova gelegenen flachen Sattel hinan, an dessen
Westseite das Suvajatal seinen Anfang nimmt.
Im Sutinagebiete treffen die beiden großen innerdalmatischen
Aufbrüche auf einander, das östliche, dinarisch streichende Spalten-
tal der oberen Cetina und die große, einen gegen SW konvexen
Bogen ‘bildende westliche Spalte, welche über mehrere hydrographisch
189 Dr. Fritz v. Kerner. [38]
getrennte Einschnitte hinwegsetzt, zuerst zweien seitlichen Zuflüssen
der Kerka, dann dem Laufe der oberen Cikola :und Vrba und weiter-
hin dem eines oberirdischen Abflusses entbehrenden Mucer Polje
folgend. Der untere Teil des Mittellaufes der Sutina fällt schon in
den Bereich der östlichen Spalte, welche in der Gegend von Sinj die
der obersten Dyas zuzurechnenden Rauhwacken und Gipse bloßlegt.
Die Schlucht der oberen Sutina und die’Topla Draga sind dagegen
in den östlichsten Teil der Mucer Triasschiefer und Dolomite ein-
geschnitten. Der obere Teil des mittleren Verlaufsstückes der Sutina,
das Tälchen von Sladoja und das Talbecken von Lutane sind mit
Neogenschichten erfüllt.
Gleich unterhalb der Kuppe Bukova liegt auf der Sattelfläche,
welche das Suvajatal vom Sutinatal scheidet, die Quelle Boletovo.
Sie entspringt am Westrande des Zuges von unteren Duvinaschichten,
welcher dem Südhange des Bukovarückens folgt. Diese Schichten
fallen hier 40—50° steil gegen N und gliedern sich in eine untere
Zone von dunkelroten blättrigen Schiefertonen, eine mittlere Lage
von rötlichen und grünlichen Knollenkalken mit tonigen Einschaltungen
und in eine obere Zone von braunvioletten engklüftigen Tonschiefern
und Mergeln. Die Boletovoquelle bringt die in den mittleren kalkigen
Lagen und in deren Verwitterungsschutte sich ansammelnden Wässer
an den Tag. Sie ist entsprechend ihrem beschränkten Nährgebiete
eine schwache Quelle und mehr wegen ihrer hohen Lage in nächster
Nähe einer Bergkuppe bemerkenswert. Der Oberflächlichkeit entspricht
auch ihre große Temperaturbewegung. Sie zeigte im Frühlinge 764°,
im Sommer 14'40; immerhin zählt sie zu jenen Austritten von Sicker-
wasser, welchen seitens der Eingebornen eine Fassung in einem roh
ummauerten Quellschachte zu teil wurde.
Ein Quellchen von ganz ähnlicher Entstehungsweise findet sich
am östlichen Ende des genannten Zuges von Duvinaschichten, einige
hundert Meter westlich von der Kuppe oberhalb Botarello. Auch hier
tritt Wasser an den Tag, das sich in einer beiderseits von undurch-
lässigem Schieferton flankierten schmalen Zone von mittelsteil gegen
NNO einfallenden Sandsteinschiefern talabwärts bewegt. Gegenüber
dieser Stelle ist auf der Nordseite der tief eingeschnittenen Topla
draga unweit von Skaro stan bei einer dort befindlichen, weithin
sichtbaren Baumgruppe ein kleiner Quelltümpel vorhanden; an-
scheinend eine Ueberfallquelle in den dort auskeilenden plattigen
Sandsteinen und Hornsteinschichten, welche den Abschluß der Trias
in Nordosten von Mu bilden und vermutlich schon dem. Raibler
Horizonte zuzurechnen sind.
In den drei in obere Werfener Schichten eingefurchten kleinen
Runsen auf der Südseite der Bukova erscheinen schwache Wasserfäden,
durch deren Zusammentritt dasin der Tiefe der Lipova draga zur Sutina
abfließende Bächlein entsteht. In den Gräben auf der Ostseite des
ganz aus unteren Werfener Schiefern aufgebauten Scheiderückens
zwischen Milina und Sutina bemerkt man nur nach Regenwetter ober-
flächliche Gerinsel. Dagegen ist unterhalb jener Gräben in der Schlucht
der Sutina ein Quellchen anzutreften, das in steil gegen N einfallen-
den Schichten aus einem kleinen Felsbecken kommt. Dieses Quellchen
v
[39] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 183
zeigte im Frühsommer, als viele höher gelegene Quellen der Muier
Gegend schon Temperaturen von 12--149 aufwiesen, nur 10'82°%. Es
entspringt allerdings am Fuße eines gegen O geneigten, von dichtem
Buchenwald beschatteten Abhanges, doch ist es wohl nicht oberfläch-
licher Entstehung und vielleicht durch Wasserstau in zwischen Ton-
schiefern eingeschalteten Sandsteinschichten bedingt.
Von den rechtsseitigen Wurzeln der Talschlucht der Sutina
sind zwei von den Abwässern kleiner Quellen durchrieselt, bei denen
man am Wege von Muc nach Sinj vorbeikommt. Die eine liegt gleich
neben der Muicer Ueberschiebungslinie am östlichen Ende des aus
oberen Werfener Schiefern aufgebauten Hügels, der die Straße bei
ihrem Uebertritte aus dem Tale der Milina in das der Sutina nord-
wärts begleitet. Sie tritt an der Grenze grünlicher, 50% gegen NNO ein-
fallender Kalkschiefer gegen dunkelrote tonige Schiefer aus und hat drei
Ursprungsstellen. Der unter einem vom südlich benachbarten Gebirge
abgestürzten Kalkblocke gelegene Ursprung speist einen an der Straße
stehenden Tränkbrunnen mit Steintrog. Die Temperatur dieses Quell-
astes war im Frühlinge 9:08, im Sommer 12:56. Die andere Quelle
liegt 700 m weiter östlich, dicht unterhalb der Straße und ist in einer
kleinen roh ummauerten Brunnstube gefaßt. Auch sie entspringt nahe
unterhalb der Mucder Ueberschiebung noch im Bereich der Trias-
schichten. Gleich oberhalb der Straße stehen tiefgraue Kalke der
unteren Werfener Schichten mit steilem südlichem Verflächen an.
Weiter oben folgen — durch eine schmale schuttbedeckte Schiefer-
zone von ihnen getrennt — Kalkbreccien der Prominaschichten. Die
Werfener Schiefer unterhalb der Straße fallen steil gegen NNO. Diese
Quelle, genannt Strmica, ist gleich der vorigen als Stauquelle zu
deuten, Sie zeigte bei einer Messung kurz vor Mitte Juni 11°96°, bei
einer in einem anderen Jahre kurz nach Mitte dieses Monates ge-
machten Messung 11'58°.,
Nach ihrem Austritt aus 'den unteren Werfener Schiefern quert
die Schlucht der Sutina steil gegen SSW einfallende obere Werfener
Schichten und kommt dann in ein Bruchgebiet zu liegen, wo eine
Scholle von Triasdolomit zwischen Oltarnik- und Werfener Schichten
eingesunken erscheint. Die Talschlucht folgt nach Querung eines
dislozierten Zuges von wackigen und brecciösen Oltarnikgesteinen einer
Grenze zwischen oberen und unteren Werfener Schichten, erstere zur
Linken, letztere zur Rechten lassend. Die grünlichgrauen Kalkschiefer
am linken Bachufer sind steil gestellt und stark verdrückt und stoßen
scharf an Dolomiten ab, welche das Gehänge oberhalb der Uferfelsen
bilden. In der Mitte ist diese durch ihre Schärfe ausgezeichnete Ver-
werfungslinie durch Dolomitschutt überdeckt, weiter taleinwärts und
talauswärts aber deutlich sichtbar. Am unteren Rande der Schuttmasse
entspringt eine schöne und sehr kräftige Quelle. Ihr Wasser sprudelt,
in viele Fäden zerteilt, über reich mit Moos bewachsene Tuffabsätze
und stürzt dann über die Schichtköpfe der steil aufgerichteten, parallel
zum Ufer streichenden Kalkschiefer in das Sutinabett hinab.
Diese prachtvolle Quelle, welche in der Spezialkarte nicht ver-
zeichnet ist und deren Name mir unbekannt blieb, stellt streng formell
die Vereinigung einer Verwerfungsquelle mit einer Schuttgrundquelle
184 Dr. Fritz v. Kerner. { [40]
dar, doch ist die letztere Formbestimmung nebensächlich und so die
Quelle vornehmlich als schönes Beispiel der in unserem Gebiete wenig
zahlreichen an Störungslinien gebundenen Quellen anzuführen. Gegen-
über den tonreichen Zwischenlagen der oberen Werfener Schichten
ist der Triasdolomit gewiß das für Wasser durchlässigere Gestein.
Er bleibt deswegen aber doch an sich eine wenig durchlässige Fels-
art, und wenn ihm hier eine reiche Quelle entströmt, so ist dies wohl
durch örtlich stärkere Kluft- und Spaltenbildung im zertrümmerten
Gesteine einer Störungszone zu erklären. Die Temperatur dieser
Quelle war bei einer Messung um Mitte Juni 12:70°. Unweit der-
selben entspringt dort, wo die scharfe Grenze zwischen Kalkschiefer
und Dolomit auf kurze Strecke im Rinnsale der Sutina verläuft, aus
einer Dolomitspalte ein Quellchen.
Am sehr steilen rechtsseitigen Hange der Bachschlucht streicht
hoch über ihr die Mucer Ueberschiebung weiter. Ihr Liegendflügel
wird hier durch die steil aufstrebende, aus Rudistenkalk bestehende
Nordseite der Visosnica dargestellt. Zu Füßen derselben ziehen sich
Schutthalden hin, welche sich über die den Kalken angeschobenen
Werfener Schiefer breiten und an einer Stelle biS zur Straße hinab-
reichen. Diese Halden sind von mehreren Einrissen durchzogen, in
welchen die sich unter dem Schutte auf der Schieferoberfläche sammeln-
den Sickerwässer abgeleitet werden. Da man in diesen Einrissen aber
selbst nach längerer Trockenheit noch etwas Wasser rieseln sieht,
wäre es denkbar, daß es sich hier zum Teil auch um Wasser
handelt, welches in isolierten Kalkklüften hinter den Werfener
Schiefern zur Anstauung kam. Im Falle eines allgemeinen Zusammen-
hanges der Kluftnetze wäre jedoch die Ueberschiebungslinie an der
Nordseite der Visosnica viel zu hoch gelegen, um zur Bildung von
Ueberfallquellen Anlaß geben zu können.
Talabwärts von der Tuffquelle besteht das linkerseits der Sutina
aufsteigende Gebirge aus Triasdolomit' und dann bis gegen das Ende
der schluchtartigen Talstrecke aus Muschelkalk, während zur Rechten
die Mucer Ueberschiebung in geringerer Höhe als früher (hier unter-
halb der Straße) fortstreicht. Das Bachbett kommt noch in den Trias-
dolomit und Triaskalk zu liegen. Aus den in das Dolomitgebirge ein-
geschnittenen Schluchten empfängt die Sutina zwei unbedeutende Zu-
flüsse. Im Tobel unter Botarello entspringt zu Zeiten mittleren Wasser-
standes etwa 120 m von der Schluchtmündung entfernt aus Schutt ein
klares Wässerchen, das allmählich sich verstärkend über mehrere das
Bachbett querende Felsbarren zur Sutina hinabeilt. In dem weiter
ostwärts eingeschnittenen Tobel entwickelt sich auch einige hundert
Schritte oberhalb seiner Mündung eine Wasserader, die aber nach an-
fänglicher Verstärkung wieder schwächer wird. Man hat es hier mit Quell-
bildungen zu tun, die durch oberflächliche Zertrümmerung eines in
der Tiefe wenig zerklüfteten Gesteines bedingt sind. Am gegenüber-
liegenden Gehänge, wo unter vielem Schutte nochmals Werfener
Schiefer sichtbar werden, trifft man mehrere kleine Quellen, welche,
wie die früher genannten, an der südlichen Schluchtseite, als Schutt-
grundquellen aufzufassen sind. Ein kleiner Quelltümpel liegt im Graben
westlich von.dem Hause Djpalo neben einer Pyramidenpappel, zwei
[41] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 185
Quellchen entspringen in dem östlich benachbarten Graben unterhalb
des Straßenknies, das stärkere im Wasserrisse, das schwächere
unweit davon in einem kleinen Becken neben einer Weide.
Beim Eintritte der Sutina in das Gebiet der jungtertiären
Schichten erfährt der Formenschatz der Quellen ihrer Zuflüsse eine
Bereicherung. Zu den bisher erwähnten Quellformen treten Rückstau-
quellen, welche das im klüftigen Kalkgebirge hinter der neogenen
Talausfüllung sich ansammelinde Wasser zutage bringen. Im unteren
Abschnitte des Grabens, welcher kurz vor der Topla Draga in das
Sutinatal mündet, trifft man drei kleine Quellen, deren Wasser über
die sich vor die Grabenmündung legenden Neogenabsätze in die
Sutina abfließt. Aus der Topla Draga nimmt die Sutina gleichfalls
einen Zufluß auf. Die schwachen Anfänge des aus dieser Talschlucht
kommenden Bächleins mögen von derselben Entstehungsart sein wie
die schwachen Wässerchen in den Dolomitschluchten unter Botarello.
Das rasche Anschwellen des Bächleins vor seinem Uebertritte in die
lignitführenden Mergel ist aber auf Speisung durch Kluftwasser der
Rhät- und Liaskalke zu beziehen, welches durch die Mergeldecke am
Weiterströmen gehemmt und zum Ueberfließen ihres Randes gezwungen
wird. Ein besonders schönes Beispiel für eine Quellbildung der soeben
genannten Art findet sich in einem der kleinen Gräben, welche in
die in das Sutinatal sich öffnende Talmulde unter VidiC münden. Das
Wasser sprudelt dort an von Ostryabäumen überschatteter Stelle unter
einem mit ÜCeterach überwucherten Kalkfels aus einer niedrigen
Höhlung stark hervor und rauscht über dicht mit Moos überzogene
Blöcke weiter. Die Grenze der pliocänen Mergel gegen das Grund-
gebirge, welches auf der Westseite von Lutane aus Liaskalk besteht,
entspricht hier — wie am Ende der Topla Draga — einer Bruch-
linie, nicht einer Transgression.
Aus dem Talkessel von Luöane empfängt die Sutina einen Bach,
der sich aus vielen Quelladern zusammensetzt, die an der West-
und Südseite des Kessels ihren Ursprung nehmen. Die Hänge bauen
sich dort aus den von mir als Zone IV—VII der Neogenentwicklung
westlich von Sinj unterschiedenen Schichten auf; es sind dies bläulich-
graue Mergel mit Fossarulus tricarinatus, dunkelgraue fossilarme
Mergel, lichtgraue Mergel mit Dreissena cfr. dalmatica und gelbliche
Mergelkalke mit F'oss. Stachei und Dreiss. cfr. triangularıs. Oberhalb
dieser Schichten lagern mächtige Schuttmassen und auch die Mergel-
hänge sind mit vielem Schutt überstreut, so daß das anstehende
Gestein oft nur in den allerdings zahlreichen Einrissen sichtbar wird.
Nach starkem Regen sind diese Runste die Hauptwege der ober-
flächlichen Wasserabfuhr; unter mittleren Witterungsverhältnissen
kommt es in ihnen zur Entwicklung schwacher Gerinsel, welche
durch das unter dem Schutte auf der Mergeloberfläche absickernde
Wasser gespeist werden. Das Bezeichnende für diese Wasseradern ,
ist die Allmählichkeit ihrer Entwicklung. Am unteren Ende der Runste
trifft man murmelnde Bächlein, steigt man in den Einrissen empor,
so sieht man ihre Wasserführung schwächer und schwächer werden,
dann ist nur noch ein Tröpfeln und Rieseln zu bemerken, endlich
sieht man nur mehr kleine Lacken mit stehendem Wasser und
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 25
186 Dr. Fritz v. Kerner. [42]
feuchte Flecken. Man hat es hier gleichsam mit über eine lange
Strecke auseinandergezogenen Schuttgrundquellen zu tun. Im
scharfen Gegensatz zu den als geschlossene Wassermasse hervor-
brechenden Quellen entziehen sich diese Wasseraustritte ganz einer
von Luftwärme und Sonnenstrahlung unbeeinflußten Messung ihrer
Temperatur.
Dieselben hydrologischen Verhältnisse wie in dem Talkessel von
Luöane trifft man im östlich benachbarten Tälchen von Sladoja. Die
Westseite desselben zeigt auch den gleichen geologischen Aufbau wie
die vorgenannten Hänge; auf seiner Ostseite stehen tiefere, der
Zone II meiner Einteilung des Neogens von Sinj entsprechende
Schichten an. Auch in der Talmulde von Sladoja ist zu sehen, wie
die Schuttquellenbildung in enger Abhängigkeit von den örtlichen
Verhältnissen steht. Wo das Einzugsgebiet räumlich beschränkt oder
die Schuttdecke der Hänge beiderseits der Wasserrisse wenig mächtig
ist, oder wo diese Decke wegen starker Beimengung von Lehm selbst
wenig durchlässig erscheint, trifft man in den Runsten nur feuchte
Streifen oder gar kein Wasser an, desgleichen dort, wo die Runste
selbst mit Schuttmassen erfüllt sind. Gegenüber dem Tälchen von
Sladoja entspringt linkerseits der Sutina am Fuße der steilen Südhänge
des Vucjak eine Grundwasserquelle. Neben ihr liegt eine algenerfüllte
Lacke mit lebhaft rieselndem Abwasser.
Die Sutina zählt zu jenen Wasserläufen des mittleren Dalmatien,
welche einen größeren Teil des Jahres hindurch ununterbrochen,
fließen. Allerdings ist auch sie außerhalb der Hauptregenzeit nur ein
unbedeutender Bach. Kurz oberhalb der Einmündung der aus dem
Talbecken von Lutane und aus dem Tälchen von Sladoja kommenden
Zuflüsse wird sie von dem von Sinj über den Nebesaberg nach
VidiE (und weiter nach Zelovo) führenden Pfade überquert, aber
ohne Brücke!, ein Zeichen, daß sie zumeist so wenig Wasser führt,
daß eine Reihe quer durch sie geiegter Steine nicht überflutet wird
und ihre trockene Ueberschreitung gewährleistet. Aber gerade hier
ist ihr an wohlgeglätteten Geschieben von Werfener Sandsteinschiefern
reiches Schotterbett von ansehnlicher Breite, ein Beweis, daß sie nach
starken Niederschlägen in der Herbstregenzeit zu einem mächtigen
Bach anschwillt. Das im Becken von Luöane sich entwickelnde
Bächlein verläßt dagegen sein Nährgebiet in einem schmalen, aber
verhältnismäßig tiefen, durch Wiesen sich hinschlängelnden Rinnsale.
Das Anfangsstück der Sutina schneidet in undurchlässige Schiefer
ein; auch die in den Dolomit der Trias eingetiefte Rinnsalstrecke
dürfte ziemlich abgedichtet sein. Erst im Endstücke ihres Oberlaufes,
im Bereich der Triaskalke könnte die Sutina Wasserverluste erleiden.
Doch wäre es möglich, daß auch hier noch auf der rechten Talseite
unter dem Schutte Werfener Schiefer durchstreicht und eine seitliche
Wasserabfuhr hemmt. Allerdings handelt es sich hier um eine Störungs-
zone, in welcher auch undurchlässige Schichten kaum die Rolle einer
lückenlosen Stauwand spielen dürften. Falls die Sutina in dieser
Gegend Bachwasser verliert, könnte dieses in der Gorucicaquelle,
welche in wenig mehr als 3 km Abstand und in etwa 50 m tieferer
Höhenlage ostsüdostwärts von hier ausbricht, wieder zutage treten.
[43] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 187
Gegenüber auf unsicherem Grunde sich aufbauenden Vermutungen
wäre eine bestimmte Lösung dieser Frage eine der vielen Aufgaben,
welche sich einer systematischen Vornahme von Färbeversuchen in
Mitteldalmatien darböten.
Die Quellen in der Ebene der Karakasica.
Die große Ausweitung, welche das Tal der Cetina nach seiner
Einengung zwischen den Vorbergen der Viesca Gora und der Svilaja
erfährt, wird durch das Hügelland von Sinj in einen nördlichen und
südlichen Teil geschieden. Der erstere stellt eine zwischen dem
Östfuße der Svilaja und der dem Prolog westwärts vorgelagerten
Terrasse gelegene kleine Ebene dar. Im mittleren Teile derselben
ragen zwei Hügel auf, zwischen welchen die Karakasica, der Unter-
lauf der Sutina, nordwärts hindurchfließt, wogegen die Cetina entlang
dem Östrande der kleinen Ebene nach Süden strömt.
Die genannte Ausweitung steht mit dem Wiederaufbrechen
der sich unterhalb Koljane schließenden tektonischen Talspalte in
ursächlichem Zusammenhange. Demnach besteht der Untergrund der
Talmulde von Karakasica aus Rauhwacken und Gipsen der obersten
Dyas. Sie treten aber nur auf dem westlichen der beiden vor-
genannten Hügel und auf der Westhälfte des Südrandes der Talmulde
zutage. Die Spaltenränder werden rechterseits von Jura- und Kreide-
kalken gebildet. Das sich an diese Ränder lehnende und den Spaltenboden
großenteils überdeckende Neogen umfaßt verschiedene Glieder dieser
Formation. Von Quartärgebilden sind umgeschwemmter Diluvialschutt,
welcher die Dyasgesteine großenteils umhüllt, Verwitterungslehm-
und Schutt der neogenen Schichten und alluviale Flußanschwemmungen
vorhanden.
i Betrefis der Quellenarten ist unter diesen geologischen Verhält-
nıssen keine Einförmigkeit vorhanden. Die Besäumung der aus Kalk-
stein aufgebauten Talräuder mit schwer durchlässigen Schichten
bedingt an Stellen, wo dieser Saum Lücken aufweist, das Hervor-
brechen großer Karstquellen, an Stellen, wo er nur leicht eingekerbt
erscheint, das Auftreten von Rückstauquellen.
Die reiche Schuttentwicklung über zum Teil undurchlässigen
Schichten führt zur Bildung von Schuttgrundquellen und von Schutt-
quellen engeren Sinnes, endlich kommt es zu Austritten von Grund-
wasser in der alluvialen Talausfüllung. Die Ebene der Karakasica
wird mittlings von der Nordgrenze des Blattes Sinj-Spalato durch-
schnitten und es soll darum auch hier zwecks Vermeidung einer
untunlichen Halbheit der Darstellung diese letztere über den Karten-
rand hinausgetragen werden.
Bald nach ihrem Eintritte in die Talweitung von Karakasica
empfängt die Cetina links einen starken ZufluB, der aus einer hydro-
logisch ungemein interessanten Seitenbucht des Talbeckens kommt.
Noch vorher, etwa 1 km unterhalb der jetzt durch eine schöne Stein-
brücke ersetzten Ueberfuhr von Panj, nimmt sie einen Bach auf, der
in einem großen Felskessel am Eingange der genannten Bucht seinen
Ursprung hat. Dieser Bach fließt aber nur nach starken Nieder-
25*
188 Dr. Fritz v. Kerner. [44]
schlägen ; zu Zeiten mittleren Wasserstandes ist sein Geröllbett trocken.
Dagegen entspringt an dessen linkem Ufer vor dem Eingange in den
Felskessel eine schöne und starke Quelle. Der etwa 100 m weiter
ostwärts in die Cetina mündende Fluß, der Veliki Rumin, setzt sich
aus zwei ungleich starken Quellsträngen zusammen.
Der kleinere entspringt hoch über dem Niveau der Cetina am
Nordhange der Talnische. Er quillt unter einer rötlichen Felswand,
die aus 35° SO fallendem gut geschichtetem Chamidenkalk besteht,
und aus einer kleinen Höhle neben dieser Wand hervor. Vor dieser
Wand liegen große Blöcke, deren dichter Moosüberzug auf noch
höhere Wasserstände hinweist. Das hier mit Wucht hervorbrechende
Wasser schäumt durch eine blockerfüllte enge isoklinale Felsschlucht
steil hinab und erreicht kurz vor seiner Vereinigung mit dem größeren
Quellstrange die Talsoble. Zur Rechten bilden Schichtköpfe, zur
Linken stark geneigte Schichtflächen die dicht mit Buschwerk über-
wucherten Schluchtwände.
Dieser Quellbach ist in landschaftlicher Hinsicht wohl der
schönste unter den vielen prächtigen Quellen, welche die Cetina auf
ihrem über sechs deutsche Meilen langen Oberlaufe linkerseits auf-
nimmt. Wildheit der Felsszenerie, schäumendes Wasser und üppiges
Strauchwerk sind in tief eingeschnittenen Tälern zwischen den öden
wald- und wasserlosen Hochflächen des Karstes nichts Ungewohntes;
wenn man hier dennoch versucht ist, zu vergessen, daß man sich in
Dalmatien befindet und sich in eine Schlucht der Kalkalpen versetzt
glaubt, so mag dies wohl dem auf längere Strecke steilen Gefälle des
tosenden Baches zu danken sein. Die große Mehrzahl der mächtigen
Karstquellen bricht am Fuße der Talgehänge hervor und hat bis zur
Erreichung der Talsohlen nur einen geringen Höhenunterschied zu
überwinden. Die vorige Beschreibung gibt die Eindrücke wieder,
welche ich bei einem Besuche der Quelle bald nach Mitte Juni nach
einem ziemlich regenreichen vorausgegangenen Frühlinge empfieng.
Nach Angabe eines Müllers der Mühlen von Lovrid verschwindet der
in Rede stehende Bach durchschnittlich in der zweiten Julihältfte.
Ob er hiebei seine Austrittsstelle rasch bis an den Fuß des Ab-
hanges hinabverlegt oder schon früher versiegt, habe ich nicht er-
fahren.
Der größere Quellstrang kommt aus einer Felsschlucht auf der
Nordostseite der Talbucht, durch welche der Veliki Rumin dem Cetina-
flusse zuströmt. Diese in mittelsteil gegen SO einfallende graue Kreide-
kalke eingeschnittene Felsschlucht ist von seltener Wildheit und Groß-
artigkeit. Auf beiden Seiten springen zerrissene Grate und Schrofen
vor, zwischen denen sich Schutthänge steil zum Schluchtgrunde hin-
absenken. Tief unten rauscht zwischen teilweise unzugänglichen
Ufern der mächtige Quellast. Sein Ursprung liegt weit hinten in einer
links von Felsabstürzen, rechts von Trümmerhalden begrenzten und
durch Steilwände abgeschlossenen Nische. Eine gewaltige Wassermasse
quillt hier unter Pulsationen aus der Tiefe herauf. Sie ist im Gegen-
satze zur Kristallhelle und Klarheit der Gebirgsquellen leicht getrübt
und hat eine schmutzig grüne Farbe. Die Halde rechterseits ermöglicht
es, bis an die Ursprungsstelle des Rumin steil hinabzusteigen.
[45] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 189
Tausend Meter flußabwärts vom Veli Rumin mündet in die Cetina
der Quellbach Mali Rumin. Er quert den Zug von neogenen Schichten,
welcher links vom großen Ruminflusse beginnend, bis in die Nähe
von Han streicht und kommt aus einem Felskessel, welcher in den
Rand der Kreidekalkterrasse hinter dem Neogen eingesenkt erscheint.
Das Wasser quillt hier zu Zeiten mittleren Standes im Kesselgrunde
unter großen wirr durcheinander liegenden Felsblöcken heraus, die
hoch hinauf mit Moos überzogen sind und ist zum Unterschiede von
dem des großen Rumin klar und rein. Am rechten Ufer des Quell-
baches traf ich vor dem Eingange in den Felskessel in der zweiten
Junihälfte noch mehrere Quellen fließend an, eine schwächere, drei
stärkere und dann noch zwei schwache Quellen schon nahe der weit
talauswärts stehenden Mühle. Auch an diesen Stellen tritt das Wasser
unter moosbedeckten, zum Teil mit Brombeergesträuch umrankten
Blöcken aus. Dem vom Hydrographischen Zentralbureau herausgegebenen
Wasserkraftkataster zufolge beträgt das mittlere jährliche Minimum
der sekundlichen Abflußmenge beim Mali Rumin 100 !, das voraus-
sichtliche absolute Minimum dieser Menge 30 !. Beim Veliki Rumin
stellen sich die entsprechenden Werte auf 2000 und 17 1.
Die am 20. Juni 1911 von mir vorgenommene thermometrische
Messung der Ruminquellen hatte das merkwürdige Ergebnis, daß die
Temperatur der Hauptquelle des großen Rumin um 402° höher ge-
funden wurde als jene der in 700 m Abstand entspringenden Quelle
von Lovric und um 3'56° höher als die Temperatur der in 950 m
Abstand gelegenen Quelle des Mali Rumin, während die Wärmeunter-
schiede zwischen der Quelle bei den Mühlen von Lovri6 und den in
einer Entfernung von mehr als 5 km weiter nordwestwärts entspringen-
den großen Quellen Peruca, Crno Vrelo und Majden Vrelo nur wenige
Zehntel Grade betrugen und die Temperaturdifferenz zwischen dem
Mali Rumin und dem in südöstlicher Richtung 6 km entfernten Kozinac
nur einen halben Grad betrug. Bei der an anderer Stelle vor-
genommenen Betrachtung dieser thermometrischen Befunde habe ich
zwischen aus ihnen ziehbaren sicheren Schlüssen und auf sie gründ-
baren Vermutungen unterschieden. Erwiesen ist durch jene Messungen,
daß das Kluftnetz des Veli Rumin von dem seiner Nachbarquellen
getrennt ist, Es liegt hier ein thermometrischer Nachweis dafür vor,
daß auch im reinen Kalkgebirge, das für die Entwicklung eines zu-
sammenhängenden Kluftnetzes günstig schiene, eine Scheidung benach-
barter Kluftwasserstränge Platz greifen kann, und daß die Annahme
eines allgemeinen Zusammenhanges der Klüfte im Kalkgebirge eine
irrige ist. Als hydrographischer Beweis für die Unrichtigkeit dieser
Annahme ist den in der Literatur schon angeführten Beweisen der
Tatbestand anzureihen, daß die Quelle bei Lovri6G hoch über dem
Niveau der Talsohle reichlich ausfloß, während die Quelle des Veli
Rumin in der Tiefe des Tales entsprang und das Rinnsal westlich
vom Quellbache von Lovric noch im Tale unten eine Strecke weit
trocken lag.
Vermuten läßt sich, daß die Quelle des Veliki Rumin den Aus-
bruchsort eines in Ponoren des Livanjsko Polje verschwindenden
echten Höhlenflusses darstellt. Gestützt wird diese Vermutung durch
190 Dr. Fritz v. Kerner. [46]
den Umstand, daß das Wasser des Veliki Rumin getrübt und von
sehmutziggrünlicher Farbe war, während die anderen Quellbäche teils
völlig klar erschienen, teils nur eine Spur von Trübung zeigten und
einen Stich ins Stahlblaue aufwiesen. Eine weitere Stütze erhält sie
dadurch, daß das Wasser des Veli Rumin ein wenig nach Erde und
pflanzlichem Detritus schmeckte, wogegen die benachbarten Quell-
wässer sehr wohlschmeckend waren.
Thermometrische Beweismittel für die Höhlenflußnatur des
Veliki Rumin wären eine größere jährliche Wärmeschwankung als die
der Nachbarquellen, eine Verfrühung der Temperaturextreme gegen-
über jenen und vielleicht auch eine kleine tägliche Wärmeänderung.
Leider war es mir nicht gegönnt, die Frage nach der Flußnatur des
großen Rumin bisher weiter zu verfolgen, da die Ruminquellen außer-
halb der in den letzten Jahren für die geologische Aufnahme zunächst
in Betracht gekommenen Gebiete lagen und auch zu abseits gelegen
sind, als daß ich sie zum Zwecke wiederholter Temperaturmessung
eigens hätte besuchen können. Von besonderer Bedeutung wäre für
die Lösung der beregten Frage die Vornahme von Färbeversuchen
(eventuell auch die Versenkung signierter Holzstücke), sie könnte —
was die Thermometrie wohl nicht vermöchte — auch zur Feststellung
bestimmter Sehlucklöcher des Livanjsko Polje als Eintrittspforten des
Veliki Rumin führen. Die von mir gemessenen Temperaturen waren:
Quelle östlich: von Musterie . ..:... "ie u. 115886
Quelle Binter hoyriß. u:1 WA a Van
VelkiaRumin se a 1.038 rd ee
Mali sRumms Huck alas
Rechtsseitige Nebenquelle des letzteren . . 976
In der schmalen Talrinne, welche die Verbindung der Ebene
von Karakasica mit dem Sinjsko polje vermittelt, bricht an der öst-
lichen Talwand die große Karstquelle Kozinac hervor. Nahe unterhalb
der Brücke, die bei Han über den CetinafluB führt, ergießt sich in
denselben links ein breiter Wasserlauf, der kurz vor seiner Mündung
auf vielbogiger Steinbrücke von der nach Otok führenden Straße
übersetzt wird. Gleich hinter dieser Brücke sieht man den Wasserlauf
aus einer Felsschlucht kommen, vor deren Eingang sich eine Mühle
legt. Dringt man in die Schlucht vor, so gewahrt man alsbald schon
in deren Mitte den Ursprung des Flußlaufes. Besonders reiche Zufuhr
empfängt derselbe von der rechtsseitigen Schluchtwand, wo an einer
Reihe dicht nebeneinander liegender Stellen aus den den Fuß der
Wand besäumenden Felstrümmern Quelladern zutage treten. Von
dem Ursprung in der Mitte zieht sich ein mit moosbedeckten Blöcken
übersätes schlammerfülltes Rinnsal einige Dutzend Meter weit einwärts
bis zum felsumrahmten Fond der Schlucht. Die den Höchststand des
Kluftwassers bezeichnende Moosgrenze auf den Felsen lag gegen Ende
des Frühlings 2 m. über dem Wasserspiegel, ein Zeichen, daß der
Kozinac großen Schwankungen unterliegt und in der Trockenzeit wohl
sehr zusammenschrumpft. Gleich hinter der genannten Brücke fließt
dem eben beschriebenen breiten Quellbach links ein schmälerer Bach
[47] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 191
zu, der sonst am geröllerfüllten Boden einer Gehängenische austritt,
und bei großer Wasserfülle seinen Ursprung bis zu einer diese
Nische hinten schließenden Felsbarre zurückverlegen kann. Längs
der Uferstrecke zwischen den beiden Bächen tritt auch noch an
mehreren Stellen Wasser aus. Es befindet sich da auch ein aufstei-
sendes Quellchen.
Die Schlucht des Kozinac ist in Rudistenkalk eingeschnitten,
über welchem rechts dünnbankige neogene Breccien transgredieren,
links junge Schuttbreccien und neogene Mergelkalke diskordant auf-
liegen. Bis Han reichen aber auch auf der rechten Seite des Quell-
baches mergelige Kalke. Das Verflächen der jungtertiären Schichten
ist beiderseits der Schlucht ein sanft gegen WSW gerichtetes. Die
von mir am 22. Juni 1911 erhobenen Quellentemperaturen waren:
Hauptquelle . . . : 9:00
Vier auf der Ostseite der Schlucht unter
Felsblöcken nebeneinander austretende
Quellen . . . 8:834—8°86
Quelle hinter der Mühle : aus _ Felsspalten
BORN EU TERE. 8:90
Quellen vor der Schlucht:
Quelle unter Ulmenbäumen . . . .. 886
Quelle unter schwach geneigter Kalk-
mergelbank aufsprudelnd Un. NERNTON T«_ 8:82
Quelle neben der vorigen . 8:96
Quellen unter geneigten Mergelbänken
Entsprmgend DW En RR N 88390
Bei einer am 16. April 1906 erfolgten Messung zeigten die
verschiedenen Ausläufe des Kozinac Temperaturen zwischen 876°
und 9':80°% Die aperiodischen Wärmeschwankungen sind bei den Karst-
quellen groß genug, um die Unstimmigkeit zu begründen, daß eine
Frühlingsmessung der Temperatur einen etwas höheren Wert ergibt
als eine Frühsommermessung in einem anderen Jahre.
Die durchschnittliche Abflußmenge des Kozinac bei Niederwasser
ist den Erhebungen des Hydrographischen Zentralbureaus zufolge
600 Sekundenliter, das voraussichtliche Minimum seiner Wassermenge
in sehr trockenen Sommern 500 si. Der Kozinac ist in letzter Zeit
zur Wasserversorgung von Sinj herangezogen worden, da die bisher
aus dem Neogen der Ortsumgebung gewonnenen Wasservorräte nicht
mehr ausreichend waren.
Rechterseits empfängt die Cetina nach ihrem Eintritte in die
Ebene von Karakasica zwei Bachrinnsale, die Hauptsächlich als Ab-
zugswege für oberflächliche Entwässerung dienen und bei längerem
Ausbleiben von Niederschlägen trocken liegen. Das nördlicher gelegene
Rinnsal, die Banovic Draga, entwickelt sich aus mehreren Wurzelgräben
im Dolomitgebiete am Osthange des Orlove stiene, das südlicher
gelegene, die Vukov Draga, in den Jurakalken der Umgebung Zelovo’s.
Die unteren Stücke beider Bachgerinne sind in die Neogenschichten
192 Dr. Fritz v. Kerner. [48]
der Gegend von Ervace eingeschnitten. Die Wasserrisse im Neogen-
gelände zwischen beiden Bächen vereinigen sich zu einer Abzugsrinne,
welche bei Bosnjak in die Vukov Draga mündet. Etwas unterhalb
dieser Stelle tritt aus den flach talwärts fallenden Mergelkalken die
Quelle Zdralovac hervor.
Die nähere Umgebung von Ervace wird durch zwei Quelläste
des Baches Vojskova entwässert, welcher sich kurz vor der Einmün-
dung der Karakasica in die Cetina in erstere ergießt. Der stärkere
dieser beiden Aeste kommt aus einem südlich vom Kirchenhügel von
Ervace gelegenen schönen felsumrahmten Quellteiche, dessen Wasser
von solcher Klarheit ist, daß man jedes Steinchen an seinem Grunde
erkennen kann. Diese prächtige Quelle, welche bei einer Junimessung
10:50° aufwies, dient zur Versorgung der zerstreuten Hütten von
Ervace mit Trinkwasser, ihr Ablauf, welcher gleich unterhalb des
Quellteiches über eine mit Kalktuff überzogene Barre stürzt, liefert
fünf kleinen Mühlen die für sie nötige Wasserkraft. Der schwächere
Ast der Vojskova entwickelt sich aus den Sickerwässern in der mit
Eluvien des Neogens erfüllten Mulde zwischen den Hügeln von Ervace
und dem Ostfuße der Plisevica. Das Wasser tritt aber erst am unteren
Muldenende in der Zuzmoquelle an den Tag. Es durchfließt dann den
feuchten Wiesenboden zwischen dem Hügelzuge von Ervace und den
Vorhöhen des Vucjak und nimmt hierbei noch mehrere Quellen auf.
Drei stärkere entspringen am linken Ufer des Quellbaches in einer
Felsnische des Riffes von Kreidekalk, welcher am Südfuße des Ervacer
Hügelzuges aus dem Neogen hervorschaut. Schwache Wässer kommen
auf derselben Uferseite weiter talauswärts aus Rasenboden hervor.
Westwärts von den Ursprüngen des ZuZmobaches trifft man eine
schöne Quelle in dem Graben bei Pletikosic, der sich zur Mulde
zwischen der Plisevica und ihrem Vorberge Vucjak hinaufzieht. Sie
entspringt aus moosbedeckten Trümmern nahe oberhalb jener Stelle,
wo der Graben aus dem oberen Kreidekalke in die diesem diskordant
aufruhenden jungtertiären Schichten übertritt. Letztere sind hier als
klüftige gelbe Mergelkalke mit tonigen und sandigen Zwischenlagen,
die Ceratophyllum Sinjanum führen, entwickelt. Man hat es hier mit
einer Rückstauquelle zu tun, die von den früher beschriebenen ähn-
lichen Quellen bei Ludcane insofern abweicht, als hier die Grenze
zwischen Grundgebirge und Neogen nicht einer Verwerfung, sondern
einer Transgression entspricht. Unter den Quellchen des Neogen-
gebietes, welches sich an den Ostabfall des Berges Vucjak anlehnt
und zwischen dem ZuZämobache und der Sutina ausdehnt, ist die
Quelle Prvan zu erwähnen.
Bald nach seinem Austritte in die Ebene nimmt der Sutina-
bach rechts die Vereinigung jener Wasserfäden auf, die in den viel-
verzweigten, in das Hügelland von Sinj von Norden her eingreifen-
den Gräben zur Entwicklung kommen. Die Zusammensetzung der
quartären Hülle dieses Gebietes aus Verwitterungslehm triadischer
Schiefer, kalkreichem Schlamm neogener Schichten, Roterde, Sand,
Bachschotter und Gebirgsschutt, die infolge wiederholter Umschwemmung
sehichtungslos durcheinandergemengt erscheinen, so daß das Diluvium
hier manchmal einer Grundmoräne ähnlich sieht, ist zwar einer Bildung
49] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 193
größerer Quellen abhold, aber stellenweise doch zur Sammlung von
Sickerwässern führend. Hiezu kommen schwache Wasseraustritte an
jolchen Stellen, wo schuttreiches, etwas durchlässiges Diluvium auf
sonigen Werfener Schichten ruht, wogegen in den letzten Verzwei-
gungen der Gräben, wo die Tonschiefer einer quartären Decke fast
entbehren, nur die Bedingungen für oberflächlichen Abfluß der Nieder-
schläge gegeben sind.
Im Hintergrunde der Talbucht, welche zwischen das, Hügelland
südlich der Sutina und den weit gegen Nord vortretenden Nordrücken
des Berges Susnevac eingreift, entspringt in einer von steilen Höhen
umrahmten buschreichen Nische die Bukvaquelle. Zu ihrer Linken
erheben sich steile, von kleinen Schratten zerfurchte Schrofen von Gips-
mergel, zur Rechten stehen sanft gegen SO fallende buntgebänderte,
tonige und sandige Ceratophyllum-Schichten an, indes die Rückwand
der Felsnische von den weißen muschlig brechenden und den gelb-
lichen diekbankigen Mergelkalken im Hangenden dieser Schichten
aufgebaut wird. Von der Bukvaquelle, welche in einer wohlummauerten
Brunnstube mit zwei Ausläufen und vorgebautem Steintroge gefaßt
ist und den Bewohnern der zerstreuten Hütten von Karakasica zur
Wasserversorgung dient, liegen mir — wie von den anderen größeren
Quellen der Umgebung Sinjss — fünf eigene Temperaturmessungen
vor, die im folgenden mitgeteilt seien:
SuNovember 1904 0: Mrd) 2 21:58
36. Bar 3900 a ee ine si 1134
Ro Apr 906 a rei 140
Ida 100 2er rin 63
Ta Maar II ZN ee rl.
Die aus diesen Werten zu folgernde geringe periodische und aperio-
dische Schwankung weist auf ein weit in das Berginnere hinein-
reichendes Wurzelgeflecht hin.
Außer den bisher besprochenen Quellen, welche sich auf die
Ränder der Ebene von Karakafica verteilen, treten auch in deren
Innerem einige Quellen auf. Die Spezialkarte verzeichnet zwei Quellen
in den feuchten Wiesen unterhalb Ervace, den Slano Vrelo südlich
vom Hügel von Krin, an dessen Westseite zwei von Sumpf umgebene
Teiche liegen, und die Quelle GlibuSa in der Ebene nordöstlich vom
Susnevac. Es handelt sich hier um Grundwasserquellen, nur ‚beim
Slano Vrelo (Gipsquelle) weist der Name auf eine Herkunft aus dem
dyadischen Untergrunde hin. (olansl
Die Quellen auf der Westseite des Sinjsko EN
i Die im Bereich des Sinjsko polje der Cetina rechts zufließen-
den Wässer entspringen teils am Westrande dieser Ebene, teils im
Sinjaner Hügellande. Im letzteren treten Quellen hauptsächlich inner-
halb der jungtertiären Schichten auf, die sich um den bis in die
oberste Dyas reichenden Aufbruchskern herumlegen. ‘Während im
Süden auch in morphologischer Hinsicht eine 'Anlagerung des Neogen-
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. v. Kerner.) 26
194 Dr. Fritz v. Kerner. [50]
saumes an die Rauhwacken und Gipse Platz greift, bildet dieser Saum
im Norden orographisch selbständige Gesteinszüge. Es schiebt sich
hier von Osten her das Alluvialgebiet der Cetina zwischen die Kern-
und Hüllschichten des Sinjaner Hügellandes ein. So kommt es, daß
hier die Wasserscheide zwischen den Ebenen von Karakasica und
Sinj erst über den nördlichen Randwall des Hügellandes verläuft.
Im innersten Teile der vorgenannten alluvialen Bucht befinden
sich zwei bemerkenswerte Quellen. Die eine entspringt im unteren Teile
des Südhanges des vom Berge Susnevac gegen Ost abgehenden Rückens.
Dieser Rücken besteht aus einer mäßig steil gegen N einfallenden
Schichtmasse, welche die unteren und mittleren Stufen des Sinjaner
Neogens umfaßt, so daß an seinem Südfuße Ceratophyllumschichten,
an seinem Nordrande Öyperitesschichten anstehen und der First, des
Rückens von den dickbankigen gelbgrauen Hohlkehlenmergeln gebildet
wird. Die besagte Quelle tritt in den obersten Lagen der von sandigen
Bänken durchzogenen Bändermergel aus, noch etwas unterhalb der
Zone des lichtgrauen, scherbig zerfallenden Mergels, welcher das
Liegende der Hohlkehlenmergel bildet. Der Struktur nach liegt eine
Ueberfallquelle vor; die Hangendschichten des Quellortes zählen aber
nicht zu jenen Gesteinen, denen man ein größeres Maß von Durch-
lässigkeit zuschreiben könnte. Sie zeigen auch mehr die Formen des
Geländes mit oberflächlichem Abflusse. Man reicht so hier mit einer
schematischen Betrachtung des Quellenphänomens nicht aus und muß
die Möglichkeit des Bestehens von Klüften in den scherbig zerfallen-
den Mergeln sowie ganz allgemein einen Ueberschuß der Wasserzu-
fuhr gegenüber den Abfuhrmöglichkeiten annehmen, ohne damit die
Vorstellung von einer größeren lithologischen Verschiedenheit der
Schichten ober- und unterhalb der Quelle zu verbinden.
Die andere Quelle entspringt südwestlich von der vorigen
auf der Ostseite des kleinen Hügels, welcher sich zwischen
dem Susnevac und dem großen Hügel Sibenica einschiebt.” Jener
kleine Hügel besteht aus sanft gegen N einfallenden, mit
sandigen Ceratophyllumschichten wechselnden Bändermergeln, über
welche sich — den Hügel krönend — eine Lage von neogenen
Breccien breitet. Hier muß man wohl annehmen, daß die der Schicht-
neigung entsprechend gegen N abfließenden Wässer durch ein Hindernis,
eine Kluft oder kleine Störung, gezwungen werden, senkrecht zur
Fallrichtung der Schichten auszufließen. Beide Quellen sind in wohl-
ummauerte, mit Auslaufrohren versehene Brunnstuben gefaßt und ver- _
sorgen die Bewohner der Hütten von Glavice (Poljak, Jadrijevic,
Masnic) mit Trink- und Nutzwasser.
Ueber die Temperatur beider Quellen liegen mir fünf eigene
Messungen vor, die hier angeführt seien:
Quelle westlich Quelle bei
von Solto Poljak
5. November 1904 . . 13:58 12-81
16. April: 1905. aa 00590 12-66
16. April 1906 . . . . 11:92 12:74
13. $ani 1907 1.102 202270 7:02:28 12:64
14. Mai 1909. 27ER 12-40.
[51] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 195
Diese Messungen gestatten es, über die Jahresschwankuug und die
aperiodischen Schwankungen der Wasserwärme einen Ueberblick zu
gewinnen. Die Quelle bei Poljak ist, wie man sieht, von ziemlich großer
thermischer Beständigkeit.
Geringfügige Quellbildungen trifft man am Südsaume des in die
Cetinaebene vortretenden Teiles des Sinjaner Hügellandes. Unter-
halb: UVovi6 findet sich an der nach Livno führenden Straße ein Bunar
und an der Abzweigung der längs des Nordrandes der Ebene nach
Modri& leitenden Seitenstraße ein gemauerter Brunnen, aus dessen
Auslaufrohr ich aber oft kein Wasser fließen sah. Bei der Quellen-
messung um die Frühlingsmitte 1905 zeigte dieser Brunnen 10-54,
war also um eineinhalb bis zwei Grade kälter als die vorgenannten
Quellen, was auf ein weniger tief liegendes Nährgebiet hinweist. In
der großen vielverzweigten Rinne, welche sich im Norden des Nebesa-
hügels entwickelt und gleich östlich von Sinj in die Ebene mündet,
treten aus den von stark lehmigen Lagen durchzogenen Schuttmassen,
welche das Grundgebirge umhüllen, mehrorts schwache Rieselwässer
aus. Eines derselben zeigte im November, als die anderen Quellen
der Umgebung von Sinj Temperaturen zwischen 12’5 und 13'7 auf-
wiesen, nur 10'2, was einen oberflächlichen Ursprung anzeigt.
In der nächsten Umgebung von Sinj finden sich zwei Quellen,
die im Schutte über undurchlässiger Unterlage sich sammelndes Wasser
an den Tag bringen. Die eine liegt in der flachen Mulde zwischen
dem Sinjaner Festungshügel und der Nebesa, die andere auf der
Westseite des Sattels, welcher hinter dem Castellhügel aus jener
Mulde in das Gorucicatal hinüberführt. Auch diese beiden Quellen
wurden von mir wiederholt gemessen. Die abgelesenen Temperaturen
waren:
Quelle in der Quelle am
Mulde Sattel
10, November 1904 . . 12:56 13:68
16. Aral 1905; 25.4, 10,71% 30 a
15: April 1906 . . . . 12:30 12:06
14 Jumi 1906... .....38'34 13:60
13. mir 190. 47 ent cr 12:44
MN 19094115 Hr LE 11:62.
Die Quelle in der Mulde wies geringere Wärmewechsel auf; es liegt
nahe, anzunehmen, daß sie aus tieferen Schichten gespeist wird als
die Quelle am Sattel. Am Südhange der Nebesa, wo alle im Talkessel
von Lucane unterscheidbaren Stufen des Neogens vertreten sind,. ent-
wickeln sich auch mehrere kleine Quellen. Erwähnenswert erscheinen
die Quelle Stuparufa, mit deren Namen der Tertiärgeologe die
Erinnerung an einen der von Brusina bekannt gemachten Fundorte
von Neogenconchylien in der Gegend von Sinj verbindet, und das
Quellchen ober Pavid, dessen Abwasser neben der Muser Straße über
eine mit Tuffkrusten überzogene Felsstufe stürzt.
Die Wasser führenden Runste in den Neogenschichten am Süd-
hange der Nebesa ziehen sich zum Rinnsale der Gorucica hinab.
Dieses Bachrinnsal läuft durch das Tälchen, welches zwischen der
26*
196 Dr. Fritz v. Kerner. [52]
Nebesa und der vor dem Nordfuße der Visoka befindlichen Terrasse
liegt und unterhalb der Ortschaft Sin) in die Cetinaebene mündet.
Im Fond des kurzen Tälchens erreicht man den Ursprung des
Gorucicabaches. Man sieht ein von Blockwerk umgebenes Quellbecken,
in welchem ein Aufsteigen des Wassers vom Grunde aus stattfindet.
Die Wassermenge ist sehr großen Schwankungen unterworfen. In der
nassen Jahreszeit zeigt sich das Becken überfüllt und ist der Wasser-
aufstieg deutlich wahrzunehmen. Zu Beginn des Sommers steht der
Quellspiegel schon merklich tiefer, so daß viele vordem überflutete
und nun mit vertrockneten Moosrasen überzogene Steine hervorragen.
Der Wasserspiegel erscheint dann auch ganz ruhig. Nach lang an-
dauernder Trockenzeit kann die Quelle ganz versiegen. Das Bach-
rinnsal setzt sich neben dem Quellbecken noch eine Strecke weit
taleinwärts fort. Hier handelt es sich um einen nur nach Perioden
starker Niederschläge benützten Abzugsweg mit verschiebbarer Aus-
trittsstelle des Kluftwassers.
Der Ursprung der Gorucica liegt in mitteleocänen Breceien,
welche auch den steilen Südhang des von ihr durchflossenen Tälchens
aufbauen. Am Nordgehänge sieht man zunächst Schutt, dann neogene
Mergel und deren Verwitterungslehme. Von dieser Seite her empfängt
der Bach — wie schon erwähnt — mehrere schwache Zuflüsse, die
sich in dem das undurchlässige Tertiär bedeckenden Schutte sammeln.
An der Talmündung legen sich auch vor die Breccien am Südgehänge
neogene Mergel. Aus dieser Gegend fließt der Gorucica der Zupica
potok zu. Dieser führt jedoch nicht Oberflächenwasser, sondern Kluft-
wasser. Sein in diese Mergel eingeschnittenes Bachbett löst sich nicht
in deren Bereiche in Zweige auf, sondern zieht sich bis zu jener
Stelle hin, wo die Mergel an die Breccienkalke stoßen.
Als Einzugsgebiet der Gorucica kommen zunächst die Nordseite
der Visoka, die Ostseite der Visosnica und der Rücken Grabovac in
Betracht. Dieses Terrain besteht zum größten Teile aus eocänen
Breccien. Im Bereiche der Visoka tritt unter ihnen streckenweise
Alveolinenkalk, am Grabovac als ihr Untergrund Rudistenkalk zu-
tage. Westwärts von dieser Region schneidet das Tal der Sutina tief
ein. Die Sohle desselben liegt einige Dutzend Meter höher als der
Ursprung der Gorucica, so daß hinsichtlich der Niveauverhältnisse
kein Hindernis bestünde, daß von der Sutina Wasser gegen die
Gorueica zu abströme und die Möglichkeit dieses Vorganges davon
abhängt, ob keine undurchlässige Gesteinsbarre vorhanden ist. Die
steilen Südabhänge der Sutinaschlucht bestehen zunächst aus Werfener
Schiefern, sodann aus Triasdolomit, dann wieder aus Werfener Schiefern,
hierauf eine Strecke weit aus Kalkgesteinen und weiter talabwärts
aus neogenen Mergeln. Wenn die Sutina Wasserverluste gegen die
Gorueica zu erleiden sollte, so müßte dies auf jener Strecke geschehen,
wo die Südwand ihrer Talschlucht aus Kalk besteht. Sie kommt dort
allerdings dem Ursprunge der Gorucica am nächsten. Die Entfernung
beträgt in der Luftlinie etwa 2800 m. Ob die Sutina hier in der
Tat Wasser verliert, läßt sich aus ihrem Anblicke deshalb nicht
erkennen, weil sie gleich weiter abwärts in das Mergelgebiet ein-
tritt, hier Oberflächenwässer aufnimmt und es nun schwer abzu-
[53] Quellengeologie von Mitteldalmatien 1:97
schätzen wäre, ob ihre folgende Wasserführung diesem Zuwachse nicht
entsprechend sei.
Die von mir an der Gorucicaquelle erhobenen Temperäturen
waren:
25. A906: are eran ae1E96
1 Echtes 712380
TAN LOST. BT eg
Der Gorueicabach verliert sich in den Sumpfwiesen östlich von Sin)
ohne bis an das rechte Ufer der Cetina zu gelangen.
Südwärts von der Gorucica zieht sich längs der Westseite des
Sinjsko polje eine alte Talterrasse hin, an deren Aufbau hauptsäch-
lich Rudistenkalk, daneben auch eocäne Kalke und Breceien Anteil
nehmen. Nur in einer Gegend, westlich von Kosute, scheint ein räum-
lich wenig ausgedehntes Vorkommen mergeliger Schichten vorhanden
zu sein. Den Abfall der Terrasse gegen das Polje besäumen neogene
Schichten, die im Norden von quartärem Schutte, im Süden von
quartären Sanden und im mittleren Teile des Gebietes von eigenem
Verwitterungslehm bedeckt sind. Die hydrographischen Befunde an
der Oberfläche sind so nicht sehr zahlreich. Auf einem sehr be-
schränkten Teile der Terrasse finden sich Quellbildungen, deren Ab-
wasser durch eine den Terrassenrand durchschneidende Schlucht in
die Cetinaebene abfließt. Von den auf der ganzen übrigen Terrasse
einsinkenden Niederschlägen quillt ein nur sehr geringer Teil an einer
Stelle, wo die Schutt- und Neogenvorlage niedrig bleibt, am Fuße
des Terrassenabfalles hervor. Die weit überwiegende Menge dieser
Niederschläge tritt nicht mehr zutage. Diese Wässer finden wohl zu-
meist tiefe Abflußwege gegen Süden; insoweit sie aber den Neogen-
wall auf der Ostseite der Terrasse überwinden können — und beim
Fehlen eines allgemeinen Zusammenhanges der Kluftnetze ist diese
Möglichkeit gegeben — gelangen sie unter dem diesen Wall bedecken-
den Schutte zum Grundwasser der Cetinaebene. Das auf die Schutt- _
vorlage der Terrasse fallende Regenwasser sinkt größtenteils bis auf
die neogene Unterlage ein und tritt dann auch ohne wieder in Quellen an
den Tag zu kommen, mit dem tiefen Grundwasser der Ebene in Ver-
bindung.
Dem Nordabschnitte des Terrassenrandes liegt ein von Neogen-
mergeln umsäumter Hügel aus Rudistenkalk vor. Am Ostfuße dieses
Hügels befindet sich der Bunar Mielacka, welcher Grundwasser der
Cetinaebene enthält. Weiter südwärts, jenseits des Gehöftes von
Talaja, überquert die Straße nach Trilj ein Rinnsal, welches sich
durch das zur Rechten ausgebreitete Kulturland bis an den Fuß des
westlichen Steilrandes des Poljes verfolgen läßt und dort zwischen
von Gesträuch überwucherten Felsblöcken beginnt. Es ist dies die
vorhin erwähnte Austrittsstelle von Kluftwasser, die einzige am West-
rande des Sinjsko polje südlich von den Quellen des Zupica- und
Gorueieabaches. Es handelt sich hier aber um ein nur bei sehr hohem
Wasserstande benütztes Ausfallstor. An einem der ersten Maitage des
Jahres 1909, als nach vorausgegangenem starkem Regen die Gorucica
groß und schmutzig braun daherkam und auch die erwähnte, den
198 Dr. Fritz v. Kerner. [54]
Terrassenrand querende Schlucht von einem Sturzbächlein durch-
rauscht war, blieb das Rinnsal bei Talaja noch trocken.
Unter mittleren Verhältnissen ist auch jene Schlucht und das
von ihrer Mündung sich bis in die Niederung der Cetina fortsetzende
Rinnsal, die Lucica, ganz ohne Wasser. Jene Schlucht erweitert sich»
nach oben hin zu einem Graben, der in eine in die Randzone der
Terrasse eingetiefte Mulde übergeht. Die Bildung dieser Hohlformen
erscheint durch Störungen bedingt, mit denen auch das Auftreten
eocäner Schichten innerhalb des Kreidekalkes in Beziehung steht.
Im Bereiche des (orographischen) Grabens sind zwei gegeneinander
geneigte Schollen von oberem Nummulitenkalk erkennbar, doch so,
daß das Rinnsal im Graben noch in den Westflügel der Synkline
fällt. Die (orographische) Mulde könnte aber durch Senkungen bedingt
sein, durch welche hier mergelige Eocänschichten erhalten blieben.
An der Oberfläche ist von solchen Schichten allerdings nichts sichtbar;
die Ausfüllung der Mulde besteht aus lehmigem Quartärsand, wie er
bei KoSute vor dem Terrassenrande abgelagert ist. Falls aber jene
Mulde nur durch Auswaschung im Alveolinenkalke, welcher zu ihren
beiden Seiten ansteht, erzeugt wäre, müßte man ihrer quartären
Ausfüllung wasserhaltende Eigenschaften zuschreiben, um den Bestand
der in ihr gelegenen Quellchen zu begründen. Es handelt sich hier
allerdings auch nur um schwache Wasseraustritte. Bei meinem aufnahms-
geologischen Besuche der Gegend zu Ende März 1906 zeigte sich da, wo
auf der Spezialkarte in der Mitte der Mulde eine Quelle angegeben
ist, nachstehender Befund: In einem durch Mauerwerk hinten abge-
schlossenen Wiesenboden eine langgestreckte Quellacke, die sich in
ein mit Algen erfülltes Tümpelchen fortsetzt. Neben demselben unter-
halb einer niedrigen Böschung ein tiefes und klares Quellbecken, das
durch am Fuße der Böschung austretendes Wasser gespeist wird.
Seitlich davon noch ein Becken mit klarem Wasser ohne sichtbarem
Zu- und Abfluß. Aus dem Algentümpel entwickelt sich dann das
Rinnsal, welches den schon beschriebenen Weg in die Cetinaebene
nimmt.
Als ich dieselbe Gegend anläßlich der Aufsuchung tektonischer
Relationen des starken Erdbebens vom 2. Juli 1898 gegen Ende Juli
jenes Jahres durchstreifte, war an der besagten Oertlichkeit auch noch
Wasser zu sehen, doch fehlen mir die nötigen Notizen und Erinner-
ungen, um einen Vergleich mit dem obigen Befunde anzustellen.
Die Quelle Pistetak der Spezialkarte, links von der Stelle, wo
sich die Quellenmulde in den zur Schlucht hinableitenden Graben
verengt, ist eine Lokva, unterhalb welcher in einer kleinen Wiesen-
mulde Wasser zutage tritt. Der Untergrund wird hier von Nummu-
liten- und Alveolinenkalk gebildet. Diese Quelle sollnach dem erwähnten
heftigen Erdbeben eine Verminderung ihrer Wassermenge gezeigt
haben, gleichwie der 1300 m südsüdwestlich von ihr gelegene Bunar
Pistak bei Bucanj, von welchem erzählt wurde, daß er vor dem Beben
gefüllt gewesen sei und nach demselben im Laufe weniger Tage den
größten Teil seines Wassers verloren habe, wogegen umgekehrt von
der Ostseite des Sinjsko Polje Berichte über ein nach dem Erdbeben
eingetretenes reichliches Fließen der sonst im Juli schon schwachen
[85] Quellengeologie von Mitteldalmatien, 199
Quellen und über das Entstehen einer neuen Quelle bei Jabuka
vorlagen.
Im Rinnsale der Lu£ica tritt wie in jenem der Korito draga
der Fall ein, daß das Abwasser von Quellen des Talgrundes infolge
von Uebertritt auf durchlässigen Boden wieder versitzt. Wenn die
Schlucht der Lucica nach heftigen Regengüssen Wasser führt, so dürfte
dieses aber nicht bloß aus der Quellenmulde, sondern zum Teil auch
aus tieferen Klüften der Umgebung stammen. Die Lueica wäre dann
neben dem Rinnsale bei Talaja, dem Zupica- und Goru£ieabache ein
vierter Abzugsweg von Kluftwasser auf der Westseite des Sinjsko
polje. Sind die auf diesen Wegen austretenden Wassermengen auch
sanz verschwindend klein gegenüber jenen, welche auf der Ostseite
dieses Poljes hervorbrechen, so bieten diese Wasserwege auf der
westlichen Poljenseite doch überhaupt schon durch ihr Vorhandensein
ein Interesse. Sie bringen den hydrographischen Gegensatz zwischen
dem Sinjsko polje und dem durch die Prologkette von ihm getrennten
Livanjsko polje und Busko Blato zum Ausdrucke. Die letzteren beiden
Karstwannen, welche eines oberflächlichen Abflusses entbehren, sind
an ihren Südwestseiten von Ponoren begleitet. Der in die nördliche
Fortsetzung des Busko Blato, das Bielo polje bei Podgradina von
Westen her einmündende Özren potok verdankt einer Einfaltung un-
durchlässiger Schichten in das Kalkgebirge seine Entstehung, ist aber
kein Kluftwasserauslauf.
Im Sinjsko polje ist aber entsprechend dem Bestande eines
oberflächlichen Abflußweges doch auch die Gesamttendenz der unter-
irdischen Wasserbewegung mehr nach der Verlaufsrichtung dieses Weges,
das ist nach Süden hin gewendet. Nach der Grundschen Hypothese
wäre eine gleichsinnige Abdachung des Karstwasserspiegels vom Sinjsko
polje zum Golfe von Castelli wegen der Dolomitbarre von Dizmo
auszuschließen und ein schwaches Ansteigen dieses Spiegels vom
Westrande der Cetinaebene bis etwa unter den Rücken der Cemernica
anzunehmen. Zwischen dem Livanjsko polje und dem Cetinatale würde
dagegen nach Grunds Ansichten ein kontinuierliches Absinken des
Karstwasserspiegels deshalb möglich sein, weil die im Innern der
Viesca gora und Prolog planina durchstreichenden Dolomitsättel das
orographische Streichen queren. Die Cetina bleibt im Sinjsko polje
das ganze Jahr hindurch ein oberirdisches Gewässer, wenn auch ihr
Wasserstand gegen Schluß der sommerlichen Trockenperiode sehr
niedrig wird. Vom Spätherbst bis zum Frühling ist das Sinjsko polje
zum großen Teil überschwemmt; der Spiegel des Grundwassers
reicht dann fast bis gegen die erhöhten Ränder des Polje hinan. Die
Cetina fließt hier durch Alluvialgebilde, die — soweit sie nicht aus
Lehm bestehen — einen großen Grad von Durchlässigkeit besitzen.
Die Unterlage dieser Schichten ist aber wahrscheinlich teilweise un-
durchlässiger Boden. Das Zutagetreten neogener Schichten ringsum
an den Rändern des Sinjsko polje läßt erwarten, daß dieselben auch
den Untergrund der Alluvialausfüllung der zentralen Poljenteile bilden.
Diese Schichten sind zum Teil ziemlich undurchlässige Kalkmergel,
zum Teil klüftige Süßwasserkalke, die das Wasser nur unvollkommen
zurückhalten. Die Unterlage des Neogens im Sinjsko polje sind ver-
200 Dr. Fritz v. Kerner. [56]
mutlich Triasschichten. Ein Teil derselben, die tonigen Werfener
Schiefer, zählen zu den undurchlässigsten Gesteinen unseres Gebietes,
Andere Bestandteile des triadischen Grundgebirges sind aber jedenfalls
imstande, in Kluftsystemen Wasser aufzunehmen. Zudem dürfte der
Untergrund des Neogens im Sinjsko.polje stark gestört sein und viele
Kontinuitätstrennungen aufweisen. Es wird daher auch unter dem
Neogen im Sinjsko polje Grundwasser existieren, das mit den Wässern
in den Kluftsystemen der Kalkberge, die das Polje umgeben, in Ver-
bindung steht. Daß eine scharfe durchgreifende Trennung der beiden
Grundwasserbehälter statthabe, ist wegen der erwähnten Beschaffenheit
eines Teiles der Neogenschichten nicht vorauszusetzen.
Die Quellen in der Mulde von Gljev und in der oberen
Korito Draga.
Das Tal der oberen Cetina wird beiderseits von Felsterrassen
begleitet, die als stehengebliebene Zeugen eines früheren höheren
Talbodens zu betrachten sind. Diese Terrassen setzen über Sättel
und Muldenzonen hinweg; Härteunterschiede der Gesteine und spätere
Scholleneinbrüche haben aber Unebenheiten der alten Talbodenreste
hervorgebracht. Durch tektonische Vorgänge ist zum Beispiel auf der
Ostseite der oberen Cetina die kleine Einsenkung von Zasiok, durch
Auswaschung die flache Schale von Bitelic entstanden. ÖOstwärts von
der Talenge von Han ist in der dort sehr breiten linksseitigen Tal-
terrasse eine flache Vertiefung von sehr unregelmäßiger Form vor-
handen. Sie wird von Kreidekalken umrahmt und von Konglomeraten
und Mergelschiefern der Prominaschichten erfüllt und stellt sich als
eine durch Schollensenkung und Auswaschung erzeugte seichte Hohl-
form dar. Ueber die Mergel und deren Verwitterungslehme breiten
sich Schuttmassen, die aus den Gräben der im Osten aufsteigenden
Vorhöhen des Prologgebirges stammen. Unter diesen Verhältnissen
kommt es in der flachen Mulde vor Gljev zum Auftreten schwacher
Quellen an solchen Orten, wo die in den lockeren Deckschichten
über undurchlässigem Grunde sich ansammelnden Wässer die Boden-
oberfläche erreichen. Diese Wasseraustritte sind auf verschiedene
Stellen der Mulde verteilt, die in ihrem Umrisse einem Quadrate Bi:
zipfelförmig ausgezogenen Ecken vergleichbar ist.
Im schmalen westlichen Muldenzipfel, welcher sich weit in üös
Rudistenkalkplateau oberhalb Han vorschiebt, ist ein schwaches Quell-
chen inmitten sumpfiger Wiesen anzutreffen. Ganz im Westen sieht man
hier eocäne Mergel zwischen mittelsteil gegen S einfallenden: Kreide-
kalken eingekeilt. Die Mergel und die zunächst an sie anstoßenden
kalkigen Schichten weisen Anzeichen starker Quetschung auf. 'Am
-Eingange in die gegen SW gerichtete Aussackung, in deren! Fort-
setzung ein zum Sinjsko polje hinabführender Graben liegt, ist’ ein
größerer Quelltümpel vorhanden. Diese Aussackung wird durch: eine
zwischen Rudisten- und Chamidenkalk eingesenkte, sich gegen :NO
öffnende Hemizentroklinale von eocänen Konglomeraten gebildet... Die
Lage des Tümpels entspricht ungefähr der tiefsten Stelle der Gegend.
Im nördlichen Muldenzipfel, welcher ganz mit Verwitterungsschichten
[57] Quellengeologie von Mitteldalmatien, 201
erfüllt ist, aber durch eine aus anstehenden, gegen S und SW ver-
flächenden Mergelschiefern bestehende Bodenwelle vom zentralen Teile
der Mulde getrennt ist, befindet sich die Quelle Studenac. Das Wasser
tritt hier von den Seiten und von unten in einen roh ummauerten
Brunnenschacht ein und rieselt zu Zeiten mittleren Wasserstandes
über den Steinkranz der Schachtöffnung ab. Die Lokva vor dem auf
der Ostseite der Mulde von Gljev vorspringenden Sporne von Rudisten-
kalk wird von einem Quellchen gespeist, das aus einer mit Stein-
platten halb überdeckten kleinen Vertiefung kommt. Die nächste Um-
gebung ist auch hier Ackerland; nicht weit im Westen beginnt aber
die früher genannte Entblößung von Mergelschiefern, und es ist nicht
zu zweifeln, daß dieselben auch bei der Lokva in geringer Tiefe an-
stehen. Endlich ist, noch ein temporärer Wasseraustritt zu erwähnen,
welcher sich in der Südostecke der Mulde von G]Jjev findet. Das Wasser
kommt hier neben dem Wege, der vor den Hütten von Jelendusa
vorbeiführt, unterhalb eines Ackers hervor. In der Umgebung tritt an
mehreren Stellen eocänes Kalkkonglomerat unter dem Schuttboden
zutage.
Von hier streicht eine schmale Zone von Konglomeraten und
Breceien weit in die westlichen Vorberge des Prologgebirges hinein.
Sie zieht sich zunächst am Hange, welcher die Mulde von Gljev
gegen Ost abschließt, empor, und folgt dann der Südseite des Hoch-
tales zwischen dem Catrnski Humac und der Debela glavica, um
schließlich im Talhintergrunde, unterhalb des steilen Felsgrates Presilo,
auch auf die nördliche Talseite überzugreifen. Im Bereiche dieses
Gesteinszuges verzeichnet die Spezialkarte zwei Quellen. Die eine
liegt in einer gegen W offenen Felsnische linkerseits des engen Grabens,
welcher vom vorgenannten Hochtale zur Mulde von G]jev hinabzieht. Man
hat hier eine kleine in lehmigen Boden eingesenkte Quellacke vor sich.
Es herrschen hier mehr die zu Verkarstung neigenden basalen Breceien
der Prominaschichten vor. Das Schichtfallen in der Umgebung ist
50°S vers W. Einen weit erfreulicheren Anblick bietet die andere
Quelle, welche sich im Hintergrunde des Hochtales befindet. Diese
Quelle, die Quelle Catrnja, tritt aus sehr steil aufgerichteten bis seiger
stehenden NW—SO streichenden Konglomeratbänken aus. Oberhalb
der durch Schichtflächen solcher Bänke gebildeten Felsmauer, welche
südwärts hinter der Quelle vorbeizieht, ist eine schmale Einlagerung
von dünnschieferigem Mergelkalke sichtbar, welcher zu einer schmutzig-
selben Lehmerde zerfällt. Unterhalb der Quelle sieht man an der
Böschung des durch das Hochtal ziehenden Rinnsales gelben und
blaugrauen plastischen Lehm entblößt,welcher auch das Verwitterungs-
produkt von in der Nähe durchstreichenden Mergeln sein muß. Die
Catrnjaquelle bringt so Wasser an den Tag, das sich in steil gestellten
klüftigen Schichten an undurchlässigen Zwischenlagen derselben auf-
staut. Am Quellorte sind ein roh ummauertes Becken mit klarem
Wasser, das an einer Stelle über den Beckenrand abrieselt, und ein
aus Stein gemeißelter Trog zu sehen. Die Wassertemperatur am
Ausflusse betrug bei einer Messung kurz vor Mitte April 90°, bei
einer zweiten Messung kurz nach Mitte Juni 100°. Das Wasser am
Grunde des Beckens zeigte das erstemal an verschiedenen Stellen
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. v. Kerner.) 27
202 Dr. Fritz v. Kerner. 158]
eine wechselnde, zwischen 8'4° und 87° schwankende Wärme, war
also um drei bis sechs Zehntel Grade kühler als am Ausflusse, das
zweitemal war es am Grunde überall gleich warm und nur um zwei
Zehntel Grade kühler als an der Oberfläche.
Am Südfuße der Bergkuppe Obisenjak, an deren Westseite
das Hochtal mit der Quelle Catrnja seinen Abschluß findet, liegt das
kleine Polje von Blaca. Es ist ein Ueberschiebungspolje mit steiler,
aus Rudistenkalk gebildeter Nordwand und sanft abdachender west-
licher und südlicher Wandung aus eocänen Kalken. Den Untergrund
des mit Eluvien erfüllten Inneren bilden eocäne Mergel, die beiderseits
an der Ueberschiebungslinie anstehen. Es kommt hier zur Entwicklung
einiger kleiner, vorwiegend der oberirdischen Wasserabfuhr dienender
Gerinne, welche in einer trichterförmigen Bodensenkung verschwinden.
Vom Blaca Polje gelangt man südwärts über einen schmalen
Felsriegel in die Korito Draga. Diese ist ein langgestrecktes Bach-
bett, welches südwärts von der Kamesnica auf der Westseite der
Wasser scheidenden Höhen zwischen dem Busko Blato und dem
Sinjsko polje seinen Ursprung nimmt und in das letztere Polje mündet.
Die Korito Draga gliedert sich in drei morphologisch von einander
abweichende Teilstücke, welche ihrem Durchtritte durch drei ver-
schiedene Gesteinszonen entsprechen. Quer über die genannte Wasser-
scheide streicht ein Zug von Prominaschichten, welcher — gleichwie
jener im Hoch.ale oberhalb Gliev — eine steile Einfaltung in Kreide-
kalken darstellt. Innerhalb dieses Gesteinszuges entwickelt sich die
vorgenannte Draga aus mehreren, unter sehr spitzem Winkel zusam-
menlaufenden Aesten. Südwärts vom Blaca polje verläuft die Korito
Draga vorzugsweise in cenomanem Dolomit und erscheint hier als ein
schmales Tal mit steilen Hängen. Unterhalb der Hütten von Dolnje
Korito tritt sie in eine breite Zone von Chamidenkalken ein. Hier
verliert sie beim Verlassen der Vorhöhen des Prolog den Charakter
eines Tales und wird bei ihrem Laufe quer durch die alte Talterrasse
im Osten des Sinjsko polje zu einer engen, beiderseits von steilen
Felsböschungen eingerahmten, schutterfüllten Rinne. Ihr Endstück
quert die Neogenvorlagen dieser Terrasse; bei ihrer Mündung in die
Cetinaebene streut sie einen großen flachen Muhrkegel aus.
In jener Gegend, wo die Korito Draga dem Blaca Polje am
nächsten kommt, entspringt an ihrem Nordabhange eine Quelle. Der
untere Teil des Abhanges besteht dort aus Kreidedolomit, dann folgt
ein sanfter geneigter Geländestreifen und über diesem baut sich eine
Felswand von Rudistenkalk empor. Auf dem mit abgestürzten Blöcken
dieses Kalkes bestreuten Bodenstreifen zu ihren Füßen bemerkt man
zwischen dem Schutte gelblichen und grünlichgrauen plastischen Lehm,
vereinzelte Entblößungen von schiefrigem Knollenmergel sowie Trümmer
von eocänen Kalken und Konglomeraten. Das Einfallen des Mergels
und des ihm aufgeschobenen Kreidekalkes ist ein steil gegen N ge-
richtetes. Auf diesem schuttbestreuten Mergelboden entspringt die
Quelle. Man sieht ein mit Sumpfgräsern bewachsenes, teilweise von
einem Steinwalle umgebenes Tümpelchen und oberhalb desselben
unter einem großen würfelförmigen Kalkblocke ein kleines, von klarem
Wasser erfülltes Becken. Es liegt hier einer der wenigen Fälle vor,
[59] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 203
in welchen die Aufschiebung von Rudistenkalk auf eocäne Mergel
zur Bildung einer Ueberfallquelle führt. Aber gerade hier handelt es
sich um einen ganz atypischen Fall von Berührung der genannten
beiden Gesteine. Es ist hier nur in einer von Querstörungen durchsetzten
Schuppenregion ein kleiner Fetzen von Knollenmergel zwischen Rudisten-
kalk und oberen Kreidedolomit eingeklemmt, aber nicht der Mergel-
horizont einer eocänen Schichtfolge von jenem Kalke überschoben.
Nicht weit talaufwärts von der eben beschriebenen Quelle findet
der Zug von Prominaschichten, in welchen die Wurzeln der Korito
Draga eingeschnitten sind, sein westliches Ende. Dieser Zug fällt
schon fast ganz außerhalb des Spalatiner Kartenblattes; der Vorgang,
solche Täler, von denen ein namhaftes Stück noch in das genannte
Blatt zu liegen kommt, in ihrer Gänze zu besprechen, soll hier aber
um so eher beobachtet werden, als das Wurzelstück der Korito Draga
mehrere Qellen enthält, die sowohl wegen ihrer Bauart, als auch
wegen ihrer hohen Lage sehr bemerkenswert erscheinen. Bei den
Gornje Korito stani entspringt am nördlichen Talhange ein schöner
Quell. Das Wasser tritt am Fuße einer Böschung, die aus den Schicht-
köpfen 30—35° gegen NNO einfallender Konglomeratbänke besteht,
aus Trümmerwerk hervor und rauscht als kleines, von Buschwerk
besäumtes Bächlein durch eine saftige Wiese zum Koritobache hinab.
Neben der Quelle stehen zwei moosumsponnene Brunnentröge aus
ausgehöhlten Eichenstämmen. Man fühlt sich beim Anblicke dieser
Quelle in die Kalkalpen versetzt, aber nur für einen Augenblick, da
die weitere Umgebung gleich daran erinnert, daß man sich in einem
dalmatinischen Gebirgstale befindet. Nahe unterhalb der felsigen
Böschung, an deren Fuß der Quell entspringt, bemerkt man an ein
paar benachbarten Stellen blaugrauen Lehm und an einer Stelle
Bröckeln eines ebenso gefärbten Mergels. Es scheinen also auch hier,
wie bei der Quelle Catrnja, den Kalkkonglomeraten dünne Mergellagen
eingeschaltet zu sein, welche bei der Quellbildung die Hauptrolle
spielen dürften. Die Konglomerate an sich wären auch im Falle einer
örtlich verminderten Klüftigkeit zur Erzeugung einer lange durch-
haltenden Ueberfallquelle kaum befähigt. Daß diese dünnen Mergel-
lagen — gleichwie im Hochtale der Catrnja — an der Oberfläche
kaum bemerkbar sind, ist bei der starken Schuttentwicklung der
konglomeratischen Schichten nicht verwunderlich. Die Temperatur
der eben beschriebenen Quelle war bei einer Junimessung 10°9.
Gleich weiter ostwärts sind die Prominaschichten lithologisch
mannigfaltig ausgebildet. Talaufwärts von den Gornje Korito stani
zeigt sich folgendes Profil:
Dicke Bank von grobem Kalkkonglomerat.
Grünlichgrauer, feinklüftiger Mergel.
Konglomeratbank.
Bläulichgrauer, zu Lehm verwitternder Mergel.
Lichtgrauer, unvollkommen muschlig brechender Plattenmergel.
Gelblichgrauer, scharfkantig zerklüftender sandiger Kalk.
Weißlicher, muschlig brechender Mergelkalk.
Konglomeratbank.
27*
204 Dr. Fritz v. Kerner. [60]
Es ist dies eine Mannigfaltigkeit der Ausbildung, die an jene im
klassischen Gebiete der Prominaschichten erinnert. Die Schichtmasse,
in welche die Wurzeln der Korito Draga einschneiden, ist in mehrere
kleine Falten gelegt. Dies ergibt in Verbindung mit ihrem Aufbaue
aus abwechselnd durchlässigen und undurchlässigen Lagen günstige
Bedingungen für die Bildung kleiner Quellen und für einen obertägigen
Lauf ihrer Abwässer. Der Hauptabzugsgraben der hier vor einem
Versinken in größere Tiefen bewahrt bleibenden Niederschläge geht
aus der Vereinigung von vier Wurzelgräben hervor. Im nördlichen
befindet sich ein Quellbrünnlein mit zwei Holztrögen. Das Wasser
fließt hier vor seinem Austritte eine Strecke weit ganz oberflächlich
unter Blöcken. Es zeigte bei einer Messung bald nach Mitte Juni bei
den Holztrögen 85°, an seiner obersten Ursprungsstelle 8'3°.
Von den die vier Wurzelgräben trennenden kleinen Rücken
sind die beiden äußeren sekundäre Schichtaufwölbungen, der weiter
zurückliegende innere Rücken entspricht einer Schichtmulde. An
seinem schmalen westlichen Ende sieht man mehrere scharf einge-
knickte dieke Konglomeratbänke mit Zwischenlagen von Knollenkalk
den Muldenkern formen. Die Unterlage desselben ist feinklüftiger
Flyschmergel, welcher auch den Boden des Antiklinalaufbruches
bildet, der dem südlich benachbarten Graben entspricht.
Vor dem Westabfalle des kleinen Synklinalrückens breitet sich
ein flacher Trümmerkegel aus, dessen Material den Konglomeratbänken
entstammt. Am Fuße dieses Kegels tritt an mehreren Stellen Quell-
wasser zutage. Das am meisten gegen Nord zu gelegene Quellchen
zeigte bei meinem Besuche eine Temperatur von 7°3°, zwei mehr in
der Mitte des Kegelrandes austretende Wässer 7'8° und 8'3°%. Diese
Temperaturdifferenzen zeigen, daß hier das Wasser nach dem Aus-
tritte aus dem Gestein noch genug lange unter dem lockeren Schutte
fließt, um bei Tage und im Sommer eine merkliche Wärmesteigerung
zu erfahren. Die Quelle kann so als Beispiel der Verbindung einer
Schichtmuldenquelle mit einer Schuttgrundquelle gelten. Auf der
Fläche des synklinalen Rückens oberhalb der Quelle breitet sich eine
seichte, nach hinten geschlossene Wiesenmulde aus, welche ein gut
umgrenzbares Sammelgebiet darstellt. Im südlich benachbarten Graben
zeigte das oberflächliche Sickerwasser aus dem Schutte auf dem
Flyschboden 10'7°. Es sei bemerkt, daß sich auch die hier gegebene
Beschreibung der Quellen von Gliev und Korito auf mittlere Wasser-
standsverhältnisse bezieht, wie sie in der für geologische Aufnahmen
in Dalmatien am meisten geeigneten und meist benützten Jahreszeit,
im Frühlinge und Frühsommer angetroffen werden.
Das Rinnsal in der Korito Draga, der Korito Potok, ist nur in
seinem von Blöcken erfüllten Anfangsstücke innerhalb der Konglo-
meratzone in regenreichen Monaten von einem Bache durchrauscht,
in seinem Mittel- und Unterlaufe liegt es meistens trocken. Man kann
aber wohl annehmen, daß das Wasser der Koritoquellen nach dem
Einsinken in die Kreidekalke vorwiegend Bahnen einschlägt, welche
unter dem Trockenbette der Korito draga verlaufen.
Die Temperaturmessungen der Quellen des Korito potok und
der Quelle Catrnja boten mir in Verbindung mit den Messungen der
[61] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 205
Quellen am Rande der Ebene zwischen Gala und ÖOtok das Zahlen-
material, um für den Prolog eine vorläufige Gleichung der Abnahme
der Bodentemperatur mit der Höhe für eine mittlere Exposition aufzu-
stellen. (Meteorolog. Zeitschr. 1906.)
Die Quellen am Ostrande des Sinjsko polje.
Längs der Ostseite des Sinjsko polje zieht sich die Terrasse,
welche das obere Cetinatal linkerseits begleitet, gegen Süden weiter.
Sie quert hiebei den Zug steil aufgerichteter altmesozoischer Schichten,
welcher die östliche Fortsetzung des Mucer Aufbruches bildet. Auch
auf dieser Strecke ist die Niveaufläche des alten Talbodens durch
spätere Schollensenkungen und Auswaschungen stellenweise unterbrochen
worden. Vorzugsweise durch Erosion mag wohl der untere Teil der
Korito Draga entstanden sein, wogegen der Graben, welcher von der
Mulde von Gliev zum Sinjsko polje hinabzieht, einer Verwerfung
folgt. Als eine Hohlform, erzeugt durch Auswaschung weicher, infolge
von Einbrüchen in tiefere Lage gelangter Schichten stellt sich der
sroße Felskessel von Ruda dar. Auch die Gräben von Grab und
Jabuka erscheinen als Ergebnisse eines Zusammenwirkens tektonischer
und atmosphärischer Kräfte. Von Han bis in die Gegend von Otok
wird der Terrassenabfall von Neogenschichten besäumt. Weiter süd-
wärts treten die Kreide- und Jurakalke bis an den Rand der Ebene
heran. Der Talkessel von Ruda ist mit eocänen Mergelschiefern erfüllt.
Unter den Quellen auf der Ostseite der Sinjaner Ebene spielen
Austritte von Kluftwasser die Hauptrolle. Dem Talkessel von Ruda
und dem kleineren Kessel von Grab entströmen die Abwässer mäch-
tiger Karstquellen; das aus ihrer Vereinigung hervorgehende Gewässer
ist der stärkste aller linksseitigen Zuflüsse der Cetina. Im Bereiche
der Neogenschichten auf der Ostseite des Sinjsko polje finden sich
keine bemerkenswerten Quellbildungen; dagegen bedingt die Auf-
quetschung von Werfener Schiefern in der Störungszone zwischen
Jabuka und Oacvina das Auftreten einiger Quellen. In der Randzone
der Ebene sind auch Grundwasseraustritte vorhanden. Zwischen Gala
und Otok verzeichnet die Spezialkarte vier Quellen. Zwei derselben
sind am Fuße des zwischen den genannten Orten in die Ebene vor-
tretenden Geländespornes gelegen. Gleich neben dem Kirchlein Svi
Sveti tritt das Wasser in einer Breite von fünf Metern am Fuße einer
niedrigen Böschung aus Schotter aus. Die zweite, etwas weiter süd-
wärts gelegene Quelle ist in einen roh ummauerten Steinkasten ge-
faßt; die dritte befindet sich am Fuße des Gehänges unterhalb der
Hütten von Zivinic; auch sie ist, gleich der vorigen, dicht neben der
nach Otok führenden Straße gelegen und ummauert. Die vierte Quelle
entspringt in den Wiesen auf der Nordseite der weit in die Cetina-
ebene vortretenden flachen Bodenwelle von Otok. Die ersten drei
Quellen zeigten bei einer Messung um die Frühlingsmitte (16. April)
die Temperaturen: 10'22, 10:74 und 11'06°. Um Mitte Juni desselben
Jahres waren ihre Temperaturen; 12:24, 12:10 und 12:12.
Ueberschreitet man die Bodenwelle von Otok und die hinter
ihr gelegene Mündung der Korito draga, so kommt man zum Nordende
206 Dr. Fritz v. Kerner. [62]
des Hügelrückens von Udovicic, welcher der alten Talterrasse vorliegt
und im Hinblick auf seinen geologischen Bau als ein abgetrenntes
und stark abgetragenes Stück derselben erscheint, Die Talfurche
zwischen diesem Rücken und der Terrasse wird durch einen aus dieser
letzteren vortretenden Felssporn in einen kleineren nördlichen und
größeren südlichen Teil zerlegt. Der letztere öffnet sich in das vom
Ruda potok vor seinem Austritte in die Ebene durchströmte Tal und
wird von einem Quellbache durchflossen, der gegenüber dem genannten
Sporne in einer trümmererfüllten Nische am Ostfuße des Rückens von
Udovicic entspringt. Diese Quelle ist durch ihre Lage und die daraus
zu folgernde Strukturform höchst bemerkenswert. Ihr Wasserreichtum
— sie treibt eine Mühle — schließt es aus, als ihr Sammelgebiet
nur den hinter ihr aufsteigenden Rücken zu betrachten. Sie kann aber
auch kein Grundwasser der Cetina zutage bringen, da ihr Austrittsort
um 10—15 m höher liegt als der Spiegel dieses Flusses und auf der
ihm zugewandten Seite des genannten Rückens schwer durchlässiges
Gestein ansteht. Man sieht sich so zur Annahme gedrängt, das Nähr-
gebiet der besagten Quelle teilweise in dem östlich von der Furche
des Ovarlj potok gelegenen Terrassenlande zu suchen. Die geologischen
Verhältnisse sind einer solchen Annahme günstig. Der First und Ost-
hang des nördlichen Abschnittes des Rückens von Udovicic bestehen
aus Chamidenkalk. Am Westhange des Rückens steht Dolomit der
tieferen Kreide an, nur gegenüber der Ovarljquelle reicht hier der
Chamidenkalk am Hange weit hinab. Den Fuß desselben besäumen
schuttbedeckte kalkige Kongerienschichten. Solche Schichten lehnen
sich im Norden auch an den ÖOstfuß des Rückens, während in der
Umgebung der Ovarljquelle und weiter südwärts dünnbankige, mit
Konglomeratlagen wechselnde harte Kalke jungtertiären Alters die
Ostseite des Rückens von Udovitic bedecken. Der wiederholt genannte
Felssporn östlich gegenüber der Quelle und die nördlichen Nachbar-
hänge bauen sich gleichfalls aus Kongerienschichten auf, wogegen die -
südwärts sich anschließenden Hänge aus eocänen Mergelschiefern
bestehen. Die Randzone der Talterrasse setzt sich aus eocänen
Kalkbreccien zusammen; das ganze weiter ostwärts folgende Terrassen-
land wird von Chamidenkalk gebildet.
Die kalkigen Kongerienschichten auf der Ostflanke des Sinjsko
polje sind zwar von jenen auf der westlichen und südlichen Poljen-
seite durch den Mangel an Ravinenbildung und das Fehlen von
Quellen unterschieden, sie wirken aber gegenüber den klüftigen
Kreidekalken doch wasserstauend. Es werden darum Wässer, welche
in der alten Talterrasse östlich vom Ovarlj potok hinter der Neogen-
vorlage des Terrassenrandes niedersinken, nun — da ihrem Austritt
in das Sinjsko polje die Dolomite auf der Westseite des Rückens
von Udoviciö ein Hindernis sind, am Ostfuße dieses Rückens her-
vorbrechen. Vielleicht entstammen die Quellwässer des Ovarlj potok
zum Teil jener Wasserader, die vermutlich unter dem trockenen Bette
der Korito Draga nach Westen fließt. Ueber die Temperatur der
Quelle des Ovarlj potok liegen mir drei Messungen vor. Am 11. April
(1906) zeigte die Quelle an fünf Stellen: Nordrand, Mitte und Südrand
der Hauptquelle, kleiner Auslauf rechts davon und größerer Auslauf
[63] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 207
rechts vom vorigen, die auffallend niedrige Temperatur von 720°.
Es war dies an demselben Tage, als die hoch oben im Gebirge liegende
Catrnjaquelle 8'40° aufwies. Fünf Tage später maß ich an der Haupt-
quelle 792°, während mehrere seitliche Ausflüsse 822 bis 8:70 zeigten
und die verschiedenen Ausläufe des Kozinac am selben Tage Tem-
peraturen von 9'76° und 9780 hatten. Sowohl die Niedrigkeit der
Temperatur als auch die Raschheit ihrer Aenderung in kurzer Zeit
waren sehr auffällig. Am 22. Juni desselben Jahres wiesen die ver-
schiedenen Teile der Hauptquelle und die rechtsseitigen Nebenquellen
des Ovarlj potok übereinstimmend eine Temperatur von 13240 auf.
Die Quelle in der Talsohle neben der Mühle zeigte 1244, die Quell-
chen gegenüber der Mühle am Fuße des nordöstlichen Talhanges
hatten 12:32 und 12°40°. Der Ursprung des Ovarlj potok dürfte großen
Schwankungen der Wassermenge unterliegen; leider ist mir darüber
nichts bekannt geworden.
Der Ovarljbach mündet in den Rudabach genau an jener Stelle,
wo dieser seine anfängliche O—W-Richtung mit der N—S-Richtung
vertauscht. Die Talrinne, aus welcher der Rudabach mit gegen West
gerichtetem Verlaufe kommt, führt zu einem tief drinnen im Gebirge
liegenden weiten Kessel, dessen Ränder rings durch schrofte Kalkfelsen
gebildet sind, von deren Fuß sich minder steile Mergelhänge bis zum
Kesselgrunde hinabsenken. Kurz bevor sich dieser Kessel zu dem in
das Sinjsko Polje führenden Tale einengt, geht der Ruda potok aus
der Vereinigung zweier Quelladern hervor. Die kleinere derselben
bricht als schäumender Wildbach dicht am Fuße der Nordwand des
Kessels aus, und zwar an einer Stelle, wo der Mergelhang durchbrochen
ist und schroffe Kalkfelsen und Schutthalden bis zum Kesselgrunde
hinabreichen. Es lassen sich dort Verwerfungen nachweisen und
oftenbar bot eine mit diesen im Zusammenhange stehende stärkere
Zertrümmerung des Gebirges den Anlaß für das Hervorbrechen der
. Wässer an jener Stelle, das dann weiter zur Zerstörung des Mergel-
vorbaues führte, der im Bereiche jener Bruchregion vermutlich auch
Gefügelockerungen aufwies, die seine Widerstandskraft schwächten.
Oberhalb der Quelle ragen Schrofen auf, die aus steil zu Tal abfallendem
tieferem Kreidekalk bestehen. Oestlich von der Quelle erhebt sich
eine Felsmasse aus gegen den Berg zu fallendem jüngerem Kreide-
kalke. Zwischen beiden sind eocäne Mergel eingequetscht und eben-
solche Mergel lagern dem jüngeren Kalkklotze auch seitlich an.
Diese Befunde lassen das Vorhandensein einer Längs- und Querstörung
in der Gegend der nördlichen Rudaquelle klar erkennen. Das Wasser
tritt hier in drei nur unvollkommen voneinander getrennten kräftigen
Adern aus Blockwerk aus. Im Frühsommer lag die Austrittsstelle nur
ungefähr 03 m unterhalb der obersten, den Hochstand anzeigenden
Moosrasen, was auf eine nur mäßige jährliche Niveauverschiebung
schließen läßt.
Die große Quellader des Ruda potok kommt aus einer engen
Schlucht, welche in die Ostwand des Felskessels eingeschnitten ist.
Folgt man diesem Bache bis ins Innere der düsteren Schlucht, deren
Grund er schaumbedeckt durchtost, so fühlt man sich bald durch den
Anblick eines überaus interessanten seltenen Naturschauspieles völlig
208 Dr. Fritz v. Kerner. [64]
überrascht und festgebannt. Man gewahrt inmitten eines von steilen
Felsen und Halden umschlossenen Trichters einen tiefen Quellteich,
dessen dunkelgrüne Flut in heftiger Wallung begriffen ist. In rascher
Folge wölbt sich bald da, bald dort’ der Wasserspiegel vor, rasch
wieder sich abflachend und große Wellenkreise ziehend. Der Anblick
gleicht ganz dem des Kochens und zum Bilde einer heißen
Sprudelquelle fehlen nur die von der Wasserfläche aufsteigenden
Dämpfe. Die Schnelligkeit, mit welcher neue Wallungen einander
folgen, bevor sich noch der Wasserspiegel an den Stellen der früheren
geglättet hat, und die hiedurch bedingte stetige Interferenz mehrerer
Wellenringsysteme erschwert es ungemein, die Periode der Erscheinung
analytisch festzustellen. Die Wallungen sind von verschiedener Stärke,
bald sieht man nur von einer zuvor glatten Stelle plötzlich Wellen-
kreise ausgehen, bald kommt es bis zu einer kuchenförmigen, mit
Schaumbildung verbundenen Aufblähung des Quellspiegels. Die Menge
der hier unter leichten Pulsationen stetig aus der Tiefe empordrin-
genden Wasserfluten ist enorm. Man ermißt dies aus der Wucht,
mit der das Wasser aus dem Quellteiche als breiter, reißender Bach
hervorschießt. Gegen Ende langanhaltender Dürreperioden mag aller-
dings auch die östliche Rudaquelle einen minder imposanten Anblick
darbieten. Im Frühsommer zeigte sich noch keinerlei Abnahme der
Wasserfülle gegenüber dem Frühlinge. Alles Wasser kommt hier aus
der Tiefe, ein seitliches Einströmen ist nicht zu bemerken. Die Rand-
partien des Quellspiegels scheinen ruhig, solange nicht Wellenkreise
bis zu ihnen dringen.
Gleich außerhalb des brodelnden Quellteiches ergießt sich in
sein tosendes Abwasser ein starker Bach, der aus moosumsponnenem
Blockwerk an der Südwand der Felsschlucht wildschäumend hervor-
bricht. Das glitzernde Weiß dieser Schaumkaskade steht in wirkungs-
vollstem Gegensatze zu dem dunklen Grün des Wasserspiegels in dem
Felstrichter daneben. Die mittlere Ursprungshöhe dieses Seitenbaches
über dem Niveau des Quellteiches mag ungefähr 12 m sein. Da in
letzterem das Wasser aus der Tiefe empordringt, hat man es hier
mit einer Kluftwasserströmung von großer vertikaler Gesamtmächtigkeit
zu tun. Daß es sich um eine einheitliche, wenn auch in räumlich
mehr oder weniger getrennten Felskanälen sattfindende Strömung
handelt, erhellt auch daraus, daß die beiden Quellen in thermischer
Beziehung übereinstimmen. Zwei im Frühling und Sommer vorgenom-
mene Messungen ergaben für den Quellteich und für die Kaskaden-
quelle genau dieselben Temperaturen. Es begreift sich, daß zur Bil-
dung eines so mächtigen Wasserstromes, wie er im Rudakessel aus-
tritt, die Niederschläge, welche auf die Berge der Umgebung fallen,
nicht ausreichen können. Man hat es hier wohl mit den Wassermassen
zu tun, welche von den zahlreichen Ponoren auf der Westseite des
Busko Blato verschluckt werden. (Ponor ProZdrikosa, Sinjski Ponor,
die Ponore der Ri@ina und Ponor stara mlinica.) Das zwischen dem
Sinjsko polje und Busko Blato gelegene Gebiet ist tektonisch zwar
noch nicht erforscht, doch hat es viel Wahrscheinlichkeit für sich,
daß hier vorwiegend westliches und westnordwestliches Schichtstreichen
herrscht, welches einen Abfluß der in dem um 400 m höheren Busko
[65] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 209
Blato versinkenden Wässer gegen das Sinjsko polje zu begünstigen
würde. Die Bezeichnung Sinjski Ponor soll wohl auch den Bestand
solcher Abflußverhältnisse ausdrücken. Die Kaskadenquelle scheint
eine mit erheblicher Niveauverschiebung verbundene größere Stärke-
schwankung aufzuweisen. Ihre Austrittsstelle lag im Juni 2 m unter-
halb der obersten, damals vergilbten Moospolster in der Trümmerhalde
und die Wasserfülle war etwas weniger groß als im April.
Daß die große Rudaquelle den Ausbruchsort eines echten Höhlen-
flusses darstellt, kann man auch aus ihrem thermischen Verhalten
schließen. Sie wies eine große Temperaturänderung vom Frühling bis
zum Frühsommer auf und zeigte in letzterem eine noch höhere Wärme
als — allerdings in einem anderen Jahre — die Quelle des Veli Rumin,
welche, wie früher erörtert wurde, wegen ihrer hohen Frühsommer-
wärme als Austritt eines Höhlenflusses anzusehen ist. Um die Mitte
der zweiten Aprilhälfte zeigten der Quelltopf und die Kaskaden-
quelle des Ruda potok 10'20°, bald nach Mitte Juni zeigten beide
13:82°. Bei der westlichen Rudaquelle waren die entsprechenden
Werte 1000 und 13'34. Sie verhielt sich somit in thermischer Hinsicht
der östlichen Quelle ähnlich.
An der Nordwand der Felsschlucht, in deren Fond der Quell-
teich liegt, erblickt man die Oefinungen zweier Höhlengänge, von denen
sich Rinnsale, die mit von Schlamm überzogenem Trümmerwerk er-
füllt sind, bis zum Schluchtgrunde hinabziehen. Die eine Oeffnung
ist von nur geringen Dimensionen, liegt etwa 20 m oberhalb des
Quellteiches und sendet ihre Ausflußrinne zum rückseitigen Teich-
rande hinab. Die andere Oeffnung ist ein großes Felstor, dessen Boden
etwa 10 m über der Schluchtsohle liegt und sich in ein von großen
Blöcken ausgefülltes Bachbett fortsetzt, das eine kurze Strecke
stromabwärts von der Kaskadenquelle am rechten Ufer des Ruda potok
mündet. Man hat es da mit den Ausführungsgängen einstiger, jetzt
meist außer Gebrauch gesetzter unterirdischer Wasserwege zu tun.
Sie scheinen darauf hinzudeuten, daß hier eine kleine Südwärtsver-
legung des mächtigen Kluftwasserstromes stattgefunden hat. Auch bei
dem östlichen Ruda potok zeigt der Ursprungsort eine direkte Ab-
hängigkeit von den tektonischen Verhältnissen. Die enge Schlucht, in
deren Fond der Quellteich liegt, entspricht einer Verwerfungsspalte.
An der Südwand der Felsschlucht fallen die Kalkbänke sehr steil
gegen N, also gegen die Schlucht zu ab, an der Nordwand fallen sie
minder steil in derselben Richtung, also von der Schlucht weg, was
sich in einer Treppenform des nördlichen Abhanges kundgibt.
An der Mündung des Ovarlj potok wendet sich der Ruda potok
in scharfem Bogen gegen Süd und behält dann — abgesehen von
seitlichen Ausbiegungen — diese Richtung, oder genauer SSW, bis
zur Einmündung in die Cetina bei. Er hält sich hierbei meist ganz nahe
dem Ostrande der Sinjaner Ebene. Halbwegs zwischen seinem Knie
und seiner Vereinigung mit der Cetina nimmt er rechts den ihn an
Wasserfülle nieht erreichenden Grab potok auf. Folgt man diesem
letzteren in südöstlicher Richtung, so kommt man bald in ein an-
mutiges Tal, an dessen Eingang rechts das Dörfchen Grab von grünem
Anger freundlich herabwinkt, wogegen im Talgrunde mehrere von
Jahrbuch d. K. k geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F, v. Kerner). 28
210 Dr. Fritz v. Kerner. [66]
hohen Pappeln dicht umstandene Mühlen mit rauschenden Wasser-
wehren und eine Anzahl malerischer Steinbogenbrücken den Blick
des Wanderers fesseln. Dringt man bis hinter das von Schaum und
Gischt umwirbelte Gemäuer der innersten dieser Mühlen ein, so
sieht man sich am Zugange zu einem von jäh aufstrebenden Felsen
und steilen Halden eng umschlossenen Kessel, dessen Grund die
Ursprünge des Mühlbaches birgt. Gleich hinter dem Gemäuer bricht
links am Fuße eines steilen Blockwerkes ein prächtiger fünfteiliger
Quell hervor. Dann tritt inmitten des von Tamariskenbüschen über-
wucherten, geröllbedeckten Kesselbodens in einem Halbkreis Quell-
wasser zutage, das allseits zusammenströmend, einen kleinen Bach
erzeugt. Endlich steigt rechts dicht am Fuße der fast senkrechten
Südwand des Kessels aus zwei Löchern in der Tiefe eines trümmer-
erfüllten kleinen Beckens Wasser auf, das durch ein roh ummauertes
Gerinne abströmt, den dritten der Quellbäche des Grab potok bildend.
Dieser in verstecktem Winkel unter hohem, von Blumen überranktem
Fels gelegene tiefblaugrüne Quell ist einer der schönsten des Gebietes.
Die fünf Adern der ersten Quelle sind durch kleine Felsvor-
sprünge wohl nur äußerlich getrennt und gehören einem einzigen
Auslaufe von Kluftwasser an, da sie genau dieselben Temperaturen
zeigten. Die mittlere Quellader und die westlich ihr benachbarte
übertreffen die anderen an Stärke. Die im Geröll am Kesselboden
aufgehende Quelle bildet zu Zeiten eines ungefähr mittleren Wasser-
standes einen im Beginne 5—6 m breiten seichten Bach. Das Wasser
strömt entlang der ganzen, einen Halbkreis bildenden, rückseitigen
Begrenzungslinie dieses Baches aus, doch lassen sich eine mittlere
und zwei seitliche stärkere Ausströmungen unterscheiden, von welch’
letzteren die rechtsseitige mehr nach außen zu gelegen ist. Die Tem-
peratur dieser drei Quelläste war genau dieselbe. Der Quelltopf unter
den Felswänden ist etwa 5 m lang, 3 m breit; das Wasser stand im
Frühling nur etwa !/;, m über dem Boden, die in denselben einge-
senkten beiden Löcher erstrecken sich aber noch mehrere Meter tief
hinab. Nach der Moosgrenze an den Felswänden zu schließen, scheint
hier der Hochstandsspiegel etwa 2 m über dem mittleren zu liegen.
Diese dritte Quelle war bei einer um die Zeit des Tiefstandes der
Quellentemperatur erfolgten Messung um einen ganzen Grad wärmer
als die aus dem Geröll am Kesselgrunde und die aus dem Blockwerk
bei der Mühle kommenden Wässer. Sie wies bei einer gegen Ende
April vorgenommenen Messung 11’84° auf, während die Quelle hinter
der Mühle und die Quelle im Geröllboden des Felskessels 10'86°
zeigten. Vermutlich würde eine im Herbste vorgenommene Messung
der Quellwärme ein umgekehrtes Temperaturverhältnis zeigen und
zur Erkenntnis führen, daß jener mehr aus der Tiefe kommende Quell
einer viel geringeren Wärmeschwankung unterliegt als seine oberfläch-
licher entspringenden Nachbarquellen.
Als durchschnittliche Abflußmenge des vereinigten Ruda- und
Grab potok bei Niederwasser findet sich im Wasserkraftkataster des
hydrographischen Zentralbüros 3500 Sekundenliter und als voraussicht-
liches absolutes Minimum der Wassermenge dieses Quellbaches 2500
Sekundenliter angegeben.
[67] Quellengeologie von Mitteldalmatien, AH
Im Anschlusse an die Beschreibung der Ursprünge des Grab
potok sei einer Quelle kurz gedacht, die außerhalb der inneren
Mühlen am rechten Bachufer aufgeht, sowie noch eine Quelle an-
geführt, die nordwärts vom Grab potok am Fuße des Gehänges bei
Vrabace am Rande der Ebene aufgeht. Bei dieser letzteren Quelle
mündet ein trümmererfülltes Bachbett, das großenteils wohl trocken
liegt, nach stärkeren Regengüssen aber von einem Bache durch-
schäumt wird.
Von den Aufquetschungen unterer Werfener Schiefer längs der
Störungslinie auf der Ostseite des Ruda potok stellen jene bei der
Burgruine Caövina und bei den Klippen nördlich von der Kota glavica
räumlich beschränkte Gesteinsfetzen dar. Nur auf der Südflanke des
Tälchens hinter Jabuka tritt eine größere Schieferlinse an den Tag.
Hier kommt es zur Entwicklung schwacher Sickerwässer in den Deck-
schichten des undurchlässigen Grundes. Man trifft hier zunächst am
Abhange gegenüber dem Dörfchen Jabuka oberhalb der Mergelkalke
auf Schieferboden ein ummauertes Quellchen, dann ein natürliches
Becken mit klarem, schwach abrieselndem Wasser, daneben zwei
Tümpelchen mit unreinem Wasser. Weiterhin kommt man zu einem
Bunar und dann zu einer mit vielen Wasserpflanzen erfüllten, von
Gestrüpp und (vom benachbarten Gelände stammenden) Kalkblöcken
umgebenen Quellacke. Nahe derselben ist unter Gebüschen noch ein
kleines Becken mit klarem Wasser und eine algenerfüllte Quellacke
zu sehen, endlich findet man noch etwas weiter im Osten unter einem
Baume ein kleines Becken mit reinem, wohlschmeckendem Wasser.
Die Quellen des mittleren Cetinatales.
Nach ihrem Laufe durch das Sinjsko polje durchbricht die
Cetina das Kreidekalkgebiet, welches die triadischen Aufbruchsspalten
von der Flyschzone der Küste trennt. Sie fließt hier in einem wilden
tiefen Caüon, welcher größtenteils in Rudistenkalk eingeschnitten
ist. Nur der an das Südende des Sinjsko polje sich zunächst an-
schließende Gebietsteil ist so tief eingesunken, daß hier die Cetina
durch die jüngeren Schichten tritt, welche den durch jene Senkung
geschaffenen Raum erfüllen. Es sind dies Congerienschichten und
ihnen aufruhende jungpliocäne Schotter. Die Quellen im Mittellaufe
der Cetina sind so von zweierlei Art: im kurzen Anfangsstücke des
Tales findet man Schichtquellen, welche an der Grenze der oben
genannten zwei Tertiärstufen entspringen; im sehr viel längeren
Hauptabschnitte des Tales treten Karstquellen zutage.
Der links von der Cetina gelegene Teil des Neogengeländes im
Süden des Sinjsko polje besteht aus einem an den Kreidekalkzug
des Vojnicki brig sich anlehnenden Rücken, in welchem die Stasina
glavica über das Niveau jenes Kalkzuges emporsteigt und aus dem
Hügel von Delonca, der sich nordwärts von jenem Rücken zu geringerer
Höhe erhebt. Die Kuppe dieses Hügels reicht noch nicht bis zur
Grenzfläche zwischen den wenig durchlässigen Kongerienschichten und
spätpliocänen Schottern hinauf und ist so von hauptsächlich nur der
oberirdischen Wasserabfuhr dienenden Gräben durchfurcht. Der
28*
212 Dr. Fritz v. Kerner. [68]
Rücken mit der Stasina glavica ragt aber über jene Auflagerungsfläche
hinan und weist so an seinem Nordhange einen Horizont mit Sicker-
wässern auf. Eine bemerkenswerte Quelle entspringt im obersten
Teile jenes Grabens, welcher das kleine Lignitflöz von Kosute bloß-
legt. Allzureicher Wasserzufluß soll hier vor zwölf Jahren zur Ein-
stellung von in Angriff genommenen Aufschlußarbeiten geführt haben.
Auch auf der zum Cetinatale abdachenden Ostseite des genannten
Rückens befindet sich eine kleine Quelle.
Zahlreichere und zum Teil viel größere Quellen birgt das am
Südrande des Sinjsko polje links von der Cetina gelegene Neogen-
gebiet. Es ist dies eine reichgegliederte Hügelmasse, die nur an ihrer
Südwestseite bis an das sie umgebende Gebirge stößt und so einen
hohen Grad von orographischer Selbständigkeit erhält. Gegen NW
wird sie durch das Tal der Cetina begrenzt, gegen SO bilden die
Mulden von Briskilje und Strmen Dolac und gegen NO die von der
letzteren zum Sinjsko polje ziehende Furche ihre Grenzen. Diese
Hügelmasse, der Golo Brdo, besteht aus einem auf oberen Fossarulus-
schichten ruhenden Sockel von Kongerienschichten und einer über
ihn gebreiteten Decke von groben, zu einem lockeren Konglomerat
verkitteten postpliocänen Flußschottern.
Die Neogenschichten des Golo Brdo sind trotz sehr hohen
Kalkgehaltes (über 96°%,) für Wasser ziemlich schwer durchlässig.
Derart bildet ihre besonders auf der NO- und SO-Seite des Berges
überall frei ausstreichende Grenze gegen die aufliegenden Konglomerate
einen Quellenhorizont. Die Konglomerate enthalten selbst aber auch
schwer durchlässige Zwischenlagen aus verfestigtem Kalkschlamm, was
zur Entstehung höherer Wasseraustritte Anlaß gibt. Die Schichtmasse
des Golo Brdo ist flachwellig gelagert und es kommen hier so Schicht-
quellen auf völlig wagrechter, auf schwach geneigter und auf flach-
muldenförmiger Unterlage vor.
Klar ist letztere Struktur bei der im Graben südlich von der
Hauptkuppe des Golo Brdo gelegenen Quelle sichtbar, welche man
für die Wasserversorgung der Station Ugljane der geplanten Bahnlinie
Dizmo-ArZano in Aussicht genommen hat. Diese Quelle tritt im
Muldentiefsten einer durch jenen Graben angeschnittenen, sehr flachen
Synklinale aus. Talabwärts fallen die Konglomeratbänke sanft gegen
OÖ bis ONO, in der Umgebung des Quellortes liegen sie söhlig und
talaufwärts ist sanftes WNW-Fallen zu erkennen, das weiterhin in
südwestliches Verflächen übergeht. Die Quelle tritt in mehreren Adern
unter dem Schichtkopfe einer Konglomeratbank aus und überrieselt
die von ihr gebildeten Tuffkrusten des Ausstriches einer tieferen
Bank. Oberhalb der Hangendbank folgen noch mehrere weiter zurück-
liegende Schichtkopfstufen, an deren Unterkanten schwache Wasser-
austritte erfolgen. Die Einschaltung von kalkigtonigen Lagen zwischen
die Konglomerate ist talabwärts von der Quelle am rechtsseitigen
Hange des Grabens schön zu sehen. Daß die lockeren Konglomerate
durchlässig sind, zeigt sich daran, daß der Quellabfluß nach und nach
wieder versiegt. Nahe der Mündung des Quellgrabens befindet sich
der von Pappelbäumen umstandene Brunnen, welcher die Bewohner
von Caporice mit Trinkwasser versorgt. Das Wasser desselben quillt
[69] Quellengeologie von Mitteldalmatien, 213
am Fuße eines nach NNW exponierten Abhanges hervor, an welchem
flachmuldenförmig gelagerte Konglomerate ausstreichen und der
Brunnen liegt genau in der Achse der hier bloßgelegten Synklinale.
Die Schichten fallen auf der Seite der nahen Straße sehr sanft nach
O0, gegenüber gleichfalls unter sehr geringem Winkel nach WSW.
Links vom Brunnen sieht man an einer Stelle im Liegenden der
Konglomerate eine fast 2m mächtige, von Schotterlagen durchzogene,
kalkigtonige Schichte aufgeschlossen. Quellen, die durch undurchlässige
Zwischenlagen in den Schottern und Konglomeraten bedingt sind,
finden sich dann noch im großen, reich verzweigten Graben, welcher
bei der Triljer Brücke in die Cetina mündet.
Von jenen Quellen, die an der Basis der Schotterdecke austreten,
ist zunächst ein reichlich fließendes Bründl zu erwähnen, welches
auf der Nordseite des Golo Brdo im Graben von West-Susnjara auf
einer gegen NO exponierten, mit Bäumen bestandenen Wiese entspringt.
Es kommt aus Konglomeraten ; seiner Austrittsstelle gegenüber ist aber
etwas höher oben die Mergel-Schottergrenze sehr gut aufgeschlossen.
Ein schönes Quellchen ist in einem der vielen Runste, welche auf
der NO-Seite des Golo Brdo eingeschnitten sind, zu sehen. Die
lockeren Konglomerate zeigen dort bizarre Erosionsformen, welche
an die Galleriefelsen der Wüste erinnern. Das Quellchen tritt unter
einem Konglomeratklotze aus grobem Schotter aus, kaum ein Meter
tiefer unten sind aber schon Kongerienschichten aufgeschlossen. Diese
gegen O exponierte Quelle zeigte bei einer Messung in der zweiten
Junihälfte 11°6°, das früher genannte Bründl 11'8°%, während der
Brunnen von Caporice eine Temperatur von 132 und die für die
Wasserversorgung der Station Ugljane in Aussicht genommene Quelle
Temperaturen von 13'3 und 13°4 aufwies. Es waren somit die Quellen
an der Basis der Schotter im Durchschnitte um 1'6° kühler als jene
innerhalb der Schotterdecke, was mit der tieferen Lage der Ader-
geflechte bei den ersteren Quellen im Zusammenhange stehen mochte.
Auf der Ostseite des Golo Brdo entspringen an der Oberkante der
Kongerienschichten gleichfalls einige Schichtquellen. Im Strmen Dolac,
der großen Mulde zwischen dem Golo Brdo und dem östlich benach-
barten Kreidekalkgebirge, treten an mehreren Stellen Wässer aus,
die sich in der Schuttbedeckung der den Muldengrund erfüllenden
Melanopsidenmergel sammeln.
Der große Canon der Cetina im Süden von Trilj ist für die
Kenntnis der Hydrographie des mitteldalmatischen Karstes insofern
wichtig, als hier in dem tiefsten, der Beobachtung zugänglichen Niveau
auf eine weite Strecke hin reines Kalkgebirge bloßliegt. Im oberen
Cetinatale sind den alten aus Kalk bestehenden Talterrassen großenteils
mehr oder minder undurchlässige Neogenschichten vorgelagert und
es wird so ein vollständiger Einblick in die Verteilung der Wasser-
wege verwehrt. Man könnte da in Zweifel kommen, ob das Hervor-
brechen von Quellen in den Lücken der Neogenvorlage eine Beschrän-
kung der Wasserführung auf einzelne Höhlengänge bedeute oder ob
eine gleichmäßige Durchsetzung des Kalkgebirges mit untereinander
verbundenen wasserführenden Klüften vorhanden sei. Es schiene
möglich, daß eben nur dort, wo die. Neogenschichten durchbrochen
914 Dr. Fritz v. Kerner. [70]
sind, große wasserführende Spalten ausmünden, es wäre aber auch
denkbar, daß auch: mehrorts große Wasseradern auf die Rückwand
der Neogenvorlagen treffen, wegen eines Zusammenhanges der Kluft-
netze aber nicht bis zur Bildung von Ueberfallquellen aufgestaut
werden und hinter den undurchlässigen Vorlagen weiterfließen, bis sie
zur nächsten sich ihnen darbietenden Ausfallspforte gelangen. In
diesem Falle müßte dann beim Fehlen einer undurchlässigen Ueber-
kleidung des Gebirgsrandes dieser letztere seiner ganzen Länge nach
von Quellen begleitet sein.
Im Canon der Cetina liegen nun die Dinge so, daß mehrere
Teilstrecken der Talränder mit Quellen besetzt sind, daß aber weder
eine Beschränkung der Wasseraustritte auf einzelne Stellen Platz greift,
noch auch eine gleichmäßige Verteilung der Quellen über die ganze
Erstreckung des Tales vorhanden ist. Es tritt hier sozusagen ein
Mittelzustand zwischen den vorgenannten zwei Grenzfällen in Er-
scheinung. Bei meinen geologischen Begehungen des Calons der Cetina
südlich von Trilj sah ich zwei Uferstrecken, längs welchen ein Aus-
tritt des Kluftwassers durch eine größere Zahl von reihenförmig an-
geordneten Bodenöffnungen erfolgt. Beide gehören dem linken Ufer an
und bringen jene Wässer zutage, die sich im Rudistenkalkgebiete
südwestlich vom Dolomitaufbruche von Ugljane sammeln. Die eine
Teilstrecke liegt in der Nähe von Babic stan, zirka 3 km unterhalb
des Cetinaknies bei Bisko, die andere beiläufig um ebensoviel noch
weiter talabwärts bei Cikota. Die erstere Quellenreihe war zur Zeit
meines Besuches, Anfang Mai, versiegt, die andere, im April besuchte,
zeigte sich sehr wasserreich. Dieser Unterschied war nicht durch
Ungleichheit der beiden Kluftsysteme bedingt, es handelte sich aber
auch nicht um eine auf die periodische Jahresschwankung des Wasser-
standes zu beziehende Verschiedenheit, sondern um aperiodische,
durch die eben vorausgegangene Witterung bedingte hydrographische
Zustände. Ein Versiegen nach trockener Witterung schon im Mai
deutet in Dalmatien auf geringe Nachhaltigkeit einer Quelle hin. Bei
solchen Vorkommnissen läßt sich eine genaue Wechselbeziehung
zwischen der Jahreskurve des Regenfalles und jener der Quellen-
ergiebigkeit feststellen. Hier können nur die morphologischen Verhält-
nisse beschrieben werden; dies soll aber im folgenden um so ein-
gehender geschehen, als man es bei diesen Quellenhorizonten im
Cafon der Cetina mit für die Beurteilung der Hydrographie des
dalmatinischen Karstes wichtigen Erscheinungen zu tun hat.
Unterhalb Babic stan befinden sich im tiefeingeschnittenen CaNon
der Cetina, zwei kleine Kalktuffinselehen. Gerade hinter diesen be-
merkte ich an dem linksseitigen Ufer unter Geröllboden einen saftigen
grasigen Fleck, dessen Existenz darauf hinwies, daß hier zeitweilig
Wasser hervorbricht. Dann folgt bald stromabwärts eine größere
Quellenmulde. Die Rasen- und Humusdecke ist dort an einer Stelle
ausgebrochen, in der so entstandenen Einsenkung liegen Trümmer,
die zur Zeit meines Besuches mit vertrackneten Schlammkrusten und
Algen überzogen waren. Es war sehr deutlich zu erkennen, daß diese
Trümmer von oben her überflossen gewesen und es sich nicht um
Schlammresiduen von einem Hochstande des Flusses handeite. Nahe
[71] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 915
der Einsenkung befindet sich ein von Brombeergestrüppen über-
wuchertes Rinnsal mit vielen Moospolstern und Algenüberzügen.
Oberhalb der vorgenannten Senkung liegt eine Schutthalde mit meh-
reren Stellen, wo jedenfalls zeitweise Wasser hervorkommt; besonders
unter einem Kalkblock waren kleine trockene Rinnen und daneben
. unter einem kleinen Blocke Moos- und Algenvegetationen konstatierbar.
Weiter flußabwärts bemerkt man in einem grasigen Abhange einen
Quellbachriß, der gleich von seiner Mündung an mit Brombeersträuchern
überwuchert ist. Hier sind auch Reste einer Tuffterrasse zu erkennen.
Alsdann stößt man in der Nähe einer kleinen Flußterrasse auf ein
weiteres, unter dichtem Gestrüppe hervorkommendes Rinnsal mit
wenig Moos und ohne Algen. Endlich ist noch eine hinter einer
schönen Uferwiese gelegene Stelle zu erwähnen, die periodisch auch
als Ausflußöffnung für Kluftwasser dienen dürfte. Es fehlen dort zwar
die an den bisher genannten Stellen sichtbaren untrüglichen Kenn-
zeichen der zeitweiligen Ausübung dieses Dienstes; es zieht sich aber
von jenem Punkte ein seitlich von Mauerwerk begrenztes Rinnsal weit
bis gegen die Cetina hinab.
Unterhalb Cikota bekam ich folgende Befunde zu Gesicht. Nicht
weit flußabwärts von den so benannten Hütten befand sich gegenüber
einem dort im Flusse aufragenden Inselchen eine Quelle, die 1 m
über dem Niveau der Cetina aus Schutt in einer Breite von 4 m
hervorbrach. Wenige Dutzend Schritte weiter talabwärts war eine
zweite Stelle sichtbar, wo ein Wasserlauf etwa 2 m über dem Fluß-
spiegel in einer Gesamtbreite von 4 m zwischen Kalkblöcken zutage
trat. Dann folgten drei kleine Quellchen, die nur wenige Meter vom
Ufer entfernt und !/; m über demselben entsprangen. Hieran schloß
sich eine sehr reiche, aus Trümmern kommende dreiteilige Quelle.
Der erste Ast entsprang 1 m, der zweite 2m über dem Flußspiegel,
der dritte Quellast ging gleich neben dem Ufer auf. Jeder der drei
Aeste war 11/, bis 2 m breit. Bald darauf kam ich zu einem weiteren,
mehrere Meter breiten Austritte von Kluftwasser in 1!/, m Höhe über
dem Flußspiegel, dann zu drei nahe beieinander neben dem Ufer
aufgehenden Quellen, endlich trat kurz vor der Mündung jenes Tobels,
der sich vom Plateau bei Cori€ zur Cetina hinabzieht, aus einem
gemauerten Kanale in 21/, m Höhe über dem Niveau der Cetina eine
reiche Wasserader aus. Etwas weiter flußabwärts war unter den dort
auf dem linken Ufer mächtig vortretenden Felsen wieder eine Quelle
sichtbar. Die Gesamterstreckung dieses Quellenhorizontes unterhalb
Cikota betrug fast 1 km.
Etwa eine Stunde talabwärts von dieser Quellenreihe unterhalb.
Cikota befindet sich bei der Mravinamühle eine Höhle, au deren
Felstor ein mit Blöcken reich bestreutes trockenes Rinnsal seinen
Ursprung nimmt, welches zunächst parallel zur Cetina — durch einen
Felsrücken von ihr getrennt — sich niedersenkt und dann nahe bei
jener Mühle in das Flußbett mündet. In die Höhle hinein setzt sich
das Rinnsal nicht fort. Der Höhlenboden besteht aus Terra rossa und
ist, als Zufluchtsort für Schafe dienend, nach außen durch ein
Mäuerchen abgeschlossen. Es handelt sich demnach entweder um
einen ganz außer Gebrauch gesetzten alten Wasserweg, oder es tritt
216 Dr. Fritz v. Kerner. [72]
hier das Wasser auch bei seinem höchsten Stande erst vor der
Höhle aus.
Die quellenreiche Teilstrecke der Cetinaschlucht unterhalb Babie
stan fällt mit einer Zone starker Schichtstörungen zusammen. Es ist
dort ein auffällig häufiger und oft schroffer Wechsel der Falirichtungen
und Fallwinkel zu bemerken. Innerhalb eines von der Cetina halbierten
Flächenstückes von etwa 1 km? mißt man da am linken Ufer: mittel-
steil SSW, 25° SSO, 10° OSO, 20° und 70° S; am rechten Ufer:
steil OSO, mittelsteil NO, 25° O, 30° N, steil O, mittelsteil S. In
der Talstrecke bei Cikota ist zwar keine so starke Schollenzer-
stückelung vorhanden, aber doch ein Schwanken der Fallrichtung
zwischen N und OÖ zu sehen und die Schichtneigung eine sehr steile,
was gegenseitige Verschiebungen und Zerrüttungen der Schichtmassen
fördert. Das Vorherrschen einer steilen Aufrichtung der Schichten
im Cafion der Cetina und die hierdurch bedingte starke Entwicklung
steil zur Tiefe gehender Klüfte und Spalten ist wohl der Hauptgrund,
warum hier die Quellen keine größeren Niveauunterschiede zeigen.
Es sind hier günstige Bedingungen für ein möglichst tiefes Absinken
der eindringenden Wässer gegeben. Es kann dies aber in mehreren,
nicht miteinander in Verbindung stehenden Kluftnetzen in gleichem
Maße der Fall sein, so daß dann der Austritt einer Anzahl von über
eine längere Talstrecke verteilter Quellen nahe dem Flußspiegel noch
kein Beweis für einen allgemeinen Zusammenhang der Kluftsysteme ist.
Die Quellen im Karstgebiete zwischen dem Mose und Mosor.
Das stark verkarstete Gelände zwischen der Zone der Aufbruchs-
täler und dem Küstenstreifen gliedert sich in mehrere, durch Höhen-
züge und flache Bodenwellen getrennte Mulden. Von der Mucer Furche
und dem Tale der: Cetina wird dieses Karstgebiet durch die Rücken
des Mosec, der Visoka und Öemernica geschieden. Gegen die Küsten-
zone wird es durch die Kämme des Koziak und Mosor abgegrenzt.
Diese Grenzziehung ist eine vorwiegend orographische. Nur längs des
Koziak entspricht sie auch einer scharfen hydrographischen Scheide.
Es schiene wohl näher liegend, in einer Darstellung des Quellen-
phänomens Gebietsabgrenzungen nach hydrographischen Gesichtspunkten
vorzunehmen. Ein solches Vorhaben stößt jedoch auf Schwierigkeiten.
Nimmt man im Norden die Trennungslinie zwischen den undurch-
lässigen Schiefern und klüftigen Kalken als Gebietsgrenze an, so wird
man Gefahr laufen, dieselbe zu weit vorzuschieben. Es wäre möglich,
daß im Sutinatale ein kleiner Teil der Wässer, welche in den Kalken
und Kalkbreccien am südlichen Talhange einsinken, die Barre der
angeschobenen Werfener Schiefer überwindet und so noch zur Sutina
gelangt. In der Muier Gegend liegt die geologische Scheidelinie
zwischen Karst und Nichtkarst am Nordrande der Ebene, da der
Untergrund derselben noch aus Kalksteinen besteht. Wollte man aber
die hydrographische Grenze zwischen der Zone der Aufbruchstäler
und dem südlich anstoßenden Karstgebiete an jenen Rand verlegen,
so würde hydrographisch Zusammengehöriges zerrissen, da die End-
stücke der in den triadischen Tonschiefern und Dolomiten sich ent-
[73] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 21T
wickelnden Rinnsale die Mucer Ebene durchfließen, um erst am Süd-
rande derselben in Ponoren zu verschwinden, Würde man dagegen
bei der Abgrenzung hydrographischer Teilgebiete an Stelle der ober-
flächlichen Wasserabfuhr jene in der Tiefe in Betracht ziehen, so
erführen die früher genannten Grenzen eine bedeutende Rückwärts-
verlegung in das Innere des verkarsteten Gebietes und könnten
manchmal überhaupt nicht gut gezogen werden. Wenn am Rande eines
Karstgebietes gegen ein Gelände mit oberflächlicher Fintwässerung
sroße Quellen hervorbrechen, wie die Quellen des Jadro und Stobrec
potok am Südfuße des Mosor, und man hier eine Gebietsabgrenzung
der genannten Art vornimmt, so wäre aber der Vorwurf nicht be-
rechtigt, auch hier hydrographisch Zusammengehöriges getrennt zu
haben, auch dann nicht, wenn man den Abfluß solcher Quellen als
obertägige Fortsetzung eines echten Höhlenflusses ansieht; denn in
diesem Falle liegt eben in der Umwandlung des Flußlaufes auch die
Begründung für die hydrographische Scheidung der beiden benach-
barten Gebiete. Hier von der Zerreißung einer hydrographischen
Einheit zu sprechen, wäre so unbegründet, als wenn man es in dem
oben angezogenen Beispiele von Mu6 als eine solche Zerreißung be-
trachten würde, wenn man die Mose& planina nicht mehr zur Zone
der Aufbruchstäler rechnet, obwohl sich in ihr die Flußläufe jener
Zone nach ihrem Verschwinden in Ponoren unterirdisch fortsetzen.
Aus dem Gesagten dürfte wohl hervorgehen, daß in einer
quellengeologischen Beschreibung die Abgrenzung von Teilgebieten
am besten nach orographischen Gesichtspunkten geschieht.
Ein von der Mucer Ebene zur Gebirgsnische von Klissa strei-
chendes Quertal trennt das besagte Karstgebiet in eine westliche und
östliche Hälfte. Die erstere stellt ein im Norden vom Mosee, im
Süden vom Koziak und im Osten von dem jenes Tal westwärts be-
gleitenden Meteno umrahmtes Hügel- und Muldengebiet dar, das der
Berg Ljubec in einen nördlichen und südlichen Teil scheidet. Die
Östhälfte umfaßt das nordwärts von der Visoka, südwärts vom Mosor
und westwärts von dem auf der Ostseite des Quertales aufsteigenden
Radinje umrahmte Muldengebiet von Diemo. Das in Rede stehende
Karstgebiet wird von einer Dolomitzone durchzogen, welche der
Einsenkung zwischen dem Mose“ und Ljubeec folgt und dann über
den Radinje und durch die Mulde von Dicmo auf das linke Cetina-
ufer hinüberstreicht. Das im vorigen betreffs seiner Abgrenzung und
Gliederung kurz besprochene Karstgebiet ist nicht gänzlich wasserlos.
Es finden sich sowohl in dem Dolomitzuge als auch in den ihn beider-
seits begleitenden Kalkzonen vereinzelte schwache Quellbildungen,
die wegen der Ungewöhnlichkeit ihres Auftretens von großem
Interesse sind.
Ein höchst merkwürdiges Quellchen befindet sich am Südhange
des Berges Deveroga südlich von Mud. Es sind dort zwei Gräben
eingeschnitten, von denen sich der eine gegen Ost, der andere gegen
Süd hinabsenkt. Das Quellchen tritt im Anfangsteile dieses letzteren
Grabens unterhalb eines Felsspornes aus. Die Deveroga ist der
östliche Eckpfeiler des Mosed und gliedert sich auch in tektonischer
Hinsicht diesem Gebirge ein. Ihre Kammregion entspricht einem
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt. 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 29
918 Dr. Fritz v. Kerner. [74] #
Aufbruche von Rudistenkalk, über ihre Südhänge dehnt sich die
meerwärts sich anschließende Eocänmulde aus, deren Südflügel von
einem Längsbruche durchzogen ist. Derselbe streicht am Rücken
zwischen den genannten beiden Gräben hin und bringt Hauptnum-
mulitenkalk mit Miliolidenkalk in Berührung. Im Südgraben wird er
von einem Querbruche gekreuzt, und hier befindet sich das Quellchen.
Das Wasser tritt aus .einer vertikalen Kluft in dünnbankigem 40°
gegen N einfallendem Miliolidenkalke aus. Oberhalb der Ursprungsstelle
sieht man etwas Schutt und dann Felsen von Alveolinenkalk. Von
der Quellspalte zieht sich ein mit Steintrrümmern und Moosrasen
erfülltes Rinnsal hinab, in welchem das Abwasser des Quellchens
bald versiegt. Das Quellchen liegt in einer Höhe von 640 m, 100 m
unterhalb der höchsten Kuppen der Deveroga, 170 m über dem
Nordfuße und 260 m über dem Südfuße des Berges.
Man hat es hier demnach mit einem Austritte von Quellwasser
auf einem ganz aus Kalk bestehenden verkarsteten Berge zu tun, ein
Befund, welcher der Voraussetzung eines allgemeinen Zusammen-
hanges der Kluftnetze im Kalkgebirge widerspricht und zur Annahme
drängt, daß gelegentlich im Kalke Klüfte fehlen oder unwegsam sein
können, so daß sich ein von seiner Umgebung abgeschlossenes
Kluftnetz entwickeln muß, oder daß wenigstens solche Unterschiede
in der Zerklüftung des Kalkes und in der Wegsamkeit der vorhandenen
Klüfte Platz greifen können, daß unterirdisch nicht mehr so viel Wasser
weitergeleitet werden kann, als zufließt. Ein Fehlen. von Klüften
anzunehmen, fällt allerdings gerade im Bereiche einer von Verwer-
fungen durchzogenen steilen Mulde von eocänen Kalken sehr schwer.
Vielleicht sind die Kluftwände mit ausgedehnten .Harnischen
bedeckt und ist das benachbarte Gestein sehr stark zertrümmert,
und wird so ein Wasserstau hervorgebracht. Vielleicht sind in geringer
Tiefe auch hier dem Alveolinenkalke Linsen von unteren Nummu-
litenschichten eingelagert, welche sich vom ersteren Kalke durch
schiefrige Textur und das Fehlen von Karrenbildungen unterscheiden
und diese abweichenden Eigenschaften einem schwachen Tongehalte
verdanken dürften. Längs des Querbruches kann man eine gelbliche
Färbung der Kalkstückchen wahrnehmen, wie sie im Bereiche der
Knollenmergel und der unteren Nummulitenschichten auftritt und
von der durch die Roterde bedingten oberflächlichen Braunfärbung
der Steinchen wohl verschieden ist. Am Berge Movran westlich von
der Deveroga sind in den dort auftretenden unteren Nummuliten-
schichten ein paar Bunare eingesenkt, doch wird man diesen Schichten
nur geringe wasserstauende Wirkungen zuschreiben können. Das in
Rede stehende Quellchen ist ein schwaches Quellchen, aber keineswegs
etwa nur der Ablauf oberflächlich eingedrungenen Regenwassers. Ich
besuchte es zweimal, gegen Ende April und vor Ende Juni und traf
es jedesmal fließend an, obwohl in beiden Fällen ungefähr eine Woche
seit dem letzten Regen verstrichen war und das zweitemal seit
vierzehn Tagen kein starker Regen gefallen war. Die kleine Quelle
ist auch den Eingebornen als solche bekannt und ich erinnere mich
noch, wie es meinerseits starkem Kopfschütteln begegnete, als mir
die Bewohner der an der Mündung des Quellgrabens stehenden
[75] Quellengeologie von Mitteldalmatien, 219
Hütten von Barac versicherten, daß dort oben auf dem Berge lebendes
Wasser zu finden sei, und wie ich, als sich die Richtigkeit der so
wenig glaubhaft erschienenen Angabe herausstellte, froh war, nicht
eine hohe Wette eingegangen zu sein, daß es auf jenem Berge kein
lebendes Wasser gäbe.
Dafür, daß aber nicht bloß schwache Quellchen mitten im Kalk-
gebirge entspringen können, läßt sich die Quelle bei Dreznica im
Svilajagebirge als Beispiel anführen, und für diesen Zweck verschlägt
es nichts, daß sie schon etwas weiter außerhalb des Blattes Sinj-
Spalato gelegen ist. Diese Quelle entspringt an einem gegen Nord
geneigten Hange aus 20° gegen Süd einfallenden bankigen Kalken
der mittleren Kreide. Das Wasser quillt im Frühlinge hier in der
Stärke eines kräftigen Tiroler Bauernhausbrunnens aus einer Schicht-
fuge hervor und plätschert in ein 4—5 m im Gevierte messendes
Becken, das auf drei Seiten ummauert ist und nach hinten durch
Fels abgeschlossen wird. Unterhalb der Quelle stehen Kalke an, die
man als Vertretung der tieferen Kreidekalke ansehen kann; in der
Sohle des Tales kommen — ohne von diesen Kalken durch eine
Dolomitzone getrennt zu sein — schon obere Lemesschichten hervor.
Sollten die auf der NW- und NO-Seite den Tithonaufbruch von
Dreznica besäumenden Unterkreidedolomite auf der Südseite dieses
Aufbruches nur überschoben sein, so wären sie doch zu weit entfernt
und zu tief gelegen, als daß man sie zur Erklärung der besagten
Quelle mit Erfolg heranziehen könnte. Jene Dolomite dürften in der
Tiefe einen Wasserabfluß gegen Norden hemmen, gleichwie die weiter
im Süden an der Basis des Rudistenkalkes vorbeistreichenden Dolomite
nach dieser Richtung hin eine Schranke für die Weiterbewegung des
Kluftwassers bilden mögen. Nach Westen zu bleibt aber der Weg
für dieses Kluftwasser offen, da die Kalkzone zwischen den beiden
Dolomitzügen in das Petrovo polje ausstreicht und das Entspringen
einer Quelle im Tale von Dreznica in 260 m Höhe über dem Spiegel des
nur wenige Kilometer entfernten Quellteiches der Cikola bliebe unver-
ständlich, wenn ein allgemeiner Zusammenhang der Kluftnetze bestünde.
Der Dolomitzug im verkarsteten Gelände zwischen den Aufbruchs-
tälern und der Küstenzone zeigt eine mehrmalige Unterbrechung in
seinem Laufe. Das aus dem Blatte Sebenico in unser Blatt eintretende
Dolomitgebiet von Nisko und Brstanovo ist das östliche Endstück eines
Zuges, der sich mit einer kurzen Unterbrechung westwärts bis in das
Hinterland des Lago di Castel Andreis erstreckt. In diesem Dolomit-
zuge liest ein wohl nur sehr schwaches, aber geologisch doch be-
merkenswertes (Quellchen. Im Graben nördlich von Nisko ist der
Dolomit hemizentroklinal gelagert und es begünstigt dies sehr ein
Zusammensickern der in den Deckschutt und in die gelockerten, ober-
flächlichen Gesteinsschichten eindringenden Niederschläge. Zur Regen-
zeit sieht man hier an den Rändern der Schuttdecke und aus frei
ausstreichenden Schichtfugen Wasser zutage treten und im unteren Teil
des Grabens liegt ein roh ummauertes Becken, das auch dann, wenn
die oberflächlichen Zuflüsse versiegen, noch Sickerwasser aus tieferen
Bodenschichten aufnimmt. Ein von diesem Becken ausgehendes Ge-
rinne verschwindet später in der Schuttausfüllung des Grabens.
29°
290 Dr. Fritz v. Kerner. 176]
An einigen Stellen sind im Dolomittale von Nisko und Brstanovo
Bunare vorhanden. Solche Bunare trifft man auch im nördlichsten Teil
des Diemo polje bei Susei, wo der Dolomitzug nach am Südhange
des Radinje erfolgter längerer Unterbrechung wieder zutage tritt.
Diese roh ummauerten Zisternen führen außer Regenwasser wohl auch
mehr oder weniger Sickerwasser aus der Umgebung. Diese seitliche
Speisung ist aber oft so gering, daB es am Steinkranze des Bunars
zu keinem sichtbaren Abrieseln von Wasser kommt. In solchen Fällen
pflegt aber dann doch das Wasser ziemlich klar zu sein, während es
in jenen Bunaren, die nur Sammler von Regenwasser sind, oft sehr
stark getrübt ist. Auch ein Wachstum von Wasserpflanzen am Grunde
und an der Oberfläche solcher Brunnenschächte spricht für allmähliche
Erneuerung ihres Inhaltes durch Zusickerungen. Man hätte sich vorzu-
stellen, daß solche Bunare durch Dolomitschutt und oberflächlich ge-
lockertes Gestein bis zum frischen, für Wasser schwer durchgängigen
Dolomite hinabreichen. Solche Zisternen erscheinen auf der Karte
manchmal als Quellen aufgeführt, eine Bezeichnung, die manchem
wohl als etwas euphemistisch erscheinen mag. Die „Quelle“ Muslo-
paca der Generalstabskarte, südlich von Susei am Osthange des Berges
Lisac ist eine Lokva. Sie liegt in einer kleinen Eluvialmulde im
Rudistenkalke und sammelt wie andere Lokven wohl nur Regenwasser.
Die auf der genannten Karte eingetragene Quelle bei Vojnie
ist dagegen ein Bunar mit unterirdischer Zusickerung, da man über
seinen Steinkranz Wasser abrieseln sieht. Dieser Quellbunar befindet
sich am Südhange des Vojnicki brig, jenes aus Rudistenkalk bestehenden
Felsriegels, welcher die Einsenkung von Vojnic vom Sinjsko polje trennt.
Als wasserstauend dürfte hier die Terra rossa in Betracht kommen,
welche bei Vojnic, besonders in der Umgebung des westlich vom
Quellbunar stehenden Kirchleins Sv. Jurai in ungewöhnlich großer
Mächtigkeit entwickelt ist, während das an den Felsriegel zunächst
angrenzende Gelände von lehmigem Sand bedeckt wird.
Bunare mögen immerhin auch im Bereiche der kretazischen Kalke
gelegentlich etwas Sickerwasser aufnehmen, wenn bei schwebender
oder flachwelliger Schichtlage durch Dolomiteinschaltungen oder durch
Abdichtung kalkiger Schichten die eluviale Schuttausfüllung einer
Mulde einen relativ undurchlässigen Boden bekommt. So soll ein Bunar
im Rudistenkalkgelände unterhalb der Nordhänge des Ljubeec südlich
von Nisko auch in regenlosen Monaten gutes Wasser enthalten und
man soll dann sehen können, daß an drei Stellen aus Fugen seiner
Mauerauskleidung Wasser träufelt. Vielleicht war auch ein im Gebiete
der Hornsteinkalke bei Prugovo angeblich verschütteter und nicht mehr
aufzufindender Brunnen aus der Türkenzeit ein durch Sickerwasser
genährter Bunar. Ein jetzt bei Prugovo vorhandener Wasserschacht,
in dessen Nähe sich der vorgenannte befinden soll, scheint vorwiegend
durch Regenwasser gespeist zu werden.
Südlich von Prugovo befindet sich das Polje von Konjsko, welches
— wie das noch weiter meerwärts gelegene kleine Polje von Blaca —
großenteils mit Knollenmergeln des oberen Mitteleoeäns erfüllt ist.
Das Blaca polje wäre bei einer rein orographischen Grenzziehung
schon der Küstenzone anzugliedern, da es durch eine Schlucht mit
[77] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 221
der Gebirgsbucht von Clissa in Verbindung steht. Das Polje von Konjsko
ist aber allseits abgeschlossen und so die einzige Gegend in dem hier
besprochenen Kartenteile, in welcher mergelige Schichten auftreten.
Dessenungeachtet kommen hier keine bemerkenswerten Quellenphäno-
mene zur Entwicklung. Auch dort, wo die auf die eocänen Mergel
aufgeschobenen Kreidekalke hohe Hügelzüge bilden, wie den Medovac
und Mali Rebinjak, kommt es an der Ueberschiebungslinie nirgends
zur Bildung von Ueberfallquellen.
Sehr bemerkenswerte, wenn auch schwache Quellchen finden sich
auf der Nordostseite des Mosor. Die Abhänge bestehen dort zum Teil
aus sanft gegen NNO verflächenden diekbankigen Rudistenkalken, so
daß bei größerer Geländeneigung ein freies Ausstreichen der Schichten
und eine Stufenbildung des Gehänges erfolgt. Aus den Schichtfugen
sickert nach jedem stärkeren Regengusse vielenorts Wasser aus; an
trockenen Tagen sieht man auf den abschüssigen Felsflächen an Stelle
nasser Streifen schmale eingetrocknete Schlammbänder. Fallweise kann
es aber auch zu länger anhaltenden Wasseraustritten kommen. Es
setzt dies das Zusammentreffen mehrerer günstiger Umstände voraus:
Das Vorhandensein einer Gesteinsbank, welche bis weit in den Berg
hinein von keiner offenen Spalte durchsetzt ist, eine derartige An-
ordnung der Klüfte in den Hangendschichten, daß durch dieselben
eine möglichst große Menge von Niederschlägen auf jene unterste Bank
gelangen kann und eine solche Gestalt der Oberfläche dieser letzteren,
daB eine Sammlung der Wassermengen in eine einzige Abflußrinne
stattfindet. Eine solche Stelle, wo der Wasseraustritt nach Regen
länger anhält und man von einem regellos intermittierenden Quellchen
sprechen kann, befindet sich an den Nordhängen des Lubljan oberhalb
der Jureni@ staje. Man trifft dort oberhalb einer größeren Felsfläche
einen von Wasserpflanzen erfüllten Tümpel von etwa 7 m Länge
und 6 m Breite, über dessen Rückwand in der nassen Jahreszeit an
drei Stellen Wasser rieselt. Rechts vom Tümpel sieht man auch
mehrere nasse Streifen auf ausgehöhlten Felsen. Zur Linken befindet
sich oberhalb des Tümpels eine kleine Höhle und unter ihr eine Reihe
von breiten . nassen Streifen auf einer stark abschüssigen Felswand.
Unterhalb derselben liegt ein Wiesenfleck, der hinten und seitlich
von stark bemoosten Felsen umrahmt ist. Auch tiefer unten trifft man
noch feuchte moosige Stellen an. Vom Tümpel rieselt das Wasser
durch eine Felsrinne ab, um etwas weiter unten im Felsgeklüfte zu
versiegen. Das Schichtfallen ist hier 20° gegen NNO.
Ein zweites Quellchen ist weiter östlich am Abhange oberhalb
Doman staje anzufreffen. Man sieht dort eine mit üppigem Moos
überzogene, überhängende Felswand, unter welcher sich einige kleine,
von einer reichen Vegetation von Quellenpflanzen umgebene Wasser-
becken befinden, deren eines von einem Mäuerchen umgeben ist. In
der nächsten Umgebung dieser Stelle bemerkt man auf geglätteten,
rostfarbigen Felsflächen viele nasse Streifen. Die Speisung dieser klaren
Becken erfolgt zum Teil durch Wasser, das von der überhängenden Wand
abtropft, zum Teil durch solches, das durch eine Fuge von innen her
zurieselt. Die Schichten fallen am Abhange oberhalb Doman staje sanft
gegen NNO und scheinen zugleich eine schwache Einbiegung im Streichen
999 Dr. Fritz v. Kerner. [78]
zu erfahren, deren Scheitel in die Gegend der Wasserbecken zu liegen
kommt. Die vorigen Beschreibungen beziehen sich auf im Frühjahr
von mir vorgefundene Verhältnisse. Im Hochsommer dürften die kleinen
Quellacken am Nordhange des Lubljan wohl völlig austrocknen.
Die Quellen in den Mulden von Dolaec und Srijani.
Am Nordfuße des Ostmosor zieht sich eine in drei Teilbecken
gegliederte Einsenkung hin, die mit Flyschschichten erfüllt ist,
während die Mosorhänge und deren Vorland aus Rudistenkalk bestehen.
Es kommt so hier zum Auftreten von Quellen inmitten eines wasser-
losen Karstgeländes, und zwar sind es Schicht- und Schuttquellen, zu
deren Bildung die geologischen Verhältnisse der Flyschgebiete Anlaß
geben. Im nordwestlichen Becken, bei der Ortschaft Dolac dolnje,
zeigt die Flyschmasse folgenden Aufbau:
Mergel mit einer eingelagerten Bank von Nummulitenbreccienkalk.
Dickbankiger Nummulitenbreccienkalk.
Klotzig abgesonderter grobkörniger Kalk.
Dünnplattiger Kalksandstein, aus dem vorigen sich allmählich
entwickelnd.
Mergeliger Knollenkalk.
Mergel.
Der Flysch ist hier in eine gegen W geschlossene Mulde einge-
bogen, über deren Nordflügel und Kern sich weiter ostwärts Kreide-
kalk vorschiebt, so daß dann nur eine von Rudistenkalk überschobene
isoklinale Flyschmasse verbleibt. Der den Mergeln eingelagerte Zug
von Kalken tritt innerhalb der hemizentroklinal gelagerten Schicht-
masse als ein mit seinem Scheitel gegen W gekehrter parabolischer
Felsbogen hervor. Die Innenwand desselben wird durch die Schicht-
flächen der hangendsten Partien des Kalkzuges gebildet. Man sieht
hier die Schichtneigung mit sukzessiver Drehung der Fallrichtung
von S über O nach NNO allmälich von 45° auf 10° abnehmen. An der
steil abfallenden Außenwand des Felsbogens sind die Schichtköpfe
des grobkörnigen Kalkes und Breccienkalkes bloßgelest.
Die im Norden, Westen und Süden vom eben genannten Fels-
bogen und im Osten vom Rande des über die Flyschmulde sich
schiebenden Kreidekalkes umschlossene Vertiefung hat einen ebenen
Boden, der aus Eluvien der oberen Fiyschmergel besteht. Nur im
Osten treten diese Mergel anstehend hervor. Die zwischen dem
Nordaste des Felsbogens und dem die Flyschmulde nordwärts beglei-
tenden Kreidekalk gelegene Furche ist gleichfalls mit Eluvien erfüllt
und eingeebnet, wogegen vor der Scheitelregion und unterhalb der
Südwand des Felsbogens die Liegendmergel des Nummulitenbreceien-
kalkes eine hohe Böschung bilden, die zur tief gelegenen Sohle des
Poljes von Dolac abdacht.
Am oberen Rande dieser Böschung tritt in einer flachen Ein-
buchtung der vorgenannten Felswand aus einer Höhle die reiche und
schöne Quelle Bubanj aus. Ihr Abwasser fließt durch einen in die
[79] “uellengeologie von Mitteldalmatien, 293
Mergel unterhalb der Felswandnische ausgewaschenen kleinen Graben
in das Polje hinab.
Man hat es hier mit einer Ueberfallquelle zu tun, bei welcher
das Wasser über den Rand einer dem Schnabel einer Kanne vergleich-
baren Hohlform seitlich ausfließt, während bei der früher erwähnten
Quelle von Klacar der Ausfluß an der Schnabelspitze erfolgt.
Eine Eigentümlichkeit der Quelle Bubanj liegt auch darin, daß
von ihrem Sammelgebiete nur der periphere Teil — der wiederholt
genannte Kalkfelsbogen — zur Aufnahme atmosphärischer Wässer
dienlich ist. Das auf die Mergelausfüllung der durch die Kalkeinlagerung
gebildeten Schale fallende Regenwasser kommt für die Quellenspeisung
nur insoweit in Betracht, als es über die Ränder jener Füllmasse
überfließt. Da das von den Hangendmergeln eingenommene Gebiet
fast eben ist, wird aber nur ein Teil des dort auffallenden Wassers
seinen Weg bis an die Gebietsränder finden und eine nicht geringe
Wassermenge früher verdunsten. Allerdings ist durch dieses undurch-
lässige Dach des Quellenreservoirs auch die Verdunstung aus demselben
in der Trockenzeit herabgesetzt.
Eine gegen Ende April vorgenommene Messung der zwei
Hauptausläufe der Quelle ergab Temperaturen von 1040 und 10'439;
einige Wochen später zeigten jene Ausläufe 1138 und 11'40°%. Es
war dies ein für eine Ueberfallquelle auffallend rascher Temperatur-
anstieg. Das Sammelgebiet der Quelle Bubanj, welche den Bewohnern
der umliegenden Hüttengruppen das Trinkwasser gibt, ist gegen N, W und
S gut begrenzbar, nur gegen OÖ läßt es sich nicht scharf abgrenzen.
Es dürfte dort kaum weit über die Ueberschiebungsstirne des Kreide-
kalkes hinausreichen.
Ein kleiner Teil der Wässer, welche an der Quellenspeisung
Anteil nehmen, tritt schon früher vorübergehend an den Tag. Es
sind dies jene Wässer, welche sich vor dem Ueberschiebungsrande
in der kleinen Mulde zwischen dem Nordaste des Breccienkalkzuges
und den Hügeln des Hangendflysches sammeln. Nahe dem Ausgange
dieser eluvialen Mulde liegt ein Bunar, dessen Sickerwasser gegen
Ende April 11'02° Wärme zeigte.
In jener Gegend, wo der Kern der Flyschmulde ganz mit
Rudistenkalk bedeckt ist, und der Stirnrand der Ueberschiebung bis
nahe an den Zug des Nummulitenbrecceienkalkes im südlichen Mulden-
flügel heranreicht, tritt in einer Nische dieses Gesteinszuges aus ober-
flächlichem Schutte eine Quelle aus. Es ist eine Ueberfallquelle,
welche jenen Teil der auf den unteren Flyschmergeln sich sammelnden
Wässer entläßt, der nicht mehr zur Bubanjquelle abfließt. Ihre Tem-
peratur betrug. zu Ende April 10°40°, ein tiefer gelegener Ursprung
zeigte 1043° zwei andere, vor ihrem Auslaufe länger durch
Schuttboden rieselnde Quelladern hatten 1100 und 1158 Die
Abwässer dieser Quellchen fließen in ein in das Polje von Dolac
gelangendes Rinnsal, welches weiter südostwärts an jener Stelle
beginnt, wo der. Alveolinenkalk auf der Südwestseite des Poljes
bis an das Flyschgelände auf dessen Nordostseite herantritt. Es
entspringt dort unter moosbewachsenen Trümmern und Blöcken am
Fuße einer Steinmauer ein Quellchen, als dessen Nährgebiet wohl jene
994 Dr. Fritz v. Kerner. [80]
Mulde zu gelten hat, die dadurch zustande kommt, daß die Züge
des Alveolinen- und Nummulitenbreccienkalkes gleich weiter südost-
wärts wieder etwas auseinanderweichen. Dieses Quellchen war etwas
kühler als die vorhergenannten und zeigte 975°. Oberhalb des
Kirchleins Svi Sveti, welches sich neben der eben genannten Mulde
auf dem Felszuge des Breccienkalkes erhebt, trifft man am Fuße
des Flyschhanges, welcher vom Stirnrande des aufgeschobenen
Rudistenkalkes gekrönt wird, zwei kleine Quellchen. Sie bringen wohl
nur jene Wässer zutage, die sich in dem vom Kreidekalke stammenden
Schutte über dem Flyschboden sammeln und sind nicht als durch
Gehängeschutt maskierte Ueberfallquellen an der Ueberschiebungslinie
zu deuten. Die gemessenen Temperaturen waren 11:64 und 11:86.
Bei dem vorgenannten Kirchlein tritt man in das mittlere der
drei Teilbecken, in welche sich die Flyschmulde am Nordostfuße des
Mosor gliedert. Dieses Becken, das Polje von Srijani, zeigt höchst
einfache morphologische Verhältnisse. Es hat die Form eines gleich-
schenkligen, rechtwinkligen Dreieckes mit gegen NO gekehrtem rechtem
Winkel. In geringem Abstande von seiner Südwestseite streicht parallel
zu dieser ein Felswall, welcher die Fortsetzung des Zuges von Num-
mulitenkalk im Südflügel der Flyschmulde von Dolac bildet. Ueber
die Gestalt des Muldenkernes im mittleren Teilbecken läßt sich nichts
feststellen, da das ganze Beckeninnere mit Eluvien bedeckt ist. Die
nördliche und östliche Wand des Beckens bestehen aus gegen N und
Ö geneigten, von Breccienbänken durchzogenen Mergelschichten und
darüber geschobenem Kreidekalke. Der Stirnrand desselben zeigt
infolge mehrerer tiefer Ausbuchtungen eine auffällig gelappte Form.
An der Nordseite des Beckens trifft man nicht weit ostwärts
von Svi Sveti einen Bunar und oberhalb desselben ein Quellchen. Es
tritt am Fuße einer Felsmasse hervor, die unten aus steil gestellten
Mergeln und oben aus anscheinend ziemlich flach gelagerten Breccien-
kalken besteht, und ist gleich zweien ‚weiter östlich austretenden
Wässern von derselben FEntstehungsart wie die Quellchen oberhalb
Svi Sveti. Am rechten Winkel des Srijaner Poljes, woselbst der
Ueberschiebungsrand weit gegen Osten ausgebuchtet ist und die
Schubfläche in größerem Umfange bloßliegt, befinden sich in dem
gegen O abdachenden Flyschgelände mehrere Quellen: Zunächst ein
von Wacholdersträuchen überschattetes, mit klarem Wasser erfülltes
Becken, dann ein Bunar mit Sickerwasser und ganz im Fond der
Bucht, ‚hart an der Kreidegrenze in der Nähe einiger Bäume ein
größerer viereckiger Quellschacht. Die Wassertemperatur betrug hier
Ende April 11:88, im vorgenannten Becken 922.
Am OÖsthange des Poljes tritt auch an mehreren Stellen Wasser
aus, so nordwärts von den ersten Hütten von Srijani (Temp. . 9:80)
und bei denselben im Beginne eines Flyschaufrisses unter einer flach
liegenden Mergelbank (Temp. 10:32) sowie südwärts davon in einem
Runste (Temp. 9'72). Weiterhin folgen: ein kleines roh ummauertes
Becken mit sehr klarem Wasser hinter dem Kapellchen von Srijani
(Temp. 9'32), dann in einer steinernen Brunnstube die Quelle Mimum,
ein tiefes Becken mit spiegelklarem Wasser, so daß man die Steinchen
und den Fels am Grunde sieht (Temp. 9'16) und ein oberhalb derselben
[81] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 225
in einem Flyschaufrisse sich sammelndes Wässerchen (Temp. 10'14).
Im südöstlichen Winkel des Poljes befinden sich: ein mit Algen und
höheren Wasserpflanzen erfülltes Quellbecken oberhalb des Pfarrhauses
von Srijani, ein etwa 50 m oberhalb der Kirche aus schuttbestreutem
Flysch austretender Wasserfaden, welcher den Ursprung des die
Südostecke des Poljes durchfließenden Bächleins bildet und ein kleines
Quellbecken neben demselben. Die — gleich den früher angeführten —
um Ende April erhobenen Temperaturen dieser drei Quellchen waren:
10:12°, 9-820 und 978°.
Man wird nicht fehlgehen, wenn man die hier aufgezählten
schwachen und unbeständigen Quellchen als Austritte von Sickerwasser
auffaßt, das sich in dem mit Kalkschutt vermengten Verwitterungslehm
der Flyschmergel über dem frischen Gesteine sammelt. Die nicht
unbedeutenden Wärmeunterschiede können durch verschieden langes
Rieseln unter verschieden mächtigen Deckschichten leicht erklärt
werden. Immerhin wäre es möglich, daß die länger anhaltenden Quell-
chen, welche sich besonders klar und etwas kühler zeigten, zum Teil
auch Wasser zutage bringen, welches aus dem aufgeschobenen Kreide-
kalke stammt. Wegen der Schuttbedeckung der Ueberschiebungslinie
läßt sich eine solche Herkunft aber nicht erweisen. Der Umstand,
daB die Oberkante der Flyschmergel auf der Ostseite der Srijaner
Ebene um vieles höher liegt als der Spiegel der Cetina im Norden,
würde die Möglichkeit einer Ueberfließung jener Kante nur dann
ausschließen, wenn im anstoßenden Kreidekalkgebiete ein allgemeiner
Zusammenhang der Kluftnetze bestünde.
Der Hangendflügel der großen, ziemlich flachen Ueberschiebung
von Rudistenkalk auf Flysch am Nordostfuße des Mosor weist neben
der schon erwähnten Lappung seines Stirnrandes noch eine Besonderheit
auf: eine mehrfache Durchlöcherung. Eines der in ihm vorhandenen
Fenster ist besonders dadurch interessant, daß in ihm neben Mergel
auch Zwischenflügelreste von Alveolinen- und Nummulitenkalk bloß-
gelegt erscheinen. In drei anderen Fenstern treten Flyschmergel des
Liegendflügels der Ueberschiebung an den Tag.
Das größte dieser Fenster befindet sich am Nordabhang des
Berges StruZevice oberhalb des Dorfes Radovic; es stellt sich als
eine ovale nischenartige Vertiefung in einem mäßig sanft gegen N
abdachenden Gehänge dar. Die Süd- und Westwand werden durch
ziemlich steile, einige Meter hohe Böschungen gebildet, die Ostwand
steigt mehr sanft hinan. Gegen Norden, in der Neigungrichtung des
Gehänges, geht der Nischenboden ohne Böschung in dieses letztere
über. Die Umrandung der Nische besteht aus zerklüftetem Rudisten-
kalke, welcher etwa 20° gegen N einfällt. Der hintere Teil des sanft
geneigten Nischenbodens ist mit Trümmern und Felsblöcken bestreut,
welche von den steilen Nischenrändern stammen. Vor denselben erheben
sich im vorderen Teile der Vertiefung mehrere flache kleine Kuppen
aus oberflächlich verwittertem Flyschmergel. An der Südwestseite des
Nischenrandes befindet sich noch eine kleine isolierte Flyschmasse,
bei welcher man deutlich sieht, daß sie unter dem Rudistenkalke
hervorkommt.
Jahrbuch d. k, k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. v. Kerner.) 30
296 Dr. Fritz v. Kerner. [82]
Unter den Kalkblöcken im inneren Teile der Nische tritt während
der nassen Jahreszeit eine kleine Quelle aus, deren Abfluß nach
Durchrieselung der Flyschmergel auf der Nordseite der Nische wiederum
versiegt. Oberhalb der Quelle steht eine Gruppe von Pyramidenpappeln.
Neben der Quelle befinden sich im Bereiche der Flyschkuppen zwei
sroße, roh ummauerte Zisternen, deren Speisung teils durch Regen-
wasser, teils durch Sickerwasser erfolgt. Als Wassertemperatur ergab
sich bei einer um die Frühlingsmitte vorgenommenen Messung für
das Quellchen 10'58, für die östliche Zisterne 1060, für die westliche
10:38. Es waren dies — verglichen mit zahlreichen anderen zeitlich
nahe gestandenen Temperaturmessungen von Quellen derselben Ge-
gend — mittelhohe Werte.
Die Quelle Obrucina — dies ihr Name — ist in geologischer
Beziehung interessant. Formell stellt sie den einfachsten Fall von
Quellbildung dar: Ueberlagerung einer undurchlässigen Schichte durch
zerklüftetes Gestein und Anschnitt der Grenzfläche durch die Ober-
fläche des Terrains. Dieses einfache Formverhältnis kommt bier aber
durch eine besondere Tektonik in Verbindung mit einer ungewöhn-
lichen Denudationserscheinung zustande. Die Grenzfläche zwischen
dem undurchlässigen und dem klüftigen Gesteine ist hier eine Ueber-
schiebungsfläche und die Bloßlegung derselben wird durch ein
tektonisches Fenster erreicht.
Zwei andere Fenster befinden sich westlich von dem vorigen,
schon nahe dem Stirnrande der Ueberschiebung. Das größere derselben
ist eine rundliche Einsenkung, deren sanft gegen N geneigter Boden
in einen Acker umgestaltet ist, dessen Erdreich aus verwitterten
Flyschschichten besteht. Am Südwestrande dieses Ackers ist eine
ganz kleine Masse von anstehendem Flyschmergel zu sehen. Auch in
dieser Vertiefung tritt zur Regenzeit ein schwaches Wässerchen zutage
und auch ein Bunar und eine Pyramidenpappel fehlen nicht. Das
Wasser des Bunars zeigte 9°42, war also um einen Grad kühler als
die westliche Zisterne von Obrutina. Das kleinere Fenster befindet
sich gleich nordwärts von dem vorigen und ist nur durch eine breite
Felsbrücke davon getrennt. In dieser gleichfalls von einem Acker
eingenommenen Vertiefung bemerkte ich keinen Wasseraustritt.
An dem Gehänge, welches sich vom Becken von Dolac gornje
zum östlichen Mosorkamme hinanzieht, finden sich Quellbildungen von
jener Art, wie sie am Nordhange des mittleren Mosor vorkommen.
Im östlichsten Teile des Mosor trifft man an dessen Nordseite an
Stelle des Rudistenkalkes Kalkbreccien an. Sie besäumen den Südwest-
rand der beiden Becken von Srijani und Dolac gornje und ziehen sich
dann am Nordhange des Berges Pole weit hinan. Im Bereiche ‚dieser
Breccien kommt jene Art von Quellbildung im Kalkgebirge, welche
im vorigen Abschnitte beschrieben wurde, zu größerer Entwicklung
als im Rudistenkalke selbst.
. Gleichwie an der Geländeoberfläche die durchschnittliche räum-
liche Ausdehnung der noch zusammenhängenden Teile der in Abtragung
befindlichen Schichtbänke bei diesen Breccien viel größer ist als beim
Rudistenkalke, so dürften wohl auch die tiefer liegenden Bänke dieser
klastischen Gesteine eine viel weniger weitgehende Zerklüftung zeigen,
[83] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 2a
als jene des homogenen Kalkes. Es werden sich dann umfangreiche
Teile einzelner Breceienbänke wie undurchlässige Schichtlagen ver-
halten und es wird, wenn die Anordnung der vorhandenen Klüfte
eine solche ist, daß sich die wasserhaltende Wirkung mehrerer über-
und hintereinander gelegener kluftloser Teile von Breccienbänken
summieren kann, eine schwache Schichtquelle entstehen’ können. Bei
meinem Besuche im Frühlinge, nach mehrtägiger regenfreier Zeit, traf
ich am Gehänge ober Kremeno ein aus der Vereinigung zweier Quell-
adern hervorgegangenes murmelndes Bächlein an. In weitem Umkreise
zeigten sich nasse Streifen auf den schrägen Gesteinsflächen und von den
überhängenden Felsen tropfte Wasser ab. Der Boden war feucht und
allerorts wucherten üppige, von Wasser triefende Moospolster. Die
ungewöhnlich reiche Moosflora ließ erkennen, daß es sich bei dieser
Wasserfülle nicht um einen bald vorübergehenden Zustand nach
Regenwetter handelte.
Die Quellen in der Umgebung des Golfes von Castelli.
Die im vorigen schon wiederholt genannte Küstenzone umfaßt
die nördlichen Ufergelände des Golfes der sieben Kastelle, die Ge-
birgsnische von Clissa und die Landzunge von Spalato. Nach Osten
reicht dieses Gelände bis zum Stobrec potok; gegen West erstreckt
es sich bis zum Bergrücken Vilajea oberhalb Trau und kommt so
noch zu einem kleinen Teile in das westliche Nachbarblatt des
Blattes Sini—Spalato zu liegen. Die östliche Hälfte des Gebietes
wird durch die Bucht von Vragnizza und das in ihrer östlichen Ver-
längerung gelegene Tal des Jadro in einen nördlichen und südlichen
Teil geschieden. Die Hänge, welche vom Nordufer des Castellaner
Golfes zum Kamm des Koziak hinansteigen, sind von vielen Wasser-
rissen durchfurcht, aber ohne tieferen Einschnitt. Erst in der Ge-
birgsnische von Clissa kommen mehrere Gräben zur Entwicklung,
welche zum Jadrotale hinabziehen. Der Hauptteil der Landzunge von
Spalato ist ein flacher, fast ungegliederter Rücken, nur das Endstück
der Halbinsel, der Monte Marjan ein steil aufragender Felskamm. In
diesem Abschnitte kommt von der Landzunge von Spalato nur die
zum Castellaner Golf abdachende Nordseite zur Besprechung. Den
Kamm des M. Marjan bauen Alveolinen- und Nummulitenkalke auf,
das übrige Gebiet fällt bis auf seine von Mergelschiefern des Opor
erfüllte Nordwestecke der Flyschformation zu. Der Spalatiner Flysch
besteht aus Mergelschichten von nicht sehr wechselnder Beschaffen-
heit und vielen Kalkeinlagen von höchst mannigfaltiger lithologischer
Ausbildung. Unter den Quellen der Küstenzone kommen so zunächst
Schichtquellen in Betracht, die bei der großen Fülle tektonischer
Kleinformen, welche der reiche Faltenwurf der Flyschschichten be-
dingt, sehr verschiedene Strukturformen aufweisen. Die Anhäufung
von Gebirgsschutt an der felsigen Umrahmung des Flyschgeländes
und die Entwicklung eluvialer Schuttdecken innerhalb desselben führt
zur Bildung von Schuttquellen. Die wichtigste, wenn auch nur durch
zwei Glieder vertretene Gruppe von Quellen sind aber im Küstenge-
biete die großen Karstquellen, welche das im Kalkgebirge hinter der
30*
228 Dr. Fritz v. Kerner. [84]
Filyschvorlage sich sammelnde Kluftwasser zutage bringen. An letzter
Stelle sind die Grundwasserquellen an den aus Strandgeröllen be-
stehenden Uferstrecken zu erwähnen.
Am Fuße des nahe an das Meer herantretenden Frontabfalles
des Bergrückens oberhalb Trau entspringt bei der Trogirska mulina
eine mächtige Quelle. Das Wasser tritt an jener Stelle aus, wo die
gegen Ost geneigte Oberkante der Mergelvorlage des Kalkgebirges
den Meeresspiegel erreicht. In der Ueberschiebungszone ist hier ein
sroßer Zwischenflügelrest hervorgepreßt, in welchem Nummuliten-,
Alveolinen- und Miliolidenkalk in inverser Lagerung sichtbar sind, so
daß man von einer Umwandlung des Profiles in Ueberfaltung sprechen
kann. An der besagten Stelle zeigt sich ein zur Schaffung des für
die Mühle nötigen Gefälles künstlich gestauter Quellteich, dessen
Abwasser durch stark versumpftes Schwemmland dem nahen Meere
zufließt. Die Rückwand des Quellteiches wird durch eine felsige
Böschung von Knollenkalk gebildet, aus deren Spalten Wasser austritt,
um die aus dem Grunde des Quellteiches aufsteigenden Wassermassen
zu verstärken. Im Schwemmlande vor dem Quelltümpel tritt auch noch
Wasser zutage; zur Hauptregenzeit bricht es auch seitlich von jenem
Tümpel an mehreren Stellen aus. Die Quelle bei der Trogirsker
Mühle ist die westlichste der großen Karstquellen an der mitteldal-
matischen Küste. Ihr Ursprung genau an der Stelle, wo der Flyschmergel
endet und der Kalk den Gebirgsfuß erreicht, läßt eine wasserstauende
Wirkung dieser Mergelvorlage klar erkennen. Für die Annahme, daß
sich in den Tiefen des Vilajearückens in allseits verzweigten Kluft-
netzen ein zusammenhängendes Kluftwasser ausbreite und man bei
tiefer Durchbohrung der dem Südrande jenes Rückens folgenden
Mergelschichten an jeder beliebigen Stelle große Wassermassen an-
zapfen könnte, wäre jener Ursprung aber noch kein ausreichender
Beweis. Die Quelle bei Trogirska mulina ist nur im Winter süß und
nimmt bei starker Abnahme der Wassermenge gegen den Spätsommer
hin einen salzigen Geschmack an. Ihre Temperatur betrug bei einer
Messung in der zweiten Aprilhälfte 13°08° und bei einer Messung
gegen Ende Juni desselben Jahres 13°86°.
In der Umgebung des südöstlich von dieser Quelle an
der Küste einsam stehenden Hauses Mrte befinden sich zwei
Quelltümpel; der eine führt erdig, aber nicht salzig schmeckendes
Wasser und trocknet im Sommer völlig aus, der andere hat süßes
Wasser und soll auch in der wärmeren Jahreszeit nicht ganz versiegen.
Eine Viertelstunde ostwärts von dem Hause Mrte mündet dicht neben
der Punta TarSce, in deren Nähe im Meere eine Süßwasserquelle
aufbrechen soll, ein Geröllbett, das sich landeinwärts etwa 1'5 km
weit verfolgen läßt und mit einigen verschlammten Speilöchern beginnt.
Das Wasser soll hier in der nassen Jahreszeit zunächst bei Bora,
wenn das Meer zurücktritt, trüb und süßlich schmeckend und dann
bei Scirocco und anschwellendem Meeresspiegel salzig hervorbrechen.
Sein Erscheinen soll sich schon einige Stunden vorher durch ein
murmelndes Geräusch ankündigen. Diese Speilöcher liegen unweit
jener Stelle, wo der Rücken der Vilajea am weitesten gegen Ost
vorspringt. Dicht vor diesem Geländesporne verliert sich eine meist
[85] Quellengeologie von Mitteldalmatien. S 2239
trocken liegende Talrinne, die sich längs des Nordostfußes der Vilajca
weit landeinwärts fortsetzt und aus der Vereinigung von mehreren,
am Osthange der Labisnica entstehenden Gräben hervorgeht. Nahe
ostwärts vom Endstücke dieser Rinne befindet sich beim Kirchlein
Santa Marta ein Brunnen, welcher das in den Deckschichten der
Flyschunterlage sich sammelnde Wasser der Umgebung liefert. Meer-
wärts von diesem Brunnen tritt noch an drei Stellen solches Wasser
in kleinen Tümpeln an den Tag.
Etwa 1'5 km nordostwärts von der Punta Tar$ce ergießt sich
der Reznikbach in das Meer. Er führt das Abwasser zweier Quellen,
welche am Nordfuße des im flachen Ufergelände isoliert aufragenden
St. Bartholomäushügels entspringen. 1'5 km ostnordostwärts von jenem
Bache erreicht bei Castel Papalio der Abfluß der Riciviecaquellen das
Meeresufer. Diese Quellen entspringen gleich den vorigen aus einer
an Einschaltungen von Breccienkalken reichen Flyschzone. Von diesen
Quellen liegen mir nur im Oktober angestellte Messungen vor, welche
naturgemäß hohe Temperäturen ergaben. Das Hauptbecken zeigte an
seinem Ausflusse 15'26', die schwache oberste Quelle 16'88°. Nahe
der Mündung des Ricivicabaches trifft man in der Zone der Strand-
gerölle zwei Grundwasserquellen. Die linkerseits des Baches liegende
ist in einen tiefen Schacht, die rechts von ihm befindliche in einem
kleinen ummauerten Becken gefaßt. Letztere zeigte im Herbste
15'75°. Schon im Flyschgelände liegt etwas weiter ostwärts an der
Straße die schöne Quelle Kraljevo. (Temp. im Juni 14°49.)
Ziemlich reich an Schutt- und Stauquellen sind die unteren
Teile des Gehänges, das sich hinter dem sanft ansteigenden Reben-
gelände der westlichen Kastelle zur flachen Einsattlung der Küsten-
kette zwischen dem Opor und Koziak hinanzieht. Einige dieser Quellen,
so jene in den Gräben ober Kuzmaniötor, fallen noch in den Bereich
der Opormergel, die übrigen, darunter mehrere in der Umgebung der
Kapelle Gospa Stomotja und eine ungefaßte und eine gefaßte Quelle
in der Nähe der Eisenbahnstation von Castel vecchio gehören der
Flyschformation an. Bemerkenswert ist ein schöner Quellbrunnen an
der vielbegangenen Gebirgsstraße, welche über den Malackasattel in
die Zagorje hinüberführt. Das gegen den hohen Kamm des Koziak
ansteigende Hinterland der mittleren und östlichen Kastelle ist dagegen
an Quellen arm. Im Flyschgebiete findet hier vorwiegend obertägige
Entwässerung durch ein reich entwickeltes Netz von Einrissen statt.
Auf der wenig mehr als 6 km langen Uferstrecke von Castel vecchio
bis Castel Sucurac zählt man allein an siebzehn größere Wasserrisse,
die mit ihren letzten Verästelungen mehr oder weniger weit in den
Gebirgsabhang einschneiden, wozu noch eine Anzahl kürzerer, auf
Küstennähe beschränkter natürlicher Abzugsrinnen kommt.
Im Gegensatz dazu entbehrt der oberhalb des Kastellaner
Flyschgeländes zu Füßen der Gipfelmauer des Koziak hinziehende
Schutthang ganz der Wasserrisse. Trotzdem ist seine untere Grenze
auch kein Quellenhorizont. Das Anstehende unter dem breiten Schutt-
saume der Gipfelwände des Koziak und Golo Brdo scheint zum
großen Teil aus Kalken zu bestehen, und soweit die in die Trümmer-
halden eindringenden Niederschläge -auf Flyschboden gelangen, treten
230 Dr. Fritz v, Kerner. [86]
sie allmählich und ohne sich zu größeren Quellsträngen zu sammeln
in die Anfänge der früher genannten Wasserrisse ein. Von Strandquellen
am Nordufer des Golfes von Castelli seien jene bei Castell Cambio
und bei Castell Abadessa erwähnt.
Mit Quellen besser ausgestattet ist die G@ebirgsbucht von Clissa,
welche sich zwischen den Golo Brdo und den Westhang des Mosor
einschiebt und durch den Kamm der Martesina Greda gegen Nord
abgeschlossen wird. Ihre Entwässerung erfolgt durch drei dem Jadro
zufließende Rinnsale, den Rapotina-, Kamenica- und Zavlicbach. Der
erstere kommt aus der Westnische der Gebirgsbucht und nimmt im
Blaca Polje am Nordfuße des Golo Brdo seinen Ursprung. Er ent-
wickelt sich dort aus den auf dem Knollenmergel des Poljenbodens
sich sammelnden Niederschlägen und verstärkt sich durch. Zuflüsse
aus dem Flyschgebiete..e Am durch kleine Schollensenkungen zer-
stückten Osthange des Golo Brdo befindet sich oberhalb des Knies
der Bergstraße nach Ulissa bei drei Bäumchen eine roh ummauerte
Quellacke in grobem Schuttboden. Sie zeigte bei einer Messung im
Herbste 1562, im darauffolgenden Frühjahre 1454, und wies somit
eine sehr geringe Wärmeschwankung auf, was auf ein tiefliegendes
Ursprungsgebiet hinweist. Sie scheint aus der Verwerfung zwischen
Flyschmergel und einem abgesunkenen Klotze des überschobenen
Kreidekalkes hervorzukommen. Gleich oberhalb des Wirtshauses am
Straßenknie befindet sich ein schöner Quellbrunnen, welcher fast
dieselbe Temperatur wie die vorige Quelle zeigte. Nahe ostwärts
von jenem Knie tritt oberhalb der Straße ein Quellchen aus.
Weiter ostwärts quert die Straße 'zwei sich vereinigende Rinnen,
in deren Anfängen je ein Wässerchen entspringt. Das stärkere
zeigte bei einer Herbstmessung 15°40°%. Hoch oberhalb der Straße
befindet sich unweit der Hütten von Mestrovic die höchstgelegene
Quelle der Gegend. Sie zeigte im Oktober eine etwas höhere Wärme
als die gleichfalls gegen SW exponierte vorige Quelle, was auf einen
längeren Weg unter oberflächlichem Schutte hinweist. Am Südhange
der Marcesina greda entspringt ebenfalls in der den Fuß der Gipfel-
wand besäumenden Schuttzone eine Quelle, die jetzt den Wasserbedarf
der Eisenbahnstation von Clissa deckt. Diese Quelle zeigte kurz vor
ihrer Fassung im Herbste 15°56°% im Frühlinge 13'24°. Eine Jahres-
schwankung von wenig mehr als zwei Grad ist immerhin noch gering
‘genug, um die Annahme zu rechtfertigen, daß man es nicht mit einer
Schuttquelle, sondern mit einer durch Gehängeschutt maskierten
Ueberfallquelle an der Grenze verschieden durchlässiger Glieder der
Flyschformation zu tun hat. Bei der Ortschaft Clissa befindet sich
eine Quelle, die in einem tiefen Brunnenschacht gefaßt ist, den ein
Gewölbe von Lindenblattform überdacht. Dieser Brunnen liegt in der
westlichen der zwei tiefen Scharten, die in den aus saiger stehenden
Konglomeraten aufgebauten Felsriff von Clissa eingekerbt sind. Die
östliche Scharte wird von einem Rinnsale durchquert, das sich am
Südosthang der Martesina greda bildet und die Hauptader des schon
früher genannten Zavlic potok darstellt. In der nassen Jahreszeit sieht
man hier in der Felsenge einen kleinen Wasserfall über ausgehöhlte
und geglättete Wände stürzen, im Sommer ist das Bächlein versiegt.
[87] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 231
Eine Viertelstunde nordostwärts von diesem Engpasse befindet. sich
an der Bergstraße ober Clissa beim Wirtshause Glavina ein Brunnen,
der sein Wasser von der Ostseite der Marcesina greda empfängt. Im
Frühlinge sah ich hier öfter einen kräftigen Wasserstrahl, im Spät-
sommer nur ein Tröpfeln.
Am linksseitigen Hange des vom Zavlicbach durchrauschten
Grabens trifft man eine schöne Quelle unweit südlich von den Hütten
von Peric. Sie ist gegen SW exponiert und kommt als Ueberfallquelle
aus sanft gegen NO fallenden Flyschschichten hervor. Als reichste und
nachhaltigste Quelle auf der Ostseite der Gebirgsbucht von Clissa
ist sie in eine Brunnstube gefaßt und zur Wasserversorgung der
umliegenden Hüttengruppen dienend. In der Mehrzahl der Aeste des
Zavlicgrabens sieht man ein allmäliches Anschwellen von Sickerwässern
zu schwachen Bächlein, aber keine nennenswerten Quellen. Im End-
stücke des Hauptrinnsales ist unter einer 25° NNO fallenden Kon-
glomeratbank ein schwaches Quellchen zu bemerken, das wegen
seiner tiefen Lage für eine Bestimmung der Abnahme der Quellen-
temperatur mit der Höhe in der Gebirgsbucht von Clissa von Bedeutung
wäre, aber vielleicht nur versiegtes Bachwasser wieder zutage bringt.
Die an ihm gemessenen Temperaturen waren:
Oktober 1902..15:98°, April 1903... 14:62%, Oktober 1903... 16°44°,
Die berühmte Jadroquelle entspringt im Grunde einer von hohen
Wänden umrahmten Felsnische am Fuße des am meisten gegen W
vortretenden Gebirgsspornes des Mosor. Das die Nischenwände
bildende Gestein ist ein sehr fester Breccienkalk aus Bruchstücken
von weißem Rudistenkalke und lichtgrauen eocänen Kalken. Außerhalb
der Quellnische durchbricht der Jadro schief zum Schichtstreichen
den Flyschsattel nördlich von der Mulde von Salona, um dann im
Bereich des Kernes dieser Mulde in den Salonitaner Golf zu münden.
Der Flußspiegel erfährt hierbei eine Senkung um etwa 20 m. Der
Jadroursprung zählt somit nicht zu jenen Küstenquellen, für deren
Höhenlage nur das Niveau des zur Quelle führenden Höhlenflusses
maßgebend ist. Bei der Jadroquelle kommt auch die wasserstauende
Wirkung einer undurchlässigen Mergelvorlage in Betracht. Zufolge
seiner Formverhältnisse gehört der Jadroursprung zu jenen Karstquellen,
bei denen sich Veränderungen der Wassermenge nur in Schwankungen
des Quellspiegels äußern können. Er tritt hierdurch in Gegensatz zu
seinem östlichen Nachbar, dem Ursprung des Stobrecbaches, welcher
bei wechselndem Wasserstande seine Austrittsstelle verschiebt. Die
Spiegelschwankungen der Jadropuelle dürften einige Meter nicht
übersteigen, sie bringen aber doch schon einen auffälligen Wechsel
des Quellbildes mit sich, indem im Spätsommer mehrere mit aus-
gedorrten Moosrasen überzogene Blöcke sichtbar werden, die im
Winter und Frühlinge überflutet sind. Groß ist der jahreszeitliche
Unterschied in der Art, wie sich der Wasseraustritt vollzieht. Im
Winter ein Hervorschießen mit Wucht unter lebhaftem Rauschen, im
Hochsommer ein stilles Hervorquellen.
Ueber die Temperatur der Jadroquelle liegen ınir vier Mes-
sungen vor:
232 Dr. Fritz v. Kerner. [88]
1. Oktober 1902 .. . 12:81° 3. Oktober 1903 . . . 13-210
5. April 1903 et 12'900 23: ua 1905 43.22 13:08
Die Quelle scheint so nur sehr geringen Wärmewechseln unter-
worfen zu sein und es scheinen — wie sich dies auch noch bei
anderen Quellen unseres Gebietes zeigte — die periodischen Wärme-
änderungen kleiner zu sein als wie die aperiodischen. Das Nährgebiet
der Jadroquelle ist wohl zunächst der Westmosor und das ihm nord-
und nordostwärts vorliegende Gelände. Den Mittelmosor wird man als
Einzugsgebiet der Stobrecequelle anzusehen haben. Besonderes Interesse
knüpft sich an die Frage, ob der Jadro auch Cetinawasser führt. Es
könnte sich hierbei um keinesfalls große Wassermengen handeln,
welche die Cetina in ihrem bei Bisko beschriebenen Bogen vielleicht
verliert, obschon dort keine sichtbaren Zeichen einer Abnahme ihrer
Wassermenge vorhanden sind. Da die kleinen Vorkommen von Horn-
steinkalken zwischen dem Zuge dieses Kalkes bei Novasela und den
Zügen bei Prugovo vermuten lassen, daß das Liegende des Rudisten-
kalkes im nordöstlichen Vorlande des Mosor nicht Dolomit, sondern
Hornsteinkalk sei, erscheint die Möglichkeit einer Kluftverbindung
zwischen dem Cetinatal bei Bisko und dem Jadrotal gegeben. An einen
von der Cetina zur Jadroquelle führenden Höhlengang wird man aber
wohl kaum denken. Die Entfernung beider Ortlichkeiten beträgt
15 km, der Höhenunterschied 240 m. Als Mittel zur Beantwortung
der Frage, ob in der Tat eine Verbindung da ist, kämen zunächst
Färbeversuche mit noch in Spuren nachweisbaren Stoffen in Betracht,
wogegen weniger empfindliche Methoden der Feststellung hydro-
graphischer Zusammenhänge wohl versagen würden, da die fragliche
Eingangspforte nicht ein Ponor, sondern ein vermutlich unvollständig
abgedichtetes Flußbett ist. Bei einer vergleichenden Prüfung der
Flußsedimente würde der mikroskopische Nachweis von Silikaten im
Jadroschlamme zu einer Bejahung der gestellten Frage nicht genügen,
da nach den Untersuchungen von Tu&an solche Einschlüsse auch in
den Kalken und Dolomiten des Karstes selbst vorkommen.
Man müßte kleine Partikeln von Werfener Schiefer und zersetztem
Diabas auffinden und es hätte dies nahe der Jadroquelle zu geschehen,
da die im Jadrotale errichtete Zementfabrik Gips aus Sinj bezieht
und mit diesem auch Stückchen anderer triadischer Gesteine der
Sinjaner Gegend in das Jadrobett verschleppt werden könnten. Einen
Anhaltspunkt dafür, wie sich die mineralogische Zusammensetzung
einer ganz aus Kalken, wie sie das Hinterland des Jadro bilden,
kommenden Karstquelle gestaltet, würde die Prüfung des Schlammes
der Quelle bei der Trogirska mulina ergeben. Für den Stobrec potok
wäre dagegen die Möglichkeit einer Verbindung mit der Cetina auch
nicht von vornherein auszuschließen. Von Bedeutung für die angeregte
Frage wäre eine fortgesetzte genaue Messung der sekundlichen
Abflußmenge des Jadro und eine genaue fortlaufende Registrierung
der Niederschlagsmengen auf mehreren Regenstationen im Gebiete
zwischen der oberen Öetina und dem Jadrotale. Im Sommer pflegt
es manchmal zu geschehen, daß in der Ebene von Ervace oder im
östlichen Sinjsko polje lokale, aber sehr heftige Gewitterregen nieder-
189] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 233
gehen, während in der Mulde von Dicmo, im nördlichen Vorlande
des Mosor und auf diesem selbst kein Regen fällt. Würde in einem
solchen Falle, der die Cetina vorübergehend anschwellen läßt, noch
vor dem Eintritte eines neuen Niederschlages in den eben genannten
Gegenden der Jadro eine meßbare Zunahme seiner Wassermenge
zeigen, so könnte diese nur auf einen Zufluß von der Cetina her bezogen
werden. Die Jadroquelle dient bekanntlich schon seit langem zur
Wasserversorgung von Spalato und es sind, wie bekannt, auch Reste
einer antiken Wasserleitung vorhanden.
Auf der linken Seite des Jadrotales findet sich nur eine Quelle
von Bedeutung. Sie entspringt nahe der Grenze der klüftigen Kalk-
schichten im Liegenden jenes Flyschzuges, der den Riff von Breccien-
kalken unterteuft, die im Jadrotale die Klippenkette der mittleren
Flyschzone vertreten. Sie stellt sich so, da hier die Schichten gegen
das Tal zu fallen, als Rückstauquelle dar. Die gemessenen Temperaturen
waren:
Oktober 1902 .16°80°, April 1903. 14'32°%, Oktober 1903 . 16°48°,
Hier erreichte demnach die periodische Wärmeschwankung eines
Jahres einen viel größeren Betrag als die Differenz zwischen den in
zwei aufeinander folgenden Jahrgängen zur selben Zeit gemessenen.
. Temperaturen. Diese den Bewohnern von Mravince das Trinkwasser
spendende Quelle befindet sich in einer gewölbten Mauernische und
ein antiker Sarkophag dient hier als Brunnentrog. Im Frühlinge
sprudelt das Wasser aus einer Steinrinne in kräftigem Strahle hervor,
in trockenen Spätsommern läuft es nur an der Unterseite der Rinne
auf die Rückwand des Troges ab. Im Flyschgelände am Südufer der
Bucht von Vragnizza sind keine nennenswerten Quellbildungen vorhanden,
dagegen wird von Wasseraustritten an der aus klüftigem Kalk
bestehenden Nordküste des Monte Marjan berichtet.
Die Quellen an der Küste von Spalato.
Der Monte Marjan besteht aus einem durch Längsbrüche zer-
stückten Gewölbe von mitteleocänen Kalken, .das die Nordflanke und
den First des Berges aufbaut und aus einer sich anschließenden
Flyschmulde, welche die südlichen Bergabhänge formt. Der Flyschzug
bricht schon 1 km ostwärts von der Stelle, wo der Grat des Marjan
mit dem St. Georgs Kap ins Meer hinabtaucht, quer ab. Der so
gebildete einspringende Winkel zwischen dem (abzüglich eines
schmalen Streifens) seiner Flyschvorlage beraubten Weststücke des
Berggrates und dem Abbruche der Flyschmulde ist die stille Bucht
von Kasion. i
Der Flyschkomplex im Hangenden des einen Kern von Alveo-
linenkalk umhüllenden Hornsteinkalkes des Monte Marjan baut sich
aus einer unteren Lage von Nummulitenbreccienkalken, einer mittleren
Mergelzone und aus oberen Breccienkalken auf. Letztere blieben nur
neben der Bucht von Ka$ion von der Denudation bewahrt und bilden
dort, muldenförmig gelagert und ringsum frei ausstreichend, einen
sich in zwei Stockwerken erhebenden kleinen Hügel. An der Nord-
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 31
234 Dr, Fritz v. Kerner: [90]
flanke desselben fallen die dieken Breceienbänke im Osten bis zu
40° steil gegen S, im Westen weniger steil gegen SSW; an der
Südseite des Hügels sind sie im Osten fast schwebend gelagert, im
Westen schwach gegen N geneigt. Die Muldenachse zeigt eine schwache
Senkung gegen West und an ihrem Ausstriche in dieser Richtung,
bzw. am tiefsten Punkte der Umrandung der Mergelschichtfläche, auf
welcher die Breccienbänke wie auf einer flachen Schale rulıen, tritt.
ein Quellchen aus. Gleich südwärts von demselben sind die liegenden
Flyschmergel mit Kalksandsteinbänkchen, 25° N fallend, aufgeschlossen;
Gleich nordwärts sieht man die hangende, 3 m mächtige Bank von
Brececienkalk mit ebensolcher Neigung gegen S verflächen.
Hier böte sich Gelegenheit, das Verhältnis zwischen Niederschlag
und Abfluß genau zu untersuchen. Das oft nicht scharf umgrenzbare
Sammelgebiet ließe sich bei diesem Quellchen so exakt wie der
Flächeninhalt eines Grundstückes bestimmen. Die meist nur im rohen
Durchschnitte gewinnbare mittlere Regenhöhe könnte hier bei der
räumlichen Beschränkung des Areals etwa schon durch die Angaben
von bloß dreien im westlichen, mittleren und östlichen Teile der Hügel-
kuppe aufzustellenden Ombrometern wahrheitsgetreu erhalten werden.
Wasserverluste in die Tiefe sind bei der Beschaffenheit der die
‘ Einsickerungen auffangenden Schichtfläche völlig unwahrscheinlich,
wenn auch nicht ganz ausgeschlossen. Eher könnte es sein, daß bei
der zum Teil fast horizontalen Lage dieser Auffangfläche nach starken
Güssen eine Ueberrieselung ihres Randes an verschiedenen Stellen
geschähe, was sich indessen dann leicht feststellen ließe.
Ostwärts vom Quellhügel ober der Bucht von Kasion sind —
wie erwähnt — die oberen Brecceienkalke schon entfernt und die
Flyschmergel völlig bloßgelegt. Hier kommt es so zu vorzugsweise
obertägiger Entwässerung; man zählt im ganzen sieben Wasserrisse
an dem vom Meeresufer zu den Gratwänden des Monte Marjan mäßig
steil ansteigenden Gehänge.
Am ÖOstfuße des Berges entspringen mehrere Quellen, die durch
ihre hohe Mineralisation und erhöhte Temperatur eine Sonderstellung
einnehmen und ein mehr als gewöhnliches Interesse beanspruchen.
Es sind die berühmten Schwefelquellen von Spalato.. Man hat zwei
Austrittsorte zu unterscheiden. Im steil gestellten Nordflügel der
Flyschmulde des Marjan besteht die untere kalkige Schichtgruppe
aus drei durch schmale Mergelbänder getrennten Zügen von Breccien-
und Knollenkalk. Sie streichen nacheinander auf der Westseite des
Spalatiner Hafens aus, und zwar so, daß der nördlichste, dem Horn-
steinkalk des Monte Marjan direkt .angelehnte Zug am weitesten
gegen Osten reicht. Er endet obertags bei dem Franziskanerkloster
und ist bis knapp vor seinem Ende als Felsmauer verfolgbar.
Aus diesem Gesteinszuge tritt die schwächere Schwefelquelle an
zwei Stellen aus. Die eine befindet sich gleich westlich vom genannten
Kloster an der Uferstraße. Das.Wasser quillt hier unter einer kleinen
in der Straßenfront gelegenen Felswand hervor und ergießt sich in
ein ummauertes Becken, aus dem es in das nahe Meer abfließt.
Die. andere Stelle liegt im Kellerraume des Klosters. Hier kommt
das Wasser aus der Seitenwand eines in den Fels eingelassenen
[9 1] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 235
Quellschachtes ‚hervor. In der Nachbarschaft desselben sollen noch
mehrere, jetzt verschüttete Austrittsstellen vorhanden gewesen sein.
Der Hornsteinkalk des Monte Marjan erstreckt sich von der
Östflanke des Berges noch in das Stadtgebiet von Spalato hinein,
Seine östliche Grenze wird durch die flache Einsenkung bezeichnet,
‚welche das Stadtgebiet in Nord-Süd-Richtung durchquert. Das jenseits
dieser Senke wieder sanft ansteigende Gelände gehört schon den die
Falte des Marjan umhüllenden Flyschschichten an. Die Stelle, wo hier
der Hornsteinkalk am meisten gegen Ost vortritt, ist der Austrittsort
der größeren Schwefelquelle, über welcher eine Badeanstalt erbaut
wurde. Diese Quelle soll in 24 Stunden zwei Millionen Liter liefern,
was einer Menge von 23 Sekundenlitern entsprechen würde. Die
Quelle im Klosterkeller dürfte 1—2, die Quelle an der Uferstraße
etwa 3 Sekundenliter liefern. Die Temperatur der Quelle in der
Badeanstalt beträgt 25°5°, jene der Quelle beim Kloster 20°0°%. Nimmt
. man die mitilere Jahrestemperatur der Luft in Spalato zu 157°, die
Tiefenlage der Fläche der indifferenten Temperatur zu 25 m und die
normale geothermische Tiefenstufe für gut leitenden Kalk zu 28 m
an, so ergibt sich hieraus als Tiefe, aus der die starke Schwefelquelle
empordringt, 300 m, als Tiefe, aus der die schwache Quelle kommt,
145 m. Diese Werte gelten aber nur für den Fall, daß beide Quellen
keinen Zufluß kühlerer Wässer nahe der Oberfläche erhalten. Ist
letzteres der Fall, so wären etwas größere Ursprungstiefen anzunehmen.
Obschon die Gesamtmenge der auf den Kalkboden der Nordflanke
des Monte Marjan fallenden Niederschläge ausreichen könnte, um die
Quellen von Spalato zu speisen, so wird man doch, da ein Teil dieser
Wässer durch Verdunstung verloren geht und ein anderer Teil seinen
Weg gegen W und N zum Meere nimmt, dem Wasser der Spalatiner
Quellen zum Teil eine Herkunft aus größerer Ferne, aus dem
Hinterlande des Golfes von Castelli zuschreiben müssen. Die Spalten-
systeme jenes Gebietes stehen unter dem Flyschboden des Golfes
von Castelli wohl mit den Klüften des Monte Marjan in teilweisem
Zusammenhange. Sie haben aber wahrscheinlich auch Verbindungen
mit jenen Kluftsystemen, welche in den kalkigen Einlagerungen der
Flyschformation vorhanden sind und sich zum Teil unterseeisch
öffnen, Die subterrane Wasserbewegung in der Spalatiner Küstenregion
vollzieht sich nun wohl so, daß die sich in der östlichen Zagorje
sammelnden Wässer, da ihnen durch die Flyschvorlage von Castelli
ein Austritt als große Küstenquellen versperrt bleibt, hinter die
Flyschvorlage hinabsinken und dann zum Teil unter dem Flyschboden
des Golfes von Castelli bis zum Monte Marjan gelangen und sich auf
diesem Wege mit Meergrundwasser mischen. Der Wasseraustritt
findet dann an den tiefsten Stellen der östlichen Umrandung des
Monte Marjan statt. Ein Teil der aus der östlichen Zagorje dem
Meere zustrebenden Wässer tritt aber schon durch Spalten ‘am
Grunde des Golfes von Castelli aus.
Was den Gehalt der Spalatiner Quellen an freiem Schwefel-
wasserstoffe betrifft, so war schon August Vierthaler, welcher eine
chemische Analyse dieser Quellen und des Meerwassers bei Spalato vor-
nahm, der Ansicht, daß eine Zersetzung von Meerwassersulfaten durch
31?
936 Dr. Frit v. Kerner. [92]
vegetabilische Organismen stattfinde. Die Untersuchung zeigte, daß
schwefelsaures Kalzium im Meerwasser bei Spalato in viel größerer
Menge als in der Klosterquelle und daß es in der Badequelle gar
nieht vorhanden sei. Dem Schlamme am Meeresboden westlich von
Salona ist pflanzlicher Detritus, der aus den sumpfigen Ufern des
Jadro stammt, und Detritus von abgestorbenen Meeresalgen beigemischt.
Aber auch im felsigen Untergrunde des Golfes von Castelli dürften
organische Substanzen in geringer Menge und feinster Verteilung
enthalten sein. Es wurden in der Gegend von Olissa Kohlenschmitzen
und beim Bahnbaue in der Gegend südöstlich von jenem Orte fossile
Blattreste gefunden.
Vierthaler war jedoch der Meinung, daß Meerwassersulfate
nicht die einzigen Lieferanten für den Schwefelwasserstoffgehalt der
Spalatiner Quellen bilden könnten und daß noch auf ein Lager von
Gips oder Kiesen als Ursprungsort des Schwefels zu schließen sei.
Die letztere Annahme wäre nicht begründbar. Die in Kalksteinen
Dalmatiens gelegentlich eingesprengt vorkommenden Pyritkriställchen
sind selbst sekundäre Bildungen, erzeugt durch ein Zusammentreffen
schon vorhandener Sulfatlösungen mit Eisensalzen und organischen
Substanzen. Ein geringer primärer Eisensulfidgehalt der dalmatischen
Diabase würde gegenüber anderen weit näher liegenden Ursprungs-
stätten des Schwefels der Spalatiner Quellen sehr in den Hintergrund
„treten. Was eine Herkunft dieses Stoffes aus Gipslagern betrifft, so
ist kaum zu zweifeln, daß die Vorkommen von gipsführenden Rauh-
wacken in den innerdalmatischen Spaltentälern nur die durch Aufbruch
und Abtragung bloßgelegten Teile eines unter den mesozoischen
Schichten allgemein verbreiteten geologischen Horizontes seien. In
der östlichen Zagorje, südwärts von der Mucer Ueberschiebung dürften
aber die oberpermischen Rauhwacken in großer Tiefe liegen, zudem
wäre anzunehmen, daß sie von undurchlässigen unteren Werfener
Schiefern bedeckt sind. Von der Gegend von Mu6 erscheint aber der
südliche Teil der östlichen Zagorje durch den Dolomitsattel von
Brstanovo getrennt. Ein Zutritt gipsführender Wässer zu den mut-
maßlich im Hinterlande von Castelli liegenden Wurzelgeflechten der
Spalatiner Quellen ist darum nicht wahrscheinlich.
Was den Gehalt der Spalatiner Schwefelquellen an verschiedenen
Salzen anbelangt, so liegt es auch näher, diesen zum großen Teil
aus dem benachbarten Meere abzuleiten, anstatt aus den in größerer
Entfernung und in größerer Tiefe vorhandenen marinen Sediment-
gesteinen. Würde die Mineralisation dieser Quellen hauptsächlich
durch Auslaugung der Gesteinsschichten der Umgebung und des Unter-
grundes bedingt sein, so würde man einen hohen Gehalt an Kalk-
bikarbonat erwarten. Der Kalkgehalt der Spalatiner Quellen ist aber
sehr gering. Dagegen weisen sowohl die Bade- als auch die
Klosterquelle einen hohen Gehalt an Chlornatrium auf. Dieses
Chlorid übertrifft alle anderen mineralischen Bestandteile sehr
an Menge und sein prozentischer Anteil an der Gesamtmenge
der fixen Bestandteile ist jenem im Meerwasser bei Spalato
ähnlich. Den Kochsalzgehalt der Spalatiner Quellen aus den in den
Tiefen des Hinterlandes ruhenden unteren Triasschichten abzuleiten,
[93] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 237
wäre bei der Spärlichkeit der Argumente, welche sich für eine
Salzführung der dalmatischen Werfener Schiefer vorbringen lassen,
sehr hypothetisch. Auch dürften diese Schiefer in den Tiefen der
Zagorje von mehreren wenig durchlässigen Dolomithorizonten über-
lagert sein. Auch Chlormagnesium ist in den Schwefelquellen von
Spalato reichlich enthalten und wieder ist sein prozentischer Anteil
an der Gesamtmenge der Mineralsubstanzen jenem im benachbarten
Meerwasser ähnlich. DaB der von Vierthaler mitgeteilte Chlor-
natrium- und Chlormagnesiumgehalt des Meerwassers an der Küste
von Spalato vom normalen abweicht, rührt aber nicht daher, daß
dieses Meerwasser durch die ihm zufließenden Abwässer der Schwefel-
quellen in seiner Zusammensetzung merklich verändert würde, sondern
davon her, daß der genannte Forscher die bei der Analyse gefundenen
Basen und Säuren in anderer als der bei Meerwasseranalysen
gebräuchlichen Weise zu Salzen vereinigt hat.
Von den Unterschieden, die bezüglich der Zusammensetzung
zwischen dem Meerwasser und den Quellen von Spalato bestehen, ist
‚jener im Jodgehalte sehr auffallend. Jod wurde in der Badequelle
in bemerkenswerter Menge, in der Klosterquelle aber nur in minimaler
Menge und im Meerwasser bei Spalato gar nicht nachgewiesen.
Letzterer Umstand ist sonderbar, da zu den Bestandteilen der Algenflora
der dalmatischen Küsten auch Fucoiden gehören, welche ihren Jodgehalt
aus dem Meerwasser beziehen. Ob der Jodgehalt der Badequelle aus
den Flyschmergeln stammt, bleibt ungewiß, solange in diesen Gesteinen
Jod nicht wenigstens in Spuren nachgewiesen wird. Während aus dem
nordalpinen Flysch sichere Fucoiden bekannt geworden sind, wurden
in Dalmatien Fucoidenreste bisher nur in den Mergeln des Monte
Promina, aber nicht in den Flyschschichten der Gegend von Spalato
gefunden. Es wäre deswegen aber doch denkbar, daß an den Ufern
des dalmatischen Flyschmeeres Blasentange oder andere Organismen,
welche dem Meerwasser Jod entziehen, gelebt hätten. Die Möglichkeit,
daß sich der Jodgehalt von Meerespflanzen in den Gesteinen konserviert
hätte, erscheint insofern vorhanden, als eine von Sigwart vor-
genommene Untersuchung der an zerstörten Organismen reichen
bituminösen Liasschiefer von Württemberg, aus welchen jodhaltige
Schwefelquellen entspringen, einen Jodgehalt ergab. Brom, welches
in der Badequelle in geringer, in der Klosterquelle in noch geringerer
Menge nachgewiesen wurde, fand sich dagegen auch bei der Analyse
des Meerwassers bei Spalato und zwar fast in derselben Menge wie
in der erstgenannten Quelle.
Die Summe der fixen Bestandteile ist nach Vierthaler in
beiden Quellen fast genau dieselbe (30'80 und 3065), auch die
‚spezifischen Gewichte weichen wenig von einander ab. (1'02383 und
1:02295.) Die Klosterquelle ist reicher an Chloriden, besonders an
jenen beiden Chlorverbindungen, welche eine Aehnlichkeit mit der
Zusammensetzung des Meerwassers bedingen. Der Gehalt an freiem
Schwefelwasserstoff ist in der Badequelle mehr als doppelt so groß
als in der Klosterquelle. Es weist dies im Vereine mit dem Fehlen
des in der letzteren gefundenen Kalziumsulfates darauf hin, daß die
Reduktionsvorgänge unter der Badequelle energischer von statten gehen.
938 Dr. Fritz v. Kerner. [94]
Bezüglich dieser Quelle findet sich bei Vierthaler die
Bemerkung, daß sie die Erscheinung des Versiegens nach anhaltendem
Regenwetter zeige. Zur Erklärung dieses Phänomens müßte man
annehmen, daß sich durch sehr reichliche atmosphärische Nieder-
schläge in. den oberen Bodenlagen eine mächtige Süßwasserschicht
ansammle, welche dem von unten kommenden Mineralwasser den
Austritt nach oben sehr erschwert und es seitlich abdrängt.
Aus dem Küstensaume östlich von Spalato ist nur eine Quelle,
die „Fontana“ zu erwähnen. Man erreicht sie, wenn man der Straße
nach Almissa bis zum zweiten rechterseits aufsteigenden Pinienhügel
folgt'und dann den um dessen Ostseite biegenden Seitenweg einschlägt,
Die Quelle kommt aus einer gemauerten Brunnstube, an deren Vorder-
wand ein von einem Blendbogen umrahmtes Steinrelief eingefügt ist.
Hinter dem Brunnen ist unterhalb einer Mauer ein ungefaßtes Quell-
becken vorhanden, in dessen Umkreis mittelsteil gegen N einfallende
Flyschschichten entblößt sind. Die „Fontana“ ist für quellenthermische
Vergleiche insofern wichtig, als sie die Temperatur einer nahe der
Meeresküste in Südexposition entspringenden Gesteinsquelle angibt.
Sie zeigte im Herbste 16°44°, im darauffolgenden Frühjahre 15:62°,
wies somit eine geringe Schwankung auf, die auf einen tieferen
Ursprung hinweist. Die Quelle ist sonach ungefähr um vier Grade
kälter als die küblere der beiden Schwefelquellen und um drei Grade
wärmer als der Jadroursprung, welcher die thermischen Verhältnisse
einer großen Karstquelle zeigt. Die vier größeren Einrisse, welche
östlich von der Fontana den Küstensaum durchqueren, dienen vs
nur oberflächlicher Entwässerung.
Die Quellen des Stobrectales.
Jenseits des Rückens von Mravince, welcher in die Landzunge
von Spalato ausläuft, dehnt sich das südwestliche Vorland des Mosor
aus. Die Mosor planina fällt gegen das Meer zu stufenförmig ab und
hat hier noch mehrere Ketten vorgelagert, deren äußerste das
Poljicaner Küstengebirge- ist. Zwischen diesen Ketten liegen Längs-
täler, die sich teils gegen NW, teils gegen SO öffnen. Das Tal des
Stobree potok schiebt sich zwischen den Rücken von Mravince und
das Vorland des Mosor ein und nimmt die auf der Ostseite jenes
Rückens eingeschnittenen Gräben und die gegen NW sich öffnenden
Mosortäler auf. Es sind dies das Tal des Veliki potok zwischen dem
Küstengebirge und der Bergkette Sridivica und das Tal des Brisine
potok zwischen der letzteren Kette und dem Abfalle der unteren Stufe
des Hauptgebirges.
Der Stobrecbach entspringt am Fuße dieser Gebirgsstufe.
Seinem Talsysteme gehören aber auch noch mehrere auf dieser Stufe
und auf der mittleren Gebirgsstufe des Mosor ausgewaschene Gräben
an. Auf dieser letzteren Geländestufe sind die tiefsten Schichten des
Mosor, die obercenomanen Dolomite aufgeschlossen. Der Rudistenkalk
formt außer dem Hauptkamme des Mosor auch die diesem vorgelagerten
Kämme. Die untere Gebirgsstufe und die Flanken der Mosortäler
bestehen aus obereocänen Schichten in der Fazies von Foraminiferen-
[95] Quellengeologie von Mitteldalmatien, 239
kalken, Trümmerbreceien, Konglomeraten und mergligen Plattenkalken.
Als jüngstes Schichtglied erscheint Flysch, welcher auch die Ostseite
des Rückens von Mravince bildet. Entsprechend dieser größeren
geologischen Mannigfaltigkeit ist auch die Zahl der auftretenden Quell-
formen im Talgebiete des Stobree potok größer als im Umkreise des
Golfes von Oastelli;
Auf der Ostseite der Landzunge von Spalato entwickelt sich als
Abzugsrinne einer vorwiegend oberflächlichen Entwässerung des um-
liegenden Gebietes der Torrente ispod kita. Das seichte, von diesem
Rinnsale durchzogene Tälchen schiebt sich zwischen den von der
Felsklippe Kitoje gekrönten flachen Rücken und den Hügelwall von
Sasso ein. Der Rücken der Kitoje lehnt sich südwärts an jene Höhen,
welche die Küste zwischen Stobree und Spalato begleiten. Nordwärts
vom Hügelwalle von Sasso breitet sich eine flache Talmulde aus,
durch welche der Torrente Terstenik dem Stobrec potok zufließt.
Auch dieses an der Südflanke des Rückens von Mravince sich ent-
wickelnde Rinnsal liegt zeitweise völlig trocken. Der Abhang, welcher
rechts vom Stobrecbache zu den südlichen Vorhöhen des Westmosor
hinansteigt, wird von drei langen Wasserrissen durchfurcht. Dieser
Abhang baut sich großenteils aus Kalksandsteinen der Flyschformation
auf. Zu Füßen der Felswände, mit denen die Vorhöhen des Mosor
gegen Süd abstürzen, ziehen sich Schutthalden hin. In jenen Runsten
sieht man deutlich die schon aus dem Neogengebiet von Sin) be-
schriebene Erscheinung, daß die Wasserführung nicht von Quellen
ihren Ausgangspunkt nimmt, sondern sich ganz allmählich aus im
Bachbette stattfindenden Zusickerungen entwickelt. Weiter ostwärts
trifft man dann bei Roguli& an einer Stelle, wo vier Wege sich kreuzen
und viele Pappelbäume stehen, eine Quelle mit Tränkbrunnen, die
auch im Spätsommer noch leidlich fließt. Sie zeigte zu dieser Jahres-
zeit 16°16°, ein’ Wert, der angesichts der südlichen Lage im Vergleich
zu den Herbsttemperaturen der Clissaner Quellen nicht hoch war.
Ihre Struktur ließ sich nicht erkennen, da die Umgebung ein Kultur-
land ohne Gesteinsaufschlüsse ist.
Die Quelle des Stobrec potok entspringt am Ausgange der
Felsschlucht Studenica, welche in die untere Gebirgsstufe der Süd-
westseite des Mosor eingeschnitten ist. Das Gerüste dieser Stufe
besteht aus zwei eng aneinander gepreßten Faltensätteln aus Fora-
. miniferenkalk, deren Kernschichten durch die Schlucht entblößt sind. Die
Quelle tritt aus den diese steile Doppelfalte umhüllenden mergeligen
Plattenkalken auf der Südwestseite des meerwärts gelegenen Falten-
zuges hervor. Der Stobrecbach durchquert dann den sich anschließenden
Muldenkern von Flysch und hierauf noch die beiden Vorfalten des
Mosor nebst der zwischen ihnen liegenden Mulde, und zwar kurz
bevor ihre Kernschichten in der Flyschumhüllung untertauchen. Die
Quelle des Stobree könnte so trotz ihrer Küstennähe noch weniger
als der Jadro mit Küstenquellen im strengen Sinne des Wortes in
Vergleich gebracht werden. Sie stellt den Ausbruchsort von durch
eine undurchlässige Gesteinsvorlage gestautem Kluftwasser dar.
Im Gegensatze zum Jadro erfährt der Stobrecbach bei Schwan-
kungen des Wasserstandes größere- Verschiebungen seiner Austritts-
940 Dr. Fritz v. Kerner. [96]
stelle. Im Winter und Frühlinge bricht ein wildschäumendes Gewässer
im äußeren Schluchtteile hervor, zur Sommerszeit sieht man dort ein
Haufwerk von mit verdorrten Moosrasen und vertrocknetem Schlamme
überzogenen Blöcken und quillt das Wasser weiter draußen an ver-
schiedenen Stellen des mit Trümmerwerk übersäten Bachbettes hervor.
Der Stobrec potok findet so betreffs des Formwechsels seines Austrittes
unter den Cetinaquellen im Kozinac ein Analogon, während der Jadro
in dieser Hinsicht mit dem großen Rumin und dem östlichen Ruda-
bache zu vergleichen wäre. Die Temperatur der Stobrecquelle war
bei einer am 4. Oktober 1903 vorgenommenen Messung an verschiedenen
Stellen 12:80 bis 12 84, sie war um O'4 niedriger als die einen Tag
früher am Ursprunge des Jadro beobachtete Wasserwärme.
Das Wurzelgebiet der Stobrecquelle würde sich, falls die auf
der mittleren Mosorterrasse aufgeschlossenen Dolomite in der Tiefe
eine undurchlässige Scheidewand bilden, auf die untere Gebirgsterrasse
beschränken und so dem möglichen Sammelgebiete des Jadro an Größe
sehr bedeutend nachstehen. Der Unterschied in der mittleren Wasser-
führung beider Flüßchen scheint aber keine so bedeutende Größen-
verschiedenheit der Einzugsflächen zu begründen. In dem Maße, in
welchem die besagten Dolomite die Wasserführung in der Tiefe
erschweren, erscheint auch die Möglichkeit einer Verbindung des
Stobree mit der Cetina eingeschränkt. Bei der Vornahme von Versuchen,
welche eine Beantwortung der Frage, ob Cetinawasser zum Jadro
gelange, bezweckten, wäre es jedenfalls am Platze, die entsprechende
Fragestellung auch auf die Quelle des Stobrecbaches auszudehnen.
Die tiefe Schlucht der Studeniea setzt sich bergaufwärts in
einen seichten Graben fort, der das Gehänge zwischen der unteren
und mittleren Mosorstufe quert und sich dann wieder schluchtartig
verengend in das Hochtal von Zagradje hinaufführt. Dieses Längstal
kommt dadurch zustande, daß der bergwärts liegende Teil der mitt-
leren Gebirgsterrasse stärker absinkt, ihr freier Rand aber nur eine
geringe Höhenabnahme erfährt. Es entspricht nebst den ihm ostwärts
folgenden, höher gelegenen Terrassenteilen einer Bloßlegung von
obercenomanen Dolomiten im Rudistenkalke. Die Lagerung der Dolomite
im Hochtale von Zagradje ist eine muldenförmige. Die linke Talseite
entspricht dem sanft verflächenden Nordostflügel eines Dolomitgewölbes,
dessen Scheitelregion und steil abfallender Südwestflügel vom Rudisten-
kalke des Terrassenabfalles überlagert ist. Auf der rechtsseitigen
Talflanke stoßen aber die sanft talwärts fallenden Dolomite an sehr
steil zur Tiefe gehenden Rudistenkalken ab. Der Abschluß des Hoch-
tales gegen Osten wird durch Schließung der Sehichtmulde hergestellt.
In dieser Gegend finden sich mehrere Quellen. Der das Tal
durchziehende Potok ist der Abfluß einer Quelle, welche nahe dem
Östende der Talsohle entspringt. Diese Quelle, Vrutak oder Vrutka
genannt, entsteht aus jenen Regenwassern, welche auf die wahrscheinlich
hemizentroklinal gelagerten Dolomite des Talschlusses fallen. Ein Teil
dieser Wässer tritt schon in den Wurzelgräben des Zagradjetales
aus, um bald wieder zu versiegen und dann noch ein zweitesmal an
der Speisung einer (Juelle teilzunehmen. Das Wasser kommt hier an der
Grenzfuge zweier flachgelagerter Dolomitbänke hervor und füllt dann
[97] Quellengeologie von Mitteldalmatien, 941
ein von Binsen umstandenes seichtes Becken. Weiter abwärts sind
dann unter mittleren Verhältnissen noch einige Tümpelchen im Rinn-
sale vorhanden. Im Spätsommer versiegt die Vrutakquelle ganz, nach
heftigen Regengüssen ist sie wasserreich und ist das Hochtal von
Zagradje von einem Bächlein durchrauscht.
Beim Anstiege durch das Felsgeklüft im rechtsseitigen Wurzel-
graben des Tales kommt man bald zu einer Stelle, wo unter Dolomit-
felsen ein kleines, von nassen Moospolstern umgebenes Wasserbecken
‚liegt. Diese Stelle war die einzige im Talbereiche, wo ich zu Ende
der sommerlichen Trockenzeit noch Wasser traf. Etwas weiter oben
befindet sich eine überhängende Felswand, in welcher zwei tiefe
glattwandige Nischen ausgewaschen sind. Eine derselben setzt sich in
einen kleinen runden Felskanal fort, aus welchem nach heftigen
Regengüssen ein mächtiger Wasserstrahl hervorschießt. Auch von den
Wänden der anderen Nische, deren Boden mit Wasserpflanzen über-
wuchert ist, tropft und rieselt dann viel Wasser ab. Noch etwas
weiter oben sah ich nach einem starken Gußregen links von einer
natürlichen Felsbrücke auch eine starke Quelle hervorbrechen. Endlich
sind noch zwei Austrittsstellen von Wasser zu erwähnen, welche
sich in der Nähe der sagenhaften alten Goldmine befinden, die am
Westhange des das Tälchen von Zagradje von der Ljubacmulde
trennenden Felsriegels liegt.
In dem erwähnten, auch bei einem Besuche im Spätsommer
noch nicht ausgetrockneten Becken maß ich damals eine Wasser-
temperatur von 14'05°, ein Jahr früher, zur selben Jahreszeit, nach
einem heftigen Regen 14'20%. Von den anderen Quellen im Hinter-
srunde des Zagradjetales zeigten damals (15. Oktober 1902) die Quelle
bei der sagenhaften Goidmine 13'52°, jene bei der natürlichen Fels-
brücke 13'44° und die aus einem Felsloche kommende 13'08°. Die
Quelle Vrutak hatte 15'680 und verriet so eine sehr oberflächliche
Lage ihres Sammelgebietes. |
Das Tal des Brisine potok, des kleineren der zwei linken
Zuflüsse des Stobrecbaches, folgt unterhalb der Vereinigung seiner
Wurzelgräben einem von schwach tonigen Plattenkalken umgebenen
Aufbruche von mitteleocänem Foraminiferenkalk. Jene Gräben sind
in die rechte Talseite eingeschnitten und legen hier einen von Platten-
kalken umhüllten Faltenkern von Kalkkonglomeraten bloß. Der größte
dieser Einschnitte, die Schlucht von Dracevice, reicht mit ihren
Verzweigungen bis zur unteren Gebirgsstufe hinauf und dient zur
Abfuhr von sich dort auf Flyschboden sammelnden Wässern. Die
untersten Abschnitte der genannten Gräben und der Hintergrund des
Brisinetales kommen in jene Flyschzone zu liegen, welche den
Muldenkern zwischen den vorerwähnten Faltenzügen bildet. In dieser
Zone verzeichnet die Spezialkarte bei den Hütten von Visak eine
Quelle. Im übrigen ist das Tal von Brisine arm an Quellen.
Auch der enge untere Teil des Zernovnicatales enthält keine
nennenswerten Quellen. Die Flankenteile der dem Talzuge ent-
sprechenden Schichtmulde bauen sich aus Plattenkalken und Kalk-
breccien auf und der aus Flyschschichten bestehende Muldenkern bildet
ein nur schmales, dem rechten Flußufer folgendes Geländeband. Erst
Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 32
949 Dr. Fritz v. Kerner. [98]
im oberen Talabschnitte, wo durch ein Zurückweichen der Küstenfalte
zur Linken und ein Untertauchen des Faltenzuges zur Rechten das
Filyschgebiet an Ausdehnung gewinnt und eine Verbreiterung des
Tales Platz greift, sind wieder viele Quellen zu treffen. Mehrere
derselben entspringen unterhalb des Dorfes Srinjine auf der rechten
Seite des Tales. Einige hundert Schritte nordwestlich vom Pfarrhause
kommt aus einer Ummauerung ein kleiner klarer Quellbach hervor.
Das sehr sanft gegen S geneigte umgebende Gelände besteht aus
mäßig steil gegen ONO einfallenden Flyschschichten. Gleich neben dem
Pfarrhause bricht eine gleichfalls schöne und reiche Quelle unter
ganz Ähnlichen Verhältnissen wie die vorige auf. Ihre Temperatur
war bei einer in der ersten Oktoberhälfte vorgenommenen Messung
14'80°%, während die vorher genannte 15'220 zeigte. Etwas weiter
südostwärts befindet sich nahe dem Nordwestfuße des Hügels Kravar
die Quelle Brisnik. Eine andere Quelle entspringt vor dem. Süd-
westfuße dieses Hügels am rechten Ufer des Veliki potok.
Einige Quellen treten in den oberen Teilen des rechtsseitigen
Talgehänges aus. Es streicht dort jene früher erwähnte Falte gegen
SO weiter, welche von den Wurzelgräben des Brisinetales durchquert
wird. Die Quelle Rudina entspringt in dem schmalen Streifen von
Flyschschichten, welcher zwischen die Plattenkalke des Nordostflügels
jener Falte und das Konglomeratgewölbe der Vorkette des Ostmosor
eingeklemmt ist. Man sieht hier unter einem efeuumrankten Eichen-
baume ein von Brombeerhecken umwuchertes, roh ummauertes Quell-
becken voll Algen und höheren Wasserpflanzen. Vom Becken zieht
sich ein Rinnsal eine Strecke weit am Abhange hinab. Die Lagerungs-
verhältnisse am Quellenorte sind nicht zu erkennen, da das umgebende
Gelände mit Rasen bedeckt ist. Eine andere Quelle tritt in derselben
schmalen Flyschzone südostwärts von der vorigen, unterhalb des
Sattels von Brni6 aus, welcher in die Vorkette des Mosor eingesenkt
ist. Sie ist in ein überdachtes und ummauertes Becken gefaßt. Die
Quelle Rastita voda entspringt dagegen nahe unterhalb der Grenze
der Plattenkalke gegen den Flysch im saiger stehenden Südwestflügel
der genannten Falte. Gleich oberhalb der Quelle zieht eine Konglomer-
atbank durch. Auch diese Quelle ist in einem über- und ummauerten
Becken eingeschlossen. In ihrer Umgebung und zu beiden Seiten ihres
Abflusses steht: eine Anzahl hoher Pappelbäume.
In den Flyschschiehten, unter welche nach dem Auskeilen des
konglomeratischen Faltenkernes südöstlich von der Quelle Rastita
auch die Plattenkalke hinabtauchen, tritt an mehreren Stellen Quell-
wasser zutage. Bei dem Kirchlein Sv. Kata kommt eine Quelle unter
großen, von der Vorkette des Mosor abgestürzten Kalkblöcken aus
steil gestelltem Flysch hervor. Ein kleines Quellbecken, Vrelo
Golubanac, liegt etwas weiter unten am Gehänge. Am Wege, der
von Sv. Kata gegen SO hinabzieht, befindet sich ein Brünnlein, das
— ausgenommen die sommerliche Trockenzeit — ziemlich reich zu
fließen scheint. Das Wasser kommt auch hier aus steil gegen NNO
einfallenden bis saiger stehenden Flyschschichten und hat eine
steinerne Auslaufrinne. Alle diese Quellen dürften durch Wasserstau
in klüftigen Sandsteinzonen zwischen undurchlässigen Mergellagen
[99] Quellengeologie von Mitteldalmatien, 2453
bedingt sein. Die bei dem Quellchen von Sv. Kata und bei dem
erwähnten Brünnlein im Herbste gefundenen Temperaturen von 14:62
und 15'060 erscheinen für diese Jahreszeit und in Anbetracht der
südwestlichen Lage auch für Stauquellen nicht zu hoch; die aller-
dings sehr hohen Temperaturen, welche sich bei den Quellen
Rudina, Rastita voda und Golubanac ergaben, nämlich 16'30°,
16°76° und 16'20°% sind dadurch erklärlich, daß es sich hier um
Messungen in Quellbecken mit nur sehr langsamer Wassererneue-
rung handelte.
Zur Linken nimmt das Tal der Zernovnica in seinem obersten
Teile drei kleine Gräben auf, welche in die Flyschvorlage der Land-
seite des Poljicakammes eingetieft sind. Alle drei erfahren, ehe sie
die Zone von grobem Konglomerat im Liegenden des Flysch erreichen,
eine Gabelung und es entspringen dort kleine Quellen. Aus dem
untersten Graben, welcher gegenüber dem Kravar oberhalb Srinjine
mündet, kommt ein breites Schotterbett; die von dünnen Sandstein-
lagen durchzogenen Mergel verflächen dort 30° ONO. Im mittleren
Graben trifft man zumeist Flyschsandsteine mit wechselnd steilem
nördlichem Fallen. Bei den Quellchen im Talgrunde sind auch Flysch-
mergel aufgeschlossen. Die im Fond des dritten Grabens nahe unter-
halb des Dörfchens Tugari entspringende Quelle kommt aus sehr steil
gegen NNO geneigten Sandsteinbänken. Sie ist gegen N exponiert
‚und zeigte bei einer Messuüg im Oktober, als das Quellbecken noch
einen schwachen Abfluß hatte, 14'84°%. Man hat es hier und in den
anderen beiden Gräben wohl auch mit Stauquellen zu tun.
Der Brisine potok zählt zufolge der bereits erwähnten Armut
seines Einzugsgebietes an bemerkenswerten Quellen zu den einen
großen Teil des Jahres trocken liegenden Rinnsalen. Die Zernovnica
ist als Abzugsrinne eines ziemlich quellenreichen Filyschgebietes
länger wasserführend ; in trockenen Zeiten kann der Stobre@ potok
aber auch von ihrer Seite auf keine Wasserzufuhr rechnen und wird
dann ganz durch die von seiner eigenen Quelle noch gelieferte
Wassermenge gespeist. Auf der Strecke zwischen dem Durchbruche
durch den Kamm der Sridivica und der Einmündung der Zernovnica
schäumt der Stobrecbach durch ein in Kalktuffelsen eingeschnittenes
enges und tiefes Bett. Der Bach hat hier wohl ehe die Durchsägung
des Sridivicakammes erreicht war, einen Wasserfall gebildet. Nach
dem Durchbruche durch die Küstenkette, nicht weit unterhalb der
Einmündung der Zernovnica, tritt der Stobre£bach in eine von seinen
Aufschüttungen gebildete kleine Ebene ein. Er tritt hier noch in
Wechselbeziehung zu Grundwasser und mündet dann im Fond der
halbkreisförmigen Bucht von Stobrei, welche am Zusammentritte der
dinarisch streichenden Küste der Poljica mit der Südküste der
Spalatiner Halbinsel eingreift. Von den beiden Hauptrinnsalen, welche
diese Halbinsel gegen Ost entwässern, fließt der Torrente Trstenik
noch dem Stobre& potok zu, während sich der Torrente ispod kita
schon in die genannte Bucht ergießt.
32*
Y44 Dr. Fritz v. Kerner. [100]
Die Quellen des untersten Cetinatales.
Die Cetina biegt bei ihrem Durchbruche durch das Küstenland
zwischen den Spaltentälern und der Küstenzone so weit gegen Osten
aus, daß ihr daselbst in dieser mehrfach über die Kartenränder
hinausgreifenden krenologischen Beschreibung des Spalatiner Blattes
nicht mehr gefolgt sei. Auch der größte Teil ihres wieder mehr gegen
West sich wendenden Unterlaufes liegt wie der obere Teil ihres
Oberlaufes zu weit außerhalb der Grenzen des genannten Blattes, als
daß sich seine Einbeziehung durch die Gründe der bisher verfügten
Grenzüberschreitungen rechtfertigen ließe. Nur des Uebertrittes der
Cetina aus dem Karstland in das Flyschgebiet sei ob seines besonderen
hydrologischen Interesses kurz gedacht. Die Cetina bildet dort den
hohen Wasserfall der Gubavica und das letzte Stück ihres Laufes
vor diesem tiefen Sturze stellt eine Flußstrecke dar, die im Lichte
der Grund’schen Hypothese betrachtet, hoch über dem supponierten
Karstwasserspiegel fließt, da dieser keine so plötzliche Senkung wie
der Flußspiegel erfahren kann. Es ist anzunehmen, daß "die Cetina
schon flußaufwärts von ihrem großen Falle Wasser in die Tiefe
. verliert; man darf aber auch vermuten, daß ihr Bett einigermaßen
abgedichtet ist, da sie inihrem Oberlaufe auch lehmige Verwitterungs-
produkte zugeführt erhält, die bei der Feinheit ihres Kornes wohl
einer teilweisen Verfrachtung bis an das Ende des Flußmittellaufes
fähig sind.
Die Mündungsregion der Cetina kann wieder insofern in dieser
Abhandlung noch einbezogen werden, als wenigstens der Oberlauf
eines der beiden Bäche, welche die Cetina noch kurz vor ihrer
Mündung rechts aufnimmt, in den Bereich des Spalatiner Blattes
fällt. Es ist dies der Smovo potok, welcher das Längstal zwischen dem
Ostmosor und dessen südwestlicher Vorkette durchfließt. Als zur
Wurzelregion dieses Talzuges gehörig ist auch noch die Osthälfte der
‘dolomitischen Gebirgsstufe des Mittelmosor anzusehen, in deren
Westhälfte das früher genannte Hochtal von Zagradje eingetieft ist.
Jenseits des Riegels, welcher dieses Tal abschließt, folgen zwei
gleichfalls durch einen kleinen Querrücken getrennte, gegen Süd sich
öffnende Hochmulden. Auf der Westseite der ersteren Mulde finden
sich zahlreiche Stellen, wo nach reichlichen Niederschlägen Wasser
austritt, das durch die Verwitterungsschichten des cenomanen Dolo-
mites bis zu dessen frischen Gesteinslagen einzudringen vermochte.
Zwei solcher Stellen trifft man in dem mittleren Teile des westlichen
Muldenhanges. Ein Quellchen liegt am oberen Rande des Gewirres
von bizarren Felsklippen, welches sich am Ostfuße dieses Hanges
ausbreitet. Zwei andere Stellen, wo nach vorausgegangenen Regen-
tagen Wasser hervorsprudelt, sind nordwärts vom eben genannten
Klippengewirre nahe dem Muldenboden gelegen. Zwei weitere Quell-
chen zeigen sich höher oben am Nordwestabhang der Mulde.
Auf der Nordseite derselben befinden sich an der Grenze des
Dolomites gegen den Kalk zwei Quellen, welche im Gegensatze zu
den vorgenannten auch nach längerer regenfreier Zeit noch fließen.
Die Quelle Novak ist ein tiefes, künstlich erweitertes Quellbecken
en a no.
1 01] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 945
von etwa 1 m im Gevierte. In der nassen Jahreszeit ist dasselbe mit
klarem Wasser ganz gefüllt und letzteres fließt am Beckenrande über.
In der Trockenzeit liegt der Wasserspiegel in dem Becken merklich
tiefer und es spielt dann bei dem Verharren desselben in gleicher
Höhe wohl auch die Verdunstung eine Rolle. Die Quelle Ljubae ist
die schönste und interessanteste der ganzen Dolomitregion. Sie ist
zugleich — abgesehen von der den Namen Quelle nicht ganz ver-
dienenden Quelle Traposnik im Ostmosor — die höchstgelegene
Quelle der ganzen Mosor planina. (Nahe bei 900 m.)
Die Quelle, Ljubac zeigt ein tiefes längliches Quellbecken,
welches nach rückwärts in eine Felsnische eingreift und nach: vorn
zu durch eine schmale Barre abgeschlossen wird. Unter dieser befindet
sich ein kleines Becken, in welches das Wasser des vorhergenannten
durch eine in der schmalen Barre eingetiefte enge Spalte, bei großer
Wasserfülle wohl auch über die Barre einfließt. Von diesem kleinen
Becken gelangt das Wasser durch einen kurzen offenen Kanal in
eine ovale Wanne. Letztere entleert sich durch einen an ihrer vorderen
Schmalseite befindlichen Einschnitt in eine breite tiefe Rinne; bei
hohem Wasserstande fließt das Wasser auch über die rechte Längsseite
der Felswanne in eine sehr flache Rinne ab.
Die Quelle Ljubac ist die einzige dauernd fließende in der
Dolomitregion des Mosor. Allerdings schrumpft auch bei ihr die
Wasserführung zu Ende der Sommerszeit auf ein bescheidenes Maß
zusammen. Noch im Frühsommer sah ich hier das Wasser mächtig
aus dem Felsen sprudeln; im Herbste rieselte nur ein schwaches
Wässerchen hervor. Die einfachste Erklärung des Auftretens der eben
beschriebenen Quellen bestünde darin, daß sie Verbindungen von
Ueberfall- und absteigenden Schichtquellen darstellen, daß sie durch
Wassermengen gespeist. seien, welche sich auf der dolomitischen
Unterlage der Kalke der oberen Mosorstufe sammeln und über die
stark geneigte Basis der Kalke am Steilabfalle unterhalb dieser
Gebirgsstufe abfließen. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß die Ober-
fläche des Dolomites, welcher die flach wellig gelagerten Kalke der
oberen Mosorstufe unterteuft, selbst sehr uneben ist und einzelne
Mulden aufweist, welche zu größeren Ansammlungen von Wasser im
Geklüft der diese Mulden ausfüllenden Kalke Anlaß geben können.
An den tiefsten Stellen der Umrandung dieser Mulden wird dann
das Wasser überfließen, um in der mittleren Gebirgsstufe an der
Grenze des Kalkes gegen den Dolomit zutage zu treten. Diese Er-
klärung setzt voraus, daß in der Gegend der in Rede stehenden
Quellen die Berührungslinie der eben genannten beiden Gesteine
einer Schichtgrenze entspricht. Zu dieser Auffassung wird man beim
Anblicke jener Gegend auch geneigt sein. Bei der Quelle Novak
kommt nun aber das Wasser anscheinend von unten herauf und beim
Ljubac scheint es sich ebenso zu verhalten. Man kann darum doch
nicht annehmen, daß die beiden Quellen unmittelbar an einer steil
abfallenden Schichtgrenze zutage treten. Man möchte vielmehr zu der
Ansicht neigen, daß hier die Grenze zwischen Kalk und Dolomit doch
einer steilen Verwerfung von allerdings vielleicht nur mäßiger Sprung-
höhe entspricht und daß das aus der Höhe herabkommende Wasser
246 Dr. Fritz v. Kerner. [102]
an der undurchlässigen Wand des Hangendflügels der Verwerfung
aufgestaut wird. Die Orte des Wasseraustrittes entsprächen dann den
tiefsten Punkten der Schnittlinie der Verwerfungsfläche mit dem
Abhange oder solchen Stellen, wo die Verwerfung durch einen kleinen
Querbruch abgeschnitten wird.
Die Wassertemperaturen, welche ich um Mitte Oktober 1902
in der Hochmulde östlich vom Zagradjetale abgelesen habe, sprachen
sehr zugunsten der aus dem geognostischen Befunde gefolgerten
Entstehungsart der dort getroffenen Quellen, nur betreffs der Novak-
quelle ergab sich keine klare Relation. Von den Wasseraustritten
innerhalb des Dolomitgebietes zeigten jene am Nordwesthange der
Mulde 14°62° und 15'28%, jene am Westhange 13'08°% und 16°38°,
die beiden Quellchen nordwärts vom erwähnten Klippengewirre
14°50° und 14'600 und das Quellchen oberhalb jener Klippen 14'820. Der
Ljubac hatte dagegen nur 10°56°%, die Quelle Novak aber 14'209.
Die großen Wärmeunterschiede der Quellen im Dolomite wiesen auf
sehr ungleich tiefes Eindringen und auf verschieden lange Bewegung
des Wassers im verwitterten Dolomite hin; die vergleichsweise
niedrige Temperatur des Ljubac sprach für ein tief im Gestein
gelegenes Sammelgebiet des Wassers. Die relativ hohe Wärme, welche
die Novakquelle zeigte, schien aber mit der Annahme einer ähnlichen
Entstehungsweise wie jener des Ljubae insofern vereinbar, als die
morphologischen Verhältnisse der Novakquelle ein Zufließen von
Regenwasser möglich erscheinen lassen, was in Dalmatien um die
Herbstmitte noch zur Erhöhung der Temperatur eines Quellbeckens
führen mag. Bei meinem Besuche der Dolomitregion des Mosor kurz vor
dem Ende der langen sommerlichen Trockenzeit des Jahres 1903
war bei der Novakquelle eine Temperatur von 15'60, bei der Ljubac-
quelle eine solche von 12'460 anzutreffen. Diesmal war die viel
höhere Temperatur der ersteren Quelle wohl dadurch bedingt, daß
es sich nunmehr um stehendes, nur von unten her sich schwach
erneuerndes Wasser handelte, während die Messung des Ljubac auch
diesmal noch bewegtes, wenn auch nur schwach rieselndes Wasser
betraf. Einen Maßstab dafür, wie sich stehendes Wasser in besonnten
Becken im Sommer trotz der stärkeren Verdunstung noch erwärmen
mag, bot der Umstand, daß das mittlere Becken des Ljubac schon
um 044°, das untere um 0:92° wärmer war als das obere, obwohl
hier noch eine merkliche Wassererneuerung stattfand.
Der östlich von der jetzt beschriebenen Quellenmulde gelegene
Muldenboden ist gleichfalls der Sammelort von Wässern, welche in
die ihn umgebenden Dolomitgehänge oberflächlich eindringen. Nach
dem erwähnten Regen brach hier außer vielen kleineren Wasseradern
an einer Stelle ein mächtiger Quell hervor. Zu Ende der sommer-
lichen Dürreperiode war diese zweite Mulde gänzlich wasserlos und
nur eine große Zahl von ausgetrockneten Schlammstreifen auf den
Dolomitfelsflächen sichtbar.
Der Smovobach entwickelt sich tief unterhalb dieses Mulden-
bodens auf der unteren Terrasse des Mittelmosor, deren Rand sich
in jener Gegend zu einer Vorkette des Gebirges aufwölbt. Diese Kette
entspricht einem Faltenzuge aus Kalkkonglomerat; der in der süd-
[103] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 247
östlichen Fortsetzung jener Terrasse liegende Geländestreifen baut
sich aus einem zum Teile doppelten Gewölbe von Rudistenkalk auf,
das sowohl vom Konglomeratzuge als auch von dem Rudistenkalke
der Hauptkette des Ostmosor durch schmale Flyschzonen getrennt
wird. Der Smovobach folgt der südwestlichen dieser beiden Zonen;
der nordöstlichen entspricht das flache Tal von Dubrava und weiter
ostwärts der Taleinschnitt von Kocibue. Die auf der Spezialkarte
angegebene Quelle bei Sv. Klement oberhalb Sitno liegt in Mergel-
boden wenige Schritte nordwärts von dem Konglomeratfelsen, auf
welchem das Kirchlein steht. Das schwach getrübte Wasser des
kleinen Beckens zeigte im Oktober 15'28°%. In der mit Eluvien be-
deckten Flyschzone von Dubrava verzeichnet die genannte Karte
dicht bei den Hütten des Ortes auch zwei kleine Quellen. Eine dritte
entspringt oberhalb des Einganges in die Schlucht von San Arnerio,
welche das erwähnte Kreidekalkgewölbe quert und zur Talfurche des
Smovo potok hinabzieht.
Eine kurze Strecke oberhalb der Stelle, wo die Arnerioschlucht
das Smovotal erreicht, befindet sich am Fuße des rechtsseitigen
Gehänges eine Quelle. Sie kommt aus steil gestelltem Flyschsandstein
hervor, war zur Zeit meines nur einmaligen in Herbste erfolgten
Besuches jener Gegend versiegt und scheint nicht stark zu sein.
Eine andere Quelle entspringt eine Gehstunde talauswärts von der
vorigen gleichfalls am Fuße der Südwesthänge des Tales. Sie liegt
unterhalb der Kuppe Sutina, welche sich in dem das Smovotal zur
Rechten begleitenden Konglomeratrücken erhebt. Diese sehr schöne
Quelle zeigte die auch angesichts der nördlichen Lage relativ niedrige
Oktobertemperatur von 12'86°. Sie dürfte darum wohl in tieferen
Bodenschichten wurzeln als die früher erwähnte Quelle bei Tugari
am Nordfuße des Poljicakammes, die eine um zwei Grade höhere
Wärme aufwies. Die Flyschschichten fallen gleich oberhalb jener kühlen
Quelle im Smovotale 40° NNO.
In dem breiten Flyschgelände von Gata, welches nach dem
Untertauchen des links vom Smovobache hinstreichenden Kreidesattels
durch Verschmelzung der jenen Sattel flankierenden Flyschzonen zu
stande kommt, entspringen mehrere Quellen. Zwei derselben liegen
gleich jenseits des Querriegels, welcher die Sohle des unteren Smovo-
tales gegen Ost abschließt. Ueber ihre Struktur läßt sich nichts näheres
ermitteln, da sie ganz von Ackerland umgeben sind. Der bei einer
Gruppe von Pappeln austretende Quell zeigte bei einer Messung im
April 12:82°% im Oktober 14'04°. Die andere Quelle hatte 13'10° und
14'98%. Am oberen Rande der Flyschlehnen von Gata und dicht am
Fuße der Steilhänge von Rudistenkalk, die zum Raseljkapasse hinauf-
führen, befindet sich in einer ummauerten Höhlung eine Quelle, die
als Ueberfallquelle an der Oberkante der undurchlässigen Vorlage
des Kalkgebirges zu deuten ist. Sie wies bei einer im April erfolgten
Messung eine Temperatur von 11'250 auf.
Hoch oben im Gebirge, westwärts vom RaSeljkasattel, welcher
als Ostgrenze des Mosorkammes anzunehmen ist, befindet sich die
Quelle Traposnik. Dem östlichsten Abschnitte des Mosorgrates liegt
im Süden ein Felskamm vor, welcher mit jenem Grate durch einen
D48 Dr. Fritz v. Kerner. [104]
Querriegel verbunden ist. In der östlich von diesem Riegel gelegenen,
an Höhlen und Trichtern reichen Hochmulde trifft man sehr viel
Moosrasen zwischen den Felsen, ein Zeichen verminderter Durch-
lässigkeit des Kalkterrains. Anzeichen einer Dolomiteinlagerung sind
aber nicht vorhanden. Am wüsten Felshang, welcher sieh von dieser
feuchten Mulde zum Hauptkamme hinaufzieht, befindet sich die Quelle
Traposnik. Sie gehört in die Gruppe jener schwachen Ausläufe von
oberflächlich eingedrungenen Niederschlägen, von denen mehrere
schon von der Nordflanke des Mosor beschrieben wurden. Man sieht
in einer niedrigen Höhlung ein paar kleine Wasserbecken, die sich
in schmale, tief eingeschnittene Rinnen fortsetzen und ein Wasserbecken
außerhalb der Höhlung. In der Umgebung dieser Becken gewahrt man
einige mit Schlammstreifen überzogene Felsflächen und eine feuchte Kluft.
Zur Zeit meines*Besuches, im Frühlinge, waren die kleinen Becken
mit Wasser erfüllt und die Schlammstreifen noch naß. Dagegen war
in den Abflußrinnen der Becken kein rieselndes Wasser zu sehen
und nur in der Höhlung ein Abtropfen von Wasser hörbar. Im inneren
Becken hatte das Wasser eine Temperatur von 612°. Die Felsen
unterhalb der wasserführenden Höhlung sind stark zerklüftet; der
Boden der kleinen Becken wird durch eine nicht zerklüftete Bank
eines sehr festen Breccienkalkes gebildet. Handelt es sich bei der
Quelle Traposnik auch nur um eine spärliche Wasserführung, so jst
es doch schon merkwürdig genug, daß in so großer Nähe der Kamm-
linie des Mosor überhaupt noch eine Andeutung von Quellbildung
angetroffen werden kann.
Der Smovo potok, in seinem unteren Teile auch Velika studena
genannt, durchbricht nach längerem Laufe im Streichen einer eng zusam-
mengepreßten Flyschmulde den dieser Mulde meerwärts folgenden Sattel,
und zwar zunächst die aus Plattenkalk und Foraminiferenkalk beste-
henden Mantelschichten desselben in schiefer Richtung und dann in
einer tief eingeschnittenen @uerschlucht den konglomeratischen
Faltenkern. Die Sohle dieser Schlucht liegt hoch über dem Talboden
der Cetina, so daß der Smovobach unter Bildung eines Wasserfalles
das Cetinatal erreicht. Der Umstand, daß das Smovotal einem nur
schmalen, zwischen Kalksätteln eingeklemmten Flyschzuge folgt, an
dessen Aufbau Sandsteine einen großen Anteil nehmen, bringt es mit
sich, daß in ihm das (Quellenphänomen nur wenig zur Entfaltung
kommt und auch die oberflächliche Entwässerung eine ziemlich spär-
liche bleibt. Der Smovo potok zählt so zu den einen großen Teil
des Jahres hindurch trocken liegenden Rinnsalen unseres Gebietes.
Dagegen herrscht im Bilatale, dem vierten der Längstäler auf der
Meerseite des Mosor, ein oberflächlicher Abfluß der Niederschläge
vor, da es in Flyschmergeln ohne größere kalkige Einschaltungen, die
die Quellbildung fördern würden, liegt. Dieses Tal, welches den süd-
östlichen Teil der zwischen den Vorhöhen des Mosor und der Küsten-
kette gelegenen Muldenzone einnimmt, liegt schon ganz außerhalb des
Spalatiner Blattes und sei hier nur im Anschlusse an die anderen
Mosortäler kurz erwähnt. Das Bett des Bilabaches entwickelt sich
südostwärts von der Bodenschwelle von Tugari aus einer Anzahl
größerer Wasserrisse und zwängt sich dann durch eine enge, zwischen
Zu
[105] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 249
Kalkbreceien und Rudistenkalken eingeschnittene Schlucht hindurch,
um die Cetina nahe vor ihrer Mündung zu erreichen. Zwischen dem
Smovo- und Bilabache empfängt die Cetina noch ein Rinnsal, das aus
einem kurzen, aber breiten in Flyschschichten eingesenkten Tälchen
kommt. Dicht neben der am Knie der Cetina hinter Almissa statt-
findenden Einmündung des Rinnsales befindet sich eine Quelle, die
— schon im Meeresniveau gelegen — bei einer Anordnung der
Quellen am Südostende des Mosor nach ihrer Seehöhe als basales
Endglied in Betracht kommt. Sie zeigte bei einer Messung im Früh-
linge 13'78°, bei einer solchen im Herbste 14°40°.
Hydrologische Verhältnisse.
Niederschläge.
Durch eine längere Reihe von Jahren fortgesetzte Beobachtungen
der täglichen Niederschlagsmengen liegen nur von den zwei Hauptorten
des Gebietes, Sinj und Spalato, vor. Von Prüfungen dieser beiden
Reihen auf ihre Homogenität, wie sie einer hydrometeorologischen
Untersuchung vorauszugehen hätten, kann hier abgesehen werden,
wo es sich nur um einen flüchtigen Hinweis auf die Regenverhältnisse
handelt. In Spalato wurden an zwei Orten Messungen vorgenommen
und so — wie an einigen anderen Orten in Dalmatien — die stets
erwünschte Möglichkeit verschafft, die Angaben zweier in geringer
Entfernung aufgestellter Ombrometer zu vergleichen. Sonst liegen
noch mehrjährige Messungsreihen von Clissa und Mut vor, an deren
Erwähnung noch diejenige der Messungen in Vaganj und Prolog
angeschlossen werden kann, obwohl letztere beiden Orte schon außer-
halb unserer Karte liegen.
Dieses Beobachtungsmaterial reicht nur dazu aus, über die
Regenmengen im großen und ganzen und über die Aenderung der
jährlichen Regenverteilung von der Küste gegen das Landinnere hin
ein Bild zu bieten. Zu einem näheren Einblicke in die vielgestaltigen,
für die Quellenkunde wichtigen Beziehungen zwischen Niederschlag und
Bodenrelief ist es ganz unzureichend. Um einen solchen Einblick zu
gewinnen, müßte man bei der Mannigfaltigkeit der Geländeformen
unseres (Gebietes über ein so engmaschiges Netz von Ombrometer-
stationen verfügen, wie es im Rahmen der derzeitigen Organisationen
sar nicht Platz finden könnte und eine besondere Ausgestaltung des
Beob achtungsdienstes erheischen würde.
Es winkte aber einmal die Möglichkeit, durch Errichtung einer
Anzahl von Stationen in einem kleinen Gebietsteile mit der genauen
Ermittlung der genannten Beziehungen wenigstens einen schönen
Anfang zu machen. Es handelte sich um das Gebiet des Mosor und es
erschien da eine solche Stationswahl passend, daß »ein Regenprofil
quer durch dieses Gebirge zu erhalten war. Ich schlug folgende
Stationen als Vertreter nachstehender orographischer Lagen vor:
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 33
250 Dr. Fritz v. Kerner. [106]
Krilor aaa Küste.
Jezenice ..... Küstenkette.
Srinjne® mes we Tal hinter der Küstenkette und
SW-Fuß des Hauptgebirges.
Dubraa mc. SW-Hang des Hauptgebirges.
Ljuti kamen . . . Hauptgebirgskamm.
Dolae dolnje ... . NO-Fuß des Hauptgebirges.
Abgesehen von der Gesamtreihe versprachen hier auch schon
die meisten Kombinationen je zweier Reihenglieder zu interessanten
Vergleichen Gelegenheit zu bieten. Das Hydrographische Zentral-
bureau war in der liebenswürdigsten Weise bereit, die erforderlichen
Ombrometer beizustellen, Anleitungen zu geben und die Sache unter
seine Obhut zu nehmen. Was den Ljuti kamen anbelangt, so war
gedacht, diese Station allmonatlich oder wenigstens jeden zweiten
Monat abwechselnd von Dubrava und Dolac aus besuchen zu lassen,
um so vierzehntägige oder wenigstens monatliche Regenmengen
erhalten zu können. Natürlich hätte es da eines besonders gebauten
und unter besonderen Vorsichtsmaßregeln aufzustellenden In-
strumentes bedurft, um auch für die Wintermonate brauchbare Werte
der Niederschlagshöhe zu erlangen.
Leider entsprach in dieser Sache der Erfolg den gehegten
großen Erwartungen nicht. Nur Dubrava ist in die Reihe der dalma-
tischen Regenstationen des hydrographischen Zentralbureaus eingetreten
und verzeichnete im Jahre 1912 das achte Jahr seines Bestandes als
solche Station. Von Krilo, Jezenice und Dolac sind nur ein einziges-
mal, im Jahrgange 1905 des Jahrbuches des genannten Instituts,
Regensummen für die Monate Juni bis Dezember mitgeteilt worden.
In Srinjine kam es gar nicht zur Errichtung einer Station und noch
viel weniger wurde an eine Verwirklichung des Beobachtungsplanes
geschritten, welcher betreffs des Ljuti kamen ausgedacht worden war.
Durch den Wegfall der Stationen Srinjine und Ljuti kamen wäre
das Regenprofil allerdings schon von vornherein dazu verurteilt worden,
ein Torso ohne Fuß und Kopf zu bleiben, so daß das unerwartet
rasche Versagen von dreien der anderen vier Stationen leichter ver-
schmerzt werden konnte.
Ich zweifle nicht, daß in bezug auf fortgesetzte Wiederholung
von Bergbesteigungen zum Zwecke meteorologischer Messungen jene
berühmte Rekordleistung unerreicht bleibt, auf welche ein Physiker
meiner tirolischen Vaterstadt stolz sein kann; ich hatte aber an die
Expeditionen gedacht, welche zur Kontrolle der selbstregistrierenden
Instrumente auf der sogen. Mont Blanc-Station und auf der Gipfel-
station des Misti unternommen wurden. Es kann zugestanden werden,
daß der Ljuti kamen weder von der See- noch von der Landseite
her auf wohlgepflegten Promenadewegen zu erreichen ist und es sei
zugegeben, daß auf den Höhen des Mosor zur Winterszeit sehr un-
freundliches Wetter herrschen kann; aber die Mühen einer Besteigung
des Ljuti kamen im Winter sind doch sehr gering zu nennen im
Vergleiche zu den großen Anstrengungen, Schwierigkeiten und Gefahren,
[107] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 251
die wegen der dünnen Luft und wegen der so berüchtigten hochandinen
Witterungsverhältnisse (ich bekam davon bei einem Schneesturme,
der mich bei einer Popokatepetlbesteigung eine halbe Stunde oberhalb
der „las cruzes“ überraschte, eine Vorstellung) eine Mistibesteigung
zu allen Jahreszeiten verursacht. Es war aber leider eine Utopie,
Dalmatinern einen kleinen Bruchteil solcher Opfer für die meteoro-
logische Wissenschaft zuzumuten, wie sie von peruanischen Indianern
gebracht wurden.
Allem Anscheine nach wird man im dalmatinischen Karste auf
eine genauere Kenntnis der Beziehungen zwischen Niederschlag und
Relief noch lange warten müssen. Um aus der Fülle der sich hier
aufdrängenden Fragen nur eine herauszugreifen: Welches ist wohl die
nässeste und welches die trockenste Exposition? Da der Seirocco
meist als SO-Wind weht, dürften die Meer- und Landseiten der
dinarisch streichenden Ketten keine großen Unterschiede der Regen-
mengen aufweisen und betreffis der Wirkung des Seirocco auf die
Niederschlagshöhe würden so die erwähnten Mosorstationen keine
Kontraste gezeigt haben. Zu einem Vergleiche der Regenmengen im
Luv und Lee des Scirocco wären innerhalb unserer Karte Ombro-
meterstationen auf der SÖ-Seite der Visoka und NW-Seite der
Visosnica dienlich.
Die Mittelwerte der in Spalato von 1890—1910 gemessenen
monatlichen Regenmengen und die in diesem Zeitraume beobachteten
srößten und kleinsten Monatssummen des Regenfalles sind:
I|e|mlajmja|sjal|s]|o
Medium ....! 76| .66| 81| 86| 66| 56| 26| 44| 73|120|113| 94
Maximum . . . . ||170 | 146 | 187 |283 |197 138 | 721159 | 296 | 282 | 397 | 169
Minimum . ... 6 0 7| 10 2 Er 7@, «2 7615| 15| 20
Die entsprechenden Werte für Sinj für den Zeitraum von 1896
bis 1910 sind:
a.|m.\.\2.|a|slo "|. |
Medium . | 76| 95/119/102| 98] 89| 49| 65/111 1,153| 138153
Maximum . . . . 205 | 182 228 250 225 |209| 89| 131 |325 | 256 | 342 | 244
37
Karsum rs en L216|..19| 25), 921232. 10 6| 14
| .
Die Regenmessungen in Clissa umfassen nur die Jahrgänge
1897—1905, jene zu Mu& fallen in die Zeit zwischen 1897 und 1910,
umfassen aber nur acht vollständige Jahrgänge. Die Mittelwerte und
besonders die Extreme sind bei solcher Kürze der Beobachtungszeit
noch von beschränkter Bedeutung. Sie seien aber bei der Spärlichkeit
der aus dem Kartengebiete veröffentlichten Messungen doch an-
geführt.
33*
959 Dr. Fritz v. Kerner. [108]
Clissa:
BARZESE: M. | .|2|a &.|o.|.|D
| |
|
| Medium ....| 73) 97|115| 69| 92| 66) 35| 40 118 | 149 120 | 119
Maximum . . . . [185 |187|163| 97|216|137| 88|159 |316 |259 334 | 244
Minimum . .... .| 15| 20| 31| 15| 31| 299| 4| 4| 8| 59| 1383| 2
Mu&:
Medium ....|134|124|130)113|128| s3| 70| 36| 101129 | 163 | 171
Maximum . . . . 1262 |265 |269 | 291 | 304 | 116 | 153 | 102 | 196 | 286 | 439 | 308
Minimum; . :...,| 68: :3411,.23:| .42|.33 2 35 0| 131 57.1.3221734
Die Messungen zu Dubrava umfassen — soweit sie publiziert
sind — eine noch zu geringe Zahl von Jahren, als daß sie zur
Bildung von Mittelwerten benützt werden könnten. Dagegen seien hier
noch die ombrometrischen Ergebnisse der schon jenseits der Karten-
grenze liegenden Stationen Vaganj und Prolog angereiht, da sie sich
auf den gleichen Zeitraum wie jene von Sinj beziehen (Vaganj
1897 — 1910, Prolog 1896 —1910) und so mit diesen gut vergleich-
bar sind.
Vaganj:
| J. | F. | M. E M. a|s 0. [o.|=. N. |D.
n |
IMedium .. . . /112 148 159 155 142 | 133 83 | 147 | 216 | 180 | 206
Maximum . . . . 208 |343 | 240 | 419 | 284 | 250 e 217 | 519 | 425 | 457 | 595
Minimum . ..... || 48| 52) 9186| 19] 80) 20| .19| 27| 751.22 49|
Prolog:
Medium .. . 1121| 136 | 161146 | 1281107 | 62| 80| 126) 195 | 184 | 210
Maximum . . . . 280 |259 | 265 334 | 271 |229 | 101 | 192 | 375 | 330 | 388 | 408
Minimums „22.% 5| 43) 21| 59| 27| 37 | 30 16 21] 86| 25| 51
In Prozenten der Jahressumme ausgedrückt, nehmen die voran-
geführten mittleren monatlichen Regenmengen folgende Werte an:
Spalato .
Clissa. . .
Mu&
Sinj
Vaganj
Prolog
Die gut vergleichbaren Werte der drei letztgenannten Stationen
weichen nur in wenigen Monaten um mehr als 1°/, voneinander ab.
m
[109] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 253
Die Werte für Clissa und Mu“ lassen sich aber nur mit den aus
denselben Jahrgängen abgeleiteten Werten für Spalato und Sinj
vergleichen, was im folgenden geschehen soll.
des BE UM. A: ME dA | REDET
197 VER SEREE 6'7| 89 110°5 | 63 | 8°4 | 6°0| 32 | 57 110°8 |113°6 |11°0 110°9
Spalato 77\ 83/105 | 7°5| 85| 6°5 | 2:7 | 40 |10°0 1132 112°5 | 86
Mu€ 97) 90| 94| 82| 93| 60| 51| 26| 73| 931118 123
Sinj 76| 78| 90| 85| 90| 74| 43| 43| 88| 9-9 |11'1 1123
Hier sind die Differenzen kleiner und übersteigen nur in je
einem Monate 2°/,. Wenn man die für die vier Stationen mit mehr
als zwölfjähriger Beobachtungsdauer gefundenen Werte auf Monate
von gleicher Länge reduziert, so ergeben sich nachstehende Bilder
der jährlichen Niederschlagsperiode. Dieselben sind befriedigend genau,
da die Fehler, welche durch die schwankende Länge des Februar
entstehen, wenn man die aus den mittleren Monatssummen einer
ganzen Beobachtungsperiode sich ergebenden relativen Regenmengen
reduziert, anstatt das Mittel aus den auf gleiche Monatslänge redu-
zierten relativen Regenmengen der einzelnen Jahrgänge zu nehmen,
noch nicht die erste Dezimale fälschen.
4.|m.|r.|s.|&|s.|o|n|»
|
| Spalato . 96\ 7263| 28| #8| 82 130 197103
Sinj \ 83 7s| r2|38| 51| 90 120 113 |120
Vagany . %0| 80) 77|39| 46| 85 120 104 115
Prolog | 89| 76| 66| 36| 47 | 77 116 113 [12-4
| |
Bei der großen Veränderlichkeit der Regenverhältnisse in Ueber-
gangsgebieten stellen die vorstehenden Zahlen noch keinesfalls
Normalwerte der relativen Niederschlagsmengen dar. Als wahrschein-
lich kann der Eintritt des Hauptminimums im Juli und der des zweiten
Minimums im Jänner gelten. Ersteres zeigt von der Küste gegen die
Spaltentäler hin eine nur ganz schwache Abflachung, letzteres in
derselben Richtung eine um ein geringes deutlichere Verschärfung.
Die Normalgestalt der den beiden Regenzeiten entsprechenden
Wellenberge ließe sich erst aus einer sehr langjährigen Beobachtungs-
reihe erkennen. Die vorliegenden Messungen scheinen darauf hinzu-
deuten, daß diese Wellenberge am dinarischen Rücken auffällig
abgestutzt, an der Küste mehr zugerundet sind, indem sich dort für
die Monate Februar bis April fast gleich hohe Werte der relativen
Regenmenge ergeben und für den November sogar eine kleinere
Regenmenge als wie für seine Nachbarmonate ergibt, während in
Spalato der Februar noch um ein merkliches regenärmer als der
April und der Dezember schon viel weniger regenreich als der
254 Dr. Fritz v. Kerner. [110]
November ist. Eine nähere Analyse läßt erkennen, daß sowohl die
zweite als auch die Hauptregenzeit aus der Verschmelzung je zweier
Wellenberge hervorgehen. In allen vier Stationen fielen in ungefähr
zwei Dritteilen der Beobachtungsjahre auf die durch die zwei
Minima getrennten Zeitabschnitte je zwei Maxima der relativen
Regenmenge.
Das zweite Maximum der ersten Jahreshälfte, welches in der
Mittelkurve als eine sehr deutlich ausgesprochene Stufe in Erscheinung
tritt, entspricht dem Ausklingen des aus den benachbarten Gebieten
mit kontinentaler Regenverteilung hereinreichenden Frühsommermaxi-
mums. Für die Wasserführung der Quellen ist der genetische Unter-
schied zwischen dem ersten und zweiten Scheitel der Regenzeit des
ersten Halbjahres insofern wichtig, als die Regen des Vorfrühlings
mehr den Charakter von Landregen, jene des Vorsommers mehr den
von Gußregen haben und letztere in Gebieten mit verminderter
Durchlässigkeit zur Quellenspeisung weniger beitragen können.
Die in den Stationen des Landinneren auch in der Mittelkurve
angedeutete Spaltung der Hauptregenzeit könnte man damit in Be-
ziehung bringen, daß infolge der durch die Oktoberregen erzeugten
Poljenüberschwemmungen die bei der herrschenden Luftfeuchtigkeit
allerdings nicht große Verdunstung eine Zunahme erfährt und so --
da die Luftwärme gleichzeitig in Abnahme begriffen ist — gegen
Ende des Herbstes hin eine Steigerung der Kondensationsbedingungen
eintritt. Die Hauptursache der Herbstregen, die sich einstellende
zyklonale Luftdruckverteilung über der Adria ist aber in Dalmatien
gerade im November am stärksten ausgeprägt und dieser Umstand
muß wohl jeder Tendenz zur Spaltung des Herbstmaximums des
Regenfalles entgegenwirken. Es ist darum leicht möglich, daß es
sich bei dieser Andeutung von Spaltung in der Mittelkurve um eine
von der jeweiligen Beobachtungsperiode abhängige Erscheinung
handelt. |
Die aus den vorliegenden Beobachtungen sich ergebenden
Mittelwerte und Extreme der Jahressumme des Niederschlages sind:
Spalato
Clissa | Muc | Sinj Vaganj Prologsn
|
Medium 902 1093 1382 1249 1752 1656
Maximum 1445 1355 1639 !) 1698 2162 2016
Minimum. . .
| 676 838 984 696 1349 1378 |
In Prozenten des Mittelwertes ausgedrückt sind die vorstehenden
Extreme:
1360
55'7
1234
770
Maximum . | 1602
76°7 ZeD,
Minimum. . | 749
1240 118-6
1217 .;|
832
‘) Mit Ausschluß des für 1900 mitgeteilten ganz exzeptionellen Wertes
von 4676. aEgAR
[111] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 255
Die vorangeführten Werte lassen wegen der ungleichen Länge
der Beobachtungszeiträume keinen näheren Vergleich zu und können
über die in der Küstenregion, in den Aufbruchstälern und auf den
Bergen Mitteldalmatiens im Durchschnitte und im Mindestfalle zu
erwartenden jährlichen Regenmengen nur ein ganz ungefähres Bild
geben.
Man kann so in der Küstenzone im Durchschnitte beiläufig 1000,
in den Aufbruchstälern etwa 1300 und auf den höheren Gebirgen über
1700 mm Jahresniederschlag erwarten. Die absoluten Minima der
jährlichen Regenmenge dürften, da die Mindestwerte 16—21 jähriger
Reihen wenig unter 700 mm hinabgehen, bei etwa 500 mm liegen.
Ungefähr so groB mögen die absoluten Maxima der Monatssummen
des Regenfalles in den Gebirgen sein. Ein Vorkommen ganz regenloser
Monate weist die längste der vorliegenden Beobachtungsperioden
sowohl im Sommer als auch im Winter auf.
Es gilt, wie man sieht, auch für Mitteldalmatien, daß die viel-
beklagte Wasserarmut des Karstes von wesentlich anderer Art ist
als jene in den Wüsten. Die Menge des vom Himmel gespendeten
Wassers ist in den mediterranen Karstgebieten ziemlich groß und durch
entsprechend zahlreiche Anlagen von Zisternen und ‚Stauweihern ließe
sich jeder Wassernot vorbeugen. Es fehlt nur gänzlich eine auch nur
halbwegs gleichmäßige Verteilung der Quellen und der fließenden
Gewässer und es ist dort, wo in weitem Umkreise Quellen fehlen,
überaus schwierig, die in den Boden eingedrungenen und sich in
srößeren Tiefen sammelnden Wassermassen künstlich zu gewinnen.
In den Wüstengebieten sind dagegen die Regenmengen sehr gering
und ist durch Abfangung derselben vor ihrem Eindringen in den
Boden nur wenig Wasser zu gewinnen, dagegen der Versuch, aus
Nachbargebieten stammendes Wasser aus der Tiefe heraufzuholen,
manchmal (als nächstliegendes Beispiel pflegt man hier die Algerische
Sahara anzuführen) unschwer ausführbar und von großem Erfolge
gekrönt.
Wasserstände und Abflußmengen.
Tägliche Pegelmessungen finden im Dienste des hydrographischen
Zentralbureaus seit dem Jahre 1894 bei den Cetinabrücken von Han
und Trilj statt. Diese beiden Brücken liegen ziemlich genau an jenen
Stellen, wo das Sinjsko polje von der Üetina betreten und verlassen
wird; ein Vergleich der Messungen an den genannten beiden Orten
kann so Aufschlüsse über die Aenderung der Wasserstandsverhältnisse
innerhalb der genannten Flußebene liefern. Von den sonst noch längs
der Cetina errichteten Pegelstationen ist hier noch jene bei der
Brücke von Panj zu erwähnen, da sie nur soweit flußaufwärts von
der Nordgrenze des Blattes Sinj—Spalato gelegen ist, als diese Grenze
hier bei der Quellenbeschreibung überschritten wurde. Die Pegel-
messungen in Panj begannen aber erst im Juli 1905. Eine Betrachtung
der Pegelstände hat im oberen Cetinagebiete bei einer Erörterung
des Quellenphänomens mehr Bedeutung als in vielen anderen Fluß-
gebieten. Bis zum Eintritte der Cetina in das Sinjsko polje erfolgt
256 Dr. Fritz v. Kerner. 1112)
die Verstärkung des Abwassers ihrer Ursprungsquelle nur zum gering-
sten Teil durch Nebenflüßchen und zum allergrößten Teile auch
wieder durch Quellen. Die Schwankungen der Pegelstände erscheinen
hier so weniger als anderwärts durch die Verdunstung über der
Flußoberfläche beeinflußt und spiegeln mehr die Schwankungen der
Ergiebigkeit der großen Karstquellen des Gebietes wieder.
Am meisten mag dies wohl von den Wasserständen bei Panj
gelten, da die Cetina kurz oberhalb dieses Punktes durch die
Zasiokquellen, die Majdenquelle, die Crno vrelo und Peruca gewaltig
verstärkt wird und sich so noch bei Panj gleichsam wie das Abwasser
einer riesigen Karstquelle verhält. Auch bei Han zeigt sie nach
Aufnahme der mächtigen Ruminquellen wohl noch ein ähnliches Ver-
halten, wogegen die Pegelstände bei Trilj schon ausgesprochenen
Flußwasserständen entsprechen, da die Quellwässer von Ruda und
Grab, weiche die Cetina im Sinjsko Polje noch aufnimmt, erst in
größerer Entfernung von ihren Austrittsorten in die Cetina münden.
Die Durchschnittswerte und Extreme der bei Han und Trilj
beobachteten mittleren monatlichen Wasserstände im Zeitraume von
1894—1910 sind:
Han:
s.|*. na |a.| a. Il Ar | | Y
Medium ... 105 | 109 | 122 | 143 144| 92, 52| 37) 43| 85, 112/141
| Maximum . . . . |185 | 211 | 193222 225 1167 107| 53 142175 231 | 235
Minimum 53746 78 91 | 44| 31| 24| 24| 24| 30| 61
Trihj:
Medium su Re 703085 90 BZU EB DA 1 11ll 39| 691105
Maximum . . . .||134 |158|125 |154 |130| 103 | 45 301 97! 105 11711174
Minimum . Fear Aal 0 —10/—41 — 7/—1| 24
|
Um den jährlichen Gang der Wasserstände zu Han und Trilj
mit der Jahresperiode der Niederschläge zu Sinj und Vaganj zu ver-
gleichen, kann man erstere wie letztere in prozentualen Abweichungen
vom Jahresmittel darstellen, wobei die für die Niederschläge erhaltenen
Zahlenwerte sozusagen in Form pluviometrischer Exzesse ausgedrückte
pluviometrische Quotienten sind.
BABSRAESKER la| 8. o.| m. |»
Bm |
Han... .|+ 6410 - 71-056 1r 13149
Baht, EINER E 81 — 334 1814-79
Sin)... . . | 281— en 2— 51-151 53|— 38-- 7|-4as|t 33 48
|Vaganj . 21-234 24 9+ 1 - 3) 9-52—- 44 Fast 2a] a0
Ww
[113] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 257
Die Hauptverschiedenheiten im Verlaufe beider Phänomene
bestehen darin, daß die Kurve der Wasserstände bis zu Beginn des
Sommers eine viel höhere, in den zwei ersten Herbstmonaten eine
viel tiefere Lage einnimmt als wie jene der Niederschläge. Das
sekundäre Winterminimum bleibt bei den Wasserständen noch ungefähr
so hoch über dem Jahresmittel, als das sekundäre Frühlingsmaximum
beim Niederschlage über dieses Mittel emporsteigt. Im Oktober liegt
der Wasserstand noch tief unter dem Jahresmittel, die Regenmenge
hoch über demselben. Am meisten stimmt die Lage der Kurven beider
Phänomene im Juni überein. Das Frühlingsmaximum und Sommer-
minimum verspäten sich bei den Wasserständen um je einen Monat
gegen die entsprechenden Extreme des Regenfalles, das Wintermini-
mum dehnt sich beim Wasserstande über Jänner und Februar aus,
während es beim Regenfalle auf den ersteren Monat beschränkt bleibt.
Das Hauptmaximum drängt sich beim Wasserstande auf den Dezember
zusammen, während es sich beim Niederschlage über die drei
letzten Monate des Jahres erstreckt.
Im Verlaufe der Wasserstände vom Spätherbste bis zum Früh-
sommer. erkennt man die Summierung eines sich sehr langsam in
zunehmendem Maße geltend machenden Einflusses der Hauptregenzeit
und einer rascher sich einstellenden Wirkung des Winterminimums
und Frühlingsmaximums des Regenfalles. Die große Verspätung im
Eintritte des Herbsthochwassers nach den Herbstregen im Vergleiche
zur Verspätung des Frühlingsmaximums der Wasserstände gegenüber
dem entsprechenden Extrem der Niederschläge hängt mit der im
ersteren Falle bei höherer Temperatur stattfindenden stärkeren Ver-
dunstung im Zusammenhange. Die Schmalheit des spätherbstlichen
Zackens in der Kurve der Wasserstände im Vergleich zur Breite
des Wellenberges der Hauptregenzeit ist wohl so zu deuten, daß ein
nicht unbeträchtlicher Teil der einsickernden Niederschläge tief ins
Gebirge dringt und so zur Zeit, wann sich als Folge des Winter-
minimums des Regenfalles der oberflächliche Abfluß wieder mindert,
noch nicht zu den großen Quellsträngen gelangt ist. Die im Vergleich
zur relativ geringen Stärke der Frühjahrsregen auffallende Höhe des
Hochwassers im Frühling erscheint dann als eine sehr verspätete
Folge dieses tiefen Eindringens eines Teiles der Herbstniederschläge.
Zu Beginn des Sommers verausgaben sich dann aber die letzten
Reste der im Gebirgsinneren zur Aufspeicherung gelangten Wasser-
vorräte und da nun auch die Zu- und Nachfuhr neuer Wassermengen
rasch sinkt, tritt im Spätsommer Niedrigwasser ein.
Ein zahlenmäßiger Vergleich der Wasserstände mit den Nieder-
schlägen schließt sich aus, nicht deshalb, weil die ersteren Mittel-
werte, die letzteren aber Summen sind — dies würde, da ja auch
Monatsmittel nur durch die Zahl der Monatstage dividierte Monats-
summen sind, den Vergleich reduzierter Relativwerte nicht stören —,
sondern aus dem Grunde, weil die Pegelstände nicht arithmetisch,
sondern geometrisch proportional zu den Abflußmengen wachsen, und
zwar proportional einer Potenz der letzteren mit einem echten
Bruche als Exponenten.
Jahrbuch d. E.k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 1. Heft. (F. v. Kerner.) 34
258 . Dr. Fritz v. Kerner. [114]
Für Trilj läßt sich eine Umwandlung der Wasserstände in Ab-
flußmengen vornehmen, da dort für sechs verschiedene Pegelstände
die Tausendfachen der Sekundenliter bestimmt worden sind. Das
Jahrbuch 1907 des hydrographischen Zentralbüros enthält darüber
folgende Messungsresultate, von denen die ersten fünf von der
Direktion der Almissa-Werke, das letzte vom genannten Büro selbst
gewonnen wurden:
Wasserstand . 160 108 95 60 4 — 10
Abflußmenge . 312 149 124.....16.1, 2848 18:7
In roher Annäherung ist hiernach die das gefundene Minimum
übersteigende Abfiußmenge gleich dem Quadrat des um 1 vermehrten
zehnten Teiles des Pegelstandes, da sich in der einfachen Relation
M—=187 1“ (— a0 1).
für « der Wert 0':9987 ergibt, das quadratische Glied also keinen von
1 verschiedenen konstanten Faktor erhält.
Die aus dieser einfachen Relation sich ergebenden rohen Nähe-
rungswerte der obigen Abflußmengen sind:
3077 197,9 129-0 677 207 187
Von seiten des hydrographischen Zentralbüros wurde mit Hilfe
der oben angeführten Messungsresultate eine Kurve gezeichnet, um
die zu beliebigen Pegelständen gehörigen Abflußmengen graphisch zu
ermitteln. Ich zog es natürlich vor, den Weg der Rechnung zu be-
treten und fand, daß sich die Beobachtungen gut durch eine Gleichung
von der Form:
= 1814+0a(- + 1) +3 (+ 1)
wiedergeben lassen, wobei mir die Methode der kleinsten Quadrate
für « den Wert 7'746 und für 5 den Wert 000194 ergab.
Die mit Hilfe der Formel:
® R
M= 187 + 7746 (+1) + 0.0019 ke +4)
welche sich auch in der Form:
M = 2645 + 0775 P+194 x 10°? (P + 10)
schreiben läßt, berechneten Werte der obigen Abflußmengen und
Differenzen gegen die beobachteten Werte sind:
3124 1477 1237 215 295 18:7
+04 —13 —03 +14 +07 00.
Die Formel gibt demnach die Beobachtungen mit einem mittleren
Fehler < 1'0 und einem größten Fehler < 1'5 wieder, was als sehr
befriedigend bezeichnet werden kann. \
4
’
[115] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 959
Die Anordnung der Abweichungen ermöglicht es, an denselben
auf Grund der Relation:
A = 144 sin o,
wobei a vom Pegelstande Null an zu zählen ist und dem Pegelstande
160 der Wert x = 360° entspricht, noch eine Korrektion anzubringen,
durch welche die mittleren Fehler auf ein Drittel, die größten Fehler
auf die Hälfte der Einheit reduziert werden; doch erscheinen die
berechneten Werte auch schon ohne diese Verbesserung zum Ge-
brauche geeignet.
Man erhält so für nachstehende Pegelhöhen (P.) folgende Abfluß-
mengen (M.):
E
10 34'2 50 67°7 90 | 1156| 130 | 2017
20 421 60 775| 100 | 1323| 140 | 2331
30 50'2 70 886 | 110 | 151'9| 150 | 269-8
40 586 80 1012| 120 | 1748| 160 | 3124
Das Vorkommen eines von der vierten Potenz einer Variablen
abhängigen Gliedes läßt eine Verwendung der vorstehenden Formel
für Extrapolationen nur in sehr beschränktem Maße zu. Im Laufe
des bisherigen Beobachtungszeitraumes haben aber die Hochwässer
— ein einziges Jahr ausgenommen — den Pegelstand 160 erheblich,
in vier Jahren sogar sehr bedeutend überschritten. Die höchsten bisher
beobachteten Wasserstände waren:
275 (1908), 280 (1910), 287 (1901), 298 (1903).
Derart läßt sich für die größeren Hochwässer eine Umwandlung
der Pegelhöhen in Abflußmengen noch nicht in befriedigender Weise
vornehmen, solange nicht auch für einige sehr hohe Pegelwerte die
zugehörigen Abflußmengen gemessen sind und so die Grundlagen
für die Entwicklung einer weitreichenden Formel vorliegen.
Natürlich muß für die den Wert 160 weit übersteigenden
Pegelstände auch jede Ermittlung der Wassermengen durch graphische
. Extrapolation ein sehr fragwürdiges Ergebnis liefern.
Die Mittelwerte und Extreme der charakteristischen Wasserstände
zu Han und Trilj sind:
Han Trilj
Ariel Max. | Min. |Mittel| Max. | Min.
Tiefster Wasserstand . ..... 22 36 16 — 7 5 |—50
Höchster Wasserstand. .. ... 293 330 275 227 | 298 160
'Längstdauernder Wasserstand 40 55 25 40 | 105 5
34*
260 Dr. Fritz v. Kerner, [116]
Die Grenzen, innerhalb welcher die Wasserstände schwanken,
liegen demzufolge in Trilj erheblich weiter auseinander als in Han.
Wie von seiten des hydrographischen Zentralbüros zutreffend
bemerkt. wurde, läßt sich, im Cetinagebiete ein Vergleich zwischen
Niederschlag und Abfluß in absoluten Zahlenwerten nicht anstellen, da
es noch unbekannt ist, ein wie großer Teil des östlich vom westbos-
nischen Gebirgsbogen gelegenen Poljengebietes der Cetina tributär
ist und ein wie großer Teilbetrag des nicht verdunstenden Anteiles
der in diesem Gebiete und im Flußtale der Cetina selbst fallenden
Niederschläge nicht in diesen Fluß gelangt und auf unterirdischen
Wegen dem Meere zustrebt. Dagegen würde ein Vergleich der relativen
Regenmengen im oberen Cetinatale, im Livanjsko polje und im Busko
Blato mit den Relativwerten der Abflußmengen bei Trilj sehr interes-
sante Resultate zeitigen können. Ein solcher Vergleich würde aber
eine größere Arbeit für sich sein und kann hier, wo die hydrophysi-
kalischen Verhältnisse des Cetinagebietes nur im Anschlusse an eine
quellengeologische Beschreibung desselben kurz gestreift werden
sollen, nicht geboten werden.
Flußtemperaturen.
In Han und Trilj wurden zugleich mit den Pegelablesungen auch
fortlaufende Beobachtungen der Temperatur der Üetina angestellt.
Die Reihe der vollständigen oder nur kleine interpolierbare Lücken
aufweisenden Jahrgänge beginnt am ersteren Orte im Jahre 1899, am
letzteren mit dem Jahre 1903. Die Beobachtungen fanden nur einmal
täglich und in verschiedenen Jahren zu ungleichen Terminen statt.
Hierdurch wird, da auch Flüsse bei klarem Wetter eine nicht unbe-
deutende tägliche Temperaturschwankung aufweisen, die Verwertbarkeit
der angestellten Beobachtungen zu Vergleichen und Mittelbildungen
sehr eingeschränkt, da keine solchen Untersuchungen über den täg-
lichen Wärmegang der Cetina vorliegen, die für die Reduktion der
Thermometerablesungen auf denselben Termin als ausreichende
Grundlage in Betracht kämen.
Sofern nur die Gewinnung eines ungefähren Bildes der Verhältnisse
erstrebt wird, kann man immerhin zur Bildung von Mittelwerten und
zur Heraussuchung von Extremen schreiten. Im folgenden sind die
mittleren und extremen Monatsmittel der Flußtemperatur angeführt,
welche sich für den Zeitraum 1903—1910 ergeben. Die Beobachtungs-
stunde war zu Han in sechs von diesen acht Jahren 12 Uhr mittags,
zu Trilj gleichfalls in sechsen dieser Jahre 6 Uhr morgens. Die
Anführung der Extreme ist insofern zulässig, als die aperiodischen
Jahresschwankungen der Flußtemperatur die periodische Tagesamplitude
derselben übertreffen. Zu Trilj fiel keines der beobachteten höchsten
Monatsmittel auf jenen Jahrgang, in welchem die Ablesungen nicht
morgens, sondern mittags stattfanden und zu Han fielen nur drei der
zur Beobachtung gelangten tiefsten Monatsmittel auf jenes Jahr, in
welchem die Ablesungen nicht mittags, sondern um 9 Uhr vormittags
erfolgten.
[117] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 61
Meditm El aaa
Maximum . . . .|75| 82, 98| 111) 143| 16°3| 18:5! 18:0] 17°3| 15°6| 10-2] 8-8
Minimum . . . „|| 44) #5 | 7°0| 8-9| 10:9) 13-3 158) 15-4 143 111] 60] 5:9
|
Prulj
ei... 57| &0| #0! 96 | 12-6] 14-9) 16:5| 16-9 14-4 1983| 94 7-5
Maximum. - 63| 73) 89 110-5 | 14-8] 16:6| 17°7| 18-2) 16-7 15-1] 114 10-0
Ni 47| 27| 68, 8411-1132 14-6] 150) 13-0 102] 7-8) 62
- Aus diesen Monatsmitteln habe ich folgende Gleichungen des
jährlichen Temperaturganges berechnet:
Han:
y= 1144 + 483 sin (30 x + 255° 21°)
— 0:56 sin (60 x + 3570 27°)
— 0:17 sin (90 x —- 243° 26°)
Trilj:
y= 11:15 + 544 sin (30 x - 2540 35")
1 0:18 sin (60 x 4 430539)
‚+ 0:24 sin (90 x -- 2360 19)
Der Umstand, daß der Phasenwinkel des doppelten Sinusgliedes
in beiden Gleichungen so sehr verschieden ist, hängt wohl damit
zusammen, daß sich dieselben auf verschiedene Tagesstunden beziehen.
Die Phasenzeiten der Hauptwelle stimmen an beiden Orten nahezu
überein.
Für die Höhe und die Eintrittszeit der Extreme und für die
Termine des Mittelwertes im auf- und absteigenden Aste der Wärme-
kurve ergeben sich folgende Werte:
| Han Trilj
Maximum . ..... | 177. 1. August 172° „DB August
Minimum . . ... 5'3 24. Jänner 53 26. Jänner
Medium. . . : . | 3. Mai u. 27. Okt. | 1. Mai u. 27. Okt: |
Die höheren Werte des Jahresmittels und des Maximums der
Flußwasserwärme zu Han erklären sich leieht dadurch, daß sie sich
auf eine wärmere Tagesstunde beziehen als jene zu Trilj. Die für
gleiche Stunden der wärmeren Tageshälfte geltenden Mittelwerte und
Maxima wären wohl in der weiter flußabwärts gelegenen Station höher,
262 Dr. Fritz v. Kerner. [118]
Es ist von Interesse, die Abweichungen der Flußtemperatur bei
Han mit den gleichzeitigen Abweichungen der Lufttemperatur in Sinj
zu vergleichen, und zwar mit den Abweichungen der Tagesmittel der
Luftwärme, da wegen der Verschiebung des Maximums der Fluß-
temperatur auf den Beginn des Abends die Flußwasserwärme um die
Mittagsstunde dem Tagesmittel nahe stehen dürfte. Für den Vergleich
wurden die im Jahrbuche der Meteorologischen Zentralanstalt ange-
führten Temperaturwerte von Sinj benützt, welche von den im Jahr-
buche des Hydrographischen Zentralbüros mitgeteilten zum Teil um
einige Zehntel differieren.
Die durchschnittliche mittlere Abweichung der Monatsmittel vom
Gesamtmittel des in Betracht gezogenen achtjährigen Zeitraumes
betrug bei der Flußtemperatur + 0'90°, bei der Luftwärme + 123°,
Die Abweichung war bei der Flußtemperatur in 44°/, der Fälle, bei
der Luftwärme in 55°, der Fälle < 1'0°%. Der Vergleich ergab nun,
daß die Luft- und Flußwasserwärme in 72 von den verglichenen 96
Monaten, das ist in 75°, der Fälle, eine Abweichung im gleichen
Sinne zeigten. In 43 Monaten (44°/, der Fälle) wiesen die gleich-
sinnigen Abweichungen auch eine gewisse Größenähnlichkeit auf, indem
sie bei beiden Temperaturen kleiner oder größer als 1'0 waren.
Entgegengesetzte Abweichungen > 1'0 kamen dagegen nur in 3%
der Fälle vor. Die 72 gleichsinnigen Abweichungen waren in folgender
Weise auf die verschiedenen Monate verteilt:
J A. |M.|J 3,1, ER SE
-]
| | 2a
ZEIEZE s|5 6 |
|
Die größere Häufigkeit der Uebereinstimmung in den extremen
Jahreszeiten könnte dahin gedeutet werden, daß die in denselben sich
öfter einstellenden Ursachen größerer thermischer Anomalien: lang-
dauernde Ausstrahlung und Besonnung, auch die Wassertemperaturen
entsprechend stark beeinflussen, während die in den Uebergangsjahres-
zeiten als Ursachen größerer Abweichungen der Luftwärme mehr in
Betracht kommenden Winde auf die Flußtemperaturen eine geringere
Wirkung ausüben. Allerdings sollte dann gerade im mittleren Winter-
monate die Uebereinstimmung eine große sein.
Die beobachteten Flußtemperaturen lassen sich betreffs ihrer
Abweichungen vom Mittel nicht genau vergleichen, da bei manchen
Witterungstypen für verschiedene Tagesstunden eine Tendenz zu
Abweichungen nach verschiedener Richtung hin besteht. Beim durch-
schnittlichen täglichen Bewölkungsgange der wärmeren Jahreshälfte
neigen allerdings sowohl die Morgen- als auch die Mittags- und Nach-
mittagstemperaturen des Flußwassers — erstere wegen unbehinderter
Ausstrahlung, letztere wegen verminderter Besonnung — zu einer
Depression unter das Gesamtmittel. Die Zahl der Monate, in welchen
innerhalb acht Jahren zu Han und Trilj die Flußtemperaturen im
selben Sinne abwichen, war 71, die Zahl der Fälle, in welchen die.
[1 19] Quellengeologie von Mitteldalmatiien. 263
ad
Abweichungen der Monatsmittel an beiden Orten kleiner oder größer
als 1'0 waren, betrug 36.
Die jährliche Verteilung der gleichsinnigen Abweichungen war
eine ziemlich gleichmäßige, wie sich aus folgendem ergibt:
| |
Guy a | 6 | 6
BR
Ueber die tägliche Temperaturschwankung der Cetina bei Trilj
habe ich zwei Messungsreihen gewonnen. Leider waren die mir hierfür
zur Verfügung gestandenen Tage, die beiden Pfingstfeiertage des
Frühlings 1905, in welchem ich mich zwecks der geologischen
Detailaufnahme der südlichen Umrandung des Sinjsko polje in Trilj
aufhielt, ziemlich trüb, so daß sehr abgeflachte Temperaturwellen zur
Beobachtung gelangten. In erster Linie ist es aber bei der Tages-
schwankung der Flußwasserwärme von Interesse, ihr Höchstmaß bei
ganz unbehinderter Besonnung zu ermitteln; erst bei Gelegenheit zu
längerer Fortsetzung der Messungen wird man auch das Minimum der
Amplituden und den Durchschnittswert derselben festzustellen suchen.
Die abgelesenen Thermometerstände waren:
N ea | an] so.
6 |
[er
11. Juni 1905 12. Juni 1905
4h 30am 1266 4h am 12:38
| 5h 30am 12:62 6h sm 12°36
6h 30am 12:62 8h am 1242
7h 30am 1256 10b am 12:88
8h 30am 12:58 12 h am 13:60
10h 30 am 12:80 %h pm 14'06
12h 30 pm 13°10 4h pm 14:58
33h 30pm 13:38 6h pm 14'62
3h 30pm 13:50 sh pm 14'28
4h 30 pm 13:60 10h pm 13:80
5h 30pm 13°66 — —
6h 30 pm 13-60 _ —_
8h 30pm 13°40 —_ —
Die Amplitude betrug am ersten Messungstage, an welchem es
nachmittags sogar zum Regnen kam, nur 1'10°%, am zweiten nur 226°,
Es ist nicht zu zweifeln, daß bei ungestörter Insolation im Monate
des höchsten Sonnenstandes die Tagesschwankungen der Flußwasser-
wärme 4° übersteigen. Auch in den Wintermonaten mögen sie bei
unbehinderter nächtlicher Ausstrahlung nicht unbedeutend sein. Be-
merkenswert erscheint es, daß, während sich das Morgenminimum
gegen das der Luftwärme nur wenig verspätet zeigte, das Maximum
erst in den ersten Abendstunden eintrat, so daß die um Mittag erreichte
Temperatur erst spät abends wieder unterschritten wurde. Bei
264 Dr. Fritz v Kerner. [120]
größeren Alpenbächen habe ich bei klarem Wetter als durchschnittliche
Eintrittszeit des Scheitels der täglichen Wärmekurve 4 Uhr bis
1,5 Uhr nachmittags gefunden. Die hier angeführten Messungen
ermöglichten es natürlich noch in keiner Weise, die fortlaufenden,
täglich einmaligen Beobachtungen der Flußtemperatur auf eine und
dieselbe Tagesstunde zu reduzieren.
Ueber die tägliche Temperaturbewegung im Jadro habe ich am
23. Juni 1905 eine Untersuchung angestellt. Es wurden an vier Stellen
des Flußlaufes die Wassertemperaturen vom Morgen bis zum Abend
zweistündlich abgelesen und so eine thermoplethische Darstellung
gewonnen, welche einerseits die örtliche Aenderung des täglichen
Wärmeganges, anderseits den täglichen Gang der örtlichen Tem-
peraturänderung zu erkennen gestattete. Die Insolation kam selbigen
Tages gänzlich ungestört zur Geltung; die beobachteten Werte
bezeichnen so im Hinblick auf den Zeitpunkt der Messungen das
Höchstmaß von Insolationswirkung auf das Flußwasser. Die vier zur
Messung ausgewählten Stellen waren die Brücke zwischen den oberen
und unteren Jadromühlen (II), die kleine Brücke beim Cafe Diokletian
in Salona (III), die Brücke der Straße nach Spalato (IV) und die
Eisenbahnbrücke, welche den Jadro gerade an dessen Mündung über-
quert (V). Dazu kam noch der Flußursprung (I), dessen Temperatur
als nahezu konstant betrachtet werden durfte und nur einmal des
Morgens gemessen wurde (11'08°). Die durch graphische Interpolation
aus den übrigen Messungen erhaltenen, auf gleiche Zeiten reduzierten
Thermometerstände waren:
| |5am| 7 ol ulımla|s|r
E} "Aoe- An: Be:
I 2.222200 22 13:00 [13-28 | 13-72 |14-14 |14-36 | 14:28 | 13-94 | 13:50
I ©. 11300 | 13-32 | 14-14 |15:08 | 15:57 | 15:54 |14-90 | 14:08 |
I 13-02 |13°32 | 14:14 | 1520 |15'88 | 16:00::| 1540 | 14'32
V 16:53 | 1684 | 16:34 | 15-16
‚2.111340 | 13-48 | 14-26 | 15:40
| |
Für die Wärmemaxima ergibt die Extrapolation nachstehende
Temperaturwerte und Termine:
II N... 146: 3BFt ER 40m
II... 1564 Ih 55pm
IV 00.2 1603028 26m
V .222.016'84- 2b. 50m
Es zeigte sich demnach eine örtliche Aenderung der täglichen
Temperaturbewegung in der Weise, daß flußabwärts das Wärme-
maximum rasch zunahm und dessen Eintrittszeit sich sukzessive mehr
verspätete. Während die Zunahme eine ziemlich gleichmäßige war,
erfolgte die Verspätung über die einzelnen Teilstrecken des Flußlaufes
ungleichmäßig.
Für die Minima ließ sich keine graphische Ergänzung durch-
führen, da die Nachtstücke der Wärmekurven fehlen. Entsprechend
[121] Qnellengeologie von Mitteldalmatien. 265
der flußabwärts sich vollziehenden starken Zunahme der täglichen
Wärmeschwankung zeigte die örtliche Aenderung der Flußtemperatur
eine sehr ausgesprochene tägliche Periode. Die Temperaturzunahme
vom Ursprunge bis zur Mündung des Jadro betrug:
5 am | 7 | NER ER. | Ipm | 38 5 7
u
1:18 | 2:32 | 346
—_ v0 0:40
Die flußabwärts stattfindende Temperaturzunahme zeigte eine
örtliche Aenderung, welche einer täglichen Periode unterliegt. Vor-
mittags war die Zunahme im Oberlaufe, am späteren Nachmittage und
abends im Unterlaufe rascher. Den Uebergang zwischen diesen einander
entgegengesetzten Bewegungsformen vermittelte ein Stadium ziemlich
gleichmäßiger Zunahme zu Beginn des Nachmittags. Diese tägliche
Periode resultierte aus der früher erwähnten Verspätung im Eintritte
des Maximums.
Ueber die tägliche Periode der Temperaturschichtung an der
Mündung des Jadro wurde von mir im Jahre 1906 eine Untersuchung
vorgenommen. Es fanden während eines Tages von 4* bis 8’ stündliche
Ablesungen der Wassertemperatur an der Oberfläche und in vier
verschiedenen Tiefen der Flußmündung statt, und zwar in Y/,, 1 und
2 m Tiefe und am Grunde, welcher unter der Eisenbahnbrücke in
37 m Tiefe gelotet wurde. Wie im vorigen Falle sollte wieder das
Höchstmaß der Insolationswirkung zur Zeit des höchsten Sonnenstandes
festgestellt werden. Leider blieb diesmal der zur Vornahme der
Messungen gewählte Tag, der 25. Juni, nicht klar, es kam wiederholt
zu einer Verschleierung der Sonne, doch dürfte das Resultat hierdurch
nicht stark beeinflußt worden sein. Die durch Ausgleichung nach der
Formel b = (a--25 —-c):4 für die geraden Tagesstunden erhaltenen
Wassertemperaturen waren:
4 6 8
om) 6 | 8 | w |hew|am
Oberfläche . (148) | 150 | 157 | 163 | 169 | 178 | 17°6 | 166 | (157)
1/, Meter. . (151) 152 | ı58 | 165 | 171 | 178 | 177 | 169 | (16°0)
1 Meter . .||(231) | 229 | 227 | 228 | 231 | 225 | 24:6 | 254 | (25°6)
2 Meter . . |(22:2) | 224 | 223 | 22:3 | 224 | 223 | 242 | 255 | (25°6)
Grund. ....1(21.8) | 2178 | 21:7 | 21.6 1.220 | 224) 297°) 229 (25°)
Das Süßwasser des Jadro, die zunächst darunterliegende Brack-
wasserschicht und das Wasser am Grunde zeigten einen ganz Ver-
schiedenen täglichen Wärmegang. An der Oberfläche begann die
Temperatur bald nach Sonnenaufgang anzusteigen und erreichte um
3 pm ihren höchsten Wert. (17'9°%) Der Temperaturgang in -!/, m
Tiefe stimmte mit jenem an der Oberfläche völlig überein. Im scharfen
Gegensatz hierzu blieb in 1m Tiefe die Temperatur$vom Morgen bis
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916,766. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 35
966 Dr. Fritz v. Kerner. [122]
3 pm ungefähr auf gleicher Höhe, um dann am späten Nachmittag
rasch emporzusteigen und während des Abends in der nun gewonnenen
Höhe zu verharren. Der Temperaturgang in 2 m Tiefe verhielt sich
jenem in 1 m Tiefe ähnlich. Die Wassertemperatur am Grunde ließ
ein sehr schwaches Sinken bis 10° und dann ein langsames Ansteigen
bis in die späten Abendstunden hinein erkennen.
Der Wärmegang am Grunde erscheint wie eine in den Phasen
sehr verspätete und in der Amplitude sehr abgeschwächte Wiederholung
des Wärmeganges an der Oberfläche. Die oberflächlichen Wasser-
schichten im Salonitaner Golfe mögen eine nicht ganz unbedeutende
tägliche Temperaturschwankung bei starker Phasenverspätung zeigen
und ihr Auftreten in der Jadromündung dürfte auf eine durch die
Jadroströmung bedingte Gegenströmung unter derselben zurückzuführen
sein. In der oberen Schicht des Brackwassers scheint ein Temperatur-
anstieg durch das Fehlen einer solchen Strömung zunächst hintange-
halten und dann infolge einsetzender Flutbewegung nachgeholt zu
werden. Die Verschiedenheit der Wärmekurven des Jadrowassers, der
oberen Brackwasserschicht und des Wassers am Grunde bedingte eine
stark ausgeprägte tägliche Periode der vertikalen Temperaturänderung.
Die auf Grund der ausgeglichenen Werte sich für die geraden
Tagesstunden ergebenden Wärmedifferenzen sind:
Eu 6 | 110 12m | 20m 4 u 8
|
RZ. L k
| |
RE En i 9 75 | 6:55 76:0, 01247 70 | 88 | (99)
1 | 1
|
HäRMetens ou "as 12 110,120, | 10n as es
Der Wärmeunterschied zwischen dem Süßwasser des Jadro und
dem darunterliegenden Brackwasser erreichte um 2’ sein Minimum.
Die Temperaturdifferenz zwischen der oberen Brackwasserschicht und
dem Wasser am Grunde blieb bis Mittags fast konstant und erreichte
dann nach vorübergehendem Abfall bis fast auf Null um 5? ihren
höchsten Wert. (2:7°.)
Quellenergiebigkeiten und Quellentemperaturen.
Uber die sekundliche Abflußmenge der großen Karstquellen
unseres Gebietes liegen nur die schon erwähnten Angaben des hydro-
graphischen Zentralbüros vor. Die Ergiebigkeit der kleineren Quellen
scheint — obwohl sie sich bei den in Brunnstuben mit Auslaufrohren
gefaßten leicht ermitteln ließe — noch nicht Messungsgegenstand
gewesen zu sein.
Über die Quellentemperaturen habe ich zahlreiche Beobach-
tungen angestellt. Sie waren aber — wie schon eingangs gesagt
wurde — nur dazu genügend, in verschiedenen Fällen die geologische
Erkenntnis des Quellenphänomens zu fördern, aber völlig unzureichend,
durch ihre Zusammenfassung ein Bild der von Seehöhe und Expo-
sition abhängigen Verschiedenheiten des Jahresmittels und der Jahres-
[123] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 267
schwankung der Quellenwärme zu liefern. Nur für das Gebiet der
Prominaschichten im Bereich des Prolog konnte ich es versuchen,
die Abnahme der mittleren Jahrestemperatur der Quellen für eine
mittlere Exposition durch eine Gleichung darzustellen. Sie lautet:
t—= 130 — 011 h — 0:03 Rh?
und besagt, daß innerhalb des ihrer Ableitung zugrunde liegenden
Höhenintervalles die Abnahme der Quellenwärme eine Beschleunigung
erfährt, ein Verhalten, das dem vorhandenen Gebirgsrelief entspricht.
Die durch Auflösung dieser Gleichung nach £ und h sich ergebenden
Werte sind (h in Hektometern):
h t t h
( 2:50) (12'55) 12:0 4:20
5:00 11:70 110 6:55
os, 1050 10:0 830
10:09 890 9:0 9:85
12:50 6:95 30 11:20
Die Wasserversorgung im Gebiete des Kartenblattes
Sinj—Spalato.
Es sollen hier anhangsweise zunächst die jetzigen, zum Teil
unzureichenden Verhältnisse der Wasserversorgung besprochen und
dann die für ihre Besserung sich darbietenden Möglichkeiten kurz
erörtert werden. Das Trinkwasser für Spalato wird von der Jadro-
quelle geliefert. Die schon vor langer Zeit erbaute Leitung folgt
zunächst der Südflanke des Jadrotales, um dann die Bodenwellen
der Halbinsel von Spalato in schiefer Richtung zu durchqueren. Die
Anlage hat bei sonst durchaus befriedigender Erfüllung ihres Zweckes
den Nachteil, daß sie nach starken Regengüssen getrübtes Wasser
liefert. Es kommt dies daher, daß die Wege, welche das an den ver-
karsteten und kahlen Hängen oberhalb der Jadroquelle einsinkende
Regenwasser bis zu seinem Wiederaustritte zurücklegt, zu kurz sind,
als daß sich auf ihnen eine Klärung durch Absatz der mitgerissenen
Erdpartikelchen vollziehen könnte. Keinesfalls steht diese Trübung
mit einer eventuellen unterirdischen Verbindung des Jadro mit der
Cetina im Zusammenhange.
Anläßlich von Erwägungen, ob dem besagten Uebelstande durch
eine mechanische Klärungsanlage abgeholfen werden könnte, ist aber
trotzdem auch die Frage aufgeworfen worden, ob das Jadrowasser
vielleicht einer Durchleitung durch ein Bakterienfilter bedürftig sei.
Wie diese Angelegenheit vom geologischen Standpunkte aus zu
beurteilen ist, wurde schon an früherer Stelle, bei Gelegenheit der
. Beschreibung ‚der Jadroquelle auseinandergesetzt, und es wurden
dort auch die Mittel angegeben, welche zu einer Entscheidung der
Frage, ob dem Jadro Cetinawasser beigemischt sei, führen könnten.
35*
968 Dr, Fritz v. Kerner, [124]
Von nicht geologischen Gesichtspunkten, welche bei der angeregten
Frage in Betracht kommen, sei hier hervorgehoben, daß das Wasser
der Jadroquelle seit Bestand der jetzigen Leitung von Einheimischen
und Fremden in Spalato ohne irgendwelchen Schaden für ihre Gesund-
heit getrunken wurde und noch wird und daß das Cetinawasser in
sesundheitlicher Hinsicht eine wesentlich günstigere Beurteilung zu-
läßt als Flußwasser im allgemeinen. Die einzigen beiden im oberen
Cetinatale gelegenen Ortschaften, Verlicca und Sin) liegen weit von
der Cetina abseits und sind durch ziemlich undurchlässige, rein lehmige
oder mit Lehm vermischte Alluvien von ihr getrennt, so daß die
Abwässer dieser Orte, ehe sie schließlich ihren seitlichen Eintritt in
das Bett der Cetina vollziehen mögen, jedenfalls einer völligen Rei-
nigung unterliegen. So droht dem Cetinawasser auf der über sieben
deutsche Meilen langen Strecke oberhalb jener Stelle, wo es zu
kleinem Teile zum Jadro abschwenken könnte, nur von wenigen
Weilern und Einzelgehöften und von einigen Mühlen her eine Ver-
unreinigung.
Anderseits erfolgt die Verstärkung der Wassermenge des
Quellteiches der Cetina größtenteils wieder durch nahe dem Flusse
entspringende Quellen und nur zum geringen Teil durch Seitenflüsse.
Besonders nach dem bald nacheinander stattfindenden Einflusse
zahlreicher mächtiger Karstquellen zwischen Ribarit und Panj muB
das Flußwasser der Cetina seiner Qualität nach wieder einem
Quellwasser ähnlich sein. Die Selbstreinigung mag sich so bei der
Cetina weit durchgreifender und gründlicher vollziehen als durch-
schnittlich bei einem Fluße in bewohnten Gegenden, ‘da in ihr von
vornherein nur sehr wenig zu reinigen ist. Wenn bei Trilj ein
Konzentrations- oder Gefangenenlager errichtet würde und in dem-
selben eine Cholera- oder Abdominaltyphusepidemie ausbräche, wäre
es aber der Vorsicht wegen jedenfalls geboten, das Wasser der
Jadroquelle in bezug auf seine Keimführung sogleich zu untersuchen.
Zur Versorgung von Sinj mit Trinkwasser ist in jüngster Zeit
die Quelle des Kozinac bei Han herangezogen worden, nachdem die
Quellen der Umgebung des Ortes den steigenden Bedarf nicht mehr
zu decken vermochten. Es handelt sich hier um eine Röhrenleitung, die
nach Querung der Cetina dem Östrücken des Susnevac folgt und
dann von NO her den Ort erreicht. Eine kleine Wasserleitung wurde
vor einer Reihe von Jahren für Mu@ hergestellt. Sie führt diesem
Orte das Wasser jener reichen Ueberfallquelle zu, welche nahe der
oberen Grenze der oberen Werfener Schichten im Graben westlich
vom Oltarnik entspringt. Mit den genannten drei Anlagen ist die Zahl
der im Gebiete des Kartenblattes Sinj-Spalato für Ortschaften erbauten
Trinkwasserleitungen erschöpft.
Zur Wasserversorgung der Dörfer im Cetinagebiete und in der
Küstenzone dienen vorzugsweise Fassungen nahe gelegener Quellen
in wohlummauerten Brunnstuben mit steinernen Auslaufrinnen oder
metallenen Auslaufröhren. In dieser Art sind beispielsweise die
Bukvaquelle, die Quellen bei Poljak, die Quelle von Caporice sowie
mehrere Quellen in der Gegend von Clissa, Mravince und Zernovnica
gefaßt. Im Sommer, wenn der Bedarf groß, die Wassermenge aber
[125] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 269
gering ist, sind diese Dorfbrunnen oft von Wasserholenden umlagert
und es entwickelt sich dann dort manch’ hübsche malerische Brunnen-
szene. Obwohl der öfter durch Tragtiere, manchmal jedoch auch
durch Personen besorgte Wassertransport in hölzernen Eimern bei
etwas größerer Entfernung eines Hauses vom Dorfbrunnen viele Mühe
macht, wird man hier doch noch von für dalmatinische Verhältnisse
entsprechenden Wasserversorgungsanlagen reden können, da ja der
in den Alpenländern oft vorhandene Idealzustand, daß in zerstreuten
Siedlungen jeder Bauernhof seinen eigenen fließenden Hausbrunnen
hat und auch in eng geschlossenen Dörfern auf höchstens je einige
benachbarte Häuser je ein nahe gelegener Brunnen entfällt, in den
Mittelmeerländern meistens nicht erreichbar ist.
Was dagegen den Wasserbezug aus in ganz roh ummauerte
offene Becken gefaßte Quellen anbelangt, so wird man diesen als
einen unvollkommenen bezeichnen müssen. Wenn die Austrittsstellen
des Quellwassers unmittelbar zugänglich sind, ist hier allerdings auch
eine völlig einwandfreie Wasserentnahme möglich. Wenn aber, wie
dies häufiger der Fall, das Wasser seitlich oder vom Grunde her in
ein solches Quellbecken einsickert und am oberen Rande desselben
überrieselt, kann man nicht mehr von einer einwandfreien Wasser-
bezugsart sprechen. Allerdings liegt es im Interesse der auf eine
solch’ primitive Brunnenanlage Angewiesenen, dieselbe möglichst klar
zu halten und durch die stetige Wassererneuerung erscheint die
Reinerhaltung ja einigermaßen gewährleistet; man trifft aber doch so
manche derartige Anlage, die durch das Vorkommen von ‚Algen und
allerlei Getier einen sehr unerfreulichen Eindruck macht. Solche primi-
tive Quellenfassungen trifft man im Vrba- und Suvajatale und im
Gebiete von Mu, dann auch im Osten des Sinjsko polje und im
Vorlande des Mosor.
In Gegenden, wo es infolge des Vorhandenseins durchlässiger
Quartärgebilde zur Ansammlung von Grundwasser kommt, so im
Bereich der Flußanschwemmungen und der Anhäufungen von Strand-
geröll, gibt es auch Schachtbrunnen mit durch die jährliche Regen-
periode bedingten mehr oder minder großen Schwankungen des
Wasserspiegels. Die Brunnen an der Küste zeigen manchmal auch
Spiegelschwankungen infolge des Wechsels ablandiger und das Meer-
wasser gegen die Küste drängender Winde, vielleicht auch kleine
Öszillationen infolge des Gezeitenwechsels, sowie auch Aenderungen
in der Beschaffenheit des Wassers, indem es bei hohem Stande süß,
bei tiefem Stande brackisch schmeckt.
In ähnlicher Weise wie in den quellenführenden Gebieten steht
auch in den quellenlosen‘ Karstregionen die Wasserversorgung auf
sehr verschieden hoher, bzw. tiefer Stufe. Für einige Ortschaften sind
Dorfzisternen mit umfangreicher®Auffangflächen und großem Fassungs-
raume erbaut worden. Ziemlich zahlreich sind kleine Hauszisternen;
die Pfarrhöfe, Gendarmerie- und Finanzwachposten, manche Wirts-
und Privathäuser sind mit solchen ausgestattet. Wo in weitem Umkreise
kein Quellwasser zu haben ist und auch die Wasserschätze der Tiefe
unerreichbar scheinen, wird man die Wasserversorgung durch Zisternen
als eine: ganz zweckentsprechende -bezeichnen können. . Auf Grund
270 Dr. Fritz v. Kerner. [126]
vieler Erfahrungen kann ich von guter Qualität des Wassers in
solchen Fällen, wo die Zisternen reinlich gehalten werden, berichten.
Manchmal freilich deutet häufiges Vorkommen von Cyklops auf
mangelnde Obhut hin. Des Genusses eines ausgezeichneten, mit dem
Wasser von Gebirgsquellen wetteifernden Zisternenwassers erfreute
ich mich während meines einwöchentlichen Aufenthaltes auf der
hoch oben am Svilajakamme einsam stehenden Forsthütte.
In den mehr abgelegenen Gegenden, so am Mose« und in der
Zagorje, auf den Vorhöhen des Prolog und am Mosor trifft man
primitive Zisternen, bei deren Anlage natürliche Felsschlote benützt
wurden. Versperrbare Holzdeckel bieten auch hier eine gewisse
Gewähr dafür, daß Verunreinigungen hintangehalten werden und
auch bezüglich des aus solchen Zisternen geschöpften Wassers
kann ich sagen, daß es von mir manchmal sehr gut befunden wurde.
Naturgemäß ist der Fassungsraum solcher Wasserbehälter zuweilen ein
geringer. Tiefen Eindruck machte es mir, als ich einmal auf der
Radinje sah, wie schon im Juni eine Hirtin eine Schnur von ihrem
Gewande löste, um das Seil des Schöpfkübels soweit zu verlängern,
daß dieser bis zum Wasserspiegel der Zisterne hinabgelassen werden
konnte. Wie schlimm mag es dort damals mit der Wasserversorgung
gegen Ende der sommerlichen Trockenzeit bestellt gewesen sein!
Manchmal wird das Trinkwasser nur aus Bunaren, roh ummauerten,
runden offenen Schächten entnommen, und diese Art des Wasserbezuges
muß als eine sehr unpassende bezeichnet werden. Wenn es sich auch
hier nicht,ausschließlich um Ansammlungen von Regenwasser handelt
und Zusickerungen aus dem Erdreiche der Umgebung stattfinden, so
ist doch in diesen Schächten die Inhaltserneuerung äußerst ungleich-
mäßig und das Wasser der Gefahr starker Verunreinigung ausgesetzt.
Im Gegensatze zu den Quellbunaren mit ihrem klaren Wasser
enthalten diese Wasserschächte trübes, den bescheidensten gesund-
heitlichen Anforderungen nicht entsprechendes Wasser. Besonders bei
abnehmender Füllung nimmt der Inhalt solcher Bunare eine Abscheu
erregende Beschaffenheit an. Man sieht da manchmal nur eine rotgelbe
Tunke über die Steine am Schachtgrunde ausgebreitet. Womöglich
noch schlimmer ist es, wenn — wie man dies allerdings nur ausnahms-
weise zu sehen bekommt — das Wasser aus Lokven, den durch
lehmigen Untergrund sich haltenden Tümpeln, entnommen wird, da
diese einer starken Verunreinigung durch das Weidevieh unmittelbar
ausgesetzt sind. Manchmal wundert man sich, daß zu solchen höchst
beklagenswerten Formen des Wasserbezuges auch gegriffen wird, wenn
Quellwasser — allerdings nur in geringer Menge — in verhältnismäßig
nicht zu großer Entfernung erreichbar wäre. Es weist dies auf eine
betrübende Unterschätzung des gesundheitlichen Wertes guten Trink-
wassers hin, der allerdings auch Fälle, in denen zur Erlangung
solchen Wassers weite Wege nicht gescheut werden, gegenüberstehen.
Die Verbesserungen, welche die jetzige Wasserversorgung im
mittleren Dalmatien erfahren könnte, beträfen eine Vermehrung rein
gehaltener Zisternen, eine erhöhte Ausnützung der im Gebiete vor-
handenen Quellen, besonders der großen Karstquellen und die Auf-
schließung von Wasseradern, insonderheit eine Hebung der großen Wasser-
[127] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 971
vorräte der Tiefen. Die Anlage von Zisternen wird in einem Lande
wie Dalmatien stets als eines der Mittel der Wasserversorgung in
Betracht kommen. Die Möglichkeit, den Wasserbezugsort ganz beliebig
zu wählen und stets bei entsprechender Voraussicht die erforderliche
Wassermenge zu erhalten, endlich die genaue Vorausbestimmbarkeit
der Kosten beinhalten gegenüber anderen Methoden des Wasserbezuges,
bei denen entweder die Zuleitung des Wassers schwierig oder die
zuleitbare Wassermenge bei Steigerung des Bedarfes unzureichend
werden kann oder — sofern das benötigte Wasser erst aufgeschlossen
werden soll — die Kosten nicht näher vorausbestimmt werden können,
gewisse Vorteile, durch die die Nachteile der Wasserversorgung mit
Zisternenwasser gegenüber jener mit Quell- oder Grundwasser mehr
oder minder kompensiert werden können. Es ist in letzterer Zeit für
die Anlage größerer Dorfzisternen manches geschehen und es ist auch
die Zahl der Hauszisternen größer geworden; es gibt aber in den
verkarsteten quellenlosen Teilen des Gebietes noch immer viele
Siedlungen, welche des Besitzes einer guten Zisternenanlage entbehren.
Was die Heranziehung der Karstquellen Mitteldalmatiens zu
Zwecken der Wasserversorgung anbelangt, so könnten sich da große
Zukunftsbilder entrollen. Die vielen mächtigen und prachtvollen
Quellen, welche die Cetina vor ihrem Eintritte in das Sinjsko polje
linkerseits empfängt, liefern selbst noch im Sommer eine stattliche
Wassermenge, die bei vollster Ausnützung imstande wäre, einem
großen Bedarfe zu genügen. Sollte es einmal zur Entwicklung einer
mitteldalmatischen Riviera kommen, so würde die Frage der
Wasserversorgung des Kastellaner Küstenstriches brennend. Die
Quellen von Castel vecchio vermöchten nur ihre nähere Umgebung
mit Trinkwasser zu versorgen. Das Flyschgelände zwischen diesem
Orte und der Gegend von Salona käme bei seiner teils ganz ober-
flächlichen Entwässerung, teils sehr spärlichen Schuttquellenführung
als Spender größerer Quellwassermengen gar nicht in Betracht.
Die Möglichkeit, durch Anbohrung des Kalkgebirges hinter der Flysch-
zone gewaltige Wassermengen zu erschließen, wird man zwar als
segeben ansehen dürfen; es wäre aber auch mit der Eventualität
zu rechnen, daß ein Versuch, die unterirdischen Wasserschätze des
Koziak und Golo Brdo künstlich in ähnlicher Weise anzuzapfen, wie
die Wasserschätze des Mosor durch den Jadro und Stobree potok
natürlich angezapft sind, fehlschlüge.
Die Gewähr einer ausgiebigen Wasserversorgung des ganzen
Küstenstriches der Kastelle wäre aber gegeben, wenn man die
mächtigen Cetinaquellen zwischen Zasiok und Karakasica zu diesem
Zwecke heranzöge. Die Möglichkeit, in tiefer Lage entspringendes
Quellwasser auf ein Karstplateau hinaufzupumpen und über dieses
bis zur Küste hinzuleiten, ist durch die Wasserversorgungsanlage
von Sebenico erwiesen. Diese Anlage entnimmt das Wasser einer
beim untersten Kerkafalle wenig über dem Meeresspiegel entsprin-
genden großen Quelle und führt es mittels einer in etwa 80 m
Seehöhe großenteils unter Tag verlaufenden Leitung von ungefähr
10 km Länge seinem Bestimmungsorte zu. Die erwähnten Üetina-
quellen entspringen in etwa 320 m Höhe, wogegen das Plateau
979 Dr. Fritz v. Kerner. [128]
zwischen dem Sinjsko polje und der Küstenzone durchschnittlich
360 m Höhe aufweist. Die gedachte Leitung hätte zunächst die
Siüdhänge des Berges Drven bei Potravlje zu nehmen und würde dann
über die Vorhöhen der PliSsevica und nach Querung der Sutina über
die Vorstufen der Visoka zu führen sein, um dann im großen und
ganzen der Bahntrasse von Sin) nach Clissa zu folgen. Ihre Länge
betrüge so etwa 25 Am. Die Leitung könnte in jener Höhe, in welcher
sie den Karstplateaurand hinter Olissa erreichte, an den Südflanken
der Marcesina greda, des Golo brdo und Koziak weitergeführt werden
und so zur Bewässerung des Kastellaner Küstenstriches ‘in seiner
ganzen Längserstreckung und Breitenausdehnung dienen. Dieses Gelände
ließe sich so bei seiner großen, durch Wärmereflex gesteigerten
klimatischen Begünstigung und seinem guten Boden in ein herrliches
Gartenland verwandeln und es könnten noch das Polje von Dicmo,
die Gegend Kusak und das Dugo polje des Vorteiles reichlicher
Bewässerung teilhaftig werden. Bei einer Wassergewinnung mittels
erfolgreicher Durchbohrung der Flyschvorlage des Koziak würde sich
dagegen — da der Stollen in möglichst geringer Höhe über dem
Meeresspiegel vorzutreiben wäre — die Wasserversorgung der höheren
Geländeteile umständlich gestalten und den Gebieten zwischen Sinj
und Clissa käme kein Nutzen zu. Um auch im Sommer nicht nur
genügend Trinkwasser, sondern auch ausreichendes Nutzwasser zu
erhalten, müßte man entsprechend große Reservoire anlegen.
Den Einwand, daß das hier entwickelte Projekt zu amerikanisch
anmute, wird nur Derjenige erheben, der in der Anschauung, Dalmatien
sei in volkswirtschaftlicher Beziehung für allezeit zur Schlichtheit
und Bescheidenheit verurteilt, derart festgewurzelt ist, daß er sich
überhaupt nicht zur Vorstellung aufraffen kann, daß in diesem Lande
jemals etwas walırhaft Großzügiges geschaffen würde. Selbstverständlich
würde man das eben angedeutete Projekt nur in Erwägung ziehen,
wenn das Ufergelände der Kastelle in eine Riviera vom Style der
französischen verwandelt würde, eine Umgestaltung, die man sich nur
mit gleichzeitigem Emporblühen Spalatos zu einem erstklassigen
Mittelmeerhafen denken könnte. Wenn die geplante Schöpfung einer
mitteldalmatischen Riviera nur darin bestünde, daß an den Ufern des
Golfes der sieben Kastelle zwei oder drei Hotels vom Range der
jetzt in Spalato vorhandenen erstehen würden und sonst alles beim
alten bliebe, könnte sich der Bau einer großartigen Wasserleitung
allerdings nicht lohnen. Inwieweit der Wegnahme eines Teiles der
Cetina schwere wasserrechtliche Hemmnisse entgegenstünden und in-
wieweit dieselben überwindbar wären, ist hier nicht der Platz zu
untersuchen. Es konnte hier nur auf den Bestand der geographischen
Vorbedingungen für eine großzügige Wasserversorgungsanlage und
auf deren technische Ausführbarkeit hingewiesen werden. Eine Be-
trachtung des Projektes von der juridischen und finanziellen Seite sei
Anderen überlassen.
Von den Karstquellen des Küstengebietes schiene die bei der
Trogirska mulina entspringende dazu berufen, der Stadt Traü dienstbar
gemacht zu werden. Der Trinkwasserbedarf dieser kleinen Stadt
wird derzeit durch den Dobri@öbrunnen befriedigt, welcher an der
(129] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 273
Festlandsküste gegenüber von Trau gelegen ist und an der Grenze
der quartären Schuttbedeckung gegen das unterlagernde Tertiär sich
sammelndes Wasser liefert. Die Gewinnung desselben erfolgt durch
eine Pumpenanlage mit Handbetrieb und das Wasser muß in die
allerdings ganz nahe Stadt getragen werden. Die Quelle von Trogirska
mulina ist aber nicht dazu geeignet, diese zwar ausreichende, aber
nicht ideale Art der Wasserversorgung durch eine solche mittels
fließender Stadtbrunnen zu ersetzen, weil ihr Wasser in der wärmeren
Jahreszeit salzig schmeckt. Zur Zeit seines reichlichsten Fließens
nach den Frühlings- und Herbstregen läßt dieses Wasser allerdings
nur jene Spur von brackischem Geschmack erkennen, welche auch der
Dobricbrunnen und fast alle Schöpfbrunnen in Küstennähe aufweisen.
Es ist aber als wahrscheinlich anzusehen, daß die Beimischung von
Brackwasser zum Süßwasser erst nahe den Austrittsstellen der Teil-
stränge der besagten Quelle erfolgt, so daß die Möglichkeit gegeben
wäre, diese Stränge in noch unversalzenem Zustande zu erschließen.
Man müßte zu diesem Zwecke durch den Mergelsaum am Südfuße
des St. Eustachiushügels einen Stollen vortreiben und im nicht unwahr-
scheinlichen Falle, daß man hierbei noch kein Wasser träfe, einen
der Grenzfläche zwischen Kalk und Mergel folgenden Schacht abteufen,
bis man auf eine größere Wasserader käme. Mit zunehmender Ent-
fernung von der Quelle würde die Wahrscheinlichkeit, eine große
Wasserader bald zu erreichen, geringer werden, die Wahrscheinlichkeit
der Erschrotung süßen Wassers aber wachsen.
Die dritte große Quelle der Küstenzone, die Quelle des Stobrec
potok käme für die Versorgung des Fischerdörfehens Stobrece mit
Quellwasser in Betracht, doch würde bei der Kleiuheit dieser Siedlung
der erforderliche Aufwand viel zu groß erscheinen. Eher könnte daran
gedacht werden, durch Einrichtung eines entsprechenden Transport-
dienstes mit Tankdampfern mittels der Stobrecquelle die an der
Nordküste der Insel Brazza gelegenen Ortschaften St. Johann und
St. Peter mit Quellwasser zu versorgen. Mit Zisternenwasser werden
dieselben bereits ausreichend versehen.
Von den Schichtquellen und Verwerfungsquellen kommen die
größten auch für Zwecke der Wasserversorgung in Betracht. Es
wurde schon erwähnt, daß die Ortschaft Mu& von einer Ueberfallquelle
aus den oberen Werfener Schiefern das Trinkwasser zugeleitet erhält.
Im Gebiete des von mir in den neunziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderis aufgenommenen Kartenblattes Kistanje-Dernis sind sogar
zur Trinkwasserversorgung größerer Orte, der zwei Hauptorte des
Gebietes, Dernis und Skardona, Schichtquellen aus den Prominaschichten
mit Erfolg herangezogen worden. Daß da im Spätsommer die sorg-
fältigste Ausnützung der dann spärlich werdenden Wassermengen
nötig wird, versteht sich wohl von selbst. Auch im Bereich des
Kartenblattes Sinj Spalato sind große Schicht- und Verwerfungsquellen
vorhanden. An ihre Verwertung wird aber — insolange sich die Vor-
züge einer guten Wasserversorgung nicht hoher Einschätzung
erfreuen — kaum geschritten werden, da die Herstellungskosten
von Leitungen im Verhältnis zum erzielbaren Erfolge als zu groß
erscheinen könnten.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 36
274 Dr. Fritz v. Kerner. [130]
So würde man wohl kaum darangehen, die schöne Verwer-
fungsquelle in der Schlucht der Sutina zur Wasserversorgung der
Hütten von Ludane heranzuziehen oder das Wasser der Ljubac-
quelle nach Politine und Dubrava zu leiten, zumal in der Nähe
dieser Orte ein wenn auch bescheidener Bezug von Quellwasser
möglich ist. Aber auch die Herstellung einer Leitung, durch welche
die Quellen im obersten Koritotale für die Wasserversorgung der in
quellenloser Gegend liegenden Hütten von Dolnje Korito nutzbar
gemacht würden, wird man kaum in Aussicht nehmen. Die Quellen
am Golo Brdo bei Trilj sollen den Wasserbedarf der Station Ugljane
an der geplanten Eisenbahn nach Arzano decken.
Was die Erschließung neuer Wasseradern anbelangt, so ist
zwischen einer solchen durch Stollen an Gebirgshängen und einer
solehen durch Schächte in flachem Karstgelände zu unterscheiden.
Bei ersterer würde es sich vorzugsweise um eine Gewinnung von
hinter Mergelvorlagen im Kalkgebirge angesammelten Wasservorräten
handeln.
Es wurde schon an früherer Stelle erwähnt, daß an den Ueber-
schiebungen der Kreidekalke auf eocäne Mergel fast niemals Ueberfall-
quellen entspringen. Dieser Umstand spricht aber keinesfalls dagegen,
daß in den kalkigen Hangendflügeln dieser Ueberschiebungen Wasser-
vorräte vorhanden sind. Das Maß der Zuversicht, diese Vorräte
gewinnen zu können, hängt von der Stellungnahme zur Karstwasser-
hypothese ab, wobei man annehmen darf, daß diese Stellungnahme
jeweils durch eigene Erfahrungen auf karsthydrologischem Gebiete
bestimmt wird. Ein rückhaltloser Anhänger jener Hypothese wird
eines positiven Erfolges sicher sein und wähnen, daß die Durchstoßung
der Mergelvorlage eines Kalkgebirges an beliebiger Stelle unterhalb
des Karstwasserspiegels einen ähnlichen Effekt wie die Anbohrung
einer mit Wasser gefüllten Kiste haben müsse. Wer der Annahme
eines zusammenhängenden Karstwassers ablehnend gegenübersteht,
wird weniger zuversichtlich sein und seine Erwartungen nach den
jeweils gegebenen Verhältnissen abstufen.
Wo, wie dies beispielsweise am Gebirgsrande östlich von Traü
der Fall ist, genau am Ausstriche einer Kalkmergelgrenze eine
mächtige Quelle entspringt, dünkt es einigermaßen wahrscheinlich,
daß diese Grenze schon vorher eine längere Strecke weit den Verlauf
einer Wasserader bezeichnet. Man könnte so dort bei in entsprechend
tiefer Lage vorgenommener Durchbohrung der Flyschschichten im
Graben westlich vom Eustachiushügel noch auf den Anschnitt einer
Kluftwasserader hoffen. Ebenso wäre bei Durchstoßung der Neogen-
gebilde auf der Ostseite des Sinjsko poljes in der Nähe ihrer natür-
lichen Durchbrüche mit der Bloßlegung von Wasseradern zu rechnen.
Wo hingegen weithin kein bestimmtes Anzeichen einer Wasserbewegung
längs einer Grenzfläche zwischen Kalk und Mergel vorliegt, wie dies
im Hinterlande der Kastelle der Fall ist, wäre die Erbohrung eines
mächtigen Kluftwasserstranges mehr oder minder Zufallssache. Falls die
Vortreibung eines Stollens quer durch die Flyschvorlage bis in den
Rudistenkalk gewagt würde und kein befriedigendes Ergebnis hätte,
könnte man noch versuchen, durch sehr ausgedehnte Sprengungen
[131] Quellengeologie von Mitteldalmatien. 275
innerhalb des Kalkgebirges eine Aufreißung von wasserführenden
Spalten zu erzielen.
Mit mehr Aussicht auf Erfolg könnte die Aufschließung von
Wasser in solchen Gesteinsschichten versucht werden, wo die Ver-
teilung der Wassermenge nicht so ungleichmäßig sein mag wie in den
Karstkalken, so zum Beispiel in den oberen Werfener Schichten und
in den Prominaschichten. Auch ein Versuch, bei Mu‘ die in den
tieferen Lagen der oberen Werfener Schichten sich bewegenden
Wassermengen mittels Durchbohrung der sie steil unterteufenden
unteren Werfener Schichten zu erschließen, könnte in Betracht gezogen
werden. Die Deutlichkeit, mit welcher sich in Dalmatien bei der
weitgehenden Bloßlegung des Untergrundes die geologischen Bedin-
gungen der Quellbildung oft erkennen lassen, gestattet es in manchen
Fällen, auch die Möglichkeiten einer Aufschließung von Wasser klarer
zu beurteilen, als dies in Gegenden mit mächtig entwickelten Deck-
schichten der Fall ist.
Bei Versuchen, die in den Tiefen des Karstes verborgenen
Wasserschätze zu heben, würden geologische Untersuchungen zwar
auch von Bedeutung sein, in erster Linie aber die Mittel der Höhlen-
forschung und die Methoden der Auffindung unterirdischer Wasser-
adern — soweit diese Methoden kraft der ihnen zugrunde liegenden
physikalischen Erkenntnisse und der angewendeten Instrumente streng
wissenschaftliche sind — eine Rolle zu spielen haben. Der Gedanke,
die in den Tiefen des Karstes sich bewegenden Kluftwasserstränge
durch Bohrungen und Schachtabteufungen nutzbar zu machen, ist
erst in jüngster Zeit in den Vordergrund getreten. Von seiten ein-
heimischer Forscher ist geplant, systematische Untersuchungen über
die unterirdische Hydrographie Dalmatiens in großem Style vorzunehmen
und es wurde hierfür eine Unterstützung seitens aller zur Förderung
solcher Arbeiten berufenen staatlichen Faktoren in Aussicht gestellt.
Möchte diese Unternehmung von großem Erfolge gekrönt sein.
36*
Dr. Fritz v. Kerner. [132]
Inhaltsverzeichnis.
Einleitung. Seite
Vehersicht der Quellformenll! A... =. u ER EEE 146 [2]
Verhalten der Gesteine und Böden zum Wasser. . . . 2. 22.. 146 [2]
Entstehungsformen (der @uellen 1.1... ni. men 1. nl. mn. 151° +.7]
Strukturformen der Mauelien u 2. 2 me ..160... [16]
Beziehungen der Quellen zu den Geländeformen . . . 2... 166 [22]
Formverhältnisse,der Quellaustratte .*.... 0. mW. ee 167 [23]
Beschreibung der quellenführenden Gebiete . . .. 2.2.2... 168 [24]
Die: Quellen des N rbatalesı WE ee 169 [25]
Die Quellen im Polje von Ramljane und im Polje von Mu€ 173 [29]
Die 'Quellen'des Suyajaalesd2 7 1.4.2777 I, WEM EEE ARE 178 [34]
Die ‘Quellen (des /Sutinatalese.hy, V.07%. u) ange ige DR. Masten 181 [37]
Die Quellen in der Ebene der Karakasica. . .»... 2 2 2 2... 187 [43]
Die Quellen auf der Westseite des Sinjsko polje .. ......; 193 [49]
Die Quellen in der Mulde von Gljev und in der oberen Korito Draga 200 [56]
Die Quellen am Ostrande des Sinjsko polje. . . . 22.2... .205 [61]
Die: ;Quellen des ‘mittleren Cetinatales: 1.1, 424.2. I.#17.. Sep 211 [67]
Die Quellen im Karstgebiete zwischen dem Mose@ und Mosor . 216 [72]
Die Quellen in den Mulden von Dolac und Srijani. . ...... 222 [78]
Die Quellen in der Umgebung des Golfes von Castelli . .227 183]
Die :Quellen’an der Küste von 'Spalato .' , WHITE 233 [89]
Die Quellen des! Stobrectales; '. 1.1 ..Jlah ar. Kı MeE Ana 238 [94]
Die Quellen des untersten Cetinatales . .. 2.2: 2 2 2 20. 244 [100]
Hydrologische Verhältnisse . . . 2: 2 2 nn een 249 [105]
Niederschläge; .. „Ss TE Mn... 2.0 2 ee 249 [105]
Wasserstände und Abflußmengen. . . .. 2... 2. ze 255 [111]
Flußtemperaturen . "2 „men, 20 De ee Nor Ne 260 [116]
Quellenergiebigkeiten und Quellentemperaturen . . . . 22 2.. 266 [122]
Die Wasserversorgung im Gebiete des Kartenblattes Sinj—Spalato . 267 [123]
Beitrag zur Kenntnis der Gervillien
der böhmischen Oberkreide.
Von J. V. Zelizko.
Mit einer Tafel (Nr. XII).
Die im Jahre 1902 im Zentralblatt für Mineralogie,
Geologie und Paläontologie veröffentlichte Mitteilung Frechs
„Ueber Gervillia“ 1) erinnerte mich an eine neue, von mir seinerzeit
in der Oberkreide der Gegend von Ji@in gefundene Form?) dieser
bisher wenig beachteten Bivalvengruppe, deren Hauptverbreitung sich
von der Trias- bis in die Kreideformation verfolgen läßt.
Inzwischen sandte mir auch Herr F. Ferina, Schulleiter in
Morasic bei Leitomischl, eine Suite aus der dortigen Umgebung
stammenden Gervillien, unter denen ich gleichfalls einige vollkommen
neue Arten bestimmte.
Diese oberwähnten, für die Paläontologie der böhmischen Kreide
bedeutsamen Funde haben mich zur näheren Beschreibung einzelner
Arten angeregt, wie folgt:
Gervillia bohemica n. sp.
Taf. XII, Fig. 1.
Das vorhandene Stück unterscheidet sich schon auf den ersten
Blick von allen bekannten Gervillien durch eine ungemein kurze und
breite, sichelartig ausgeschweifte linke Schale, deren Rand vorn gleich-
mäßig abgerundet ist. Dieselbe ist ziemlich stark gewölbt, wie die
tief eingeschnittene, 4 mm breite, längs des Oberrandes fast bis zur
Spitze sich ziehende saumähnliche Furche verrät.
Die Länge der Schale beträgt 52 mm und die größte Breite
25 mm.
Das vordere Ohr ist auf der abgerundeten Schalenseite nicht
angedeutet und das hintere zeigt nur teilweise die ursprünglich lappen-
artige Form, da die Schloßrandpartie abgebrochen ist.
Feine konzentrische Streifen sind nur auf der unteren Schalen-
partie sichtbar.
ı) Pag. 609—620.
2) J.V. Zelizko: Pfispövky z kfidoveho ütvaru okoliZeleznice
u Jitina. Sitzungsber. der königl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften, Prag. 1902.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (J. V. Zelizko.)
278 J. V. Zelizko. [2]
Die bei der Spitze in der Länge von 8 mm hervortretende Partie
ist wahrscheinlich ein Rest der ineinander gepreßten rechten Schale.
Das Fossil stammt aus dem festen, dunkelgrauen, eine Menge
von Austern- und Gastropodenschalen enthaltenden turonen Kalke
von KniZnic in der Nähe von Eisenstadt] (Zeleznice) bei Jicin.
Nach Fric?!) gehören die dortigen Schichten der Trigonienzone
oder dem oberen Horizonte der Iserschichten, wogegen Zahälka°)
dieselben in die Zone IXc (= Priesener Schichten) einreiht. Auf der
geologischen Karte von Fri@ und Laube?) ist die Umgebung von
KnizZnic als Weißenberger und Malnitzer Schichten und auf der
alten Karte der ‘k. k. geolog. Reichsanstalt als „Oberer Pläner“
(= Teplitzer- und Priesener Schichten), dessen Liegende der „Mittel-
quader und Pläner* (= Weißenberger-, Malnitzer- und Iserschichten)
bildet, gezeichnet.
In dem mir von Herrn Schulleiter Ferina zur Verfügung ste-
henden Material fand ich einen leider unvollständig erhaltenen Stein-
kern einer unserer Gervillia bohemica ähnlichen Art, die gleichfalls
durch eine jäh ausgeschweifte und kurze Schale charakterisiert ist.
Dieselbe stammt aus dem lichtgrauen Kalke des beim Wäldchen
„Doubrava* befindlichen „Lustyk’schen Felsen“ (Lustykova
skäla) bei MorasSic.
Fricö hat die betreffenden Schichten zur Trigonienzone gerechnet.
Wie aus den Forschungen Jahns bekannt ist, stellen die Iserschichten
in Ostböhmen bloß eine Faziesbildung der Teplitzer Stufe vor®).
Eine andere ähnliche, aber noch kürzere und länglichovale Form,
Gervillia ovalis, deren Schloß mit wenig Zähnen versehen ist, erwähnt
Friö aus den Chlomeker Schichten von Chlomek und Tannenberg).
Gervillia aurita n. Sp.
Taf. XII, Fig. 2.
Es liegt eine linke Schale einer gleichfalls eigenartigen, von
allen anderen Gervilliaarten sich leicht unterscheidenden Art vor.
Dieselbe ist ungleich gewölbt, in der vorderen Hälfte durch
Schichtendruck teilweise gepreßt und auf einer Stelle in der Mitte
abgelöst. Sonst ist die ursprüngliche Form vorzüglich erhalten.
Die Schale ist mäßiger ausgeschweift und länger als bei der
vorhergehenden Art, ist ziemlich breit, vorn verengt und abgerundet.
Beide Ohren sind in zwei ungleiche abgerundete Flügel ausgezogen,
!) Studien im Gebiete der böhmischen Kreideformation. Il.
Die Iserschichten. Archiv der naturwissensch. Landesdurchforsch. von Böhmen.
Bd. V. Nr. 2, pag. 44. Prag.
°) Pfisp&övek k poznäni kfidoveho ütvaru u Jitjna. Sitzungsber.
der königl. Gesellschaft der Wissenschaften. Prag 1895. .
....) Geologische Karte von Böhmen. Umgebung von Eisenbro
Jiöin bis Braunau und Nachod. Archiv der naturwissensch. Landesdurch-
forsch. von Böhmen. Bd. IX. Nr. 6. Prag 1895.
*) Einige Beiträge zur Kenntnis der böhmischen Kreidefor-
mation. Jahrb. d. k.k. geolog. R.-A. Bd. 45, 1895.
5) Studien im Gebiete der böhmischen Kreideformation. VI.
Die Chlomeker Schichten. Ibid. Bd. X. Nr. 4, pag. 66. Prag 1897.
[3] Beitrag zur Kenntnis der Gervillien der böhmischen Oberkreide, 979
besonders das hintere Ohr ist auffällig ausgeprägt. Die Schloßzähne
sind sehr schwach entwickelt.
Die Schalenlänge von dem vorderen Ohr bis zur Spitze mißt
76 mm, die Höhe vom Unterrand bis zu dem hinteren Ohr 50 mm
und die Breite in der Mitte 29:5 mm.
Die ursprüngliche Epidermis ist nur bei der Spitze und bei dem
teilweise abgebrochenen Schloßligament erhalten. Trotzdem aber sind
die konzentrischen, schon von dem Rande des hinteren Ohres begin-
nenden Streifen mit einzelnen kräftigeren Rippen auf dem übrigen,
vollkommen erhaltenen Steinkern sehr gut sichtbar.
Ob es sich vielleicht auch um eine gewisse Uebergangsform
einer verwandten Gruppe handelt, können nur weitere erforderliche
Funde bestätigen, welche möglicherweise auch zur Präzisierung eines
in Frage stehenden Horizontes behilflich werden können.
Das mir vorliegende, dem Herrn Schulleiter Ferina gehörende
Exemplar stammt gleichfalls aus dem lichtgrauen Kalke des „Lustyk-
schen Felsen“ bei MoraSic.
Gervillia ef. aurita.
Taf. XII, Fig. 3.
Ein teilweise deformierter Steinkern der rechten, sichelartig
ausgeschweiften Schale.
Die Spitze sowie die obere Partie sind leider abgebrochen. Die
Schale war kürzer und auffallend breiter, der Oberrand mehr aus-
geschnitten als bei der vorherigen Form. Die Spuren der Epidermis
sind spärlich erhalten, und die in der vorderen Schalenhälfte sicht-
baren konzentrischen Streifen sind schwach angedeutet.
Das nur teilweise erhaltene verkürzte Hinterohr war gleichfalls
flügelartig ausgezogen wie bei Gervillia aurita.
Die hier beschriebene Versteinerung wurde auch bei MoraSic
gefunden.
Gervillia gibbera n. sp.
Taf. XII, Fig. 4.
Ein der schmalen Form nach einigermaßen an Gervillia solenoides
erinnernder Steinkern.
Der schlechte Erhaltungszustand der vorderen Partie desselben
ist auf das stark verwitterte Gestein zurückzuführen.
Die kurze und schmale Schale deutet auf eine mäßige Wölbung
hin, der Oberrand weist eine wellenförmige Krümmung auf und die
verschmälerte Spitze ist abgerundet. Der längste erhaltene Schalenteil
mißt 58 mm, die größte Breite 21 mm. Der Zwischenraum zwischen
dem Byssusausschnitt und der Stelle, wo das hintere Ohr beginnt,
ist auffallend verengt.
Wie weit die beiden Ohren flügelartig ausgezogen waren, läßt
sich nach dem unvollständig erhaltenen Schloßrand nicht erkennen.
Die aus schwachen Streifen und einigen kräftigeren Rippen be-
stehende Schalenskulptur ist beim Susan und bei der Spitze teil-
weise bemerkbar.
280 . V. Zelizko. [4]
Das Fossil fand Herr Schulleiter Ferina in demselben Stein-
bruche bei MoraSic, wie die vorher beschriebene Art.
Gervillia sp.
Taf. XII, Fig. 5.
In dem aus derselben Lokalität von MoraSic herrührenden
Material des Herrn Ferina befindet sich schließlich ein größtenteils
in Kalzit verwandelter, bei der Spitze uud in der oberen Partie ab-
gebrochener Steinkern einer noch kürzeren und breiteren Form, als
die vorhergehende Art aufweist.
Die Schale war ziemlich hoch gewölbt, der Oberrand geradlinig
wie bei @. solenoides und das teilweise angedeutete hintere Ohr war
flügelartig. Die Schalenskulptur ist undeutlich.
Stratigraphische Verbreitung der Gervillien in der
böhmischen Kreideformation.
Die Gattung Gervillia läßt sich nach Frit fast von der untersten
cenomanen Stufe bis in den obersten senonen Horizont, das heißt von
den Korycaner bis in die Chlomeker Schichten verfolgen )).
Als verbreitetste, in allen Horizonten (Perucer Schichten ausge-
nommen) vorkommende Art ist nach dem genannten Autor Gervillia
solenoides. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich unter diesem Namen
verschiedene Spezies verbergen, deren Revision wünschenswert wäre,
worauf übrigens schon Holzapfel hingewiesen hat?).
Aus der böhmischen Kreideformation führt Fri@ noch folgende
Gervilliaarten an:
Gervillia Kozakoviensis Fr. — Korycaner Schichten. Fundort:
Vesec unterhalb des Kozäkovberges bei Turnau. (Studien im Gebiete
der böhmischen Kreideformation. Ergänzung zu Band I. Archiv für
die naturwiss. Landesdurchforsch. von Böhmen. Band XV, Nr. 1, pag. 41.
Prag 1911.)
Gervillia Holzapfeli Fr. — Chlomeker Schichten. Fundort: Tannen-
berg. Exemplare mit wohlerhaltenem Schloßabdruck sind ähnlich der
Gervillia solenoides, aber das Schloßligament trägt 6—8 schmale, durch
breite Zwischenräume getrennte Zähne. Der das Schloß tragende
Flügel ist nicht dreieckig wie bei @. solenoides, sondern gleich breit.
(Studien etc. VI. Die Chlomeker Schichten. Archiv, Band X, Nr. 4,
pag. 65. 1897.)
Gervillia ovalis Fr. — Chlomekerschichten. Fundort: Chlomek
und Tannenberg. (Studien etc. VI. Die Chlomeker Schichten. Archiv,
Band X, Nr. 4, pag. 66.)
‘) Ibid. Tabellarische Uebersicht, pag. 32.
?) Die Mollusken der Aachener Kreide. Palaeontographica. Bd. 35,
pag. 224. Stuttgart 1888/89.
Ueber ein Juravorkommen bei Skutari in
Albanien.
Von Ottilie Saxl.
Mit 8 Abbildungen im Text.
Die von Herrn Dr. F. Baron Nopesa im Vilajet Skutari auf-
gesammelten Fossilien wurden mir zur Bestimmung übergeben und
ich habe dieselbe, soweit es der arg verwitterte Zustand der meisten
Stücke erlaubte, durchgeführt. Ungenauigkeiten, die sich etwa ergeben
könnten, sind auch darauf zurückzuführen, daß die Vignetten mit den
Ortsnamen vertauscht wurden und Herr Dr. Nopcsa dann nicht mehr
genau die betreffenden Fundstellen fixieren konnte. Bis zur Auffindung
der Fossilien durch Herrn Dr. Nopcesa war in Nord-Albanien kein
durch Fossilien genau bestimmter Lias oder Dogger bekannt. Das
fossilführende Gestein ist ein roter, mergeliger Kalk, abwechselnd mit
rötlichgelbem bis gelbem Kalk. Diese etwas voneinander abweichende
Ausbildungsweisen sind aber für die Horizontierung nicht bestimmend,
da die roten Kalke von Manatia und Pedhana Fossilien aus denselben
Altersstufen führen, wie die gelben Kalke von Lisna und Mlagaj. Sie
umfassen mittleren Lias, oberen Lias sowie unteren Dogger. Bevor ich
näher auf diese Lias-Doggervorkommen sowie auf Vergleiche mit
anderen Fundorten eingehe, will ich die betreffenden Fossillisten
anführen:
In Lisna ergab die Bestimmung der in rötlichgelben Kalken
aufgefundenen Exemplare eine Reihe, die vom mittleren Lias bis
zum unteren Dogger reicht:
Lytoceras fimbriatum Sow.
Mittlerer Lias 2 Harpoceras Bertrandi Kilian.
Phylloceras cf. heterophyllum.
Harpoceras crassifalcatus Kilian.
Hildoceras bifrons Brug.
Harpoceras complanatus Brug.
Hildoceras Commensis v. Buch.
Hildoceras Levisoni Simpson.
Phylloceras Nilssoni Hebert.
Oberer Lias
Unterer Dogger {| Coeloceras modestum Vacek nov. mut. compr.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reiclısanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. (O. Saxl.) 57
982 Ottilie Saxl. [2]
Außerdem habe ich noch einen Arieticeras spec. sowie einige
nicht näher bestimmbare Lytoceren und Harpoceren anzureihen. In
Manatia, wo rote, tonige Kalke vorherrschen ist
Mittlerer Lias mit ! Lytoceras cf. Dorcadis
Harpoceras briordensis Dum.
Pylloceras Nilssoni Heb.
Phylloceras cf. Frechi Prinz.
Unterer Dogger mit * Phylloceras cf. Zignodianum d’Orbigny.
| Harpoceras opalinum Rein.
{
Oberer Lias mit |
bestimmt.
In Pedhana, wo ebenfalls die roten Kalke auftreten, wurde ein
mittlerer Lias mit Seguenziceras Algovianum Oppel aufgefunden.
Die aus Mlagaj und Malci stammenden Ammoniten, die rötlich-
gelben Kalken angehören, konnte ich nur mit den Bezeichnungen
Phyll. spec. und Lytoceras spec. ohne nähere Bestimmung den bereits
erwähnten Vorkommen anreihen.
Die Basis dieser Stufen wird von einem hellen, festen, grauen
Kalkstein gebildet, in dem ein unbestimmbares Orthoceras aufgefunden
wurde. Wie Dr. Nopesa!) in seiner diese Gegend bezüglichen Arbeit -
bemerkt, sind die Lagerungsverhältnisse im allgemeinen stark gestört;
die Kalke von Kroni Madh lagern diskordant auf Triaskalk und auch
bei Manatia und Pedhana sind diese fossilführenden Kalke in einem
unklaren Verhältnis zu ihrer Unterlage. Bei Brzola z. B. liegen diese
Kalke auf Cukalikalk, der nach einem Vergleiche mit bosnischen
Vorkommen auch Jura sein dürfte, und der wieder auf Triaskalk
liegt. Bei Lisna gehen eben diese Kalke, die Ammoniten führen, sich
rasch verfestigend in den grauen, gebankten Kalk über, aus dem der
Orthoceras stammt und der jedenfalls auch Trias sein dürfte. Der
eocäne Flysch nun (aus dem die 2 Problematika stammen) unterteuft
diese ganze Serie und dieses Verhältnis zeugt von den starken, noch
eocänen Störungen, die es auch erschweren, das Verhältnis von Trias
zum Jura zu deuten.
Ahnliche Verhältnisse wie in diesem Gebiete finden wir vor
allem in Südalbanien, Griechenland und den umliegenden Inseln. Wie
Renz?) in den diese Gegenden betreffenden Arbeiten erwähnt, ist
die Oberliasfauna im griechischen Mesozoikum sowohl in gelblichen,
knolligen als auch in roten, tonigen Kalken vorhanden und es bilden
letztere ein typisches Merkmal des griechischen Oberlias. Es reichen
aber diese roten Kalke bis in den unteren Dogger hinauf und da ist
es, wie bei dem vorliegenden albanischen Vorkommen, nur möglich,
die Grenzen zwischen diesen beiden Altersstufen durch Fossilien zu
ermitteln. In der Angolis (Apando Phanari) kommt Hildoceras bifrons
Brug. ebenfalls gemeinschaftlich mit Phylloc. Nilssoni Heb. und Hildo-
ceras Levisoni Simpson vor, wie es in Lisna der Fall ist. Hildoceras
‘) Zur Stratigraphie und Tektonik des Vilajets Skutari in Nordalbanien von
Dr. F. Baron Nopcsa. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1911.
?) Renz, Strat. Unters. im Griech. Mesozoicam. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A, 1910.
[3] Ueber ein Juravorkommen bei Skutari in Albanien. 283
Oommensis v. Buch fehlt hier. Letzterer wurde aber beim Cap Scala
in mergeligen Kalken gemeinschaftlich mit Harpoceras complanatus
Brug. sowie Hildoceras Mercati Hauer etc. aufgefunden.
In Bosnien scheint die Grenze der mediterranen Juraausbildung
der Bosna entlang, gegen Cattaro zu verlaufen. Es sind hierfür zwar
nur die Orte Gacko und Vares anzugeben, wo man sicheren, durch
Fossilien bestimmten Jura antraf. So fand Wähner!) bei Gacko in
hellgrauen Kalkmergeln zwei Exemplare von Hildoceras bifrons und
Bittner?) etliche Liasammoniten noch im Bereiche des Triaszuges.
Dr. H. Beck?) machte einen glücklichen Fund von ebensolchen bei
Varles, und zwar in Mergelschiefern, konnte die Exemplare aber
wegen des schlechten Erhaltungszustandes nicht genauer einreihen.
Den nordwestlichen Teil Bosniens hat Wähner, als bereits litorale
Entwicklung zeigend, beschrieben und hat ihn den verwandten Vor-
kommen von Fünfkirchen und dem Banat gleichgestellt. Es kann
demnach das Vorgreifen des Lias nach VareS als eine Einbuchtung
des Landkomplexes gedeutet werden.
Diese enger zusammen gehörigen Juraablagerungen von Griechen-
land, Albanien und Bosnien, weisen in allererster Linie auf die
Oolithe von San Vigilio hin; sie zeigen eine große faunistische Ver-
wandtschaft in den einzelnen Stufen und entsprechen, wie die Oolithe
ihrem lithologischen Habitus nach einer größeren Meerestiefe. Vom
Cap San Vigilio aus kann man die pelagische Entwicklung des Jura
den Alpenrand entlang verfolgen, Auch hier trifft man, wie z. B.
Raßmußt) beschreibt, meistens die roten, tonreichen Mergel mit
Ammonitensteinkernen an und es geht der Oberlias, wie in Griechen-
land und Albanien, ohne erkennbare Grenzen in den Dogger über.
Weiter nordwestlich, in den Bergamasker Alpen beschreibt Varisco?°)
auch rote Kalke mit der typischen Oberliasfauna, doch transgrediert
dann bereits das Tithon, wie es auch bei Brescia der Fall ist. Diese
Transgression des Tithon kann man auch in den Zentralapenninen ®)
verfolgen und erst in Sizilien tritt wieder die konkordante Folge ein.
Nach obigen Ausführungen kann man die genannten Juragebiete
in eine Gruppe stellen und auch folgende Gebiete, die nicht zur
Landumrahmung der Adria gehören: In der nördl. Arva die Klippe
von Podbiel und den Bakony.
C. M. Paul beschreibt von der Klippe von Podbiel stammende
rote Schiefer und Kalke mit Amm. bifrons und Amm. cornucopiae
Joung, doch kommt hier der obere Lias unter dem unteren Lias zu
liegen. Im Bakony’) ist der Lias und Dogger sehr schön mediterran
entwickelt und ist jedenfalls das am engsten anzureihende Vorkommen.
1) Wähner, Annalen des. k. k. Naturhistor. Hofmuseums (89).
?) Bittner, Verh. der k. k. geol. R.-A. 1885, S. 141.
3, Dr. H. Beck, Jahrb. der k. k. geol. R.-A. 1903 (Lias bei Vares ir Bosnien).
*) Raßmuß, Beiträge zur Stratigr. und Tekt. der südöstlichen Alta Brianza
S. 68. — (Koken, Paläontolog. Abh. X. 1911— 1912.)
5) Varisco, Note illustrative della carta geologica della provincia di Ber-
gamo 1881.
6) Vacek, Oolithe von San Vigilio. S. 205.
°) C. M. Paul, Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. XV III, S. 226.
37*
984 Ottilie Saxl. [4]
Die Klippe von Podbiel erwähne ich hauptsächlich wegen der Merk-
würdigkeit der so entfernt liegenden, aber so ähnlichen Bildungen.
Ich will da die Frage berühren, ob diese Klippe nicht südlichen Ur-
sprunges ist und tektonisch in die Gegend von Arva gelangte. An-
derseits könnten auch die Lebensbedingungen des Jurameeres
nördlich ähnliche gewesen sein und eine der mediterranen sehr ähn-
liche Fauna geliefert haben. Nach dem sonstigen Auftreten des Hildo-
ceras bifrons, das immer wärmere Klimate annehmen läßt, könnte
man auch eine warme Strömung vermuten, die diese Begünstigung
ergeben hat. Ueber den roten Schiefern und Kalken tritt bei der
Klippe von Podbiel Fleckenmergel auf und dies zeigt den Uebergang
in die nördlichere Entwicklung an, aber auch möglicherweise eine
Klimaschwankung oder ein Abbrechen der erwähnten wärmeren
Meeresströmung. Anschließend an diese Bemerkungen will ich das
Vorkommen von 2 Problematikas betonen, die Ausgüsse von Medusen
sein sollen und ganz ähnlich wie diese zwei Stücke aus dem ebenfalls
eocänen Flysch der Karpathen beschrieben werden. Das Gebiet der
Arva liest in nächster Nähe des Flyschzuges und die Kenner dieser
Gebiete könnten da eventuell sehr wichtige Parallelisierungen mit
dem albanischen Gebiet vornehmen. Ich habe diesen zwei Medusen-
ausgüssen in dem folgenden speziellen Teil eine Beschreibung ge-
widmet.
Spezieller Teil.
Hildoceras Levisoni Simpson.
ÜBie.t}
Amm. bifrons Brug.: Meneghini: Lias sup. in Stoppani. Pal&ont. Lomb.
Ser. IV (1867—1881). Taf. II, Fig. 1—4.
Hild. Levisoni Simpson: Prinz: Die Fauna der älteren Jurabildungen im nord-
östlichen Bakony. Mitt. aus dem Jahrb. d. kgl. ung. geol. Anst. Bd. 15 (1904).
S., 127.
Hild. Levisoni Simpson: Renz: Der Nachweis von Lias in der Argolis. Zeitschr.
d. deutsch. geol. Ges. Bd. 61 (1909). S. 126. Taf. IV, Fig. 3.
Amm. Levisoni Simpson: Dumortier: Dep. Jur. Lias sup. S. 49. Taf. IX,
Fundort: Lisna.
Dieser Hildoceras Levisoni Simpson, der der Gruppe des Hildo-
ceras bifrons angehört, zeigt in der Skulptur schon deutlich den
Uebergang von Harpoceras zu Arietites. Er zählt auf dem letzten
Umgang ungefähr 39 Rippen, ist ziemlich fach und besitzt einen von
zwei Furchen begleiteten Kiel. Die Rippen sind sichelförmig und
werden gegen die Naht zu undeutlicher. Gegen die inneren Win-
dungen zu werden die Rippen schärfer ausgeprägt, sind aber auf der
letzten Windung wieder schwächer entwickelt. Die Anfangsblase ist
ausgebrochen. Die einzelnen Umgänge setzen mit einer Kante gegen-
einander ab, so daß die äußeren Umgänge gegen die inneren sich
stufenartig erheben.
[5] Ueber das Juravorkommen bei Skutari in Albanien. 285
Die Lobenlinie zeigt einen breiten Externsattel, der durch einen
seichten Lobus in zwei Teile geteilt ist; dann kommt ein schlanker,
Fig. 1.
Hildoceras Levisoni Simpson.
kleinerer Lateralsattel und weiter bis zur Naht zwei Hilfssättel. Der
Externlobus ist beinahe in derselben Größe als der Laterallobus.
Hildoceras bifrons Brug.
Eig.72.
Prinz: Fauna der älteren Juraabbildungen im nordöstlichen Bakony, ]. c. S. 124,
Taf. VI, Fig. 2, 4 u. 7 und Taf. XXXVIJ, Fig. 14.
Renz: Der Nachweis von Lias in der Arsolis, l. c. 8. 213, Taf. IV, Fig. 1 u. 5.
Haug: Beiträge zu einer Monographie der Ammoniten-Gattung Harpoceras. Neues
Jahrb. f. Mineralogie. 1885. Beil.-Bd. Ill.
Fundort: Lisna.
Dieses Exemplar ist mit ziemlich dichtstehenden, sichelförmigen
Rippen verziert, die sich bis beinahe zur Anfangsblase erkennen
lassen. Die Rippen verschwinden auf dem letzten Drittel des Umganges
gegen die Naht zu. Die einzelnen Umgänge fallen mit sanft gerundeten
Kanten, stufenförmig gegeneinander ab. Das Abbrechen der Rippen
erfolgt in einer schönen Linie und man kann hier keinesfalls von
einer begleitenden Furche sprechen. Der Rücken ist flach und die
Flanken gehen mit einer Kante in denselben über. Der Kiel verläuft
von zwei seichten Furchen begleitet. Ich stelle dieses Exemplar trotz
Fehlens einer ausgesprochenen Furche zu Harpoceras bifrons Brug.,
286 Ottilie Saxl. [6]
da es sonst alle charakteristischen Merkmale dieser Form aufweist,
Das Fehlen der Furche und eher Vorhandensein einer kleinen Erhöhung
Hildoceras bifrons Brug.
des unskulpturierten Teiles führe ich nach Haug auf ein höheres
Altersstadium zurück.
Seguenziceras (Arieticeras) Algovianum Opp.
Fig. 3.
P. Rosenberg: Die liasische Cephalopodenfauna der Kratzalpe im Hagengebirge.
Beitr. z. Pal. u. Geol. Öst.-Ung. u. d. Orients. Bd. 22 (1909). S. 289, Taf. XV,
Fig. 18a —c, 19 und 20.
Geyer: Mittelliasische Cephalopoden des Schafberges. Abhandl. d. k. k. geol.
R.-A. Wien, Bd. 15 (1893). S. 5, Taf. 7 und 8,
Fucini: Fauna del Lias medio del Monte Calvi. Palaeontogr. Ital. Bd. 2 (1896).
3.175, Taf: VI: Big. 1.
Fnndort: Lisna.
Das vorliegende Bruchstück zeigt deutlich die scharf ausgeprägten
Rippen, die in regelmäßigen Abständen an der Naht ansetzen. Sie
werden gegen den Rücken zu so aufgebläht, daß es beinahe den
[7] Ueber das Juravorkommen bei Skutari in Albanien, 287
Eindruck von Knoten machte. Sie sind schwach sichelförmig gebogen
und erst gegen den Rücken zu, etwas in die Richtung der Mündung
vorgebogen. Der aufgesetze Kiel wird von zwei scharfen Furchen
begleitet. Die Flanken bilden mit dem Rücken einen beinahe rechten
Winkel, wodurch der Umriß des länglichen Umganges einem Rechtecke
gleicht. Die Umgänge fallen in Steilkanten zur Naht ab und es zeigt
auch der innere Umgang eine deutliche Skulptur. Die Lobenlinie
Seguenziceras (Arieticeras) Algovianum Opp.
besteht aus einem zweispitzigen Sıphonallobus, einem sekundär ge-
teilten, sehr breiten Externsattel, einem sehr großen Laterallobus, dem
ein sehr kleiner II. Laterallobus folgt und einem Lateralsattel, der
nur ein Drittel der Größe des Externsattels erreicht. Der vorliegende
Seg. (Arietites) Algovianum Opp. ist als eine Uebergangsform zu Artetites
Bertrandi Kilian zu betrachten. Bei Ar. Algovianum Opp. findet man
sonst die seitlichen Kielfurchen nicht so stark entwickelt, es ist dies
meistens bei Ar. Bertrandi Kil. anzutreffen, wohingegen der Quer-
schnitt, der Größenverhältnisse halber, auf Ar. Algovianum Opp. hin-
I8R Ottilie Saxl. [8]
deutet. Rosenberg hat in seiner bezüglichen Arbeit ewähnt, daß er
das Auftreten von Kielbändern auf ein Jugendstadium bezieht; in dem
vorliegenden Falle wird es wohl besser sein, diese Form, wie schon
erwähnt, als Uebergangsform aufzufassen.
Harpoc. cf. erassifalcatum Dumortier.
Fig. 4.
Dumortier: Terrains jur. Lias sup. S. 257, Taf. LII, Fig. 1—2.
Fundort: Lisna.
Das Bruchstück läßt nach seiner Form auf einen engen Nabel
schließen. Die Rippen laufen von der Nabelkante regelmäßig ansteigend
gegen die Mündung zu; auf ungefähr der Hälfte der Flanke biegen
sie plötzlich ab, laufen nach rückwärts, um dann auf dem letzten
Viertel, äußerst kräftig ausgebildet, wieder mit einer plötzlichen
Biegung die Richtung gegen die Mündung zu nehmen. Auf den auf
dem Bruchstück ersichtlichen Schalenresten kann man die gleiche
Ausbildung beobachten. Die eine Hälfte des Bruchstückes, die den
Harpoc. erassifalcatum Dumortier.
Steinkern bildet, erscheint abgerundet und kiellos; wo aber die
Schalenreste sind, scheint sich eine Rückenkante mit Furchen aus-
zubilden und es kann deshalb eventuell ein scharf aufgesetzter Kieb
vorhanden gewesen sein. Die Nabelkante fällt steil scharfkantig al
und die Windung erreicht die größte Stärke gegen den Nabel zu.
Da der bei Dumortier angeführte Kiel nicht als unbedingt vorhanden
anzunehmen ist, die Skulptur aber sehr schön mit der Abbildung
übereinstimmt, bezeichne ich das Stück mit Amm. cf. erassifal-
catus.
[9] Ueber ein Juravorkommen bei Skutari in Albanien. 289
Phylloceras Nilssoni Hebert.
Fig. 5.
Prinz: Fauna der älteren Jurabildungen im nordöstlichen Bakony, ]. c.
Meneghini: Lias superieur, ]. ce.
Renz: Nachweis von Lias in der Argolis, 1. c.
Ds gOalithe vom Cap San Vigilio. Abhandl. d. k. k. geol. R,-A. Wien 1886,
Fundort: Manatia.
Vorliegendes Exemplar ist ein kleiner Phyllocerate mit 6 deut-
lichen Furchen, die eine sanfte Umbiegung gegen die Mündung auf-
weisen. Er ist ziemlich flach, hochmündig und sehr eng genabelt. Der
Querschnitt ist oval. Die Lobenlinie ist nicht sehr deutlich, doch ist
das charakteristische Merkmal — die Entwicklung der Auxiliarloben
bis zur Mitte des Umganges — gut ersichtlich, ebenso die Einblättrig-
Phylloceras Nilssoni Hebert.
keit der letzten Auxiliarsattel. Dieser so häufig gefundene Phyllocerate
zeigt zwar in den verschiedenen Beschreibungen größere Abweichungen
bezüglich der Größenverhältnisse, aber sein äußerer Habitus: der
Verlauf der Furchen, das rasche Wachstum, der oval-eiförmige Quer-
schnitt erlauben meiner Anschauung nach die Einreihung dieser
Exemplare.
Phylloceras cf. Zignodianum d’Orb.
Fig. 6.
Vacek: Oolithe vom Cap San Vigilio, 1. c. S. 66, Taf. IV, Fig. 8—11.
Fundort: Manatia.
Auf dem vorliegenden Stücke sind noch große Schalenreste
erhalten. Die Skulptur besteht aus einer feinen Streifung, die durch
stärkere Linien unterbrochen wird. Die letzteren gehen bogenförmig
gegen die Mündung vorgezogen in Wülste über, die aber nur auf
dem äußersten Rande und auf dem Rücken sichtbar sind. Auf dem
Rücken zeigen die feinen Linien ebenfalls einen Schwung gegen die
Jahrbuch d.k.,K. geol. Reichsanstalt, 1916, 66, Band, 2. Heft. (O. Saxl.) 38
290 Ottilie Saxl. [10]
Mündung zu, auch ist die Entfernung der einzelnen gegen die Mündung
zu eine größere. Auf den Flanken sind die Linien kaum zu bemerken
und werden erst auf dem letzten Drittel deutlicher. Die Seiten gehen
anfänglich flach gegen den kleinen Nabel zu, bilden aber dann eine
"
S
Phylloceras cf. Zignodianum d’Orb.
Fig. 6.
steile Kante. Der Querschnitt ist rechteckig und die Wülste machen
auf dem vorliegenden Stücke den Eindruck von schuppenartigem
Uebergreifen. Ich hahe das Stück dem von Vacek beschriebenen
gleichgestellt und fürhre als variierende Merkmale an: etwas engere
Streifung und etwas involuter.
Harpoceras cf. opalinum Rein.
Ep, 7:
Vacek: Oolithe vom Cap San Vigilio, ]. c. S. 71.
Dumortier: Lias sup.
Fundort: Manatia.
Die Skulptur besteht aus undeutlich sichtbaren, sichelförmigen
Rippen. Es ist nur der Rest eines erhabenen Kieles vorhanden, der
aber, wie das Bild deutlich zeigt, sehr scharf aufgesetzt ist und des-
halb zum größten Teile abgebrochen wurde. Die Umgänge verlaufen
zur Naht scharfkantig, sie fallen in einem rechten Winkel zu derselben
ab. Der Ammonit ist ziemlich flach, zeigt die stärkste Aufblähung
gegen die Naht zu und es erfolgt dann das bereits erwähnte, steile
Abfallen gegen dieselbe. Der letzte Umgang umschließt zirka ?/, des
vorhergehenden. Die Lobenlinie ist sehr undeutlich, doch sieht man,
daß der Externsattel durch einen Sekundärlobus in zwei unsymmetrische
Hälften geteilt ist. Es herrscht Uebereinstimmung mit den von Vacek
beschriebenen Exemplaren in ähnlichen Größenverhältnissen.
[11] Ueber ein Juravorkommen bei Skutari in Albanien. 291
Fig. 7.
Harpoceras cf. opalinum Rein.
Atollites cf. carpathicus Zub.
Fig. 8.
Fundort: Lisna?
Unter den zu bearbeitenden Fossilien aus Nordalbanien befinden
sich auch noch zwei Problematika, die aus dem eocänen Flysch
stammen, der den Jura unterteuft. Bei dem einen (I) Stücke erkennt
man den typischen Flysch, es ist ein feinkörniger, stark glimmer-
Fig. 8.
(D) (ID
Atollites cf. carpathicus Zub.
hältiger Sandstein; das andere (II) Stück ist stark kalkhältig, dunkel
und von feinen Kalkspatadern durchzogen. Bei I erkennt man auch
noch andere Wülste, die den typischen Flyschcharakter vervollständigen.
Von Dr. Maas!) wurden bereits ähnliche Gebilde aus den Wernsdorfer
ı) 0. Maas, Über Medusen aus dem Solenh.-Sellf. und der unteren Kreide
der Karpathen. Palaeontographica. Bd. 48. Stuttgart 1901—1902.
| 38*
92992 Ottilie Saxl. [12]
Schichten beschrieben, als Ausgüsse von Medusen aufgefaßt und
als neuer Genus mit dem Namen Atollites bezeichnet. Dr. Zuber!)
beschrieb einen ähnlichen Fund aus den ostgalizischen Karpathen
(Jaremeze am Prut) und W. Kuzniar?) einen solchen aus dem
Flysch südlich von Krakau. Der Fund aus Albanien zeigt die meiste
Aehnlichkeit mit den von Zuber und Kuzniar beschriebenen und
ich bezeichne die vorliegenden 2 Exemplare mit Atollites cf. carpa-
thicus Zub. die große Aehnlichkeit betonend. Eine neue Unterteilung
scheint mir auf das Problematische der Sache hinweisend nicht ratsam.
Bei I befinden sich neben anderen Flyschwülsten die regelmäßig
angeordneten Wülste des Atollite. Die Anordnung bewegt sich in
elliptischer Bahn und die einzelnen Wülste sind keilförmig ausgebildet.
Bei II ist die Anordnung kreisförmig, die Wülste sind ebenfalls
keilförmig, aber es ist der Innenraum konkaver und die Wülste
sehen dadurch viel erhabener aus. Den Anordnungen der Wülste, in
kreisrunder oder elliptischer Bahn glaube ich aber nicht viel Bedeutung
angedeihen lassen zu müssen, da dieselben jedenfalls auf die momentane
Stellung der toten Meduse zurückzuführen sind. Dies ist auch ein Grund,
warum ich beide Exemplare zu Atoll. carp. stelle. Jedenfalls wird es
interessant sein, bei weiteren solchen Funden vielleicht auf sichere
Annahmen zu kommen.
Größentabelle:
Kleinster
Durch-
Größter | Kleinster Größter
Durch- | Durch- Durch-
!
|
Rear me Breite | Höhe
der der der
messer | messer messer messer der Wülste | Wülste | Wülste
außen außen innen innen wü
ülste | zum mm mm
mm | mm mm
'IIl 36 34 15!/, 14
101 36 29 20 17 |
‘) Zuber, Eine foss. Med. a. d. Kreideflysch d. ostgalz. Karpathen. Verh.
d. k. k. geol. R.-A. 1910, S. 57.
Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek, Wien III. Steingasse 25.
Tafel X (I).
Dr. Fritz v. Kerner:
Quellengeologie von Mitteldalmatien.
Erklärung zur Tafel X (D.
Fig. 1—8.
Quellformen bei konkordanter und diskordanter Lagerung.
Fig. 1. Absteigende Quelle an der Auflagerungsgrenze jungpliocäner Schotter
auf Congerienschichten. (@olo brdo bei Trilj )
Fig. 2. Absteigendes Quellchen an einer Ueberschiebung von Rudistenkalk
über Flyschmergel; in einem Fenster bloßgelegt. (Berg Struzevice bei Srijani.)
Fig. 3. Ueberfallquelle infolge der Einschaltung von Schieferton in endo-
klin gelagerten Ceratitenkalk. (Nordhang des Mutko polje )
Fig. 4. Ueberfallendes Quellchen an einer Aufschiebung von Rudistenkalk
auf mitteleocänen Knollenmergel. (Mittleres Koritotal.)
Fig. 5. Stauquelle infolge der Einschaltung von Mergellagen in steil
gestellte Prominakonglomerate. (Hochtal von Catrnja am Prolog.)
Fig. 6. Stauquelle ‘an einer Verwerfung zwischen Myacitenschiefer und
Rudistenkalk. (Oberes Sutinatal.)
Fig. 7. Rückstauquelle an der Grenze von tonigen Schichten gegen Horn-
steinkalk im Hangenden des ladinischen Augitporphyrites. (Oberes Suvajatal.)
Fig. 8. Rückstauquelle an der Transgressionsgrenze von Neogen auf
Kreidekalk. (Westrand der Talmulde von Ervace.)
Fig. 9—16.
Beispiele von absteigenden Quellen.
Fig. 9. Quellchen aus exoklinem Rudistenkalk infolge der Zwischenschal-
tung unzerklüfteter oder unwegsame Klüfte führender Gesteinsbänke. (Nordhang
des Westmosor.)
Fig. 10. Quellchen aus Rudistenkalkbreccien, von analoger Entstehung wie
das vorige. (Nordosthang des Ostmosor.)
Fig. 11. Quellchen an der Auflagerungsgrenze von Nummulitenbreccienkalk
auf synklinal gestellten Flyschmergel. (Monte Marjan.)
Fig. 12. Quelle an der Auflagerungsgrenze von Prominakonglomeraten auf
synklinal gestellten flyschähnlichen Mergel. (Oberes Koritotal.)
Fig. 13. Quelle an der Auflagerungsgrenze jungpliocäner Schotter auf
flachmuldenförmig gelagerte Congerienschichten. (Golo brdo bei Tri]j.)
Fig. 14. Quellchen an der Grenze verwitterter gegen frische Schichten von
hemizentroklinal gelagertem cenomanem Dolomit. (Hochtal von Zagradje am Mosor.)
Fig. 15. Schuttgrundquelle über unteren Duvinaschichten. (Mittleres Suvaja-
tal.) — Schraffiert: Schieferton; geringelt: Knollenkalk;; gefeldert: Hornsteinkalk
} Fig. 16. Schuttgrundquelle über neogenem Mergelkalk. (Nordrand des
Sinjsko polje.)
F. v. Kerner: Quellengeologie von Mitteldalmatien.
Tan 2)
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI. 1916.
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, Ill., Rasumofskygasse 23
Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien
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Tafel XI (II).
Dr. Fritz v. Kerner:
Quellengeologie von Mitteldalmatien.
Erklärung zur Tafel XI (II).
Fig. 17—28.
Beispiele von Stau- und Spaltquellen.
Fig. 17. Quelle aus endoklinen, von einer Mergellage unterteuften Pro-
minakonglomeraten. (Oberes Koritotal.)
Fig. 18. Quelle aus endoklinen Neogenschichten. (Ostrücken des Sus-
nevac.) — Punktiert: sandige Ceratophyllummergel; schraffiert: Bändermergel;
unterbrochen schraffiert: Kalkmergel.
Fig. 19. Quelle an der Spitze einer Knickung im Schichtstreichen an der
Grenze endokliner oberer und unterer Werfener Schichten. (Nordhang des Milina-
tales.)
Fig. 20. Quelle an der Flanke einer von Nummulitenkalkbreccien über-
lagerten Hemizentroklinale von Flyschmergel. (Westliches Dolac am Nordostfuße
des Mosor.)
Fig. 21. Quelle aus Hornstein führenden Schichten über Augitporphyrit.
(Oberes Suvajatal.) ö
Fig. 22. Quelle aus steil gestelltem Sandstein an der Grenze zwischen
oberen und unteren Werfener Schichten. (Radacagraben ober Muc.)
Fig. 23. Quelle aus einer Zone von Knollenkalk zwischen Schiefertonen
der unteren Duvinaschichten. (Oberstes Suvajatal.)
Fig. 24. Quelle aus steil gestelltem Flyschsandstein zwischen Flysch-
mergeln. (Oberes Smovotal.)
Fig. 25. Quelle an einer Verwerfung zwischen Werfener Schichten und
Triasdolomit. (Oberes Sutinatal.)
Fig. 26. Quelle an einer Verwerfung zwischen Rudistenkalk und ceno-
manem Dolomit. (Mulde von Ljubac am Mosor.)
Fig 27. Quelle an der Transgressionsgrenze neogener Mergelkalke auf
steil gestellte Eocän- und Kreideschichten. (Tal des Ovarlj potok.) — Eng
schraffiert: Kreidedolomit; weit schraffiert: Chamidenkalk; punktiert: Ruda-
schichten; polygonal gefeldert: eocäne Breccien.
Fig. 28. Quelle an einer Verwerfung zwischen lignitführenden Congerien-
schichten und Liaskalk. (Westrand des Beckens von Lu£ane.)
Fig. 29—32.
Karstquellen.
Fig. 29. Karstquelle aus isoklinal gelagertem Chamidenkalk. (Rumin-
schlucht.)
Fig. 30. Karstquelle aus heteroklinal gelagertem Chamidenkalk. Die
Quelle bricht in der Verwerfungsspalte auf. (Talkessel von Ruda.)
Fig. 31. Karstquelle aus Chamidenkalk, durch eine alttertiäre Mergel-
schiefervorlage brechend. (Talkessel von Ruda.)
Fig. 32. Karstquelle aus Rudistenkalk, nach ihrem Austritte durch vor-
gelagerte Neogenschichten brechend. (Schlucht des Kozinac.)
F. v. Kerner; Quellengeologie von Mitteldalmatien.
Tat, XI. (II.)
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27
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI, 1916.
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, Ill, Rasumofskygasse 23
Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien
Tafel XlIl.
J. V. Zelizko:
Beitrag zur Kenntnis der Gervillien der böhmischen
Oberkreide.
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Band, 2. Heft. 39
Erklärung zur Tafel XII. +
Fig. 1. G@ervillia bohemica n. sp. — KniZnic bei Eisenstadtl.
Fig. 2. @ervillia aurita n. sp. — Moraßic bei Leitomischl.
Fig. 3. Gervillia cf. aurita. — Mora$ic bei Leitomischl.
Fig. 4. Gervi’lia gibbera n. sp. — Moraßic bei Leitomischl.
Fig. 5. Gervillia sp. — Moraßic bei Leitomischl.
Original Fig. 1 stammt aus den Sammlungen der k. k. geolog. Reichsanstalt, die
Fig. 2—5 aus der Sammlung des Schulleiters Ferina.
Alle Figuren sind fast in der natürlichen Größe.
J- V. Zelizko: Neue Gervillien. Taf. XII.
Phot. u. Lichtdr. v. Max Jaffe, Wien,
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LXVI. 1916.
Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, IIl., Rasumofskygasse 23
Be
2
Ausgegeben im Dezember 1917.
JAHRBUCH
DER
KAISERLICH-KÖNIGLICHEN
GROLCISHEN RICHSANSTA
Be JAHRGANG 1916, LAY BAND.
3. und 4; Heft.
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ee Wien, 1917.
. Verlag der K. k, ae Reichsanstalt.
In Kommission bei R. Lechner win. Müller), k. u. k. Hofbuchhandlung
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Geomorphologische Studien über die Alpen am
Rande der Grazer Bucht.
Von Dr. A. Aigner.
Einleitung.
Es ist heute nicht mehr möglich, das Problem der Alpenbildung
nur vom rein geologischen Standpunkte zu behandeln. Die Frage,
wie sich die Oberfläche des Gebirges entwickelt hat, nimmt immer
mehr das Interesse aller Alpenforscher in Anspruch. Im allgemeinen
sind die glazialen Formen so verbreitet, daß durch sie die frühere
Gestaltung des Gebirges wenigstens bis zu einem gewissen Grade ver-
wischt wurde. Wie schwer es ist, sich ein Urteil über das präglaziale
Relief zu bilden, geht schon daraus hervor, daß die Meinungen über
das Ausmaß der Glazialerosion keineswegs geklärt sind. Da muß es
in einem Gebiete, das nicht oder nur wenig vergletschert war, leicher
möglich sein, sich mit der Vergangenheit des Gebirges vertraut zu
machen. Dies ist vor allem am Ostrand der Alpen der Fall. Hier kommt
noch dazu, daß in den westlichen Verzweigungen des großen pannoni-
schen Beckens, im inneralpinen Wiener Becken, in der Bucht von
Landsee und in der Grazer Bucht miozäne und pliozäne Schichten in
reicher Entwicklung liegen, so daß es hier naheliegt, Beziehungen zu
suchen zwischen der Formenentwicklung des Gebirges und den ein-
zelnen Umbildungsepochen dieser Buchten.
Mit der Lösung dieser Probleme in der Grazer Bucht habe ich
mich durch eine Reihe von Jahren beschäftigt. Die Anregungen zu
diesen Studien und mannigfache Förderungen danke ich meinen ver-
ehrten verstorbenen Lehrern, den Herren Hofrat Eduard Richter
und Rudolf Hörnes, und Herrn Geheimrat Albrecht Penck. Ueber
den gleichen Gegenstand hat Herr Dr. Sölch aufdem Geographentage
zu Innsbruck im Mai 1912 einen Vortrag gehalten (Lit. Nr. 1). —
Es sollen nun hier die wichtigsten Ergebnisse meiner Studien zu-
sammengefaßt werden.
Von zwei Tatsachengruppen mußte ich ausgehen, erstens von den
miozänen und pliozänen Schichten der Grazer Bucht und zweitens von
den Oberflächenformen des Tertiärhügellandes der Bucht und jenen
der angrenzenden Teile der Alpen. Die Folge der miozäuen und plio-
zänen Schichten der Bucht ist durch zahlreiche Studien ausgezeich-
neter Geologen im wesentlichen bekannt; aber über ausgedehnte Ge-
biete (so über den Bereich der Spezialkartenblätter Fürstenfeld,
Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstilt, 1916, 66. Bd., 3. u.4. Heft. (A. Aigner.) 40
994 Dr. A. Aigner. [2]
Gleichenberg mit Ausnahme des vulkanischen Gebiets, des östlichen
Teiles des Blattes Wildon, über den größten Teil der Windischen
Bühel) lagen keine neueren Detailstudien vor; es mußten daher in
diesen Gegenden wiederholt im einzelnen sehr zeitraubende Unter-
suchungen angestellt werden. Die Arbeiten von Winkler sind erst
nach Vollendung dieser Studien erschienen.
Die Hauptaufgabe aber war, in kritischer Weise die Entwicklung
der Formenwelt des Gebirges kennen zu lernen; dann erst konnten
die Beziehungen zwischen der Öberflächenentwicklung des Gebirges
und den einzelnen Phasen in der Geschichte der Grazer Bucht auf-
gesucht werden.
I. Die miozänen und pliozänen Schichten der Grazer
Bucht.
Um die geologische Erforschung der Grazer Bucht haben sich
in älterer Zeit vor allem Rolle und Stur, später dann in erster
Linie Hörnes und Hilber große Verdienste erworben. In neuerer
Zeit haben Dreger, dann besonders Winkler über die Tertiär-
schichten der Grazer Bucht eingehende Untersuchungen gepflogen.
Winkler verspricht, seine Arbeiten auch über die jüngsten Schichten
dieses Gebietes auszudehnen. Dann erst werden diese neueren Studien
zu einem Abschluß gekommen sein. Ich folge hier im wesentlichen
den Auffassungen von Hörnes und Hilber.
Die tertiäre Ausfüllung der Bucht beginnt mit den lakustren,
Braunkohlen führenden Schichten, die Hilber ins Untermiozän stellt
(Lit. Nr. 2). Sie liegen fast durchwegs am Rande des Gebirges und
erfüllen einige in das Gebirge eingreifende Buchten. Die nächstjün-
gere Gruppe gehört dem Grunder Horizont und der II. Mediterranstufe
(Leithakalkschichten) an. Diese Schichten liegen mit Ausnahme des
Vorkommens am Aframberg bei Wildon nur westlich der Kainach und
Mur. Sie bauen dann im wesentlichen den westlichen Teil der Win-
dischen Büheln auf und finden sich erst weiter südlich an der Drau
in deren östlichem Teile. Außerdem ist noch im Nordosten. der Grazer
Bucht bei Pinkafeld ein Leithakalkvorkommen bekannt geworden
(Lit. Nr. 3). Der übrige Raum der Grazer Bucht, also vor allem die
Oststeiermark, wird von jüngeren Sedimenten erfüllt. Unter diesen
herrschen jene Tone, Tegel, Lehme, Sande und Schotter vor, die bis-
her für pontisch gehalten wurden; nach den paläontologischen Unter-
suchungen von Bach (Lit. Nr. 4) muß man freilich annehmen, daß
wenigstens ein Teil davon jünger, nämlich levantinisch ist. Unter
diesen pliozänen Schichten — die pontischen sollen hier zum Pliozän
gerechnet werden — liegen, östlich der Linie Mureck—Wildon—
Doblbad, sarmatische Schichten. Am meisten treten sie zwischen den
gegen Osten gerichteten Talstrecken der Raab und Mur zutage.
Sölch versucht nun die Schotter im Gratweiner Becken und
westlich des Plawutschzuges in mehrere Stufen zu zerlegen, indem er
von den sogenannten Belvedereschottern, die er als Höhenschotter
bezeichnet, zwei ältere Gruppen abtrennt. Als älteste Gruppe be-
[3] Geomorphologische Studien über die Alpen der Grazer Bucht, 295
trachtet er die von Hilber mehrfach besprochenen Blöcke, die bei
Gratwein unter den Belvedereschottern liegen (Lit. Nr. 5). Er faßt
sie im Gegensatz zu Hilber, der früher für sie die Beförderung
durch Gletscher für möglich hielt, sie aber jetzt auf einen verhüllten
archäischen Grundgebirgsrücken zurückführt, als Zeugen einer Schutt-
verfrachtung auf, wie sie Penck für die Zeit der Erhebung der
Alpen zu Beginn der Miozänzeit annimmt (Lit. Nr. 6, S. 1138). Als
nächstjüngere Gruppe faßt er einige Schottervorkommen, vor allem
in der Mantscha (Graz, SW) zusammen, die er der Leithastufe zu-
rechnet und auch nach dem Vorgange von Stur (Lit. Nr. 7) als Leitha-
schotter bezeichnet. Damals hätte die Mur in einer Höhe von 500 m
in die Bucht gemündet, und zwar habe sie ihren Lauf im Gegensatz
zu heute westlich vom Plawutschzug genommen und dann im Kaiser-
wald, dessen Schotter von Penck (Lit .Nr. 6) für diluvial gehalten
wurden, einen Schuttkegel aufgebaut.
Ich kann dieser von Sölch vertretenen Meinung keineswegs
beistimmen. Von den Biöcken bei Gratwein ist nur eines mit Sicher-
heit zu sagen, nämlich daß sie unter den Bevledereschottern liegen.
Es ist aber bisher nicht gelungen, einwandfrei zu zeigen, daß beide
Ablagerungen verschiedenen Alters sind, ebensowenig wie sich mit
Sicherheit beweisen läßt, daß die Blöcke nur eine andere Fazies der
Schotter seien. Es sind daher meines Erachtens beide Meinungen nur
gleichberechtigte Vermutungen. Ich halte es für möglich, daß die
Blöcke aus einer Zeit sehr lebhafter Erosion, und zwar der vorpon-
tischen Erosion stammen. Vielleicht gelingt es mir, später darzutun,
daß man auch für diese Zeit eine Schuttverfrachtung annehmen kann,
wie sie Penck für den Beginn des Miozäns annimmt.
Auch die Abtrennung der sogenannten Leithaschotter halte ich
nicht für berechtigt. Sölch stützt sich dabei auf mehrere Beobach-
tungen, die er in Uebereinstimmung mit Stur an den Schottern in
der Mantscha gemacht hat. Diese Schotter sollen nämlich durch die
Verschiedenartigkeit des Materials, die Größe der Gerölle und den
Grad der Verwitterung von den übrigen Schottern abweichen. Diese
Eigenschaften, von denen Sölch bemerkt, daß sie außer in der
Mantscha, wo sie besonders charakteristisch ausgebildet sind, auch
sonst häufig in der Gegend beobachtet werden können, sind meiner
Ansicht nicht in dem Maße entwickelt, daß man deshalb eine solche
Abtrennung vornehmen müßte. In den Schottern der Grazer Bucht
finden sich öfters lokale Verschiedenheiten, ohne daß man diesen
deshalb eine besondere Bedeutung in der ganzen Schichtreihe bei-
messen dürfte. Im Gegenteil, die Schotter machen den Eindruck einer
einheitlichen Masse, so daß bisher kein Forscher zu einer solchen
Trennung gelangt ist. Auch Stur nimmt keine Scheidung der tieferen
Schotter von den höheren vor, sondern stellt überhaupt die Schotter
westlich der Mur jenen östlich von ihr gegenüber. Er tut dies aber
ohne wirkliche Begründung, nur um die Tatsache zu erklären, dab
die marinen Bildungen der Leithastufe nicht bis an den Gebirgsrand
reichen. Diese Meinung Sturs wurde aber später durch die Auffindung
sarmatischer Schichten in Thal (Graz, W) unhaltbar (Lit. Nr. 8).
Wenn auch nicht gesagt werden soll, daß eine solche Abtrennung,
ä 40%
296 Dr. A. Aigner. [4]
wie sie Sölch vornimmt, ganz und gar ausgeschlossen ist, so muB
doch, so lange nicht das Gegenteil bewiesen ist, an der Einheitlichkeit
der gesamten Schottermasse festgehalten werden.
Noch eines möchte ich dazu zu bedenken geben. Sölch bemerkt,
daß die Schotter der Mantscha tiefer als die sarmatischen Kalke von
Thal liegen. Ich habe aber südwestlich von Thal, bei der Forstwiese,
unter den Schottern Tegel mit sarmatischen Fossilien gefunden; diese
Schichten liegen aber nicht höher als die Schotter der Mantscha.
Die Lagerung der sarmatischen Schichten ist also derart, daß an
keiner Stelle eine Ueberlagerung der Schotter durch sarmatische
Schichten angenommen werden kann; im Gegenteil, die sarmatischen
Schichten sind zum Teil sicher von den Schottern überlagert oder
die Schotter erscheinen an jene angelagert. Es sind also bis jetzt
keine Erscheinungen beobachtet worden, die die Abtrennung eines
selbständigen Komplexes von Leithaschotterp rechtfertigen würde ; damit
ist natürlich die Behauptung, daß die Mur in mediterraner Zeit westlich
des Plawutsch floß nur eine Vermutung. Die Meinung, daß die Mur
einmal diesen Weg genommen, entspringt aus der Ansicht, daß sich
die Schotter aus dem Gratweiner Becken geschlossen über St. Oswald
gegen das Kainachtal fortsetzen, eine Ansicht, die nicht genügend
begründet ist, denn am rechten Gehänge des Schirdingtales, also nördlich
von St. Oswald, ragen aus den Schottern an mehreren Stellen
paläozoische Gesteine heraus, so daß hier der Zusammenhang
der Schotter in der Tiefe nicht mit Sicherheit behauptet werden
kann. Sehr unbegründet ist endlich die Bemerkung Sölchs, daß die
Mur in sarmatischer Zeit wahrscheinlich aus dem Gratweiner Becken
gegen Osten durch die Niederung nördlich der Kanzel überfloß. Dann
müßten die Schotter, die nördlich von St. Veit liegen, auch der
Leithastufe angehören oder wenigstens sarmatisch sein. Da für die
Schotter östlich der Mur an vielen Stellen das pontische Alter zu
erweisen ist, so ist wohl auch für diese hier das pontische Alter
wahrscheinlicher als irgendein anderes.
Sölch hält auch wie Stur die Schotter des Kaiserwaldes für
Leithaschotter. Er sagt, daß sie den Schottern bei der Mantschamühle
gleichen. Ich habe zwar die Kaiserwaldschotter nicht gerade mit jenen
von der Mantschamühle verglichen, aber ich habe wiederholt den
Eindruck gewonnen, daß sich die Kaiserwaldschotter von den Schottern
des nördlich anstoßenden Hügellandes, so des Haseldorfbergs, Pfalzbergs
usw. wesentlich unterscheiden, und mir ist die Aehnlichkeit der
Kaiserwaldschotter mit dem übrigen diluvialen Schotter des Murtales
aufgefallen. Ich habe zwar in meinen Studien über die eiszeitliche
Vergletscherung des Murgebietes (Lit. Nr. 9) die Kaiserwaldschotter
nicht behandelt, muß sie aber jetzt in Uebereinstimmung mit Penck
für Deckenschotter halten. In dieser Ueberzeugung wird man dadurch
bestärkt, daß sie eine ausgesprochene, mit Lehm bedeckte Terrasse
bilden, die dann auch noch weiter flußabwärts auftritt. Ihre Fortsetzung
sehe ich nämlich am linken Murufer in der großen lehmbedeckten
Terrasse, die sich südlich der Linie Ragnitz (Leibnitz, NO) — Wolfsberg
ausdehnt und dann weiter östlich in den Terrassen des Schweinsbach-,
des Weinburger- und Glauningwaldes. Hier war es mir an einigen
[5] Geomorphologische Studien über die Alpen der Grazer Bucht. 297
Aufschlüssen möglich, zu finden, daß die Schotter dieser höheren
Terrassen die gleiche Gesteinszusammensetzung besitzen wie die der
niedrigeren, deren diluviales Alter nicht bestritten werden kann; der
einzige Unterschied besteht im Grad der Verwitterung der Geschiebe.
Auch hier ist die Verschiedenheit dieser ältesten diluvialen Schotter
von den nördlich anstoßenden tertiären nach Winkler sarmatischen
(bei St. Peter a. O.) in die Augen springend.
Die Abtrennung mediterraner Schotter erscheint also nicht hin-
reichend begründet. Dagegen dürften einzelne Schotterpartien, die mit
den untermiozänen Schichten in Verbindung auftreten, untermiozänen
Alters sein. So spricht Petrascheck (Lit. Nr. 38) von Konglomeraten
im Köflacher Becken, die über den kohlenführenden Schichten liegen,
aber noch von den gleichen Störungen betroffen wurden, wie jene. Die
Hauptmasse der Schotter und Sande wird man aber als eine einheit-
liche Ablagerung pliozänen Alters auffassen müssen. An dieser Meinung
muß ich um so mehr festhalten, als östlich der Mur, wie schon erwähnt,
auch für die tiefsten Lagen der Schotter das pontische Alter paläon-
tologisch erwiesen ist (Lit. Nr. 10).
Auch halte ich es für unannehmbar, östlich der Mur die höheren
Schotter als eine selbständige Bildung den tieferen gegenüberzu-
stellen, etwa so, daß jene über pontischen Schichten als Schuttkegel
ausgebreitet worden wären. Der einzige Anhaltspunkt dafür wäre, daß
in den Schottern des Laßnitztunnels (Graz, SO) ein Zahn von Mastodon
arvernensis gefunden wurde, was, wie Bach zeigt (Lit. Nr. 4), darauf
hinweist, daß die höheren Schotter levantinisch sind. Da bisher sonst
von keiner Stelle für die levantinische Stufe bezeichnende Fossilien
gefunden wurden, so wäre es ja denkbar, daß gerade die Schotter
des Laßnitztunnels eine jüngere Einschaltung sind, vielleicht abge-
lagert in einem in die pontischen Schichten eingeschnittenen Tale.
Sonst sind keine Anzeichen zu finden, die es gestatten würden, die
höheren Schotter als eine spätere Auflagerung über die pontischen
zu betrachten; im Gegenteil, man bemerkt wiederholt eine Wechsel-
lagerung der Schotter mit den Sanden und Tegeln (vgl. dazu auch
Lit. Nr. 10) und muß so die Gesamtheit aller dieser Schichten als
einen einheitlichen Komplex betrachten. Wenn die Schotter des
Laßnitztunnels nicht eine lokal begrenzte jüngere Einschaltung sind,
würde eben eine aus der pontischen bis in die levantinische Stufe
hinaufreichende Ablagerung vorliegen.
Die Auffassung, daß alle diese Schichten Ablagerungen einer ein-
zigen Bildungsepoche der Grazer Bucht sind, wurde auch von Hörnes
(Lit. Nr. 11) vertreten. Er sagt, daß sich hier Ablagerungen aus
fließendem und stehendem Wasser vertreten. Hilber hat zuerst
(Lit. Nr. 10) die Schotter als thrakische Bildungen von den übrigen
pontischen getrennt, dann aber (Lit. Nr. 3) diese Meinung aufgegeben
und wenigstens für das Gebiet von Hartberg und Pinkafeld erklärt,
daß von einer Trennung der Schotter von den Tegeln nicht gesprochen
werden kann. Freilich können innerhalb dieser Schichtserie im
kleinen manche Diskordanzen bestehen und besonders sind solche
zwischen den Schottern und Sanden zu bemerken; sie sind durchaus
nur von lokaler Bedeutung und stören so das Gesamtbild nicht. Es
298 Dr. A. Aigner. [6]
traten eben während der Ablagerung Veränderungen ein, so daß ein
Gebiet vorübergehend Stromland war und dann vielleicht wieder von
stehendem Wasser bedeckt wurde. Im allgemeinen überwiegen die
Sande und ich möchte schon deshalb die Ablagerungen aus fließendem
Wasser nicht durchaus kurzerhand als Schuttkegel bezeichnen.
Westlich der Mur haben die Ablagerungen ja in mancher Hin-
sieht einen etwas abweichenden Charakter, aber die Verschiedenheiten
sind keineswegs so bedeutend, daß man für dieses Gebiet eine ab-
weichende Entwicklung annehmen müßte. Hier im Westen fehlen die
Tegel, dafür treten häufig Lehme auf. Bezüglich der in der Literatur
öfter genannten, „mit Lehm gemischten Schotter“ möchte ich bemerken,
daß da sehr leicht eine Täuschung unterlaufen kann, indem meist
nur die an den Gehängen verrutschten Schotter diesen Eindruck
machen. Sehr stark sind Sande vertreten; auch noch weit im Westen,
nördlich von Voitsberg, kann man einen wiederholten Wechsel zwischen
Sand und Schotter bemerken.
Ich halte alle Schotter, Sande, Tegel und Lehme westlich und
östlich der Mur, soweit sie nicht als sicher untermiozän oder sar-
matisch erkannt wurden, für zusammengehörige Bildungen. Ihrer Ab-
lagerung ging jedenfalls eine Zeit der Erosion, die vorpontische Erosion,
voraus. Die Spuren dieser vorpontischen Erosion wurden von Hörnes
weithin verfolgt (Lit. Nr. 12). In unserem Gebiet spricht für sie, wie
schon Hilber auseinandergesetzt hat (Lit. Nr. 10), vor allem die
Art des Auftretens der sarmatischen Schichten unter den überlagernden
pontischen. Ferner weist er darauf hin, daß die pontischen Schotter nörd-
lich der Kanzel und auch nördlich von St. Stephan a. G. in der Tiefe
in einer engen Rinne, also in einer Erosionsfurche zu liegen scheinen.
Ich habe auch schon früher das Vorkommen von Blöcken mit dieser
vorpontischen Erosion in Zusammenhang gebracht, freilich ohne dafür
einen besseren Anhaltspunkt finden zu können als den, daß die Blöcke
eben unmittelbar unter den Schottern liegen. Die Frage, ob eine
einzige Aufschüttung aus der pontischen bis in die levantinische
Stufe fortgedauert hat oder ob die Schotter mit Mastodon arvernensis
nur eine spätere Einschaltung sind, die vielleicht auch noch an
anderen Stellen vorhanden sein könnten, läßt sich schwer entscheiden ;
vielleicht bringen spätere Untersuchungen sichere Aufklärungen in
dieser Hinsicht.
II. Die Umbildungsepochen der Grazer Bucht und die
pliozäne Landoberfläche.
Sollen nun die Ergebnisse der geologischen Erforschung der
Grazer Bucht für die morphologische Betrachtung des Gebirges ver-
wertet werden, also eine zeitliche Einordnung des Ablaufs der Formen-
entwicklung in die durch die Schichtfolge gegebenen Umbildungs-
epochen der Bucht gefunden werden, so handelt es sich darum,
die Lagen des Meeresspiegels, beziehungsweise wenn die Bucht nicht
von Wasser bedeckt war, der Landoberfläche, d. h. also für den Ge-
Ka Geomorphologische Studien über die Alpen der Grazer Bucht. 299
birgsrand die jeweiligen Lagen der Frosionsbasis oder allgemeiner
des unteren Denudationsniveaus zu suchen.
Für die Miozänzeit wird man in dieser Hinsicht in der Grazer
Bucht kaum zu einem befriedigenden Ergebnisse gelangen können.
Ist es vielleicht verlockend, aus der Höhe manches Leithakalkstockes
der Grazer Bucht, so des Buchkogels bei Wildon, Schlüsse zu ziehen
auf die Höhe des Meeresspiegels, so steht dem die Tatsache gegen-
über, daß in der Grazer Bucht in nachmediterraner Zeit sicher noch
bedeutende Niveauänderungen, Hebungen und Senkungen, stattgefunden
haben. Es soll hier nur darauf hingewiesen werden, daß die mediter-
ranen Schichten nicht an den Gebirgsrand herantreten, ein Umstand,
der Stur (Lit. Nr. 7) zur Aufstellung der Hypothese von der Hebung
der Zentralalpen veranlaßt hat und daß sich bei Graz zwischen die
Mediterranschichten und den Gebirgsrand sarmatische Schichten in
hypsometrisch tiefer Lage einschieben; Hörnes hat diesen Erschei-
nungen eine eingehendere Darstellung gewidmet (Lit. Nr. 11). Zunächst
hat A. Winkler (Lit. Nr. 23) gezeigt, daß in der Grazer Bucht noch
erhebliche nachmediterrane Störungen eingetreten sind. Auch bei der
sarmatischen Stufe ist es nicht möglich, mit einiger Sicherheit die
einstige Spiegelhöhe zu finden, denn einerseits wurden die sarmatischen
Schichten stark abgetragen und anderseits erfuhren auch sie jedenfalls
noch eine beträchtliche Störung (vgl. dazu Winkler).
Anders liegen die Verhältnisse bei den Schichten der nächst-
jüngeren Entwicklungsepoche der Grazer Bucht. Pontische Schotter
und Sande liegen in Buchten des Gebirges und es sind keine An-
zeichen zu finden, die die Meinung stützen würden, daß das Rand-
gebirge und wenigstens die randlichen Teile der Bucht seit der pon-
tischen Zeit tektonisch verschiedene Wege gegangen wären; im Gegen-
teil man gewinnt den Eindruck, daß diese Gebiete seither tektonisch
die gleichen Schicksale erlebt haben.
Wie hoch nun die pliozäne Aufschüttungsfläche in der Grazer
Bucht und damit für das benachbarte Gebirge das untere Denudations-
niveau lag, das läßt sich freilich nicht ohne weiteres entscheiden.
Denn ich möchte nicht die auf den paläozoischen Höhen der Um-
gebung von Graz isoliert liegenden und auch sonst am Gebirgsrande
in ähnlicher Lage öfter vorkommenden Schotter von vornherein für
pliozän halten. Hält man diese Schotter für pliozän, dann nimmt man
an, daß die pliozäne Aufschüttung bis zu diesen bedeutenden Höhen
emporgereicht hat. Aus einer solchen Annahme ergeben sich aber so
weitgehende Folgerungen, daß man die Frage nach dem Alter jener
Schotter nur auf Grund einer eingehenden Untersuchung erledigen
kann. Auf keinen Fall aber kann man aus den Höhen der aus Schotter
gebildeten Hügelkämme der Grazer Bucht einen Schluß ziehen auf die
Höhe der pliozänen Aufschüttungsfläche. Die morphologische Betrach-
tung der mittelsteirischen Hügel lehrt unzweifelhaft, daß hier eine
starke Abtragung stattgefunden hat. Den Ausdruck „intakte Riedel-
fläche“ möchte ich auf keinen Fall so anwenden, wie dies Sölch tut.
Mir ist mit Ausnahme einiger ausgedehnterer Ebenheiten nördlich von
Fürstenfeld und mit Ausnahme der zahlreichen diluvialen Terrassen
im ganzen mittelsteirischen Hügelland kaum eine Stelle bekannt, die
300 Dr. A. Aigner. [8]
diese Bezeichnung zulassen würde. Im Gegenteil, die Kämme der
Hügelzüge sind zum Teil recht schmal und wo Verbreiterungen auf-
treten, haben wir Rücken vor uns, deren flache Formen einem spä-
teren pliozänen Entwicklungsstadium der Landschaft mit höherem
unterem Denudationsniveau als das heutige entsprechen. Es ist ja viel-
leicht verlockend, aus den Höhen der Hügelkämme die alte Aufschüt-
tungsfläche zu rekonstruieren und Reste von ihr allenfalls in den aus-
gedehnten Flächen zwischen Raab und Zala im westlichen Ungarn zu
sehen. Man bekäme so die Oberfläche eines großen Schuttkegels.
Sprechen meiner Ansicht schon die geologischen Verhältnisse nicht
dafür, so noch viel weniger die morphologischen.
Das ganze mittelsteirische Hügelland zeichnet sich im großen und
ganzen durch eine morphologische Gleichartigkeit aus; vor allem ist
da die Anordnung des Flußnetzes in die Augen springend.
Dessen wesentlichste Eigentümlichkeiten bestehen in einer weit-
gehenden Asymmetrie und in stets wiederkehrenden bestimmten Lauf-
richtungen der Gewässer. Schon Rolle (Lit. Nr. 13) hat auf diese Er-
scheinungen hingewiesen und Hilber hat über die Asymmetrie ge-
handelt (Lit. Nr. 14). Dies spricht dafür, daß das ganze Hügelland
bis südlich zur Drau aus einer großen Ausgangsform herausgearbeitet
worden ist. Diese Ausgangsform kann nur die pliozäne Aufschüttungs-
fläche gewesen sein, die jedenfalls auch in jenen Teilen der Grazer
Bucht bestanden haben muß, in denen heute pontische Schichten
fehlen, nämlich westlich der Linie Mur—Kainach und in den Win-
dischen Büheln. Auf keinen Fall darf man aber Formen des heutigen
Hügellandes mit vorpontischen Zuständen in einen Zusammenhang
bringen wie Sölch, der es bemerkenswert findet, daß die Zertalung der
Landschaft im Westen der Bucht nicht weiter vorgeschritten ist als
im Osten. Die pliozäne Aufschüttung war eben ein Prozeß, der die
Spuren der früheren Entwicklung vernichtet und dann die Grundlage
für eine neue Entwicklung geschaffen hat.
Aus dem Hügellande ragen aber zwei Gebiete hervor, die Hügel-
kämme ziemlich an Höhe übertreffend, die aus paläozoischen Gesteinen
aufgebaute Berggruppe des Sausal und das Gleichenberger Eruptiv-
gebiet. Im Sausal ist an keiner Stelle eine ausgesprochene Ver-
ebnungsfläche zu erkennen, die sich zwischen die Kammhöhen dieses
Gebiets und jene des Hügellands einschieben würde. Den morpholo-
gischen Auseinandersetzungen von Terzaghi und Leitmeier (Lit.
Nr. 15) kann ich ganz und gar nicht beipflichten; die von ihnen be-
schriebenen Formen können bei einer strengen morphologischen Be-
urteilung nicht als Verebnungen angesprochen werden. (Die von
Leitmeier in seiner Karte angegebenen Flußgerölle kommen nicht
in Betracht, denn sie liegen nicht höher als sonst die pliozänen
Schotter.) Bemerkenswert sind aber die schon von Rolle als epi-
genetisch erkannten Flußdurchbrüche des Sulm. Aus diesen geht die
Existenz einer ziemlich hoch gelegenen Talebene hervor, auf der
die Sulm ihren Lauf gegen Osten genommen hat. Noch merkwürdiger
ist aber eine andere, auch schon von Rolle hervorgehobene Tat-
sache. Die Anordnung des Talnetzes ist nämlich im Sausal ganz die
gleiche wie im benachbarten viel niedrigeren Hügellande. Auch hier
[9] Geomorphologische Studien über die Alpen der Grazer Bucht. 301
finden wir ausschließlich die meridionalen Täler und die asymmetrische
Lage der Wasserscheide. So unterscheidet sich dieses Bergland nur
durch steilere Formen, die auf die größere Widerstandsfähigkeit der
Gesteine zurückzuführen sind, vom Hügellande. Diese morphologische
Harmonie legt den Gedanken nahe, daß der Entwicklung beider die
gleiche Ausgangsform zugrunde lag.
Während also im Sausal keine Verebnungsfläche über der Höhe
der benachbarten Tertiärhügel festzustellen ist, finden wir eine solche
im Gleichenberger Eruptivgebiet bei Hochstraden in einer Höhe von
568 m. Es ist ein deutlich ausgeprägtes und ziemlich ausgedehntes
Plateau und im Basalt ausgebildet. Da der Basalt pontischen Alters
ist, muß diese Fläche entweder spätpontisch oder wahrscheinlich noch
Jünger sein. Winkler beobachtet gleichfalls diese Form (Lit. Nr. 34)
und bewertet ihre morphologische Bedeutung. Die runde Kuppe des
Stradnerkogels hält er für einen Teil eines über jenes Niveau sich
erhebenden Hügellandes. Als weitere Zeugen der einstigen Land-
oberfläche betrachtet er Terrassen im benachbarten Trachytgebiet von
Gleichenberg in einer Höhe von 520 m. Diese Formen sind aber bei
weitem nicht so schön ausgeprägt wie die genannte Ebenheit von
Hochstraden. Winkler hält alle diese Formen für mittelpliozän
und meint, daß sich damals eine stark abgetragene Basaltlandschaft
abgesenkt habe, allmählich übergehend in die von pliozänen Sedimenten
aufgebaute Ebene, sich erstreckend bis an die näheren oder ferneren
Ufer des pontischen Sees. Die Formen des Stradnerkogels zeigen,
daß zur Zeit, als die Täler im Niveau von Hochstraden lagen, die
Besaltberge schon eine beträchtliche Abtragung erfahren haben
müssen. Es erscheint sonach sicher, daß zwischen die Zeit der Ba-
salteruptionen und die Zeit der Ausbildung des Niveaus von Hochstraden
ziemlich viel Zeit verstrichen sein muß.
Die Frage, ob dieses Niveau in die Zeit der höchsten Lage des
pontischen Sees fällt, läßt sich geologisch nicht entscheiden. Mir
scheint es aber aus morphologischen Gründen sehr wahrscheinlich zu
sein, daß das Niveau von Hochstraden einem späteren, also mittelplio-
zänen Stadium der Entwicklung der Landoberfläche entspricht. Ich halte
es also für wahrscheinlich, daß auch hier die pontische Ausgangsform
höher lag. Denn wie im Sausal bemerken wir auch im Gleichen-
berger Eruptivgebiet, daß die Anlage der Täler fast ganz unabhängig
ist von der Ausdehnung der vulkanischen Gesteine. Auch hier finden wir
Durchbrüche, die man wohl nur epigenetisch erklären kann und auch
hier liegt die Wasserscheide wie westlich davon im niedrigeren Hügel-
lande asymmetrisch,
So erscheint es naheliegend, anzunehmen, daß die pliozäne Auf-
schüttungsfläche der Grazer Bucht höher lag als die höchsten Erhebungen
des Sausals und des Gleichenberger Gebiets; sie wäre also westlich
der Mur rund 700 m gelegen gewesen und im Osten immer noch
wesentlich über 600 m. Man wird dem vielleicht entgegenhalten, daß
diese morphologische Uebereinstimmung so verschieden hoher Gebiete
auch bei ganz verschiedenen Ausgangsformen entstanden sein könnte,
wenn nur die Kräfte, die für die Anlagen des Flußsystems maßgebend
waren, in beiden Fällen dieselben waren. Man wird aber bei ein-
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1916, 66. Bd., 3. u. 4. Hft. (A. Aigner.) 41
309 Dr. A. Aigner. [10]
sehender Ueberlegung kaum solche Kräfte finden können, die die
Entwicklung aus verschieden alten Ausgangsformen zu dem gleichen
Ergebnisse erklären könnten. In diesem Zusammenhange möchte
ich noch auf eine auffällige Erscheinung hinweisen. Etwas östlich des
Gleichenberger Gebietes geht das Hügelland allmählich in die aus-
sedehnten Riedelflächen zwischen Raab und Zäla über; diese sind
nach einer freundlichen Mitteilung des Herrn Prof. Loczy von
Schottern bedeckt. Hier ist die Anordnung des Flußnetzes eine ganz
andere als im benachbarten steirischen Hügellande und ich denke
mir, daß hier eine jüngere pliozäne Aufschüttungsfläche vorliegt, auf
der dann Täler von ganz abweichenden Richtungen angelegt wurden.
Das Material zu dieser jüngeren pliozänen Aufschüttung wäre von
der Raab und ihren Nebenflüssen den älterpliozänen Schottern Mittel-
steiermarks entnommen worden. Diese zum zweitenmal abgelagerten
Schotter wären ungefähr ein Aequivalent der jüngsten pliozänen
Donauschotter bei Wien,
So ist es vor allem auf Grund morphologischer Betrachtungen
möglich, über die pliozänen Zustände der Grazer Bucht Vorstellungen
zu gewinnen. Nach der vorpontischen Erosionsepoche setzt eine be-
deutende Aufschüttung ein, deren Produkt eine weit über den Kämmen
des Tertiärhügellandes gelegene Fläche — jedenfalls von Gestalt
mehrerer nebeneinander liegender Schwemmkegel — ist. Diese Auf-
schüttung ist der letzte wichtige Abschnitt der Entwicklung der Grazer
Bucht vor der Eintiefung der heutigen Täler. Deren Bildung ging auch
nicht ohne Unterbrechungen vor sich; auf diese hat Sölch hinge-
wiesen und Hilber hat ihnen für die Umgebung von Graz eine
eingehende Darstellung gewidmet (Lit. Nr. 16). So zahlreich auch die
Spuren von späteren Stillständen der Erosion sind, so kann doch kein
einziger für die Ausgestaltung des Randgebirges nur annähernd eine
solche Bedeutung gewonnen haben wie die Zeit der großen pliozänen
Aufschüttung. Die während dieser Zeit der ständigen Hebung des
unteren Denudationsniveaus im Gebirge entstandenen flacheren Ober-
flächenformen mußten dann bis zu einem gewissen Grade die Aus-
gangsformen für die weitere Iintwicklung und damit jedenfalls auch
für das heutige Relief werden.
III. Die Oberflächengestaltung des Gebirgsrandes.
Schon bei oberflächlicher Betrachtung des Randgebirges der
Grazer Bucht fallen die oft sehr breiten Kämme auf, deren Firstlinien
vielfach auf längere Erstreckung hin ungefähr die gleiche Höhe bei-
behalten. Zu ihnen gesellen sich dann in der Höhe flache Gehänge
und manchmal Formen die sich auf den ersten Blick auf alle Tal-
böden zurückführen lassen. Es treten also in der Höhe Formen auf,
die in entschiedenem Gegensatze stehen zu den steileren Formen der
tieferen Tallandschaften. — Sölch hat jüngere und ältere Formen
voneinander unterschieden. Ohne darauf näher einzugehen, nimmt er
von den älteren an, daß sie vor dem Einbruch der Grazer Bucht ent-
[11] Geomorphologische Studieu über die Alpen der Grazer Bucht. 303
standen seien. Auch Winkler (Lit. Nr. 35) hält es für möglich, daß
die im Bereiche der Umrandung der Grazer Bucht und im Bachern mit
großer Deutlichkeit zu erkennenden „Terrassen“ alttertiär, wahr-
scheinlich oligozän seien. An mehreren Stellen finden sich mit den
alten Formen in Verbindung hochgelegene Schotter, die der morpho-
logischen Betrachtung natürlich sehr wichtige Anhaltspunkte bieten
und so das Bild des alten Reliefs entschleiern helfen. Bei der Durch-
führung einer Formenanalyse des Gebirgsrandes stellte sich aber die
Notwendigkeit heraus, dafür eine sichere theoretische Grundlage zu
gewinnen. Im Laufe meiner Untersuchungen habe ich mich von fol-
gendem Gedankengange leiten lassen.
Die meisten der in die Grazer Bucht mündenden Täler haben
V-förmigen Querschnitt, es sind Täler, in denen die Erosion noch
mehr oder weniger lebhaft an der Vertiefung arbeitet. In diesen
Tälern ist die Gestaltung der Gehänge abhängig von der Erosion.
Wo Sohlentäler auftreten, ist der Prozeß der Talbildung infolge von
lokalen Verhältnissen — geringere Widerstandsfähigkeit des Gesteins
oder größere Wassermengen — schon weiter vorgeschritten; die
Gehänge sind da freilich schon mehr in Ruhe, zeigen aber vielfach
die Spuren gegenwärtiger oder noch nicht lange vergangener Unter-
grabungen. Die Gestalt der Kämme endlich ist wieder abhängig von
dem Zustande der Gehänge; wo diese sich noch nicht im Gleich-
gewichtszustande befinden, haben die Kämmme Gratformen, wäh-
rend sie bei im wesentlichen ruhenden Gehängen schon mehr oder
weniger gerundet erscheinen, also Rückenformen besitzen. Die Formen
aller dieser Täler, der Kerb- und Sohlentäler, ihre Gehänge und die
dazugehörenden Kämme sind danach als die Formen eines einzigen
Prozesses zu betrachten; sie sind gleichalt, wenn sie auch im ein-
zelnen betrachtet verschieden aussehen, also einen verschiedenen
Reifegrad besitzen mögen. Daneben treten aber Formen auf, die sich
nicht allein auf das heute wirkende Kräftesystem zurückführen lassen.
Ihre Erscheinung steht in einem Mißverhältnis zu den jetzt wirken-
den Faktoren. In ihnen sind noch ältere Formen als Ausgangsformen
zu erkennen, sie sind nicht ausschließlich von den vor unseren Augen
wirkenden Kräften geschaffen worden, sondern man erkennt vielmehr,
daß diese Kräfte an der Vernichtung einer alten Form arbeiten, daß
es ihnen aber noch nicht gelungen, diese ganz auszutilgen und ganz
ihrem System zu unterwerfen. Diese Formen müssen als die Ruinen
eines alten Reliefs von den übrigen getrennt werden. Diese Scheidung
ist nur möglich unter Berücksichtigung aller örtlich wirkenden Faktoren;
sie soll aber nicht darauf hinauslaufen, alle Erscheinungen nach einer
bestimmten Terminologie in ein festes System zu bringen. Bei der
Mannigfaltigkeit und der tausendfältigen Abstufung der an der Ober-
flächengestaltung wirkenden Faktoren müssen die Erscheinungen auch
überaus verschieden sein und so glaube ich, daß ein Verzicht auf
eine bestimmte, sehr ins Einzelne gehende Terminologie, was vielleicht
als ein Mangel erscheinen mag, der Formenanalyse nur zum Vorteil
gereicht, indem dadurch die Untersuchung an Vorurteilslosiekeit
gewinnt. Mit diesen Gesichtspunkten, von denen ich mich schon seit
Jahren leiten ließ. ohne. diesen Standpunkt öffentlich zu vertreten,
41*
304 Dr. A. Aigner. | [12]
glaube ich mich in Uebereinstimmung zu befinden mit S. Passarge,
der in seiner Physiologischen Morphologie Kap. V (siehe Lit. Nr. 17)
ähnliche Gedanken äußert. Ich wende deshalb jetzt die von ihm ge-
prägten Ausdrücke „harmonisch“ und „disharmonisch“ für die beiden
Formengruppen an und nenne weiterhin, wie er alle Erscheinungen,
die durch die heutigen abtragenden und aufschiebenden Faktoren er-
klärt werden können, harmonisch, dagegen disharmonisch alle die-
jenigen Erscheinungen, die durch die heutigen Kräfte nicht erklärt
werden können.
Aus den disharmonischen Formen werden die Ausgangsformen,
also Teile des einstigen Reliefs rekonstruiert. Wo aber die Wirkungen
der heutigen Kräfte sehr gering sind oder ganz fehlen, liegen über-
haupt Stücke des früheren Reliefs vor; dabei bleibt meist noch die
Frage zu lösen übrig, welchem einstigen unteren Denudationsniveau
diese Formen entsprechen.
Wie notwendig eine solche theoretische Ueberlegung als Grund-
lage für die morphologischen Untersuchungen ist, ist schon daraus zu
erkennen, daß man in der Literatur oft ungeklärten Ansichten über die
Bedeutung einzelner Formenelemente begegnet und daß besonders
häufig Formen als Reste alter Talböden bezeichnet werden, wo eine
solche Auffassung dann bei eingehender kritischer Untersuchung keines-
wegs aufrecht bleiben kann. Ich möchte für unser Gebiet nur darauf
hinweisen, daß von Sölch der Ausdruck „intakte Riedelfläche“ sehr
mit Unrecht angewendet wird, daß Leitmeier und besonders
Terzaghi (Lit. Nr. 15) Formen als Stufen bezeichnen, wo dies ohne
näheren Beweis keineswegs berechtigt ist. Auch Hilber (Lit. Nr. 16)
scheidet manche Formen, für die man zu einer solchen Erklärung
wohl nicht zu greifen braucht als selbständige Stufen aus.
Wie schon erwähnt, finden sich auf den Höhen um die Grazer
Bucht an mehreren Stellen in großer Höhe, von den Tertiärschichten
mehr oder weniger getrennt, Schotter. Zum Teil sind sie in der Literatur
schon besprochen, so vor allem die Schotter, die nördlich von Graz
auf den Abhängen des Schöckelstockes bei Kalkleiten, Zösenberg usw.
oder etwas weiter westlich davon in der Gemeinde Schattleiten vor-
kommen. Sie wurden zuerst von Peters, dann von Hilber und
Hörnes behandelt (Lit. Nr. 18, 10, 11). Westlich der Mur hat
Hilber auf dem Straßenglerberg Schotter gefunden und W. Schmidt
spricht von solchen, die nördlichvon Voitsberg auf den Höhen von Hoch-
tregist und nordöstlich vom Hochkogel bei Punkt 633 gefunden wurden
(Lit. Nr. 19). Auch aus dem Gebiete östlich der Mur sind Schotter
bekannt, so vor allem bei Pöllau, wo sie von Hilber (Lit. Nr. 3)
und Eigel (Lit. Nr. 20) nachgewiesen wurden und bei Vorau, die
ebenfalls Hilber erwähnt. Zum Teil sind diese Schottervorkommen
schon in der Karte von Stur eingetragen. Hörnes und Hilber,
und ihnen folgt auch Sölch, stellen diese Schotter aus verschiedenen
Gründen, die vorläufig nicht erörtert werden sollen, zu den pontischen
Schottern; Hilber betont aber, daß man sie ebensogut auch für älter
halten könne. Es soll hier auf diese Altersfrage noch nicht eingegangen
werden, sondern diese Schotter sollen uns nur als Ausgangspunkte
für die morphologische Betrachtung dienen.
[13] Geomorphologische Studien über die Alpen der Grazer Bucht. 305
Wir wollen die Betrachtung in der Gegend von Voitsberg und
Köflach beginnen. Hier erreichen die zusammenhängenden Schotter
Höhen von über 600 m. Von ihnen isoliert liegen einige Schotter,
die diese Höhen nicht erreichen. Von ihnen rechne ich die Schotter,
die ich nördlich des Zigöller (Köflach, Nord) fand, wegen der Aehn-
lichkeit mit den übrigen, zu den pliozänen Schottern. Dagegen muß
ich die spärlichen Schotter auf dem Rücken zwischen Kainach und
Gößnitz und auf einer Terrasse des Gößnitztales (bei Puchbach) aus
morphologischen Gründen für jünger halten; sie wurden abgelagert,
als die große pliozäne Aufschüttungsfläche zertalt wurde. Im Gegensatz
zu diesen liegen weiter südlich bei St. Martin Schotter in 700 m Höhe,
also höher als die zusammenhängenden pliocänen Schotter. Sie liegen
auf Rücken, deren Riedelformen zum Teil noch gut zu erkennen sind.
Es war also in dieser Höhe ein Talniveau. Bedeutend höher liegen
aber die Schotter nördlich von Voitsberg, auf den beiden Rücken von
Hochtregist; auf dem Hochkogel erreichen sie die Höhe von 792 m.
Die Rücken zeigen durchaus eine starke Abtragung. Wie hoch die
Schotterfläche lag, läßt sich also nicht genau feststellen; 800 m ist
ein Minimum. Der östlich benachbarte Rücken zwischen Söding- und
Liebochgraben ist, wie eine morphologische Untersuchung ergibt, auf
eine Ausgangsform zurückzuführen, die mit dem einstigen Talniveau
von Hochtregist übereinstimmen dürfte.
Interessant ist, daß sich aus den morphologischen Verhältnissen
des Teigitschgebietes (Köflach-Voitsberg, S) auch ein Schluß auf die
Existenz einer einstigen, über 800 m hoch gelagerten Flußebene ergibt.
Es weist darauf hin, daß die Höhenentwicklung des Rückens, der von
Edelschrott links der Teigitsch gegen Ost zieht, in auffälligem Gegen-
satz steht zu den Gefällsverhältnissen der Teigitsch selbst. Die Kräfte,
die heute an der Umgestaltung der Formen arbeiten, haben die Höhen-
entwicklung dieses Rückens nicht bedingt. Es liegen also in ihm Er-
scheinungen vor, die gegenüber den heutigen Fakt